Thiersch, Heinrich Wilhelm Josias - Die Gleichnisse Jesu Christi - Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen. Mt 25, 1-13

Thiersch, Heinrich Wilhelm Josias - Die Gleichnisse Jesu Christi - Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen. Mt 25, 1-13

1 Dann wird das Himmelreich gleich sein zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen aus, dem Bräutigam entgegen. 2 Aber fünf unter ihnen waren töricht, und fünf waren klug. 3 Die törichten nahmen Öl in ihren Lampen; aber sie nahmen nicht Öl mit sich. 4 Die klugen aber nahmen Öl in ihren Gefäßen samt ihren Lampen. 5 Da nun der Bräutigam verzog, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. 6 Zur Mitternacht aber ward ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam kommt; geht aus ihm entgegen! 7 Da standen diese Jungfrauen alle auf und schmückten ihre Lampen. 8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsere Lampen verlöschen. 9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nicht also, auf daß nicht uns und euch gebreche; geht aber hin zu den Krämern und kauft für euch selbst. 10 Und da sie hingingen, zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür ward verschlossen. 11 Zuletzt kamen auch die anderen Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! 12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich ich sage euch: Ich kenne euch nicht. 13 Darum wachet; denn ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird.

Das Bild, welches der HErr gebraucht, ist von den Sitten des Morgenlandes hergenommen, und hieraus erklärt sich, was das Kommen des Bräutigams bedeutet. Die Verlobung hat stattgefunden, aber die Braut ist noch in ihres Vaters Haus, wo sie geboren und ausgewachsen ist. Ebenso ist der Bräutigam in seiner Heimat, und er soll kommen, um die Braut heimzuholen und mit ihr die Wohnung in seines Vaters Hause zu beziehen. Dort werden alle Anstalten zu dem feierlichen Hochzeitsmahl gemacht.

Unterdessen wartet die Braut auf die Ankunft des Bräutigams und mit ihr die Gespielinnen ihrer Kindheit, welche als Brautjungfrauen sie begleiten und als Ehrengäste an dem Hochzeitmahl teilnehmen sollen. Diese Brautjungfrauen tragen brennende Lampen, indem sie dem Bräutigam, der die Braut abholen will, entgegengehen und ihn bewillkommnen. Diese ganze Szene aus dem morgenländischen Leben, welche der HErr hier als Gleichnis benützt, ist durch den prophetischen Geist bereits im alten Bunde als ein Bild himmlischer Dinge und zukünftiger Ereignisse gebraucht worden, nämlich in dem Lobgesang auf den göttlichen Bräutigam (Ps 45).

Auch dort wird die Königstochter, die Braut, in gestickten Kleidern ihm entgegengeführt, ihre Gespielen, die Jungfrauen, gehen ihr zur Seite, man führet sie mit Freude und Wonne, sie gehen in des Königs Palast.

Blicken wir nun auf das Gleichnis, wie der HErr es uns vorträgt, so erkennen wir Ihn selbst als den Bräutigam, der da kommen soll. Er verweilt jetzt noch im Hause Seines Vaters im Himmel. Wir verweilen noch auf unserer Geburtsstätte aus Erden. Aber wir erwarten die Stunde, wo Er uns in die bessere Heimat abholen wird, die Er uns bei dem Vater bereitet hat. Dann sollen wir Ihn von Angesicht schauen und allezeit bei Ihm bleiben.

Diese Stunde ist nicht die Todesstunde. Nicht der Todesengel ist der Erlöser, dessen wir warten, sondern Christus, der Lebensfürst; wenn Er als solcher erscheint, so wird der Tod von dem Leben verschlungen werden, und das wird die rechte Erlösungsstunde sein.

Die Todesstunde kann der HErr schon aus dem Grunde nicht gemeint haben, weil diese für jeden Einzelnen kommt, für einen nach dem andern, aber die Stunde, von der der HErr redet, kommt für alle Seine Jünger zugleich; es ist die Stunde Seiner persönlichen Wiederkunft in Herrlichkeit, die Er mit dem Blitze verglichen hat, der ausgeht vom Osten und in einem Augenblick bis zum Westen leuchtet, von einem Ende des Himmels bis zum andern (Mt 24, 27).

Aber warum sagt der HErr in diesem Gleichnis kein Wort von der Braut? Ist nicht die Gemeinde Seiner Jünger, für die Er diese Verheißung und Warnung gegeben hat, die Braut des Lammes, wie sie in der Offenbarung genannt wird?

Oder bedeuten etwa die zehn Jungfrauen andere Seelen, die dem HErrn nicht so nahe stehen wie die Gemeinde des Erstgeborenen? Keineswegs, die zehn Jungfrauen bedeuten die auserwählten Jünger des HErrn, die zum Empfange des himmlischen Kleinods berufen sind, und die Ihm näher stehen, als alle anderen. Gerade für diese hat Er das Gleichnis geredet. Es waren Seine vertrautesten Jünger, die Ihn umgaben, als Er dort auf dem Ölberg saß und auf Jerusalem herabsah.

Sie fragten Ihn: was wird das Zeichen Deiner Zukunft sein? Und dieses Gleichnis ist ein Teil der Antwort, die sie erhielten. Nachdem Er (Mt 24) in prophetischen Sprüchen von Seiner Wiederkunft geredet hat, lässt Er (Mt 25) drei Erläuterungen des großen Gegenstandes folgen:

  • das Gleichnis von den Jungfrauen,
  • das Gleichnis von den Knechten,
  • und die Rede von der Versammlung der Völker vor dem Throne des Menschensohnes.

Was ist nun der Unterschied zwischen diesen drei Erläuterungen? Dies, dass zuerst von dem engsten Kreise, dann von einem weiteren, dann von dem weitesten Kreise der Teilnehmer am Himmelreich geredet wird.

Es gibt kein Wort in der heiligen Schrift, welches diejenigen, die große Gnade empfangen haben und in die innigste Freundschaft mit dem HErrn eingeführt worden sind, näher und eigentlicher anginge, als das Gleichnis von den zehn Jungfrauen.

Aber warum wird die Braut gar nicht erwähnt?

Warum werden statt ihrer die zehn Gespielinnen genannt?

Es hat einen tiefen Grund, in der heiligen Scheu, Zartheit und Bescheidenheit, mit welcher der HErr die Geheimnisse Gottes behandelte.

Er selbst hat nie von Seiner Braut geredet.

Johannes der Täufer zwar hat in der Weise der Propheten des alten Bandes das Volk Gottes als die Braut des Messias bezeichnet (Jh 3, 29), aber Christus hat dies Bild nie gebraucht.

Er hat uns damit ein Beispiel gegeben, wie vorsichtig, wie wohlüberlegt, wie heilig unsere Anwendung solcher Bilder sein soll. Es ist erlaubt, nach dem Vorgang des heiligen Paulus und des HErrn selbst in der Offenbarung, die Er vom Himmel ans Seinem Knecht Johannes gegeben, von diesem großen Geheimnis, von der Kirche als Braut Christi zu sprechen.

Aber wir alle, Lehrer und Zuhörer, sollen uns warnen lassen, dass wir ja nicht anders, als mit reinem Herzen und geheiligten Lippen solche mystische Ausdrucksweise gebrauchen, damit wir nicht den Geist Gottes betrüben und Schaden stiften.

Niemals wird in der heiligen Schrift, alten oder neuen Bundes, die einzelne christliche Seele eine Braut Christi, oder Christus ein Bräutigam der Seele genannt. Dies geschieht in den Schriften der Mystiker, und in manchen evangelischen geistlichen Liedern, insbesondere der Brüdergemeinde. Aber dies ist ein Missbrauch und ein Zeichen von ungesunder Geistesrichtung. Es ist nicht der Schrift und der Sprache der alten Kirche gemäß, und in unseren Gesängen, Gebeten und Predigten darf es nicht vorkommen.

Nur die Kirche ist die Braut Christi. Hier also redet der HErr von einzelnen Jüngern, solche meint Er unter dem Bilde der fünf klugen und fünf törichten Jungfrauen, wie Er unmittelbar vorher gesagt hat: Einer wird angenommen, der andere wird verlassen (Mt 24, 40).

Auch die Jungfrauen auf dem Berge Zion (Off 14, 4) sind einzelne Seelen. Die Lauterkeit und Unschuld, in der wir stehen sollen, ist damit bezeichnet. Also unsere Aufgabe ist, nachdem wir, Gnade und himmlische Ausrüstung empfangen haben, auf den HErrn zu warten und uns so zu verhalten, dass wir Ihm mit Freude entgegengehen können, wenn Er kommen wird zu der Stunde, da wir es nicht meinen.

Die Jungfrauen hatten Lampen und dazu noch Gefäße zur Aufbewahrung des Öls, damit sie aus diesem Vorrat die Lampen brennend erhalten konnten. Jedermann nahm das Leuchten der Lampen wahr; aber das war nicht alles, worauf es ankam, sie hatten auch einen Vorrat in den Gefäßen nötig, den niemand wahrnahm.

Was bedeutet das Öl? Es ist nicht genug, zu sagen, es bedeutet den Glauben, denn man kann nicht behaupten, die fünf törichten Jungfrauen, die doch auch Jungfrauen waren, auch auf den HErrn warteten, auch Ihm entgegengingen, bedeuten Seelen ohne Glauben.

Das Öl ist vielmehr in der prophetischen Sprache das Sinnbild des heiligen Geistes. So das Öl in dem siebenarmigen goldenen Leuchter, so das Öl, mit dem Saul und David gesalbt wurde; darum wird ja die Gabe des heiligen Geistes die Salbung genannt, und auch das Öl in der Krankensalbung bedeutet die lebendig machende und heilende Kraft des heiligen Geistes.

Also, der heilige Geist Gottes, mit dem wir versiegelt worden sind auf den Tag der Erlösung (Eph 4, 30), ist die Gabe, mit welcher die zehn Jungfrauen ausgestattet waren. Deshalb hatten sie brennende Lampen, sie ließen das Licht des Geistes leuchten in ihrem Bekenntnis, ihrem Wandel und ihrem Gottesdienst.

Auch die törichten Jungfrauen ließen dieses Licht leuchten. Worin also bestand der Unterschied?

Es kam die Stunde, wo die Lampen der törichten erloschen, denn sie hatten versäumt, sich zur rechten Zeit mit einem hinreichenden Vorrat des Öls zu versehen. Es ist also nicht genug, dass wir die Taufe und die Handauflegung empfangen haben, es ist nicht damit getan, wenn wir die empfangene Gabe nicht wegwerfen und verschleudern.

Wie das Öl in der Lampe fortwährend nachgefüllt werden muss, so müssen wir beständig ans der Gnadenfülle Christi schöpfen, wir müssen in lebendiger Verbindung mit dem Himmel bleiben, wir müssen stets um den heiligen Geist bitten, Ihn suchen und in uns aufnehmen.

Wir müssen unser Herz fortwährend in solchem Stande erhalten, dass der gute Geist darin wohnen und Seine Gaben vermehren kann. Wir dürfen nie stillstehen, denn wer im geistlichen Leben nicht vorwärts schreitet, wird ganz gewiss Rückschritte machen; wer nicht darauf bedacht ist, immer reicher zu werden, wird verarmen, wie das Öl in der Lampe unvermerkt und unaufhaltsam abnimmt und verzehrt wird.

Bist du dir keiner Bosheit bewusst und keiner hauptsächlichen Sünde, so bist du darum noch nicht sicher, denn das, wodurch die Jungfrauen zu spät kamen, an der verschlossenen Thür vergeblich anklopften und das Wort hören mussten: „Ich kenne euch nicht“, wird nicht Bosheit genannt, nicht Unreinheit, sondern Torheit.

Also Torheit, Unbedachtsamkeit, Gleichgültigkeit, Sorglosigkeit ist es, wodurch wir nach Empfange der höchsten Gnade, und schon so nahe dem Ziel, uns ein so schweres Urteil zuziehen können, dass wir bei der Zukunft des HErrn, während andere aufgenommen werden, zurückbleiben müssen, zu spät kommen und die uns zugedachte himmlische Krone verlieren - ein Los, schrecklicher als der Tod.

Gesetzt also, dass deine Lampe jetzt noch einigermaßen brennt, so bist du damit noch nicht versichert, dass sie auch noch leuchten wird, wenn der HErr kommt.

Gesetzt, dass die Diener, die über unsere Seelen wachen, dir keinen wesentlichen Fehler nachweisen können, so ist dir damit noch nicht verbürgt, dass du bestehen werdest. Wir sehen wohl, ob die Lampe brennt, aber wir sehen nicht hinein in das Gefäß deines Herzens, ob dort im Verborgenen noch ein hinreichender Geistesschatz vorhanden sei. Fehlt es da, so lass es dir durch die Mahnungen des HErrn in deinem Gewissen offenbar machen, werde den klugen Jungfrauen ähnlich, welche neben ihren Lampen auch Öl in ihren Gefäßen mitnahmen.

Sage nicht: „Ich bin reich und habe gar satt, und bedarf nichts“, sondern erkenne deine Armut, eile und schöpfe zur rechten Zeit aus den rechten Quellen ein neues Maaß des Geistes, und werde immer reicher an Glaube, Hoffnung und Liebe.

Die Aufforderung war an die Jungfrauen gelangt, dem Bräutigam entgegenzugehen, und sie waren dieser Aufforderung gefolgt. In freudiger Bewegung sahen sie seiner baldigen Ankunft entgegen; aber wider Erwarten verzog er, die Tagesstunden gingen vorüber, die Nacht brach ein, und er war noch nicht da.

Eine Zeit lang wurden sie durch die rege Erwartung noch wach gehalten, aber endlich nickten sie alle ein und schlummerten.

So lehrt uns der HErr, wir müssen darauf gefasst sein, wenn wir schon die Aufforderung zur Bereitschaft auf die Zukunft des HErrn vernommen haben, dass noch ein Verzug eintritt und eine sehr schwere Prüfung unserer Ausdauer und unserer Wachsamkeit. Es muss so weit kommen, dass es allen Anschein hat, als wären wir getäuscht, dass die Welt unserer spotten und fragen kann: Wo ist nun euer Gott? Wo bleibt die Zukunft des HErrn, die ihr uns verkündigt habt?

So lässt uns der HErr unsere Schwachheit aufs Tiefste empfinden. Es ist ein Teil Seines Werkes, die Ohnmacht und natürliche Untüchtigkeit selbst Seiner treuesten Diener ans Licht zu bringen, und sie so zu demütigen, dass am Ende die Ehre ihrer Errettung nicht ihnen, sondern Ihm ganz allein gehört.

Alle Jungfrauen wurden schläfrig und schlummerten. Es gibt also keine schwerere Versuchung, als diese, geistig zu ermatten und in der Freudigkeit der Hoffnung und Zuversicht nachzulassen. Dieser Verzug des Kommens des HErrn hat im Großen stattgefunden. Nachdem die Apostel und die Gläubigen der ersten Zeit weggestorben waren, nachdem auch die großen Verfolgungen ein Ende genommen hatten, erkaltete die Hoffnung auf die Zukunft des HErrn, und wenn sie gleich in einzelnen gläubigen Seelen und kleinen Gemeinschaften noch bewahrt blieb, wurde sie doch den großen Kirchenparteien fremd.

Besucht man die Gottesdienste, liest man die Bekenntnisschriften und die Kirchengebetbücher der verschiedenen Konfessionen, so findet man nirgends diese Hoffnung als Hoffnung der Kirche ausgesprochen, und nirgends lässt sich die Stimme der Kirche mit den Worten: „Komm, HErr Jesu“, vernehmen.

Weil der Bräutigam so viele Menschenalter hindurch Sein Kommen verzögert hat, sind die zehn Jungfrauen, die das Himmelreich vorstellen, d. h. die sämtlichen Gemeinschaften, die zusammen die Eine heilige katholische Kirche bilden, eingeschlafen, und anstatt zu wachen und ihr Auge nach Sonnenaufgang zu richten, wo erst der Morgenstern und dann die Sonne selbst erscheinen soll, schlummern die Kirchenparteien, indem sie sich keine Gedanken über die Zeichen der Zeit und die kommenden Dinge machen, oder sie träumen von Erfolgen und Siegen ihrer Parteisache und von der baldigen Ausführung solcher Entwürfe und Ratschlüsse, welche nicht die Ratschlüsse Gottes sind, sondern menschliche Phantasien.

Indessen rückt die Nacht immer weiter vorwärts, das Licht des Glaubens unter den christlichen Völkern nimmt ab, die Zeichen des Abfalls nehmen zu, und während man von Siegen und besseren Zeiten träumt, ist schon die größte Gefahr und die Stunde der Mitternacht da, wo der HErr wie ein Dieb in der Nacht kommen und nur die, welche auf Ihn warten, zu sich nehmen, die andern aber der großen Trübsal überlassen wird.

In Martin Luthers Tischreden, in dem Abschnitt vom jüngsten Tage, findet sich folgende Voraussage: die Welt wird noch ganz epikurisch werden (d.h. sie wird nicht mehr an Gott und an die Unsterblichkeit glauben, und sich ihren bösen Lüsten völlig ergeben), dann wird sich zur Mitternacht das Geschrei erheben: Siehe, der Bräutigam kommt!

Wie diese Voraussage lautet, so ist es wirklich ergangen. Die Nacht des Unglaubens und das Verderben epikureischen Lebens hat sich in einem Maße, wie es noch nie der Fall war, über die christlichen Völker verbreitet. Als nun nach langem Schweigen inmitten der schlummernden Christenheit die Stimme des heiligen Geistes wieder laut wurde, da waren die ersten im Geiste der Weissagung gesprochenen Worte dieses Siehe, der Bräutigam kommt!

So hat das gegenwärtige Werk des HErrn begonnen, und schon in seinem Beginn zeigt sich die Übereinstimmung mit dem Worte Gottes. Dies ist der Ruf, der auch in unsere Herzen gedrungen ist: gehet aus Ihm entgegen. In diesem Ausgang sind wir begriffen, um den, der da kommt, mit Freuden zu begrüßen und Ihm entgegeneilen zu dürfen. Dies ist unser Verlangen. Noch ist Er nicht erschienen, aber das letzte Zeichen vor Seiner Ankunft hat Er gegeben. Noch einmal wird der Ruf ertönen: siehe, der Bräutigam kommt, und dann wird Er da sein und Sein Lohn mit Ihm.

Die Bangigkeit und Beschämung der törichten Jungfrauen war groß, als sie merkten, dass ihre Lampen erloschen. Gebt uns von eurem Öl, sagten sie zu den Klagen, aber diese Bitte konnte nicht erfüllt werden. Der Gerechte wird kaum errettet. Die klugen Jungfrauen hatten kein Öl übrig, sie hatten nur gerade so viel, um damit das Licht ihrer Lampen nähren zu können.

Da wird man inne werden: es kann kein Bruder den andern erlösen. Die, welche Annahme finden, können nicht, ob sie schon gerne wollten, andere, die nicht bereitet sind, mitnehmen.

Die klugen Jungfrauen wissen keinen andern Rat als den: gehet hin zu den Verkäufern (wo wir das Öl bekommen haben), und kauft für euch selbst. Ihr hättet zur rechten Zeit bitten und suchen sollen, um reichlich mit dem heiligen Geist versehen zu werden.

In der Kirche Gottes, durch gläubigen Genuss der Sakramente, durch treues Festhalten an Gottes Ordnung, unter beständigem Wachen und Gebet, kann man alle Gnade, die uns nötig ist, empfangen.

Nun aber war es für die törichten Jungfrauen zu spät. Wenn der HErr gekommen ist, und die Seinen zu Sich genommen hat, dann werden die Brunnen des Heils nicht mehr fließen wie jetzt, dann wird nicht mehr Gelegenheit sein, durch die sanfte und mächtige Gnadenwirkung in der Kirche zur Vollkommenheit zu reifen.

Die törichten Jungfrauen kommen zu spät, sie rufen vergeblich: HErr, tue uns auf, und klopfen an der schon verschlossenen Thür.

Als Noah mit den Seinen in die Arche gegangen war, da schloss der HErr selbst die Thür hinter ihm zu, so dass niemand mehr in den Bergungsort eingehen konnte. Auch Noah konnte niemand hineinlassen, auch wenn er es gern getan hätte. Innen im verschlossenen Hochzeitssaale war Freude und Herrlichkeit, die der Bräutigam mit seinen Gästen teilte. Außen war Finsternis und in dieser irrten voll Trauer die törichten Jungfrauen umher. Die bei der Zukunft des HErrn zurückbleiben, befinden sich in der großen Trübsal, und ihr Jammer ist um so bitterer, je näher ihnen die Errettung gestanden war. Uns ist sie ganz nahe gelegt, möchten wir sie ergreifen, möchte niemand es darauf ankommen lassen, was aus ihm wird, wenn er zu den törichten Jungfrauen gehört.

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