Steinmetz, Johann Adam - Von der Versiegelung der Gläubigen mit dem heiligen Geist - Vierte Erbauungsstunde.

Steinmetz, Johann Adam - Von der Versiegelung der Gläubigen mit dem heiligen Geist - Vierte Erbauungsstunde.

Wir haben noch zwei Hauptfragen aus unserm Text Eph. 4,30. übrig. Wir sehen daraus, daß die ganze ephesische Gemeine gläubig und mit dem heiligen Geist auch versiegelt worden, denn so kann sie Paulus insgesammt anreden: Betrübet nicht den heil. Geist, damit ihr versiegelt seid. Eph. 1,13. sagt Paulus auch ausdrücklich zu ihnen: Durch welchen Christum auch ihr gehöret habt das Wort der Wahrheit, nemlich das Evangelium von eurer Seligkeit, durch welchen ihr auch, da ihr glaubetet, versiegelt worden seid mit dem heiligen Geist der Verheißung. Siehet man in unsern jetzigen Christenhaufen hinein, so ist die Versiegelung durch den heiligen Geist ihnen fast eine unbekannte Sache worden. Wendet man sich auch zu dem Häuflein derjenigen, welche durch das Wort Gottes wirklich aus ihrem Sündentode aufgewecket worden und einen Anfang gemacht haben zum rechtschaffenen Christenthum, so wird man auch unter solchen Häuflein kaum wenige finden, die aus lebendiger Erfahrung wissen, was die Versiegelung mit dem heiligen Geist sei, welche die ersten Christen doch überhaupt, wenn sie gläubig wurden, erfuhren und erlangten. Und eben das bewegt mich, zuförderst diese Frage zu untersuchen: Was wohl die Ursache sei, daß auch unter Seelen, die wirklich bis zur Aufweckung aus ihrem Sündentode gekommen sind, doch diese Versiegelung mit dem heiligen Geist etwas Seltenes worden, und sie zum wirklichen Genuß dieser großen, göttlichen, himmlischen und überschwenglichen Versiegelung mit dem heiligen Geist nicht bald gelangen? Es ist gewiß eine Sache von Wichtigkeit, der wir unter herzlichem Seufzen nachzudenken haben, ob wir nicht auch etwa die Spuren unter uns finden möchten, wo das herkomme? Ob nicht auch manchen Seelen durch Erläuterung dieser Frage möchte geholfen, und sie wenigstens auf die Bahn gebracht werden, zu erkennen, was doch auch an ihrem Theil immermehr die Ursache sei, warum sie nicht zur Versiegelung durch den heil. Geist kommen können? Ob sie auch schon wirklich vom Sündentode aufgeweckt worden und nicht so im Traum auf die Ewigkeit hingehen. Denn freilich bei den andern brauchts nichts viel Untersuchens. So lange der Mensch ein Weltmensch, das ist, ein Unbekehrter bleibt, der noch in Lust und Liebe zur Welt, in Hochmuth, Eigenliebe, in Augenlust, Fleischeslust und hoffärtigem Leben dahingehet, kann er den heil. Geist nicht empfahen, nach Joh. 14,17. Kann nun die Welt den heiligen Geist nicht empfahen, so kann sie auch durch den heiligen Geist nicht versiegelt werden, sondern die Frage ist: Wie es bei aufgeweckten Seelen, an denen man wirklich was besseres merkt und spüret, doch zugehe; sie sind und wollen nicht mehr von der Welt sein, und gleichwohl findet man, daß es was seltenes ist, daß solche Seelen mit Freudigkeit des Herzens sagen können: ich weiß nun gewiß, so wahr mein Heiland für mich am Kreuze gestorben und gen Himmel gefahren, daß mir alle meine Sünden vergeben, und, wenn ich heute sterben würde, auch meine Seele zu seiner Rechten werde gestellt werden.

Ich werde noch etwas weniges überhaupt erinnern müssen, um allen den Zweifeln, die etwa in den Gemüthern entstehen möchten, vorzubeugen, denen es nicht wohl möglich ist, alle Hindernisse herzuzählen, daß diese und jene Seele nicht so bald und so leicht, als wohl andere, zur Versiegelung durch den heiligen Geist kommen; denn da kann Gott bei diesen oder jenen ganz verborgene Ursachen haben. Gott siehet bei mancher Seele auf das künftige, merket wohl, daß er ihr das Kleinod ein wenig schwer machen müsse, weil sie verschwenderisch damit umgehen würde. Andere Seelen, die an andern arbeiten sollen, müssen mehrere Erfahrung haben, sich solche sammeln, die könnten sie nicht erlangen, wenn sie nicht so geübt und in den vorläufigen Stücken des Christenthums gegründet würden, ehe sie zur Versiegelung mit dem heiligen Geist gelangen können, und was dergleichen mehr ist, daß man bei so besondern Umständen es unmöglich so gewiß setzen kann. Eben also ist auch bei manchen Menschen die Leibes- und Gemüthsbeschaffenheit so beschaffen, daß der Geist Gottes weit mehr zu arbeiten hat, ehe er ihn zur heilsamen Versicherung bringen kann. Mancher Mensch ist von Natur sehr geneigt zur Melancholie, sein Leib und Gemüthe ist indisponiert von Natur, daß ihm alles schwer, unfaßlich und unbegreiflich wird: da muß mancherlei Arbeit von dem Geiste Gottes geschehen, die er bei andern nicht nöthig hat. Das sind persönliche Umstände, von denen kann unmöglich speciell geredet werden; ein jeder muß etwa selbst Gelegenheit nehmen, bei erfahrenen Kindern und Knechten Gottes darnach zu fragen, wenn er aus den allgemeinen Ursachen noch nicht recht auf den Grund kommen und zu dem rechten Genuß der Gnade gelangen kann. Ich muß jetzt nur allgemeine Hindernisse anführen, woraus doch ein jeglicher nach seinen Umständen sich was merken und applicieren kann. Ich will jetzt nur zwei Klassen vornehmen, nemlich: Es sind manche Seelen, die Gott erwecket hat, die lassen dem heiligen Geist vollkommen Raum; sie lassen sich zu einer wahrhaftigen Aufrichtigkeit und Treue bringen, kommen zu einem rechten Ernst. Es ist ihnen wahrhaftig darum zu thun, daß sie wollen gerettet sein, und lieber Hab und Gut und alles fahren lassen, ehe sie ihre arme Seele wollten lassen verloren gehen. Die andere Art Menschen werden wohl aufgeweckt und überzeugt, daß es mit ihnen nicht so bleiben könne, sondern sie müßten anders werden; aber es kommt zu keinem rechten Ernst mit ihnen, sie wollen nicht gerne alles in der Welt fahren lassen, sondern bleiben bei den guten Erweckungen, Bewegungen und Empfindungen in ihren Herzen stehen.

Nun, wir wollen beide untersuchen, woher es doch bei solchen Seelen, die nicht nur, vermöge des göttlichen Wortes, aus dem Tode zum Leben aufgeweckt worden, sondern die auch zu einem rechten wahrhaftigen Ernst gelangt, komme, daß ihrer viele noch beständig darunter klagen müssen, daß sie noch nichts von der Versiegelung mit dem heil. Geist wüßten, sie könntens mit Wahrheit noch nicht sagen, daß sie dieser großen Wohlthat wären theilhaftig worden. .

Ich werde die Sache erst mit wenigen Worten, den Einfältigen zum besten, erläutern, weil sie von überaus großer Wichtigkeit ist, daß auch von erweckten und redlichen Seelen, denen es um ihre Seligkeit ein Ernst ist, ihrer viele nicht zur Versiegelung durch den heiligen Geist kommen, und sich derselben anmaßen können, weil sie vorher gar zu viel empfinden, haben und thun wollen. Ich sage nicht, daß das ein Fehler sei im Christenthum, wenn man zu viel empfinden, zu viel haben und zu viel thun wolle. Nein, das wäre ein falscher Satz. Denn ein wahrhaftiger Christ ist wie ein hungrig und durstig Kind, das niemals satt hat, und also überhaupt von einem solchen Christen zu reden, hat er niemals genug, er verlangt immer ein größer Maß des Glaubens, der Liebe, Geduld, Hoffnung, Keuschheit u. d. gl. Ich sage aber, ehe man der Versiegelung durch den heiligen Geist theilhaftig wird, ehe man sich unterwindet, das Siegel der Versicherung durch den heiligen Geist anzunehmen, prätendieren manche Seelen vorher gar zu viel. Ich will alles deutlicher erklären durch Gottes Gnade, und es Punkt vor Punkt durchgehen, und mit den gemeinsten und öftersten vorkommenden Exempeln zu erläutern suchen.

1) Seelen, die Gott durch sein Wort wahrhaftig aufgeweckt hat, denen es auch ein wahrhaftiger Ernst in ihrem Christenthum ist, die aber so nicht zur Versiegelung kommen können durch den heiligen Geist, die versehen es insgemein damit, daß sie vorher gar zu viel empfinden wollen, ehe sie sich unterwinden, das Siegel, die Versicherung durch den heiligen Geist anzunehmen. 3. B. Es haben solche Seelen aus Gottes Wort gehört, daß, wenn ein Mensch sollte das Siegel von der Vergebung der Sünden, von der Gnade Gottes und der ewigen Seligkeit erlangen, er sich erkennen und fühlen müsse als einen todeswürdigen Sünder, als einen Gottlosen, nach Röm. 4,5., der nichts habe und besäße, als was ein ewiges Gericht und Verdammniß verdiente. Hierüber müsse er in eine göttliche Traurigkeit gerathen: denn sie wirke eine Reue, die Niemand gereue. Es hören solche Seelen ferner, daß, wenn der Mensch zur rechten wahren Buße, darauf er auch Vergebung der Sünden empfangen könne, kommen wolle: so erlange er einen allgemeinen Abscheu vor allen Sünden. Das sind lauter Wahrheiten, aber die Seelen fassen sie nicht recht, sie wollen die Sachen, wenn sie dieses gehört haben, immer im höchsten Grad haben. Gott läßt sie es nicht nur erkennen, sondern läßt sie es auch fühlen, daß sie todeswürdige Sünder sind, aber sie fühlen es ihrer Meinung nach nicht genug, sie wollen es mit tausend Schmerzen fühlen; haben sie die nicht, so heißt es noch immer, ich habe das und das noch nicht. So geht's auch mit der göttlichen Traurigkeit, Gott schenkt sie einer jeglichen Seele und gibt ihr ihr nöthiges Maß, weil sie aber von David gehört, daß er sein Bette geschwemmt die ganze Nacht und mit seinen Thränen sein Lager genetzt, sie aber hat das noch nicht, so denkt sie, sie sei noch nicht so, wie sie sein solle, ob sie gleich wahrhaftig gebeugt ist über ihre Sünden, und ihr selbige wahrhaftig leid sind und wehe thun, weil sie dadurch ihren treuen und lieben Heiland so sehr betrübt und beleidigt hat. Eben so geht es auch mit den übrigen Stücken. Gott läßt es der Seele gelingen, daß sie zu einem wahrhaftigen Ernst kommt, daß sie lieber wollte das Leben lassen als Sünde thun, weil sie aber den Ekel nicht so fühlt, nicht stets so merkt und auch bei einer jeden Sünde empfinden kann, so fängt sie an zu klagen und zu sagen: Ach! ich habe noch keinen rechten Ekel und Haß wider die Sünde gefühlt. Das ist es nun, was ich meine, wenn ich sage, redliche Seelen wollen zu viel empfinden, wollen sich nicht nur wahrhaftig fühlen als todeswürdige Sünder, nicht nur eine wahrhaftige göttliche Traurigkeit haben und zu einem rechtschaffenen Ekel vor allen Sünden kommen, sondern sie wollen das alles in gar zu großem Maß haben, und wenn sie solches nicht recht stark mit großer Gewalt fühlen, so halten sie das alles für nichts; da doch der heilige Geist, wie schon oft erinnert, uns lieber wollte durch einen sanften, zarten Gnadenzug zur Sache bringen, als erst mit solcher Gewalt, mit solcher Härte und Stärke. Es ist des heiligen Geistes Zug ein viel zu edler Zug, der nicht so gar streng und gewaltig geht, wenn es nur wahrhaftig zur Sache kommt.

2) Die Seelen, die zu einer wahrhaftigen Redlichkeit in ihrem Christenthum gekommen, aber nicht zu dem Siegel oder Versiegelung des heiligen Geistes gelangen, versehen es auch darin, daß sie, ehe sie sich unterwinden, das Siegel anzunehmen, allzuviel haben wollen. Sie hören: das und das hat der, das und das ist dem und dem widerfahren, da hat sich der Herr Jesus dem und dem geoffenbart und zu erkennen gegeben. Da erzählt denn manchmal einer dem andern ganz besondere außerordentliche Gnadengaben und Wohlthaten, die ihm von seinem Heiland widerfahren sind. Gleich fällt die Seele darauf und denkt: das habe ich noch nicht gehabt, wirft also gleichsam damit ihre Hoffnung weg. Wenn nun hernach der heilige Geist kommt, bietet, so zu sagen, das Siegel der Seele an, fängt an auf die Versiegelung zu arbeiten, so heißt es immer, das hat der und der gehabt und empfunden, das habe ich von dem und jenem gehört, verhindert also dadurch den heiligen Geist, daß er das Siegel aufs Herz nicht kann aufdrücken, lieber Mensch, wer hat sich denn auf diesen und jenen gewiesen? Du bist gewiesen auf das Wort des lebendigen Gottes. Gott kann ja diesem und jenem etwa was besonders erzeigen. Das ist eben nicht allemal nöthig, daß du das, was dieser und jener hat, eben auch haben mußt.

So gings bei dem Thoma, der dachte: wenn ich's nicht sehe und fühle, so kann ichs nicht glauben. Der Herr Jesus that freilich ein solch außerordentliches Wunder der Liebe an diesem Thoma; aber das müssen wir von dem Herrn Jesu nicht verlangen, daß ers mit uns auch so machen sollte: sondern man muß sich fein dem allgemeinen Wege überlassen und in Jesu Blute hineinsenken, der Gnade fein stille halten und dieselbe an sich arbeiten lassen, wie es dem Heiland gefällt, gehen lassen, was er will wirken lassen, was und wie er will. Redliche Seelen versehen es bei diesem andern Punkt, daß, ehe sie sich wollen unterwinden, die Versiegelung von dem heiligen Geist anzunehmen, so wollen sie erst die höchsten Kräfte im Christenthum haben. Sie sehen z. B. bei manchen eine große Gabe des Gebets, bei andern eine große Freudigkeit zu zeugen, wenn's auch Tod und Leben kosten sollte, werden auch bei diesen oder jenen Gaben gewahr, die sie noch nicht haben, diese wollen sie erst haben, und damit hindern sie beständig die Einwirkung des heiligen Geistes in ihr Herz, daß er so nicht zum Ziel und Zweck bei ihnen kommen kann.

3) Gibt es noch Seelen, die auch vorher zu vieles thun wollen, sie wollen nicht mehr Kinder- und Jünglingsthaten, sondern sie wollen Männerthaten thun und sind noch nicht recht neu geboren; da sie nur noch als Kindlein liegen sollten auf ihrer Mutter Schooß, sollten sich nun lassen völlig zur neuen Geburt bringen, da wollen sie schon große Dinge thun. Geht es ihnen nicht so wie einem geübten Mann von statten, so zagen sie. Kommen sie in Kampf, so will es noch nicht so fort, müssen sich noch mit mancher Sünde herumschlagen. Zwar die Kraft des Herrn Jesu erhält den Sieg, sie müssen sich aber noch mit der Sünde plagen; dabei denken sie denn: mit mir ist's wohl noch nichts. Wie wollte ich mir dieses doch nur einbilden können, daß ich mit dem heiligen Geist könne versiegelt werden, mein Zustand ist viel zu elend. Allein der Herr Jesus will ja Elende haben, er will ja Elenden helfen, er will ja Elende bessern; elende arme Kinder will er eben dadurch fester machen, stärken und gründen und sie in den Stand setzen, daß sie Jünglings- und Männer-Kräfte in ihrem Christenthum erhalten können. Erwarte also nur die Zeit, flehe ihn inbrünstig und anhaltend darum an, er wird dir gewiß helfen, daß du über die Sünde Herr wirst, und sie überwinden kannst.

Noch ein einziges will ich berühren, nämlich, wie oben bereits gemeldet, daß ein Christ nicht eher versiegelt werde, bis er zu einer Ueberwindung käme; ich habe mich aber damals durch Gottes Beistand solchergestalt erklärt, daß durch das Ueberwinden so viel verstanden werde, daß man nicht bei guten Erweckungen stehen bleibe. Z. B. wenn Gott dir dein Herz bewegt, du sollst Buße thun, dich ändern, ein anderer Mensch werden, da mußt du dich gleich in Gebetskampf begeben, bis nun wirklich eine Aenderung durch den heiligen Geist bei dir vorgeht. Ferner, wenn der heilige Geist anfängt, dich auf den Glauben zu führen, gibt Gnade, daß der Same des Evangelii in dein Herz fällt und in Glaubenskräften sich darin zu regen und zu bewegen beginnt; da somit freilich Welt und Satan und dein eigen Herz, und sucht das zu vernichten. Da mußt du im Gebetskampf beleben, bis du wirklich zum Glauben, zur kindlichen Zuversicht an deinen Herrn Jesum kommst. Also auch der heilige Geist fängt an, dich zu einem Ernst in der Heiligung zu treiben, überzeugt dich, du müssest von Herzen allen Sünden absagen, da widersetzt sich nun dein Fleisch; willst du aber versiegelt werden mit dem heiligen Geist, mußt du dich in einen herzlichen Gebetskampf geben, so lange, bis keine Sünde mehr in dir herrschen kann. Das hören viele Seelen, daß eine solche Ueberwindung erfordert werde, fassen es aber nicht recht. Daher, wenn sie bisweilen eine sündliche Regung in sich fühlen, denken Die gleich: Ach Gott, nun kann ich das Verdienst Jesu noch nicht haben, ich fühle ja noch sündliche Begierden in meinem Herzen. Allein, lieber Mensch, wer hat dir denn das gesagt, daß du gar keine sündliche Regung mehr führen dürfest? Das aber ist nöthig, daß du dagegen in den Kampf treten und damit anhalten müssen, bis sie besiegt und überwunden sei, daß sie nicht über dich herrschen könne; aber zu kämpfen wirst du wohl haben bis in deine Grube, ob du gleich durch die Gnade Gottes immer weiter gehst, so lange, bis du Macht bekommst, alle diese Feinde nach einander zu überwinden.

Seht, meine Geliebten, wenn ihr nun denkt, so lange ich noch eine Regung der Sünden fühle, so lange gehört das Siegel nicht für mich, so ist das immer eine Hinderung. Denn wenn der heilige Geist das Siegel aufdrücken will, haltet ihr, so zu sagen, die Hand davor, und sagt, nein, das Siegel gehört noch nicht für mich. Mit Gewalt drückt er dir's nicht auf, sondern stille mußt du halten.

Ich habe aber bei diesem Punkt noch Eines und das Andere zu erinnern. Man möchte nämlich fragen, woher kommt denn dieses bei redlichen Seelen, daß, ehe sie sich wollen versiegeln lassen durch den heiligen Geist, sie allzu viel empfinden, allzu viel haben, allzu viel thun wollen. Es kommt dieses bei den allermeisten her aus einer gewissen Ungewißheit. Es ist ihnen die ganze Sache noch nicht so bekannt und offenbar, indem die allermeisten denken, Gott gebe ihnen seine Gnade, die Vergebung der Sünden, den heiligen Geist und das ewige Leben um dieser Dinge willen. Gott gebe ihnen z. B. die Vergebung der Sünden darum, weil sie betrübt und traurig darüber wären, weil sie die Sünden nicht mehr über sich herrschen ließen, weil sie treu und redlich wären und ließen sich nun nicht mehr die Sünden, Welt und Teufel zurückhalten. Ach nein, ich kann nicht einmal sagen, daß Gott die Sünde vergibt um des Glaubens willen; das wäre schon zu viel gesagt, da doch eigentlich der Glaube das Hauptmittel ist, das von unserer Seite zur Erlangung der Vergebung der Sünden erfordert wird. Ich bekomme zwar die Vergebung der Sünden durch den Glauben, als durch das Mittel, als durch die Hand, so zu sagen, durch die Bettlershand; aber nicht um des Glaubens willen, sondern um des Herrn Jesu willen. Darum kann ich durch den Glauben Vergebung der Sünden haben, weil's mir mein blutiger Jesus erworben hat. Wenn du dich zu Tode grämtest, erhieltest du doch keine Vergebung der Sünden, wenn's dir dein Herr Jesus nicht erworben hätte; seine Thränen, sein blutiger Todesschweiß hat dir's erworben, da er unter deinen Sünden Blut schwitzte am Oelberg, daß er klagte: Meine Seele ist betrübt bis in den Tod! Siehe, Seele, das war die Traurigkeit, damit ist dir Vergebung deiner Sünden, Gnade Gottes und das ewige Leben erworben worden. Auf diesen Grund mußt du nun bauen und ja nicht denken: wenn ich nun so viel bete, so viel weine, so und so viel Traurigkeit habe, werde ich Vergebung empfangen, nein, das ist ganz falsch; denn da setzt du dein Vertrauen nicht auf die rechte Sache, da vermengst du die Vergebung der Sünden, den Grund der Seligkeit, mit den Mitteln. Stelle dir nur vor: verdient der Bettler mit seiner krummen Hand die Gabe, die du ihm gibst? Ach nein! aber wenn er seine krumme Hand nicht ausstreckte, so könnte er ja von dir nichts bekommen, du gibst es ihm frei umsonst, aber er muß die krumme Hand ausstrecken, als ein Mittel, die Gabe zu bekommen. So mache du es auch, lerne. alle deine Seligkeiten, deine Gnade und Leben allein in das Blut Jesu hinein bauen, darauf setze deine Hoffnung. Das andere nun, als Traurigkeit über die Sünde, den Glauben, das Gebet, den Kampf wider die Sünde, das brauche alles als Mittel, und da du diese dir auch selber nicht geben kannst, sondern der heilige Geist, so nimm und brauche. So viel dir der heilige Geist Gnade gibt, dich zu betrüben, so viel betrübe dich in Gottes Namen, er wird dir just so viel geben, als du wirst nöthig haben. So viel dir der heilige Geist Glaubensgabe gibt, so viel brauche derselben; hättest du auch gleich erst eine kleine Hand, wie ein kleines Kind, und du streckst dieselbe aus, bis ins Blut Jesu, so würdest du Vergebung der Sünden erhalten, und der heilige Geist wird sich deiner erbarmen. Also auch, so viel dir der heilige Geist Gnade gibt zum redlichen Kampf wider die Sünde, so wende sie an, und lasse sie nicht im Schweißtuch liegen, so wird dir Gott aus lauter Barmherzigkeit geben, was du wirst nöthig haben. Das mußt du wohl merken. Liebe Seele, der heilige Geist ist eine erworbene Gabe; die Versiegelung durch den heiligen Geist ist auch eine erworbene Gabe; Himmel und Seligkeit ist eine verdiente Gabe, es liegt alles offen, Jesus hat es erworben, du darfst nur als ein armer Sünder gebeugt, hungrig und durstig, mit dem allerkindlichsten und einfältigsten Vertrauen und Herzen kommen, es ist schon alles da. Daher ist dies die Stimme der rechtschaffenen Boten: kommt, ihr Seelen! es ist alles bereit. Das war das Wort, welches der König den Knechten in den Mund legte, als er seinem Sohn Hochzeit machte, daß sie die ganze Welt einladen sollten: Gehet hin und saget; kommet, denn es ist alles bereitet. Es liegt alles da in den Schätzen Gottes, wir dürfens nur umsonst nehmen. Aber desto erschrecklicher wird unser Gericht sein am jüngsten Tage, wenn wir nicht kommen. Kommt also doch, es ist alles bereitet; euer Jesus will nichts haben, als euer armes Herz, euer gottloses Herz; kommt als Sünder, kommt als Gottlose, kommt als Verfluchte, kommt, wer ihr seid, ihr dürft euch erst nicht besser machen. Legt euch in die blutigen Jesusarme hinein, kommt und laßt euch seinem heiligen Geist nur über, kommt und nehmt nur, was euch durch den Herrn Jesum schon erworben; kommt, streckt eure Hände aus nach seiner Gerechtigkeit, die in die Ewigkeiten hinein dauert. Das soll euch alles zu Theil werden, aller Himmel Himmel sollen euer sein, die euch Jesus erworben hat. Ach, Seele, komme doch, laß dir den Koth und Unflath der Welt nicht lieber sein, als alle theuer erworbenen Schätze Jesu Christi. Wie wollen wir's bei Gott einmal verantworten? Mein Heiland, lasse doch mein und euer Herz dabei aufgeweckt, und uns alle zum seligen Nachdenken gebracht werden. Aber, wäre es denn nicht möglich, daß Gott solchen Seelen, die vorher zu viel empfinden, haben und thun wollen, die Versiegelung geben könnte? Warum gibt sie ihnen denn der Liebe Gott nicht? Kann er's ihnen denn bei solchen Umständen nicht geben? Ich sage: Nein, nein, er kann sie nicht geben, der Mensch muß sich ihm erst überlassen, und von allem herunter kommen, und das ist auch die Ursache, warum der heilige Geist auch redliche Seelen so lange hingehen läßt. Er läßt sie wohl etliche Jahre hingehen, wie mir denn Menschen vorgekommen sind, die zehn, zwanzig Jahre hingegangen und haben nicht können recht zur Versicherung kommen. Warum?

Erstlich darum, Gott zwingt seine Gaben den Menschen nicht auf, wenn die Seele sagt: Nein! nein! ich kann's noch nicht annehmen, ich bin noch nicht im Stande, ich habe noch nicht Traurigkeit genug, ich bin noch nicht rein, heilig, ernstlich, redlich genug, das wäre wider Gottes Art und die ganze Ordnung.

Zum andern würde es der Seele recht schädlich sein, wenn sie die Versiegelung in diesen Umständen bekommen hätte. Denn sie würde denken, sie hätte sie erworben, oder sie hätte es doch damit zuwege gebracht; es würde dem herrlichen Jesu ein großes von seiner Ehre genommen werden. Wenn du es auch redlich meinst, siehe, so mußt du doch von allem herunter, was du hast, auch von dem Guten, das dir der heilige Geist gegeben hat; nicht, daß du es wegwerfen sollst, sondern du mußt dein Vertrauen nicht setzen auf deine Traurigkeit, wenn sie noch so groß wäre; du mußt dein Vertrauen nicht setzen auf deinen Glauben, wenn er noch so stark wäre; du mußt dein Vertrauen nicht setzen auf deine guten Kräfte, Beten und Singen, Ueberwindungskraft und dergleichen. Denn so bauest du auf einen falschen Grund, den auch der Teufel wieder umstoßen kann, sondern, wenn du gleich das alles hast, so mußt du doch dein Vertrauen lediglich auf Christi Blut, Tod und Verdienst seben. Alles übrige aber als Mittel, als Zubereitung, als Gnadengaben ansehen, die man nur darum bekommt, damit man etwas von dem Herrn Jesu annehmen könne. Denn man könnte von dem Herrn Jesu nichts nehmen, wenn man nicht Traurigkeit hätte, das heißt, wenn du deine Sünden nicht fühltest; darum macht er dich so traurig, darum läßt er dich nur deine Sünden fühlen, daß du nach dem Herrn Jesu fragen sollst, nicht daß du dadurch etwas verdienen wolltest; darum mußt du Glauben haben, daß du nur eine Hand hast, den Herrn Jesum anzufassen; darum mußt du Kräfte kriegen, wider die Sünde zu kämpfen, damit du die Sünden (nämlich die muthwilligen) und den Herrn Jesum nicht vermischest, und dich abreißest von Gott und in die Welt wieder hinein gehst. Nun, das ist, was ich noch zu reden gehabt mit den Seelen, die es aufrichtig und redlich meinen.

Nun will ich zu der andern Art Seelen übergehen, welche zwar auch aufgeweckt sind, fühlen und erkennen es, es stehe nicht recht mit ihnen, ihr Gewissen sagt es ihnen, wenn sie so bleiben würden, würden sie niemals selig werden. Gleichwohl aber kommen sie niemals zu einem rechten Ernst in ihrem Christenthum, sie hangen an dieser und jener Sünde noch, da wollen sie nicht herunter. Daher kommts niemals zur wahren Aufrichtigkeit, zu einer wahren Freude in ihrem Gewissen, sondern sie gehen so mit, suchen allerlei gute Uebungen, werden oftmals aufgeweckt, kriegen vielmals Schläge in ihrem Gewissen, beten auch wohl, aber dabei bleiben sie. Da ist die Sache nicht schwer auszumachen, warum solche Seelen zu keiner rechten Versiegelung kommen können durch den heiligen Geist; weil die meisten solcher Art Menschen schon durch ihre oftmaligen Widerstrebungen gegen die Gnadenwirkungen des heiligen Geistes verhärtet, und fast schon fühllos worden sind, daß man Noth hat, ihre Seelen bisweilen loszuarbeiten, um sie einmal nüchtern zu machen, und zu einem seligen Nachdenken ihres Seelenzustandes zu bringen. Bei redlichen Seelen, wie vorher gesagt worden, kommt es daher, wenn sie nicht versiegelt werden, weil sie vorher gar zu viel empfinden, gar zu viel haben und gar zu viel thun wollen; aber bei den Seelen nun, mit welchen ich jetzt rede, kommt es daher, daß sie nicht versiegelt werden, weil sie gar zu wenig empfinden, haben und gar zu wenig thun wollen.

Ich will die Sache, so viel Gott Gnade schenkt, einem Jeden begreiflich machen. Ich sage: wenn die Seelen, die aufgeweckt sind, sehen, es stehe nicht recht mit ihnen, kommen aber zu keiner Gewißheit im Christenthum und erlangen keine Versiegelung, so kommt's daher, weil sie gar zu wenig empfinden wollen. Sie hören nun, wie ich vorher gesagt, daß alle Seelen nicht eben ein so großes Maß Traurigkeit empfinden dürften, das fassen sie hernach und sind nur mit den allerwenigsten Erweckungen zufrieden; sie haben kaum angefangen, etwas von ihrem Sündenelende zu fühlen, da denken sie, sie haben das rechte Siegel und das rechte Maß der Gnaden schon, gehen also nicht hin und beten: Ach, Herr Jesu, ach, lieber Heiland, laß mich nicht betrogen werden, sondern gib mir mein rechtes Maß der Erkenntniß und Traurigkeit über meine Sünden, gib mir mein bescheiden Theil von Thränen, daß meine Seele zerschmelzen und zerfließen könne, so, daß du sie wie Wachs in deiner Hand bilden könnest. Seht, so betet solche Seele nicht, das steht ihr nicht an, da ist sie viel zu zärtlich dazu. Denn, wenn Gott zuweilen kommt, und der heilige Geist wirkt einen Schrecken in ihnen, wegen ihrer Sünde, so schlagen sie es aus den Gedanken, gehen hin, richten ihre Augen auf andere Dinge, warum? es thut ihnen zu weh. O, das ist ein böses Ding, lieber Mensch, so lange du es so machst, so kommst du nimmermehr zur Versiegelung mit dem heiligen Geist; denn du läßt ja dem heiligen Geist nicht Raum. Der heilige Geist findet's nöthig, daß er dir ein größeres Maß Traurigkeit gebe. Dein Herz ist sehr hart, es muß zerschmolzen werden, es muß weich werden in der Hand deines Heilandes, wenn was daraus gemacht werden soll und du willst nicht. Darum hat er dich müssen wegthun, weil du ihm so unbequem bist. Du scheust und schämst dich wohl vor den Menschen und denkst: wenn sie dich so traurig sehen, so werden sie denken, ich bin noch so ein großer Sünder: Armer Wurm! bist du es denn nicht? sagt dir's denn dein Herz und Gewissen nicht? wer das nicht glaubt, und will's nicht lassen offenbar werden vor andern Menschen, der sei ein abscheulicher Sünder, der hat noch nicht den Anfang der rechten Erkenntniß seiner selbst. Eben so geht's auch mit den andern Stücken des Christenthums. Wir haben eben gehört, daß ein Mensch zu einem Abscheu und Ekel aller Sünden kommen müsse; daß dieser Ekel nicht eben allezeit müsse so empfindlich sein, sondern wohl in einer ernstlichen Abneigung des Herzens und Fliehen vor der Sünde bestehen könne. Wenn das nun solche Seelen hören und kaum ein und andere grobe Sünden anfangen sich zu verekeln, da denken sie, sie hätten nun schon den rechten Abscheu vor allen Sünden. Das Kennzeichen, das Gott in seinem Wort als ein Merkmal einer wahrhaften Buße angegeben hat, wollen sie nicht wissen, und auch, daß ein allgemeiner und ernstlicher Abscheu davor erfordert werde, daß man lieber sein Leben lassen wolle, als mit Wissen, Willen und Vorsatz wider seinen Gott sündigen; wie wir bei dem lieben Joseph finden, der da lieber wollte sein Leben in Gefahr setzen, als etwas Böses thun und seinen Gott im Himmel erzürnen, 1. Mos. 39,9.

Ferner ist es auch mit solchen armen Menschen beschaffen, daß sie gar zu wenig haben wollen, sie sind bald zufrieden, wenn sie hören, daß auch ein Senfkörnlein Glaubens vor Gott werth und angenehm sei, oder wenn man auch nur eine Kindeshand nach der Gnade Gottes in Jesu Christo könnte ausstrecken, man Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit bekomme, da halten sie gleich den geringsten Gedanken, den sie sich von ihrem Heiland und vom Glauben machen, für Glauben, beugen ihre Kniee nicht und sagen: ach Gott! mein Gott, gib mir doch wahren Glauben, ach, lieber Gott, laß mich doch nicht etwa betrogen werden, laß mich nicht zufrieden sein mit etwas menschlichem; ich will dir nicht vorschreiben, was du mir geben sollst, allein schenke mir wahren Glauben durch den heiligen Geist, als den Geist des Glaubens. Das thun sie nicht, sondern sie sind zufrieden, wenn sie so meinen, was weg zu haben, als einen Raub.

Bei dem dritten Stück aber werde ich die Sache noch deutlicher machen. Er kommt bei solchen unlautern Gemüthern daher, weil sie gar nicht thun wollen, was sie wohl thun sollten und könnten, und gleichwie die Erstern zuviel, also diese zu wenig thun wollen, ehe sie zur Versicherung durch den heiligen Geist kommen können. Daraus folgt, daß ein Mensch, der Gottes Gnade, den heiligen Geist und die Versiegelung haben will, ja allerdings die Gnadenmittel brauchen müsse, wodurch Gott in uns den Glauben wirkt, nämlich Gottes Wort, das muß er fleißig betrachten, ohne das ist es nicht möglich, den Glauben zu erlangen. Aber das steht vielen Seelen nicht an, da gereut ihnen ein Viertelstündchen, so sie darauf wenden sollen, selbsten in Gottes Wort zu forschen, darüber zu beten und sich darin zu üben; und daher können sie auch freilich zu keiner Gnade kommen; so wie ich nicht kann gesund werden, wenn ich keine Medicin brauche, die meiner Gesundheit zuträglich. Eben so ist das Gebet ein herrliches Mittel, dadurch man alle Gnade von Gott haben kann, es darf nicht schön, etwa nach der Redner Kunst eingerichtet sein, nein! es darf nur ernstlich sein.

Wenn sich die Menschen nicht wollen die Mühe geben, und wollen beten, können so den ganzen Tag hingehen, können sich so zerplagen und zerarbeiten, nehmen sich kein Stündlein zum Gebet, wie wollen solche Seelen zur Versiegelung kommen mit dem heiligen Geist?

Also ist das freilich ein Haupthinderniß, daß solche arme Seelen nimmermehr können zur Versiegelung kommen, weil sie die Mittel nicht brauchen wollen. Doch manche brauchen wohl die Mittel, bleiben aber bei den Mitteln stehen und wenden sie nicht recht an. Es gibt Leute, welche jeden Gottesdienst besuchen, versäumen nicht gerne eine Predigt, sie bleiben aber dabei: wenn sie es gehört haben, so meinen sie, dadurch würden sie die Versiegelung mit dem heiligen Geist bekommen, nein, das ist nur das Mittel. Wenn du das Mittel stehn läßt und nicht brauchst, ist es eben, als wenn ich ein Glas Medicin nur holte aus der Apotheke, darnach setze ich's hin und wollte es nicht brauchen. So nimmst du das Wort Gottes, faßt es, so zu sagen, in's Gefäß deines Gedächtnisses, da läßt du es bei bewenden, brauchst es nicht, deine Seele dadurch fein zu ermuntern und dich damit in dem Kampf gegen die Sünde zu wehren, demselben fein einfältig nachzudenken. Und daher kann es freilich bei dir zu nichts kommen; besonders aber ist das so ein rechter Hauptfehler, daß solche Seelen gar nicht in den Kampf wider die Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Wesen hinein wollen; Ueberwinder werden nur gekrönt. Redliche Seelen, wenn sie ein Stäublein Kraft bekommen, die wenden solche treulich an; aber das thun nun zu diesen unsern Zeiten unsere faulen Christen nicht, ach, die fühlen manche Sünde, wie sie noch wüthet in ihnen, manche Unreinigkeit, die in ihnen aufsteigt. Sie fühlen, wie so manche hochmüthige Begierde sie noch anwandelt; doch nehmen sie sich keine Zeit dazu, sich ernstlich in den Kampf und Gebet wider dieselbe zu begeben und so lange vor Gott zu flehn, bis sie durch die Kraft des Blutes Jesu überwunden hätten: und daher werden sie freilich immer so hingerissen, wie ein Vieh zur Schlachtbank, und können nicht versiegelt werden durch den heiligen Geist. Denn das ist und bleibet einmal gewiß, so lange noch eine einzige Sünde ihre Herrschaft hat, so lange kann der Mensch nicht zur Versiegelung mit dem heiligen Geist kommen. Ich sage nicht, so lange er noch Sünde fühlet, das wäre ungerecht gelehrt, denn der Mensch, auch der wirklich durch den heiligen Geist versiegelte, fühlt allerdings Sünde, er wird gereizt, gelockt von der Welt und seinem eigenen Fleische; sondern ich sage, so lange der Mensch eine Sünde herrschen läßt, sie mag vor der Welt grob, oder scheinbar sein, es mögen heimliche Lüste, oder verborgene Begierden sein, wenn er dieselbe herrschen lasset, so ist er überwunden. Und da liegts nun bei den allermeisten dran. Manche gehen auch wohl hin, und glorieren, und schwätzen von Versicherung der Vergebung der Sünden, und man siehet, wie sie in herrschenden Sünden noch stecken, in herrschendem Geiz, in herrschender Bauchsorge, in herrschendem Hochmuth, in herrschender Wollust, lassen dem Fleische noch Zaum und Zügel, gehen so hin, und denken: sie haben Vergebung. Bei solchen Menschen ists eitel Betrug. Denn sie wollen nicht thun, was sie durch Gottes Gnade thun könnten und sollten, sie wollen die Kraft, die guten Bewegungen, und die Gnade, die ihnen der heilige Geist angeboten hat, nicht zu einer wahren Redlichkeit anwenden. Fraget ihr, warum können denn solche Menschen nicht versiegelt werden? Ich antworte: wenn noch eine Sünde, die in mir herrschte, und ich noch ein Sklave davon wäre, sich in mir befände, so müßte er mir ja die Sünde versiegeln, kann denn das Gott thun? Wie würdet ihr, wenn ihr auch nur eine böse Hand hättet, und der Arzt heilete sie euch zu mit dem Unflath, der noch darinnen ist, mit dem Arzt zufrieden sein? Also würden wir mit Gott im Himmel, und mit dem heiligen Geist zufrieden sein, wenn er, so zu sagen, unser Herz zuheilete, gäbe uns die gnädige Versicherung und Versiegelung von seiner Gnade, und der Teufel hätte sein Regiment noch im Herzen. Er kann es nicht thun, es ist wider Gottes wesentliche Eigenschaft, und folglich wider seine Ordnung; Christus und Belial stimmen nicht mit einander überein. Wenn ihr euch dieses merken wolltet, was könnten euch doch diese einfältigen Vorstellungen für Nutzen bringen? Wendet sie an, euren Zustand recht kennen zu lernen.

Sind nun Seelen da, oder lesen dieses, die die Versicherung noch nicht erhalten haben, die gehen doch um Gottes willen in sich; der Grund ist ihnen jetzt aufgedeckt worden, legen sich mit Thränen vor Gott nieder, und bitten ihn, er wolle ihnen doch aus seinem Worte, als in einem Spiegel, zu erkennen geben, ob sie unter die Zahl der ersten gehören, oder der letzten, von denen jetzt gehandelt worden, ob sie es durch den Mangel verursachet haben, damit, daß sie zuviel empfinden, haben und thun wollen, oder ob es daher kommen, daß sie zu wenig empfinden, haben und thun wollen. Das letzte ist zu diesen unsern Zeiten wohl bei den allermeisten. Man wird es so wahrnehmen an ihren Umständen, sie sind gar zu bald zufrieden mit ihrem bisschen Buße, wenn sie nur ein Fünkchen Glauben fühlen, wenn sie nur einige Aenderung bei sich merken, wenn es auch gleich kaum ins Grobe hinein gegangen. Sie sind zufrieden, ob sie es gleich noch fühlen, daß sie, wie Sclaven, noch in dieser oder jener Sünde liegen. Sagts etwa manchem auch redlichen Herzen unter uns sein Gewissen, daß er habe zu viel oder zu wenig haben wollen, und dadurch die Versiegelung gehindert, der gehe hin, bitte Gott, daß er ihm alle Nebendinge wolle wegnehmen, und Gnade geben, von heute an allein zu bauen ins Blut der Versöhnung des Herrn Jesu Christi. In dem Liede: Ist Gott für mich, so trete, v. 3., welches eigentlich von der Versiegelung handelt, wird dieses gar schön ausgedrückt:

Der Grund drauf ich mich gründe,
ist Christus und sein Blut,
Das machet, daß ich finde
das ew'ge wahre Gut;
An mir und meinem Leben
ist nichts auf dieser Erd:
Was Christus mir gegeben,
das ist der Liebe werth.

Daher, ihr Seelen, merket ihr etwa, ihr habt noch so viel getrauet auf euere Traurigkeit, auf die und die Gaben und Kräfte, habt gedacht, wenn ihr die und die nicht hättet, so wäre es nicht gut; geht heute hin, und lernet als arme, elende und unwürdige Sünder auf Jesum und sein Blut eure Hoffnung gründen, betet und flehet, daß euch Gott aus der Fülle Jesu Christi so viel Gnade wolle schöpfen lassen, wie euch noth ist, so wirds mit eurer Versiegelung bald zu Stande kommen. Ihr übrigen Seelen aber, die ihr wohl werdet überzeugt sein, daß ihr zu wenig habt empfinden wollen. Merkt ihr noch die Herrschaft dieser und jener Sünden, merkt ihr noch die Macht des Unglaubens, so geht bin, und werft ihr euch auch nieder, so lange, bis ihr nun wahrhaftig den Sieg davon traget, ihr werdet erfahren, wie seliglich und süßiglich ihr werdet mit der Gnade Gottes übersittet werden.

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