Suso, Heinrich - Vier Briefe. - II. Brief Geduld und Entschiedenheit.

Suso, Heinrich - Vier Briefe. - II. Brief Geduld und Entschiedenheit.

Wir lesen, da unser Herr das Volk Israel führen wollte von Ägypten in das gelobte Land, da führte er sie um wohl vierzig Jahre, ehe sie darein kamen. Und das tat er darum, dass er sie versuchte und dass ihnen kund würde, was sie in ihren Herzen trügen und darum, dass sie von Tag zu Tag ein Vergessen hätten des alten Landes und das neue in der Begierde. Und wie wohl er das alles in einem Augenblick hätte wirken können, so wollte er es doch nicht tun, denn der Herr der Natur gibt sich einem jeglichen Ding, je nachdem es seiner empfänglich ist, wie Sankt Dionysius spricht. Das sehen wir täglich an den Menschen, mit denen Gott sein Werk vollbracht hat, dass er sie oft vorher warten lässt, ehe er sie vollbringt nach dem Höchsten. Ein Ding sollst du wissen, das ist wahr: Gott ist nicht ein Eiliger weder in natürlichen noch in übernatürlichen Werken. Dies schreib ich dir darum, dass du in keinem Ding und in keinen Werken dich übereilen sollst. Sankt Gregorius spricht, dass Gott seine Gabe emporzieht, damit eines Menschen Begierde desto mehr gereizt werde. Lässt aber der Mensch von dem Emporgezogenen ab, so war da keine rechte Begierde. Je lauterer der Grund ist, desto lauterer wird empfangen, was darein gegossen wird. Mein Kind, ich habe dich oft geheißen und es dünkt mich eines der besten Dinge, so weit ich es weiß, dass du dich bei allen Dingen reizt Gott zu minnen. Siehst du es recht an, so ist keine Kreatur so klein, sie kann dir ein Stab sein, Gott damit zu erreichen. Nun schau, mein Kind, wie herzlich gut Gott ist und darum alle Treu an ihn zu legen! Denn andre Minne fängt an mit Lieb und nimmt ein End mit Leid; aber die süße Minne fängt zuweilen an mit Leid und wird je lieber und je lieber zu allen Zeiten, bis Lieb mit Lieb in lieblicher Art in Ewigkeit vereint wird. O weh, mein liebes Kind, wie sind die Leute so dumme Toren und billig zu beklagen, denen da träumt sie essen und trinken und so sie die Augen auftun, so finden sie eine leere Hand und eine hungrige, traurige Seele. Wie sind sie billig zu beweinen, denen eine Gewohnheit zu einer Schicklichkeit und solche Schicklichkeit zu einer Ehrbarkeit worden ist. O weh, Zeit verlieren, üppig reden und Gott vertreiben, wie bist du so ein verborgener Schade manchem Menschen! Mein Kind, ich rede allein zwischen mir und dir: lass alle falsche Bemäntelung, es ist nicht also; es ist wahrlich also, dass die Seele in schwerem Traum liegt, die auch nur eine kurze Stunde so sorglos vertreibt, vertreibt mit Dingen, da Gott nicht innen ist. Lieber wär mir, dass ich dich sähe auf der Bahre liegen, als einen Anfang in so vergeblicher Weise von Gott nehmen. Mein Kind, es wäre gut darüber zu klagen, wenn es nicht so gar schlimm wäre. Natürliche Neigung und alte Gewohnheit ist schwer zu lassen. Denn leider gewöhnlich lässt sie, ehe sie gelassen wird. Dies schreib ich dir darum, dass du mit fremdem Schaden klug werdest. Nun lassen wir das denen, die in Stricken sind und kehren unsere Augen wieder zu den minniglichen Geliebten, und blicken ihn oft an mit minnendem Herzen, und schauen, wie zart minniglich, wie süß und wie grundlos gut er ist zu minnen. Ach alle Herzen, warum minnen wir nicht das minnigliche Geliebte, das nicht anders kann als den vor Leid verzehrten Herzen freie Freude bringen? Wer den kalten Reif hat erkannt und deiner süßen Minne je befand, o weh, allersüßester Maientau, der weiß wie wert er dich halten soll. Selig, selig ist die Seele, die du zarter Herr hast auserwählt bei ihr und mit ihr zu rasten. Was finden die in der Zeit Herzensfriede und Herrlichkeit und Ehre in dem himmlischen Palast als ewigen Lohn! wie St. Paulus spricht: Glorie, Ehre und Freude allein dem, der das Gute wirkt.

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