Suso, Heinrich - Vier Briefe. - I. Brief Seligkeit der Weltverleugnung.

Suso, Heinrich - Vier Briefe. - I. Brief Seligkeit der Weltverleugnung.

Schmeckt und seht wie freundlich der Herr ist.
Psalm 34,9.

Mein liebes Kind, es spricht Sankt Gregorius, Gott dienen sei ein frei Leben, und wahrlich das müssen alle Herzen mit voller Überzeugung bejahen. Wer ist es der auf den Wipfel eines Verschmähens aller göttlichen Dinge ist geflogen, in die Höhe des unverwandelbaren Guts ist gesessen, und mit den Armen der geliebten ewigen Liebe ist umfangen: ach liebes Kind, was gebricht dem auf diesem Erdreich, was will er mehr? wie mag der so leicht manchen fröhlichen Tag auf Erden haben? Gesegne ihn Gott, der zu solchem Leben je geboren ward! Wie mag der voll Lobes sein, wenn er unter sich sieht und in der großen Wildnis des tiefen Meeres dieser Welt so manches an Leib und Seele unfreie Herz anschaut!

Es war einst ein Mensch (Suso) in einer so fröhlichen Anschauung der süßen göttlichen Gegenwart und war so geschieden von allen Kreaturen, dass er dachte: Ach mein Herz, was freust du dich so recht inniglich? Da antwortete ihm seine Vernunft und sprach: Auf diesem ganzen Erdreich ist nichts, dessen ich mich freue - weder an Gut noch an Freunden noch an irgend einer Lust dieser Welt; aber das ist meine Freude, dass Gott so recht gut ist, und dass das minnigliche Gut mein Freund ist, und dass ich des eine volle Zuversicht habe. Meine lieben Kinder, das schreib ich euch darum, dass ihr eine verlangende Sehnsucht danach gewinnt und eine herrliche Lust daran habt. Tretet frei in die Bande der ewigen Weisheit, sie werden sich euch geschwinde wandeln in goldene Kronen der ewigen Seligkeit. Lasst euch nicht hindern, dass der Auserwählten jetzt so wenige sind, welche den rechten Pfad des engen Weges wollen gehen, dass so viele ihr eigen Gemach so viel sie mögen suchen, auf dass ihre Ehre nicht gemindert werde. Nehmt vor eure Augen die frommen Vorbilder eines. heiligen Lebens, die da in Wahrheit haben verschmäht alles das, was das Erdreich bieten mag, und mit Herz und Sinnen zu allen Zeiten in dem himmlischen Vaterland wohnten, die in sonderlicher Andacht als ein Morgenstern leuchten: denen folgt nach, denen tretet nach! Lieben Kinder, die Welt beginnt zu alten, die Minne zu erkalten. Die schönen Rosen heiliger Andacht beginnen sich zu entblättern; man findet jetzt viel mehr scharfen Schlehdorn als weiße Lilien. Wohlan ihr zarten Rosen des geblümten geistlichen Lebens, steht fest, verdornt (verwahrt) euch mit Ausschließen aller Kreaturen, schließt euch zu gegen alle diese Welt, ach und tut euer Herz und Begierde auf gegen den süßen Maientau der himmlischen Sonne, dass ihr wahrnehmt, was er von euch wolle, dass er, wenn er seinen Eingang wolle, kein Vertreiben von euch gewinne. Gebt ihm Zeit und Statt, dass er seine Werke in euch wirken möge, dass euer Herz werde ein Schatzhaus der Gottheit, euer Mund ein Gefäß der Reinigkeit und all euer Wandel ein Bild himmlischer Heiligkeit, auf dass Gott an euch gelobt werde, die lieben Engel erfreut und alle Menschen gebessert. Heilige Betrachtungen sollen eure Sorge sein, mit Gott oder von Gott reden soll zu allen Zeiten euer Amt sein, und was ihr seht oder hört, das soll euch ein Hinweis zu Gott sein. Einen schweigenden Mund tragen macht euer Herz friedsam und den Leuten minnesam. Entschlagt euch aller Menschen Vertrautheit, so werdet ihr gewahr göttlicher Vertrautheit. Einem von dieser Welt abgeschiedenen Menschen gehört nicht zu, hier Kurzweil und Trost zu suchen. In aller Berufsarbeit, die euch nach außen führt, habt ein Innebleiben oder aber ein stetig wieder Einkehren in euch selber, damit ihr euch selber nicht verliert; und was euch nicht befohlen ist, darum kümmert euch nicht. Vor allen Dingen so macht euch mit Entschlossenheit gleich allen sonderlichen Gottesfreunden gefasst auf geistlich Leiden; denn wahrlich, das wisst fürwahr, soll euch etwas sonderliches von Gott werden, das muss erstritten werden. Aber ein Ding ist wahr: gibt er Leid, so gibt er auch Lieb; kann er Herzeleid geben, ach so kann er auch Herzenslieb in liebes Herz geben. Geht herfür alle Herzen und sagt, wo Lieb ohne Leid je gefunden sei? Geminnter Herr, Du bist allein das Gut, in dem stete Freud, ganzer Friede ist und in dem Lieb und Leid ihr Ziel und Ende finden, so ferne mans in dieser Zeit haben mag. Es tut nichts weher als sich selber überwinden, es tut aber nichts wohler als sich selber überwunden haben. Und darum gucken heutigen Tags manche Menschen über den dornigen Hag, und umgehen ihn lange Tage, und wollen sich nicht wagen durch die Dornen mit einem freiem Wagnis, dass sie kommen hin auf die schöne Weide, die geblümte Heide geistlicher Schönheit. Sie loben die Frucht und hätten sie gern, aber es verdrießt sie die Arbeit. Die sie da fliehen, die folgt ihnen anderswo nach. Gesegne ihn Gott, der seine Arbeit hier wohl anlegt; denn nach dieser kurzen Zeit folgt ihm ewige Seligkeit.

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