Eine alte Chronik erzählt, als ein einst vertriebener König aus seiner Verbannung zurückgekehrt sei, habe man aus Freude darüber Wein aus Springbrunnen emporsprudeln lassen; so gütig war der König, und das Volk so glückselig, dass man aus Brunnen köstlichen Wein statt Wassers springen ließ, damit ein jeder sich nach Herzenslust daran erquicke. Ja, wir können, wenn wir´s recht anfangen, unser Leben so reich, so voll, so gesegnet für unsere Mitmenschen machen, dass jenes Sinnbild auch auf uns passt, und man sagen darf, dass unser Leben mit Wein fließt, während das Leben anderer Menschen nur mit Wasser fließe. Solcher Kinder Gottes habt ihr wohl etliche gekannt; vielleicht einen vorzüglichen Gottesmann, der im innigsten persönlichen Umgang mit dem Heiland lebte. Wenn er redete, so lag in seinen Worten eine Salbung und ein himmlischer Duft, eine Gediegenheit und Entschiedenheit in seinen Ansichten, die ihr aufs Höchste bewundern musstet, ohne selbst solche Höhe erreichen zu können. Wie oft habt ihr nicht gesagt: „Ich wollte, meine Worte hätten solche Klarheit und Fülle, Reife und Salbung, wie die Worte solch eines Mannes; wären doch auch meine Taten so reich, so herrlich, so rein wie die Taten jenes selbstverleugnenden, gottseligen Jüngers. Alles, was ich vermag, ist so gering und armselig, wenn ich´s mit jenen hohen Gnadenfrüchten vergleiche. Ach, dass ich doch mehr tun könnte! Dass ich doch Ströme reinen Goldes, statt armseliger Schlacken in jedes Haus bringen könnte!“

Ja, lieber Christ, das sollte dich aufmuntern, dein Herz füllen zu lassen mit dem Reichsten und Höchsten. Nie, nie vernachlässige das Wort Gottes; es bereichert deinen Geist mit Erkenntnis, deinen Willen mit Kraft und dein Gemüt mit Barmherzigkeit; deine Rede wird innig und aufrichtig, ein Ausfluss dessen, das in dir ist, reich, gediegen, gesalbt. Nur lass dein Herz voll Lieblichkeit sein, voll großmütiger Liebe, so wird auch der Strom, der von deinen Lippen fließt, lieblich und herzlich sein. Vor allem suche Jesum in dein Herz aufzunehmen, so werden Ströme lebendigen Wassers aus dir fließen, reinere, belebendere, sättigendere Quellen, als die Quelle Sichar, aus welcher Jakob trank. Sehe hin, lieber Christ, zum großen Bergwerk voll unerschöpflicher Schätze, und bitte den Heiligen Geist, dass er dein Herz reich mache zur Seligkeit. So wird dein Wort und Wandel deinen Mitmenschen zum Segen dienen; und wenn sie dich sehen, wird ihnen dein Antlitz freundlich scheinen und dein Angesicht wie ein Engel Gottes.

(sprachlich bearbeitet durch Ute)