Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 3. Andacht.

Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 3. Andacht.

Psalm 5.

Dieses Gebet Davids ist ein wahres Mustergebet, ganz in der Weise, wie wir es lernen sollen, ein wirklich planmäßiges Gebet.

„Herr, höre meine Worte, merke auf meine Rede. Vernimm mein Schreien, mein König und mein Gott; denn ich will vor Dir beten.“ V. 2 und 3.

Es ist ja nicht außer Acht zu lassen, dass der Psalmist sagt: Ich will vor Dir beten. Er stellt sich im Geiste unmittelbar vor das Angesicht Gottes hin, Seines Herrn und Königs, von dessen Größe, Majestät und Heiligkeit er ganz erfüllt ist. Er weiß mit wem er sich unterwindet zu reden, und während er fleht: „Vernimmt mein Schreien, mein König und mein Gott,“ ist er darum auch schon zum Voraus der Erhörung seiner Bitte gewiss. O, meine Lieben, wie sehr haben wir daran zu lernen. Es sind Manche unter uns, die wie der Psalmist auch in allerlei Bedrängnis stecken. Manche, die vom Satan gedrängt und gequält werden, dass sie nicht wissen, wo aus und ein, wie sie los und frei werden sollen. Wer aber in eigener Kraft, in eigener Gerechtigkeit den Kampf aufzunehmen sucht, der wird ihn nicht bestehen, er wird träge und matt, und erliegt in dem Kampfe, weil er mit seiner Kraft der Macht der Finsternis gegenüber nicht ausreicht. Ja er verstrickt sich nur immer mehr in dieselbe, so dass er keinen Ausweg mehr weiß. Wer aber demütig ist und einsieht, dass er aus sich selbst gar nichts vermag, der wendet sich in jeder Bedrängnis gleich zum Herrn und weiß auch, dass er nicht vergebens bittet.

„Vernimm mein Schreien,“ darunter ist nicht das laute Klagen und Lamentieren gemeint, das nur die Nerven angreift; sondern der Psalmist versteht darunter das innerste Sehnen und Verlangen des Herzens, auch ohne Worte. Der Herr, der in das Verborgene sieht, nimmt das Schreien unseres Herzens wahr, wenn auch unsere Lippen kein Wort hervorbringen können. Als Mose mit den Kindern Israel vor dem roten Meer stand, nach 2 Mose 14., in der Flucht vor den Ägyptern, sprach der Herr zu Mose: „Was schreiest du zu mir? Sage den Kindern Israel, dass sie ziehen.“ Damals hat Moses kein Wort geredet, aber der Herr hat seines Herzens innerstes Sehnen und Verlangen gesehen und darauf geachtet. Welch ein Trost ist das für uns. Aber, wie viel wird in die Luft hineingebetet, an die Wände hin, das der Herr gar nicht erhören kann. Wir müssen planmäßig, nach der Vorschrift des Wortes Gottes beten lernen, wohl wissend, vor wem wir stehen und mit wem wir reden. „Gott ist ein Geist, und die Ihn anbeten, die müssen Ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Joh. 4,24. Wenn wir uns so recht vergegenwärtigen, welch große Gnade es ist, dass wir Staub, arme Erdenwürmer, sündige, unreine Kreaturen, in jedem Anliegen uns zu dem Herrn, unserem Gott und König, dem Heiligen und Allgewaltigen wenden, vor Ihn uns stellen, und mit Ihm reden dürfen, wie mit einem Bruder und Freund, was Er uns beides sein will; das sollte uns beugen, und uns tief in der Demut erhalten.

Aber eben so wenig dürfen wir uns für zu elend und zu einfältig halten zum Beten; Keines soll sagen: „Ich, ich habe so erbärmlich gebetet, es hat sich Niemand daran erbauen können rc.“

Wir müssen alle unsere Gebete durch den Geist Gottes heiligen lassen; denn jedes, auch das beste Gebet, geht durch unser sündiges unreines Herz hindurch, und muss durch das Blut Jesu gereinigt und frei gemacht werden von eigenem Feuer. Wie es uns im Glaubensleben aufhalten kann, wenn wir uns nicht willenlos dem Herrn übergeben, habe ich schon oft und neulich wieder an einer lieben Seele erfahren. Diese erzählte mir, dass sie den Heiland von ganzem Herzen liebe, nur Ihm lebe, halbe Nächte im Gebet zubringe, in immerwährendem Verkehr mit dem Herrn stehe und schon mehrmals die Bibel unter Gebet gelesen habe, dass sie auch viel Almosen gebe und ihre Sünden schon öfters einem Geistlichen gebeichtet habe; allein je mehr sie bete, desto friedeloser werde sie und habe noch keine Vergebung der Sünden erlangen können. Sie bat mich dringend, ihr doch zu sagen, was sie zu tun habe, worauf ich ihr riet, einige Tage in meinem Hause zu bleiben, ich wolle für sie beten und mir Licht vom Herrn schenken lassen, um ihr sagen zu können, wo es ihr fehle. Sie blieb, und schon am zweiten Tage war mir Alles klar. Die liebe Seele betete zu stürmisch und zu gewaltig, zu sehr in ihrem eigenen Geist und Feuer; ein solches Gebet kann der Herr nicht erhören, dieses nimmt allen Segen und allen Frieden weg. Ich sagte das der lieben Seele, und sie ging darauf ein, unterließ das stürmische Beten in eigener Kraft, legte sich stille zu Jesu Füßen, und dieses sah der Herr so gnädig an, dass Er ihr bald Seinen vollen Frieden schenken konnte und sie voll innerer Freude schon nach 14 Tagen heimzog, der Vergebung ihrer Sünden gewiss und innerlich glücklich darüber, dass sie sich nun Alles aneignen könne, was ihr der Herr Jesus erworben. Prüfet euer Gebet, ob kein eigenes Feuer dabei ist; deshalb bitte ich auch oft nach meinem Gebet: „Herr, was von Dir, durch Deinen Geist gesprochen war, das hebe mir auf, und gib es mir wieder, wenn ich es brauche; was aber von mir selbst dazu gekommen ist, das lösche aus mit deinem heiligen Blute.“

Mein lieber Urgroßvater Pfeil sagt hierüber in einem Liede: „Eure Bitten, die ihr tut,
zu Gott von der Erden,
Müssen eine heilge Glut
Des Altares werden;
Aber euer eignes Feu'r
Lasset weit von dannen,
Von der heilgen Pfannen.“

Vers 4 sagt David: „Herr, frühe wollest Du meine Stimme hören; frühe will ich mich zu Dir schicken und darauf merken.“ Sehet, meine Lieben, wie nötig es ist, dass wir frühe uns zum Herrn schicken. Ich bat euch schon so oft, ihr möchtet euch doch ja gleich morgens beim Erwachen zum Herrn erheben mit Loben und Danken; das verleiht uns für den ganzen Tag eine Kraft, die uns nimmer verlässt. Es ist das außerordentlich wichtig, denn wenn wir das tun, so haben wir es den Tag über viel leichter, bei Ihm zu bleiben. Wenn wir uns dagegen schon in der Frühe weltlichen, geschäftlichen, oder gar unreinen Gedanken hingeben, haben wir den ganzen Tag mit Zerstreuung und Sorgen zu kämpfen, denn der Satan lauert nur, bis er uns beikommen kann, und freut sich schon darüber, wenn er uns durch zerstreuende Gedanken und unnötige Phantasien vom Herrn abbringen kann. Dieser Punkt ist besonderer Beachtung wert jetzt in der stillen Woche, in die wir heute eingetreten sind. Ich möchte meine lieben Kranken angelegentlichst bitten, nicht nur beim Erwachen sich sogleich in die Liebe und in das Erbarmen unsers Heilandes zu versenken, sondern auch den ganzen Tag Ihn im Geiste, auf allen Seinen Gängen, Seinen Leidens- und Schmerzenswegen zu begleiten und tief im Herzen zu bewegen, wie sauer es dem lieben Heiland geworden, dass Er meine und aller Welt Sünde getilgt, und uns die Seligkeit erworben, mit Aufopferung Seines Leibs und Vergießung Seines Bluts. - Da werdet ihr erfahren, welch eine Kraft auf euch ausströmt und welches Segens ihr teilhaftig werdet nach Leib und Seele. In solch innigem, geistigem Verkehr wird uns dann auch das Verdienst unseres Heilandes recht klar, und es entsteht im Herzen ein brennendes Verlangen, sich die Gerechtigkeiten, die Er uns von der Krippe bis zur Himmelfahrt erworben, je mehr und mehr anzueignen. Mit dieser Gerechtigkeit müssen wir einst in der seligen Ewigkeit bestehen und bekleidet sein.

Sie fällt uns aber nicht nur so zu, wir müssen sie uns erbitten und erflehen, wir müssen vorher unsere eigene Gerechtigkeit ausziehen, ehe wir die Gerechtigkeit Christi anziehen können, damit wir nicht in unserer Ungerechtigkeit hinüber kommen. Solche Seelen sind ein übler Geruch vor dem Herrn, ihre Sünden stehen an ihren Gebeinen geschrieben, sie müssen sich schämen und fliehen bis in die äußerste Finsternis, damit sie nicht gesehen werden. O, das wird eine schreckliche Pein sein! Ich bitte euch, meine Lieben, um Jesu willen, doch recht einzudringen, die Zeit zu benützen, diese schöne, stille Woche, die ihr jetzt hier, so ferne vom Geräusch der Welt und euren Geschäften, zubringen dürfet. Bittet um Klarheit über euren inneren Herzens- und Seelenzustand; bittet um Lichts- und Glaubenskräfte, wodurch die Macht der Finsternis geschwächt und vertrieben wird.

„Du bist nicht ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt; wer böse ist, bleibet nicht vor Dir,“ heißt es Vers 5. Unser Herz, das müssen wir Alle zugeben, ist grundverdorben, denn „aus demselben kommen hervor arge Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsch Zeugnis, Lästerung.“ Matth. 15, 19. Da ist keines, auch nicht Eines unter uns, das sich von diesen Sünden, so scharf sie in unsern Ohren klingen mögen, frei sprechen kann. Es steht im Wort Gottes, und das lügt nicht. „Es ist kräftig, und schärfer denn kein zweischneidig Schwert, und durchdringet, bis dass es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.“ Hebr. 4, 12. Es geht der Natur gar sauer ein, sich darunter zu beugen, dass wir den Keim zu jeder Sünde, die nur irgend gedacht werden kann, im Herzen haben. Des Mords, Ehebruchs, Hurerei usw. denken wir uns gar nicht fähig zu sein, und wenn wir es genau betrachten, so müssen wir in tiefer Beschämung bekennen, dass wir in Gedanken schon manchen geistigen Mord verübt haben. Wie oft steigt ein Gedanke in unserm Innern auf, wie: Wäre der oder diese lieber tot, usw. Ehebruch, wie viel haben wir in dieser Beziehung mit Augenlust gesündigt, und so auch im Geist Hurerei getrieben. Arge Gedanken steigen ja immer genug im Herzen auf. Zweifel, Missgunst, Unglauben, und das ist Gotteslästerung. Ja, meine Lieben, es ist eine traurige Wahrheit, aber es ist wahr, wir sind zu allem Bösen fähig, und Derjenige ist furchtbar verblendet und in Hochmut und Eigenliebe verstrickt, der wähnt, er habe zu dieser oder jener schlimmen Eigenschaft gar keinen Hang. Ach, das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt, von der Fußsohle bis zum Scheitel ist nichts Gesundes an uns. (Jes. 1,5 und 6.) Jeder Blutstropfen ist von der Sünde vergiftet, und es ist ein solcher Lügengrund in uns, dass wir kaum im Stande sind, das Gute vom Bösen zu unterscheiden. Es ist dem Satan ein Leichtes uns zu allem Bösen zu verführen; wenn wir nicht auf der Hut sind, wachen und beten.

Darum ist es von so großem Wert für uns, zu wissen, dass eine ewige Erlösung erfunden, dass das Blut Christi uns zu gut geflossen, und dass wir so kostbare Hilfs- und Gnadenmittel haben zu unserer Reinigung und Heiligung. Wir dürfen die Kraft des Blutes Jesu viel auf uns herabbitten, das ist eine Kraft, die alle inneren und äußeren Schäden heilt; Lichts- und Glaubenskräfte wirkt. Das Gebet ist ein herrliches Verbindungsmittel zwischen uns und dem Heiland und wir haben ja Gottlob freien Zugang zu dem Herzen unseres hochgelobten Heilandes.

Der Psalmist sagt im 8. Vers: „Ich aber will in Dein Haus gehen, auf Deine große Güte und anbeten gegen Deinem heiligen Tempel, in Deiner Furcht.“ Von dem Augenblick an, da der Vorhang im Tempel in Jerusalem zerriss, da der sterbende Erlöser das große Wort aussprach: „Es ist vollbracht!“ wurde uns armen Sündern der Weg in das Allerheiligste des Tempels, d. h. zum Herzen Gottes gebahnt; wir haben jederzeit freien Zutritt dahin, und sind ohnedies dort fortwährend vertreten durch unsern hochgelobten Mittler und Hohepriester, Jesus Christus. Wo Er in einer Seele nur den leisesten Wunsch entdeckt, sich zu Ihm zu kehren, da strömt Er ihr gleich Lichts- und Glaubenskräfte zu und macht es ihr leicht, denn Er hat geschworen uns selig zu machen, und lässt deshalb nichts unversucht, unsere Seelen zu retten. Er ist der Wiederbringer und hat alles getan zu unserer Rettung; wir dürfen nur glauben, annehmen und bei Ihm bleiben, ja uns Ihm völlig übergeben.

„ Lasset schwinden, lieben Brüder,
Was euch quält;
Was euch fehlt,
Bring ich Alles wieder.“

Wir können aller Seiner Gnadengüter, aller Seiner Gerechtigkeiten hier schon vollständig teilhaftig werden, wenn wir unsere eigene Gerechtigkeit ausziehen. Wir können nie mit dem Herrn Jesu auferstehen und mit Ihm ewig leben, wenn wir nicht zuvor mit Ihm gestorben sind, d. h. unsere Natur, unsere sündigen Neigungen und Begierden vollständig in den Tod gegeben haben. Wir können die Kraft der Auferstehung nie bekommen, wenn wir nicht alles ablegen, was uns noch Verdammliches anklebt, und uns anziehen lassen mit göttlicher Kraft und Macht. Meine Lieben, es ist etwas Köstliches um die Kraft der Auferstehung, aber sie will erbeten sein. Ich habe buchstäblich drei Wochen fort und fort den Herrn gebeten, dass Er mir hierin Klarheit geben möchte. Bei Dorothea Trudel spürte man die Kraft der Auferstehung sehr deutlich, und fühlte, dass Ströme des Lebens von ihr ausgingen; ebenso kenne ich einen lieben, frommen Geistlichen, der sie auch in hohem Grade besitzt; wenn er nur an den Altar tritt und noch kein Wort gesprochen hat, ist schon die Kraft Gottes fühlbar, die von ihm ausgeht und jedes seiner Worte begleitet. Dieser liebe Mann versicherte mich aber, dass es jeden Morgen sein Erstes sei, den Herrn um die Kraft der Auferstehung zu bitten, damit doch, was er mit den Seelen rede, als Gotteskraft wirken und sie stärken und kräftigen möge. Prüfet euch, meine Lieben, ob ihr das auch fleißig tut. O, versäumet es doch ja nicht, besonders in der nun angetretenen stillen Woche, damit ihr von der heiligen Festzeit einen Segen bekommt, den ihr noch in der Ewigkeit verspüren werdet. Wendet künftig jeden Tag so an, dass er ein Tag für die Ewigkeit sei und kein verlorener, der euch einst anklagen müsse. Es ist ja schon traurig genug, dass wir bisher so viele Tage vergeudet und verloren haben. Lasset uns doch recht bedenken, was zu unserem Frieden dient und uns der Gerechtigkeit befleißigen; „denn Du, Herr, segnest die Gerechten, Du krönest sie mit Gnade wie mit einem Schilde.“ Vers 13. O diesen Schild der Gnade wollen wir uns doch unablässig erbitten, denn mit demselben sind wir geborgen für alle Zeiten. Der Schild der Gnade ist der beste Schutz gegen alle Arglist und Tücke der finstern Mächte, gegen alle Anfechtung von Innen und Außen. Da ist die Seele fröhlich und glücklich; ihr Mund fließt über von Lob und Dank. Der Herr gebe, dass wir Alle dieses Glückes teilhaftig werden mögen und in Wahrheit sprechen können: „Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott, denn Er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet.“ Jes. 61, 10. Amen.

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