Tholuck, August - Apostolikum - Predigt 3

Tholuck, August - Apostolikum - Predigt 3

Gemeinde des Herrn, vernimm in Andacht das Wort des Apostels, auf welches auch der heutigen Predigt Inhalt sich beziehen wird, jenes Himmel und Erde, das Vor, das Jetzt und das Hernach umfassende Wort, womit er das 11te Kap. an die Römer beschlossen hat: „Von ihm, durch ihn und zu ihm sind alle Dinge.

Ich glaube an den eingebornen Sohn Gottes,“ das war derjenige Theil des apostolischen Glaubensbekenntnisses, den wir zu erwägen begonnen haben. In einer früheren Stunde der Andacht hatte unsere Betrachtung sich in den Vater versenkt, von dem alle Dinge geworden sind; wir haben sie zuletzt zu dem Sohne hingewendet, durch den sie geworden sind. Durch ihn sind alle Dinge geschaffen im Himmel und auf Erden; durch ihn hat alles, was Mensch heißt, durch ihn habe auch ich eine ewige Erlösung gefunden: das war das Thema unserer letzten Betrachtung gewesen. Wir hatten nun diese Erlösung näher kennen lernen wollen, und haben darum gefragt: was die Wurzel sei dieser Erlösung, und wir empfingen die Antwort: „Gott ist erschienen im Fleisch.“ Daß Gott dem Menschen so nahe gekommen, daß in demjenigen, der ein Glied in der Menschheit Kette wurde, „die Fülle der Gottheit gewohnt hat“: das haben wir erkannt als die Wurzel des herrlichen Baums der Erlösung, darum weil es dasjenige ist, was allem Thun und allem Leiden Jesu einen ewigen Werth gegeben hat, darum weil alles Thun und Leiden des Herrn ein vergängliches wäre, wäre es nur das von einem Menschenkinde wie du und ich, weil es aber nun, da es das Thun ist des „Herr n vom Himmel“, ein ewiges und überschwengliches ist. Wir wenden nunmehr heut den Blick auf jene Worte des zweiten Artikels, in denen die Aeste des Baumes der Erlösung uns dargestellt werden: „empfangen vom heiligen Geiste, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontio Pilato, gestorben, begraben, niedergefahren zu den Todten, auserstanden und aufgefahren gen Himmel, fitzend zur Rechten Gottes, von dannen er kommen wird zu richten die Lebendigen und die Todten.“ Das alles, sage ich, sind die Aeste der Erlösung, denn in dem allen hat sie sich würksam erwiesen, in dem allen hat die Menschwerdung Gottes ihre Würklichkeit und ihre Kraft bewährt. Was ihr nun hier als einzelne Thatsachen vernommen habt, das hat die Heilige Schrift und die christliche Kirche in zwei Zustände zusammengefaßt, in den Zustand der Erniedrigung und in den Zustand der Erhöhung. Der Zustand der Erniedrigung des Gottessohnes reicht von der Krippe in Bethlehem bis an das stille Grab: hier nämlich, im stillen Grabe des Joseph von Arimathia ist der Wendepunkt gewesen, wo der Knecht zum Könige geworden ist, da ist der Tod verschlungen worden in den Sieg, und der Sieger hat sich erhoben, und hat über einer erlösten Welt die Siegesfahne geschwungen, und sich gesetzt zur Rechten Gottes, von dannen er kommen wird zu richten die Lebendigen und die Todten. So sei denn der heutige Gegenstand unserer Andacht die Erniedrigung und die Erhöhung des Herrn und ihre Beziehung auf unsere Erlösung.

Auf die Niedrigkeit des Herrn richten wir unsern Blick zuerst und betrachten ihre Beschaffenheit und ihre erlösende Kraft. - Wir betrachten ihre Beschaffenheit. Jener Mensch, der dort in Galiläa stand und nicht hatte, wo er sein Haupt hinlege, dem die Liebe seiner Jünger das Obdach gewährte und die Dankbarkeit seiner Freunde den Lebensunterhalt, dieser selbige Mensch, der auf Erden kein Eigenthum hatte, spricht von sich aus, daß alle Gewalt ihm übergeben sei im Himmel und auf Erden, und daß sein geistiges Bewußtseyn hinausreiche über die Schranken der Zeit. Als dort im Evangelium, ihn höhnend, die Juden fragen, wie er den Abraham könne gesehen haben, da er nicht einmal das fünfzigste Lebensjahr erreicht habe, da spricht er das Wort aus: „ehe denn Abraham war, war ich,“ und wiederholt giebt er die Sehnsucht kund, sich dahin zu erheben, woher er gekommen. „Nun ist des Menschensohn verkläret - so sagt er noch vor der Leidensstunde - und Gott ist verkläret in ihm; ist aber Gott verkläret in ihm, so wird ihn auch Gott verklären in ihm selbst und wird ihn bald verklären.“ „Nun verkläre mich - so ruft er, heiliger Sehnsucht voll, im letzten Gebete - du, Vater, bei dir selbst mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“ Für denjenigen, in welchem die Gottheit und Menschheit vollkommen in Einem vereinet war, konnte auch die Zeit keine undurchdringliche Schranke seyn; wie er seinem menschlichen Daseyn nach sich entstanden wußte in der Zeit, so mußte er sich auch feinem göttlichen Seyn nach außer aller Zeit in der Ewigkeit wissen. Er hat aber den Himmel verlassen mit aller seiner Herrlichkeit, d. h. er hat das schrankenlose Seyn des reinen Geistes verlassen, und ein Genosse ist er geworden unserer Niedrigkeit, und alle Schranken des armen Menschenlebens von dem Mutterschooße bis zur stillen Grabeskammer - er ist in sie hineingetreten und der König ist zum Knechte geworden. Laßt unsern Blick, wie es schon manchmal geschehen ist, auf dem Himmelskönig in seiner Erniedrigung ruhen; aber nicht als Himmelskönig wollen wir ihn betrachten, sondern nur als den Menschenfreund - ist er doch auch das gewesen und bricht doch auch bei dieser Betrachtung über seiner Liebe unser Herz. Schauet ihn zuerst an den unvergleichlichen Menschenfreund, wie er in die Verlassenheit und Einsamkeit getreten ist, als er in die Menschheit eintrat. Habt ihr es erfahren, was es heiße, mit einem Herzen voll großer Gedanken und heiliger Gefühle mitten unter den Menschen ein Einsamer zu seyn? Vielleicht daß der eine oder der andere von euch, ihr Jünglinge, es einst erfahren wird, wenn er als Seelsorger allein stehen wird in der Gemeinde, die ihn nicht versteht, aus deren Herzen, mag er den Jubelton der Erlösten anstimmen oder das Angstgeschrei des gequälten Gewissens, kein Niederhalt ihm entgegen kommt! Der Menschenfreund Jesus war ein Einsamer in der Welt. Wie durchaus unfähig damals seine Jünger waren ihn zu verstehen, zeigt euch die Geschichte. Zwar hat einer von ihnen an seiner Brust gelegen, aber auch der hatte damals noch nicht aus dem Geistesstrom getrunken, der Göttliche liebte ihn nicht wegen deß, was er vermögend war zu geben, sondern wegen deß, was er schon damals im Verhältnisse zu den Andern zu empfangen fähig war und allmählig immer mehr wurde. Und diese seine Jünger, sie bilden wie den engsten so den liebsten Kreis; denn in weiterem Kreise, da seht ihr um ihn her Fleischessinn, den trägen Uebermuth, den Haß und den giftigen Hohn; da hat ein Kaiphas in seinen Weg sich hingestellt und ein Herodes und ein Judas, - und nicht genug, daß so das Böse in jeglicher seiner Gestalten sich um ihn hergelagert, ach da hat auch jedes Elend der Erde seine Boten abgesendet, und von des Morgens Frühe bis zum Dunkel des Abends sehet ihr ihn umringt von allem, was dem menschlichen Herzen Jammer, ja Grauen erweckt, von den Stummen und von den Tauben, von den Gichtbrüchigen und von den Mondsüchtigen, von den Aussätzigen und von Besessenen - lesen wir doch, daß selbst die Speise zu genießen ihm die Zeit gemangelt habe (Marc. 6, 31.). Ja und wenn er nur ein Menschenkind gewesen ist, wie du und ich, - im Innersten müßte uns die herablassende Liebe des menschlich-hohen Geistes beschämen! Aber der, welcher in dieser Umgebung gesucht hat, was verloren war, war nicht ein bloßer Menschenfreund, er war der König des Himmels, und erschütternd sind die Stellen der Schrift, aus denen man erkennt, wie das Bewußtseyn davon ihn nicht verlassen hat, die Aussprüche, aus denen es hervorbricht wie der Unwille eines verkleideten und darum geschmäheten und unter die Füße getretenen Königs. So da, wo das Volk in trägem Uebermuthe spricht: „Doch wir wissen, von wannen dieser ist,“ und wo in heiliger Ironie er ihnen entgegen ruft, wie ihr leset: „da rief Jesus im Tempel laut und sprach: Ja ihr kennet mich und wisset, von wannen ich bin!“ Wer vernimmt nicht aus diesem Worte die Rede eines zürnenden verkannten Königs, der das Bewußtseyn hat, daß er ein König ist? Und in dem allen, sagt die Heilige Schrift, ist er gehorsam gewesen - gehorsam gewesen bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuz und ist uns gleich geworden bis in die stille Grabeskammer.

Er ist gehorsam gewesen - o wie viel darin liegt, auch wenn er nur ein Menschenkind war wie du und ich! Ihr Jünglinge, die ihr bis jetzt des Lebens Rosen kennt ohne seine Dornen, ihr kennt auch den vollen Gehalt des Wortes: „Gehorsam gegen Gott“ noch nicht. Was das heißt, zu bekennen: „der Wille des himmlischen Vaters ist meine Speise“ - was dieses Bekenntniß dann auf sich habe, wenn die Welt uns nur Dornen zeigt - auch ihr werdet es einst erfahren, Jünglinge, und dann erst, wenn ihr es erfahren habet, wird das Wort volle Kraft für euch gewinnen, daß „Jesus gehorsam gewesen ist in allen Dingen bis zum Kreuze.“ - Ich sage, dieser vollkommene Gehorsam wäre groß, auch wenn Jesus nur ein Menschenkind gewesen wäre wie unser einer; aber er war mehr als wir, er war ein erniedrigter König, der freiwillig seine Krone abgelegt hatte und das Knechtsgewand angethan, der aber auch in seiner Niedrigkeit nur zu wollen brauchte, und er konnte das Diadem wieder an feine Stirn legen und konnte zum Scepter greifen und Himmel und Erde mußten gehorchen. Und auch davon trug er in aller seiner Erniedrigung das Bewußtseyn mit sich herum. Als dort, wo sie ihn binden wollen, ihn den Ehrenkönig, der schwache Arm seiner Jünger zu seinem Schutze sich erhebt, da bricht er in die Worte aus: „Meinest du, daß ich nicht könnte meinen Vater bitten, daß er mir zuschickte mehr denn zwölf Legionen Engel?“ Mit Spießen und Schwertern sind sie nach ihm ausgezogen, mit Stricken haben sie ihn gebunden, aber - in Wahrheit war nur Eine Kette, die ihn band, das war die Kette seiner Liebe, der Liebe zu uns Armen, für die er Noth und Tod hat kosten wollen. - Er hatte das Bewußtseyn davon, sage ich, daß er freiwillig diene. So sehet ihr ihn vor Pilatus stehen, einem König gleich, dem seine Unterthanen das Todesurtheil sprechen, nicht aber bloß weil sie wollen, sondern weil er will. So seht ihr denn, wie der, welcher Fünftausend speist, von Allmosen lebt, wie der, welcher, ein Helfer aller Noth, umhergegangen ist, sich muß zurufen lassen: „Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen,“ wie der, welchem alle Engel zum Dienste bereit stehn, sich binden läßt und an den Kreuzespfahl schlagen. O Schauspiel ohne Gleichen! Das ist der Gehorsam des Gottessohnes. -

Das ist seine Erniedrigung; und fraget ihr nun nach der erlösenden Würkung derselben, so sehet zuerst, meine Brüder, wie die Erde und alle ihre Stände und Verhältnisse geweiht und geheiligt worden sind, seitdem der Gottessohn solche Erniedrigung darauf geduldet hat. Seitdem der Gottessohn nicht verschmäht hat den Mutterschooß und die Wiege und den Stand des irdischen Berufes, so ist der Mutterschooß und die Wiege und der Stand des irdischen Berufes geheiligt; ja seitdem er nicht verschmäht hat den Tod und das Grab, ist selbst der bittere Tod und das schauerliche Grab für den Sterblichen geheiligt! Will es nicht, daß ich Eines erwähne, manchmal wie mit stolzem Unmuthe uns ergreifen, wenn wir den Menschen, das Ebenbild Gottes, zu solch' entwürdigendem Dienste verurtheilt sehen, wie ihn die gröberen Berufsarbeiten des Lebens mit sich bringen? Und doch - ist der Sohn Gottes der Zimmermannssohn gewesen, dürfen wir annehmen, daß auch er selbst sich diesem elterlichen Berufe nicht entzogen habe: welcher Beruf, so er nur im Gehorsam gegen Gott getrieben wird, ist dann noch entwürdigend? Geweiht sind durch das Erdenleben des Sohnes Gottes alle Stände der Menschen, alle Alter der Menschen, geweiht selbst der bittere Tod und die traurige Gruft, denn in ihre Schauer ist der Sohn des lebendigen Gottes hineingestiegen. - Erde, wohl bist du unter den Millionen Sternen und Sonnen nur wie das Stäublein, das im Sonnenschein spielt, aber seitdem das Kreuz darauf gepflanzt ist, ragt dies Stäublein hervor über alle Sonnen und über alle Welten, und wie der Apostel im Briefe an die Epheser sagt: „selbst den Fürstenthümer n d. i. den höhern Geistern in dem Himmel ist an der Gemeinde auf Erden die mannichfaltige göttliche Weisheit kund geworden.“ Denket euch im Reiche eines großen Königs eine entfernte kleine Provinz, von welcher kaum eine Kunde zu den Ohren der Leute kam, - sie pflanzt die Fahne der Empörung auf gegen ihren Herrscher, er eilt selbst in ihre Grenzen, er entfaltet den Ernst seiner Kraft, sammt der Erbarmung seiner Gnade: da richten sich die Augen aller Bewohner des Reichs nach der einen Stelle, wo der Kampf gekämpft wird zwischen den empörten Unterthanen und ihrem Monarchen und der Sieg errungen: also ist diese kleine Erde, seitdem ein Erlöser seine Siegesfahne darüber schwingt, auch ein Schauspiel der Engel geworden! - Aber weiter sind wir erlöst durch seine Erniedrigung auch darum, weil der Gehorsam seiner Erniedrigung nicht bloß sein eigener ist, sondern auch uns zugerechnet wird im Glauben und in uns selber zu Stande kommt durch unsere dankbare Liebe. Was dort der Heiland sagt: „und alles was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein und ich bin in ihnen verklärt,“ das ist auch in dem Sinne wahr, daß der Gläubige, in welchem sein Herr Wohnung gemacht hat, auch Antheil erhält an seinem Gehorsam und in demselbigen vor Gott besteht, ja daß er, eingepflanzt in das Leben und Sterben seines Herrn, auch zu demselbigen Gehorsam die Kraft erhält.

Das ist seine Erniedrigung - das ist unsere Erlösung durch seine Niedrigkeit. Aber auch seine Erhöhung ist Erlösung für uns. Er hat Theil genommen an unserer Niedrigkeit, damit wir Genossen werden sollten seiner Erhöhung. Bis dort in die kühle Gruft des Joseph von Arimathia geht die Erniedrigung unseres Königs! da hat sie ein Ende, denn da hat dieser König, welcher von sich zeugt: „niemand nimmt mein Leben von mir, sondern ich lasse es „on mir selber, ich habe Macht es zu lassen und habe Macht, es wieder zu nehmen“ - da hat er den Tod überwunden, da hat er mit seiner Niedrigkeit das Gewand des Knechtes abgelegt, da hat er die Krone auf sein Haupt gesetzt und hat seinen königlichen Scepter ergriffen. - Schon das, was unser Bekenntniß mit den Worten ausspricht: „niedergefahren zur Hölle“ oder den Todten - denn das ist hier der Sinn des Wortes Hölle - schon das ist der Anfang seiner Erhöhung. Die Stelle der Schrift, auf welche diese Worte sich beziehen, ist jener Ausspruch des Apostels Petrus, daß, nachdem der Herr gestorben, „er im Geiste hingegangen ist und hat den Geistern gepredigt im Gefängniß.“ In der Kraft seines Geistes ist er bei denen gewesen, welche das Schattenreich, das ist hier „das Gefängniß,“ schon aufgenommen und denen es nicht vergönnt gewesen, sein Antlitz auf Erden zu schauen, und hat ihnen kund werden lassen das Werk seiner Leiden und seines Gehorsams. So ist die Erlösung von dieser Erde hinübergepflanzt worden in das stille Reich der Todten, und somit ist dies die erste Stufe seiner Erhöhung. Und weiter ist er wieder erschienen in einer Leiblichkeit, welche schon die Verklärung in sich trug, unter seinen Jüngern; nur auf eine vorübergehende Weise hat er die vierzig Tage noch unter ihnen geweilt, denn nur dann und wann ist er unter ihnen erschienen, damals gehörte er der Erde schon nicht mehr an; dann hat ihn die Wolke vor den Augen der Jünger entrückt und er ist enthoben worden der Erde Banden und engen Schranken. Diese seine Erhöhung ist nun aber unsre Erlösung, dieweil was an dem Haupte geschehen ist, dasselbe auch geschehen soll an den Gliedern. Wie er der Genosse geworden war aller Stufen und Verhältnisse unserer Niedrigkeit, also hat er uns, seine Brüder, zu Genossen machen wollen seiner Verherrlichung. „Vater, ich will, daß wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast und daß sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast.“ Und wiederum: „Wo ich bin, da soll mein Diener auch seyn!“ - Ihr, welche euer Gewissen nicht Lügen straft, wenn ihr sagt, daß ihr seine Diener seid, wie klingt dieses süße Wort in euer Ohr? O welch' eine selige Sache ist es, eines Herrn Diener zu seyn, der uns mitnimmt, mitnimmt auf alle Stufen der Herrlichkeit, dahin er sich selbst erhebt. Giebts über den Gräbern gläubiger Herzen einen kräftigeren Trost, als den Einen Gedanken, in dem das Herz so vollkommen ausruht: „Nun, wo ihr Herr ist, da werden diese seine Diener jetzt auch seyn!“? Wie er, der gesagt hat, daß er gekommen sei, nicht daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene, seinen Dienern nachgefolgt ist, bis auf die unterste Stufe ihrer Niedrigkeit, bis in des Grabes Höhle, so erhebt er sie mit sich von einer Stufe seiner Herrlichkeit bis zur andern. Nur in Bildern ist von diesen Höhen, zu denen wir mit ihm emporgehoben werden sollen, die Rede, aber in Bildern, seliger Ahnung voll, in Bildern, die so viel uns ahnen lassen, daß es der Mühe lohnt, unter den Fahnen dieses Königs zu streiten und in seinem Dienste das Leben zu lassen. „Vater, ich will, daß wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, und daß sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast.“ Wir sollen seine Herrlichkeit sehen - o wir ahnen, wie groß die Herrlichkeit dessen seyn wird, der aus Selbstverläugnung der Liebe in so tiefe Niedrigkeit gegangen! Auch wenn ich selbst keinen Antheil daran erhielte, ach, wenn ich nur von ferne stehen könnte, um den verherrlicht zu sehen, den meine Seele liebt! Aber nicht also, demüthige, blöde Seele! Nicht also - „Wer überwindet - so lautet abermal das Wort der Verheißung - dem will ich geben mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie ich überwunden habe und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Thron.“ Nicht bloß ferne Zuschauer seiner Herrlichkeit sollt ihr seyn, ihr seligen Ueberwinder, - er ruft euch heran. Warum? Er will euch wohl auf seines Thrones Stufen setzen? Nein, seinen Thron will er mit euch theilen, wie ihn der Vater mit ihm getheilt hat! Kann menschliche Sprache Größeres aussprechen? Kann menschlicher Gedanke Höheres denken? Nichts will er mehr für sich haben. Alles was der Vater hat, ist sein, und was sein ist, soll dein werden! Das ist deine Erlösung durch seine Erhöhung!

Aber - hat der Gedanke uns, seliger Ahnungen voll, gen Himmel gezogen, o vergesset auch nicht, daß dies alles nur denen verheißen worden, die ihm dienen, die mit ihm überwinden. Klingen die großen Verheißungen in euch nach, nachdem ihr diese Stätte verlassen habt, o so vergesset nur auch die Bedingung nicht: „Mit keinem Andern kann Er seine Krone theilen im Himmel, als der sein Kreuz mit ihm getheilt hat auf Erden!“ Ihr aber, die ihr seine Diener und die Träger seines Kreuzes auf Erden geworden seid, ihr mögt selig singen:

Weil du vom Tod erstanden bist,
Werd' ich im Grab nicht bleiben,
Mein höchster Trost dein' Auffahrt ist,
All' Furcht kannst du vertreiben;
Denn wo du bist, da komm ich hin,
Daß ich stets bei dir leb' und bin;
Drum fahr' ich hin mit Freuden.

Hallelujah! Amen.

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