Suso, Heinrich - Vier Briefe. - IV. Brief. Seliger Tod.

Suso, Heinrich - Vier Briefe. - IV. Brief. Seliger Tod.

Absalom, mein Sohn, wer gibt mir, dass ich für dich sterbe! 2. Sam. 18,33.

Dem Diener lag seiner liebsten geistlichen Kinder eines am Tod, und da er hörte, dass es sterben müsse und dass es wegen des Todes sich schlimme Gedanken mache, da tröstete er es und schrieb ihm diesen Brief:

Mein Kind, wer gibt einem getreuen Vater, dass ich für mein liebes, wohlgeratenes Kind sterbe? Sterb ich nicht leiblich, so sterb ich doch dem Herzen nach mit dem geminnten Kind meines Herzens. Ich bin leiblich fern von dir, aber mein Herz steht vor deinem Bett mit bitteren Tränen und getreuer Klage. Beut mir deine sieche Hand, und sei es, dass Gott über dich gebietet, so sei fest am Christenglauben und stirb fröhlich; freue dich, dass deine edle Seele, die da ist ein lautrer, vernünftiger, nach Gott gebildeter Geist, aus dem engen, jämmerlichen Kerker soll erlöst werden, und dass sie nun fürbass ohn alles Hindernis fröhlich ihre Seligkeit genießen mag; denn Gott spricht selber: Kein Mensch mag mich sehen und leben. Ein Ding ist, das manchen unerfahrenen Menschen im Tod zag macht und ihm einen strengen Tod macht, das ist, wenn er seine vergangenen Jahre und sein üppig verzehrtes Leben hervornimmt, dass er sich dann als einen großen Schuldner Gottes findet und dass er in seiner letzten Stunde nicht weiß, was ihm hierbei zu tun ist. Da will ich dir einen sicheren Weg geben aus der heiligen Schrift und der Wahrheit, wie du dem entgehen magst in ganzer Sicherheit. Hast du bei deinen Tagen je sündhaft gelebt, wie denn wenig Menschen ohne Gebrechen sind, darüber brauchst du nicht zu sehr erschrecken in der Stunde deines Todes. So du deine christlichen Rechte (die Sakramente), ob du es vermagst, hast ordentlich empfangen, so tu eines und nimm das Kruzifix vor deine Augen und sieh das an und drück es an dein Herz und neige dich in die blutströmenden Wunden seiner grundlosen Erbarmung und bitte ihn, dass Er mit den blutnassen Wunden abwasche in seiner göttlichen Kraft alle deine Missetat zu seinem Lobe und nach deiner Notdurft, und sei dann versichert von mir, nach christlichem Glauben, der mitnichten trügen kann: magst du das festiglich in dir selber haben [mit Zuversicht erfassen), dass du dann von allem Mittel [allem, was zwischen dir und Gott steht, d. i. aller Sünde] gänzlich wirst geläutert und fröhlich magst sterben.

Es ist noch eines, das du in der Stunde des Todes sollst hervornehmen, damit du den Tod desto besser mögest verachten. Siehe, es ist ein Land, da ists eine Gewohnheit, wenn ein Mensch gebiert1), so kommen alle seine Freunde zusammen und schreien und weinen und gehaben sich übel; so er aber stirbt, so lachen sie und haben alle Freude, und meinen damit, dass niemand weiß die große Arbeit, die manchem Menschen zugedacht ist und darum weinen sie bei der Geburt; und wenn die ein Ende nimmt durch den Tod, so freuen sie sich. Wenn man es recht bedenkt, so mag des Menschen Geburt in diese elende Welt wohl heißen ein Tod von der Not und Arbeit, die ihm bereitet ist, und hinwider so mag der leibliche Tod wohl heißen eine neue Geburt wegen des Abfalls des schweren Leibes und um des freien Eingangs willen in die ewige Seligkeit. Wem nun seine Augen sind aufgetan, diese Wahrheit offen zu erkennen, dem wird sein Tod desto leichter; wer aber dies nicht kann wahrnehmen, des Klage wird groß und die ungewohnte Todesnot desto strenger: Siehe, welch ein Jammer in dieser Welt ist, was für Leiden und Angst und Not hier gleichmäßig ist allenthalben, wo man sich hinkehrt. Und wäre nichts anderes denn Furcht Leibes und der Seele und die wandelbare Unstetigkeit dieser Welt, und sollte hinweg verlangen. Ehe dem Menschen ein Liebes geschieht, begegnen ihm zehn Leiden. Es ist mancher Mensch, wer ihn fragen würde, er würde sprechen: ich gewann noch nie einen guten Tag auf Erden. Die Welt ist voller Stricke, Falschheit und Untreue; niemand kann sich auf den andern verlassen, denn jeglicher Mensch sucht seinen Nutzen. Der eine begehrt lang zu leben um sein Verdienst zu mehren. Das ist sehr zweifelhaft, ob sein Lohn oder seine Schuld zunehmen werde. Der hat Lohnes genug, der das minnigliche zarte Antlitz des schönen Herren stets von Neuem schauen soll. Tut die Stunde des Todes weh und ist sie bitter, so muss es doch einmal sein. Der Todesstunde ward nie ein Mensch überhoben. Der nun heute unbereitet ist, der mag morgen noch unbereiter sein. Je älter je böser; man findet viel mehr die böser werden denn die besser werden. Ist des Todes Gegenwart bitter, so macht er doch aller Bitterkeit ein Ende. Darum, mein Kind, so richte dein Herz und Hände und Augen auf in das himmlische Vaterland und grüße es mit Begierde deines Herzens und gib deinen Willen in Gottes Willen. Was er dir zuerkannt, es sei sterben oder leben, das nimm von Gott für das Beste, denn es ist auch das Beste, wenn du es gleich nicht sogleich erkennst. Fürchte dich nicht: die heiligen Engel sind bei dir und um dich; der milde barmherzige Gott will dir väterlich helfen aus allen deinen Nöten, wenn du nur seiner Güte trauen magst.

Da dieser tröstliche Brief der sterbenden Tochter überantwortet ward, da wurde sie froh und hieß ihr ihn zweimal vorlesen, und da sie hörte die freundliche Rede, da ward ihr Herz aufs beste erquickt davon und vergingen ihr die vorherigen Todesschrecken und gab sich da frei in Gottes Willen und nahm ganz und gar ein seliges Ende.

1)
geboren wird
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/s/suso/briefe/suso_brief_4.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain