Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 31. Andacht.

Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 31. Andacht.

Jeremia 29.

Im 8. Vers dieses Kapitels warnt der Herr nachdrücklich vor den falschen Propheten: „Denn so spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israel: Lasst euch die Propheten, die bei euch sind und die Wahrsager nicht betrügen und gehorcht euren Träumen nicht; denn sie weissagen euch falsch in meinem Namen; ich habe sie nicht gesandt, spricht der Herr;“ und diese Warnung dürfen wir uns in der jetzigen betrübten Zeit besonders gesagt sein lassen; ja wir haben den Herrn recht zu bitten, Er möge uns doch erleuchten, dass wir die Geister prüfen können, und uns bewahren vor den falschen Propheten, Wahrsagern, Zauberern und der ganzen Brut der Irrlehrer, auf dass wir, wie es in Eph. 4,14. heißt: „nicht mehr Kinder seien und uns wägen und wiegen lassen von allerlei Wind der Lehre, durch Schalkheit der Menschen und Täuscherei, damit sie uns erschleichen, zu verführen.“ Ach, wie viel Unfug und Täuscherei kommt heutzutage vor! Wie haben wir zu wachen und zu beten, dass das Herz fest werde! Der Apostel Paulus bittet auch die Ebräer im 13. Kapitel V. 9 eindringlich: „…Lasst euch nicht mit mancherlei und fremden Lehren umtreiben; denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade.“ Um diese Gnade wollen wir den Herrn ernstlich bitten; denn wir können uns vor solchen Verführern nicht selber schützen, und wie gar mancherlei sind die Versuchungen im Groben wie im Feinen, bei Gesunden wie bei Kranken. Wie viel wird nur durch Sympathie, Geisterbeschwören, Kartenschlagen, Amuletten tragen rc. gesündigt. Es ist nicht zu leugnen, dass z. B. durch Sympathie schon Manche gesund geworden sind, aber es ist und bleibt eine gefährliche Sache, weil man dadurch unversehens in einen Bund mit dem Satan gerät. Matth. 7, 22 u. 23. heißt es deutlich: „Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr! haben wir nicht in Deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in Deinem Namen Teufel ausgetrieben? Haben wir nicht in Deinem Namen viele Taten getan? Dann werde Ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie erkannt, weichet alle von Mir, ihr Übeltäter.“ Wer schon etwas derartiges gebraucht hat, der soll ernstlich Buße tun; denn wenn der Herr uns Krankheiten und Leiden zuschickt, geschieht es, um uns wieder mehr zu Sich zu ziehen, uns von unserer Lauheit und Trägheit aufzurütteln, damit wir uns Ihm wieder mit mehr Eifer und Lust zuwenden und in immer engere Gemeinschaft mit ihm treten möchten. Wir müssen uns daher stets ernstlich prüfen, was Er mit uns zu reden hat. Es sind zwar Liebesschläge, aber es sind doch Schläge, die wir recht beachten müssen, wenn uns ein Segen daraus erwachsen soll. So wenig uns die Heimsuchungen stumpf und gleichgültig machen dürfen, so wenig sollen wir uns durch sie verzagt und mutlos machen lassen. Der Herr hat stets Gedanken des Friedens über uns, ob wir auch oft in unserem verkehrten Wesen meinen, Er habe Gedanken des Leides, wenn er uns Leiden und Trübsale schickt. Wenn wir alle Prüfungen und Heimsuchungen als einen Segen aufnehmen und in gänzlicher Willenlosigkeit und unbedingtem Gehorsam allein auf den Herrn blicken würden, so würden unsere Wege Friede und Freude im heiligen Geiste sein. Wie viel Trost, Kraft und Segen strömt oft von einem Krankenbett aus! Wie steht es da bei dir, liebe Seele? Kannst du auch von Herzensgrund in jenes Lied aus dem württemberg. Gesangbuch (Nr. 370) einstimmen, worin es heißt:

„Willst du mich auf das Siechbett legen? Ich will;
Soll ich in Mangel sein? Ich will;
Soll sich ein Unfall regen? Ich will;
Und willst du, dass ich wein? Ich will;
Und gibst du mich dem Tod? Ich will!
Dein Will' gescheh, o Gott!1)

Dieser Vers brachte mir vor 35 Jahren, als ich lahm in Ragak war, und die Ärzte mein Leiden als unheilbare Rückenmarksvertrocknung bezeichnet hatten, besonders großen Segen; gerade waren die Ärzte bei mir gewesen und hatten sich dahin ausgesprochen, dass ich wohl nicht mehr lange leben würde, wogegen sich mein junges Blut damals sehr sträubte, weil ich noch nicht sterben wollte.

Da kam meine Jungfer zu mir und brachte mir das oben angeführte Verslein mit der Bitte, ihr dasselbe zu erklären, da ihr sein Inhalt ganz unnatürlich, ja schauerlich erscheine. Ich las den Vers und merkte alsbald, dass derselbe nicht für sie, sondern für mich bestimmt sei, weshalb ich das Buch behielt und meiner Jungfer sagte, ich wolle mit ihr ein anderes Mal über diese Sache reden.

Dann las ich den Vers wieder und wieder und bat den Herrn ernstlich, mir Gnade zu schenken, damit ich mir den Inhalt desselben von Herzensgrund aneignen könne. Immer und immer wieder klangen mir die Worte dieses Verses in meinen Ohren, so dass ich unaufhörlich flehte: „Herr Jesu! mache mich so willenlos, wie Du es warst.“ Nach einigen Tagen erhörte mich der Herr, mein hartes Herz war gebrochen, eine völlige Hingabe meines eigenen Willens an den Willen des Herrn folgte, worauf ein überaus großer, beseligender Friede in mein Herz einzog, welcher mich nicht nur während meiner noch ein halbes Jahr anhaltenden Leidenszeit nicht mehr verließ, sondern sich im Gegenteil von Tag zu Tag vermehrte. Ja, wir wollen dem Willen Gottes nicht mehr widerstreben, denn so lange wir dies tun, können wir nicht glücklich werden und keinen wahren Frieden erlangen. Dorothea Trudel sagte öfters: „Soll ich dir sagen, wann die Stunde schlägt, in der du den wahren und vollen Frieden und Segen Gottes genießen darfst? Von dem Augenblick an, wo du deinen eigenen Willen völlig gebrochen hast.“ Ja, es ist wahr, von Stund an bist du der glückseligste Mensch. Wie töricht sind wir, wenn wir uns dem Willen Dessen widersetzen wollen, der Himmel und Erde und was darinnen ist geschaffen hat und erhält, und der in allen Seinen wunderbaren Führungen mit uns nur Gedanken des Friedens und nicht des Leides hat, und nur das Eine bezwecken will, uns ewig selig zu machen. Wir wollen der Liebe und Weisheit Gottes volles Zutrauen schenken und Seiner Verheißung V. 12-14: „Ihr werdet Mich anrufen und hingehen und Mich bitten, und Ich will euch erhören. Ihr werdet Mich suchen und finden. Denn so ihr Mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will Ich Mich von euch finden lassen, spricht der Herr.“ Wir wollen doch recht aufmerken und an Allem lernen. Gleichwie die Biene von Blume zu Blume fliegt und daraus das Beste für sich zu nehmen sucht, so sollen auch wir von allen Vorkommnissen und Umständen das Beste für uns herausziehen und lernen. Der Herr muss uns manchmal in die Gefangenschaft führen, damit wir hernach die Freiheit um so dankbarer schätzen lernen. Es kommt nun aber Alles darauf an, wie wir uns während der Gefangenschaft verhalten. Es liegt an uns, die Zeit derselben abzukürzen oder zu verlängern. Je aufmerksamer wir auf des Herrn Winke achten, je schneller wir uns mürbe, weich und demütig machen lassen, desto rascher kann der Herr unsere Bande lösen. Wir müssen in solchen Fällen ein inniges Verlangen nach dem Herrn selbst, nach Seiner Gemeinschaft haben und durch ihn recht viele Gotteskraft anziehen, dann fallen die Fesseln der Krankheit oft von selbst weg und wir bekommen alles wieder zurückerstattet, was uns der Herr nehmen musste. Wie aber der Herr bei dem Volk Israel 10 Jahre gebraucht hat, bis es endlich mürbe, und das Verlangen, dem Herrn allein zu dienen, in ihm lauter und rein geworden war, so zwingen Ihn die Menschen jetzt noch, dass Er sie länger im Schmelztiegel lassen muss, bis sie endlich ganz zerknirscht und gedemütigt sind. Die Israeliten haben wohl auch die Rute tief gefühlt, sie waren betrübt, hingen ihre Harfen an die Weiden, wie wir Ps. 137,2. lesen; aber sich unter die Rute demütigen, die heiligen Friedensgedanken des Herrn erkennen, das wollten sie lange nicht; deshalb konnte Er auch Sein gnädiges Wort nicht über sie erwecken, und sie mussten so lange harren, nach V. 10. So geht's auch heute noch. Wir müssen die Rute küssen, in allem mit dem Willen Gottes einverstanden sein und blindlings glauben, dass Er nur Gedanken des Friedens, nicht des Leides über uns hat, und dass Er endlich Alles wohl machen wird. Wenn eine Seele noch so lange harren muss und sich wie in der Hölle gänzlich verlassen fühlt, so hat der Herr doch Gedanken des Friedens über sie und die Zeit der Erquickung kommt gewiss. Darum wollen wir nur recht stille sein und harren, wie auch der Psalmist ermahnt: „Sei getrost und unverzagt und harre des Herrn.“ Ps. 27,14. Wir müssen fest am Wort hangen, denn das Wort Gottes soll unsere Speise sein und ist eine Kraft, die Wunder tut. Der Herr führt Seine Friedensgedanken an uns aus, es mag in und um uns. aussehen wie es will. Die Seele muss gereinigt, geläutert und zubereitet werden, und dazu braucht es oft lange Zeit. Wie oft habe ich es schon erleben dürfen, dass Kranke in 4 Wochen nach Innen und Außen ganz andere Menschen geworden sind. Wir können uns unnötig lange aufhalten. Wenn wir gehorsam sind und unbedingt in den Willen des Herrn eingehen, dann hat der Herr Lust und Freude daran, uns wohl zu tun. Er wünscht, und gewiss mit Recht, von Seinen durch Sein Blut teuer erkauften Seelen, dass sie ein sehnliches Verlangen nach Ihm haben und sich Ihm mit völliger Hingabe überlassen. Du darfst Ihn im Glauben fassen und musst Ihn festhalten, aber nur dabei nichts fühlen wollen. „Ohne Fühlen musst du trauen!“ Lässt Er dich in Seiner Gnade und Liebe einmal ein besonderes Wohlsein fühlen, so ist es reine Gnade. Wenn wir mit Eifer trachten den Herrn zu lieben, kommt schon ein Lichtstrahl Seiner Liebe in unser Herz, auch wenn wir nichts Besonderes empfinden, denn Seine Liebe ist das Allerköstlichste auf Erden.

Der Satan möchte uns oft glauben machen, wir haben keinen Heiland, weil wir Ihn nicht fühlen und sehen, er bereitet der Seele dadurch manche Anfechtung; aber wir dürfen diesen seinen listigen Einflüsterungen kein Gehör schenken, sondern müssen fest aufs Wort blicken und im Wort Ihn haben.

Herr, lass uns durch Dein Wort in eine ernste Selbstprüfung eingehen, dass wir aus Deiner Klarheit uns in die Wahrheit leiten lassen.

Wir wollen mit den Worten meines lieben Urgroßvaters von Pfeil bitten:

Seele, prüfe dein Verlangen,
Dein Gemüt, deinen Sinn,
Wem begehrst du anzuhangen?
Wo steht dir dein Herze hin?
Prüf', erfahre recht die Triebe,
Deiner Sehnsucht, deiner Liebe. Amen.

1)
Andreas Ingolstetter 1633-1711
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autoren/s/seckendorff/seckendorff-hausandachten/seckendorff_hausandachten_31_andacht.txt · Zuletzt geändert: von aj
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