Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 26. Andacht.

Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 26. Andacht.

Daniel 12.

Dieses Kapitel lässt uns einen tiefen Blick tun in den Ernst jener Zeit, jener trübseligen Zeit, von der Daniel weissagt, und welche dem Kommen des Herrn zum Weltgericht unmittelbar vorausgeht. Sie ist nach dem Gefühl aller Gläubigen nicht mehr ferne, und es wäre möglich, dass wir Alle, wie wir hier beisammen sind, sie noch erleben könnten. Darum dürfen wir hier wohl stille stehen, und uns den Ernst und die Bedeutung dieser verhängnisvollen Zeit recht lebendig vor die Seele führen, uns ernstlich prüfen, wie es bei uns steht, wie es in unserem Inneren aussieht, mit welchen Gefühlen wir dem Kommen des Herrn entgegensehen? Ich finde, dass dies im Allgemeinen gar zu wenig geschieht, dass man sich viel zu wenig in diese Zeit hineindenkt und versetzt, es würde uns vor vielen unnötigen Gedanken und Zerstreuungen bewahren und unserem inneren Wachstum sehr förderlich sein. In England gibt es eine Sekte, deren Glieder in beständiger Erwartung des Herrn, des Königs aller Könige sind, deren Gedanken, Gebete und Hauptaugenmerk dahin gehen, dass der Herr jeden Augenblick kommen könne, worauf sie sich bereit machen wollen. Es war mir höchst interessant, die Bekanntschaft etlicher Glieder dieser Gemeinde zu machen, um das Nähere darüber zu hören, und ich musste mich mit diesem Punkte völlig einverstanden erklären. [Sie rufen einander bei jeder Begegnung statt des Grußes zu: „Der Herr kommt!“] Wir müssen uns klar darüber werden, ob wir uns fürchten müssen vor der Zukunft des Herrn, wenn Er erscheint in den Wolken, oder ob wir uns dessen freuen können; ob Er uns zum ewigen Leben oder zu ewiger Schmach und Schande kommen wird, ob wir zu denen gehören, die sich hier durchrichten lassen, oder ob wir drüben noch ins Gericht kommen. Wer sich hier durchrichten lässt, d. h. seine Sünden erkennt und bekennt, bereut und ihnen abstirbt, sich durch den heiligen Geist züchtigen und strafen, vollbereiten, stärken, kräftigen und gründen lässt, Vergebung seiner Sünden hat und Lichtskräfte anzieht, der kommt drüben nicht ins Gericht, dessen Namen ist in das Buch des Lebens geschrieben. „Wo Vergebung der Sünden ist, da ist Leben und Seligkeit.“ Wer aber in seinen Sünden beharrt, der Zucht des Geistes beharrlich ausweicht, die Lichts-Gemeinschaft mit Jesu nicht sucht, der wird dem einstigen Weltgericht anheimfallen.

Meine Lieben, wir wollen uns einmal ernstlich prüfen, wie es uns zu Mute wäre, wenn der Heiland plötzlich in den Wolken erscheinen würde. Wie stünde es mit dem Glaubensöl? - Wäre Keines von uns den fünf törichten Jungfrauen gleich, die nicht genug Glaubensöl gehabt haben, denen es, als der Bräutigam kam, ausging? Wie stünde es mit der Lichtsgemeinschaft? Hätten wir so viele Lichtskräfte angezogen, dass wir das Licht der Majestät Gottes ertragen und in das neue Jerusalem eingehen könnten? Haben wir uns nicht nur anleuchten, sondern durchleuchten lassen vom göttlichen Licht? Es gibt nur zwei Wege, einen, der zur Verdammnis und einen, der zum Leben führt; die Zeit ist kurz und die Ewigkeit nahe, die kein Ende hat. Es ist darum wohl der Mühe wert, dass wir stille stehen und uns ernstlich prüfen. Wir wollen uns aufs Neue in das Erbarmen Gottes versenken und es unsere einzige Sorge sein lassen, hier schon in eine selige Gottes Gemeinschaft zu kommen.

Lasst uns den Herrn um Lichteskräfte, und besonders um die Inwohnung des Heiligen Geistes bitten. Wir dürfen uns mit der Einwirkung des Heiligen Geistes nicht begnügen, nein, wir müssen die Inwohnung haben. Da muss vorher alles aus dem Herzen hinaus, was denselben hindert einzuziehen, denn in ein ungeheiligtes, unreines Herz, das noch nicht im Blut Jesu gewaschen und gereinigt ist, zieht der Geist Gottes nicht ein. Je mehr wir uns in Jesu hineinleben, desto mehr bekommen wir Lichtskräfte und können der Sünde absterben, denn das Licht des Heiligen Geistes vertreibt die Macht der Finsternis. Das ist auch für die leibliche Heilung sehr förderlich, denn wenn diese Lichtskräfte den ganzen Menschen durchdringen, dann weicht die Krankheit rascher. Eine solche begnadigte Seele erhält immer mehr Gaben von dem Herrn, ihrem Seelenfreund, und lässt sie leuchten zu Seines heiligen Namens Ehre. Ja, eine solche durchleuchtete Seele wird auch Anderen zur Erleuchtung helfen und ihnen den Weg dazu zeigen. Das merkt euch besonders, ihr Hausmütter und Gattinnen. Der Herr schenke uns Allen solch eine seelenrettende Liebe, dass wir für Ihn und für Sein Reich wirken und Ihm Seelen gewinnen können. V. 3 heißt es: „Die Lehrer aber werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die, so Viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich.“ Dieses Wort gilt nicht nur den öffentlichen Lehrern, meine Lieben, es gilt auch uns Allen. Wir Alle sollen den Brand der seelenrettenden Liebe in uns haben, und angelegentlich darum bitten, damit wir Vielen den Weg zur Gerechtigkeit weisen, und leuchten mögen wie die Sterne, immer und ewiglich. Natürlich müssen wir zuerst selber den rechten Weg gefunden und die richtige Herzensstellung zu Gott haben, ehe wir Anderen den Weg weisen können. Wir müssen vor Allem das geteilte Wesen ablegen und ganz entschieden für den Herrn werden, uns von ganzem Herzen zu Ihm bekehren. Das ist's, was Er durchaus von uns verlangt. Die Liebe Christi muss uns dringen, für Andere zu beten, und sie retten zu helfen, und das ist ein außerordentlich schöner, seliger Beruf, das kann ich euch versichern, meine Lieben. Vor mehreren Jahren lebte in St. ein hübsches, sehr liebenswürdiges, adeliges Fräulein im Hause einer frommen Dame, der sie nach dem Tod ihrer Eltern zur Erziehung übergeben worden war. Eines Tages, als die Pflegeschwester derselben meine Betstunde besuchte, frug ich nach besagtem Fräulein, die ich zwar nicht näher kannte, auch noch nie gesprochen, sondern nur bisweilen gesehen hatte. Es hieß: Sie sei heute Abend im Theater. Das ergriff mich sehr und erweckte in mir eine herzliche Teilnahme für das junge Mädchen, die so auf dem Irrweg war, dass ich den ganzen Abend und dieselbe ganze Nacht für sie beten musste. Am folgenden Morgen hatte ich einen Ausgang zu machen, und die erste Person, welche mir auf der Straße begegnete, war dieses Fräulein. Ich konnte unmöglich dem Drang meines Herzens widerstehen, eilte auf sie zu, fasste ihre Hand, und redete sie ohne Weiteres sehr freundlich an, indem ich ihr sagte, dass ich sie, seit ich gestern gehört habe, sie sei im Theater gewesen, nimmer aus dem Sinn gebracht und herzlich für sie habe beten müssen, ob sie denn auf dem breiten Wege, der zur Hölle führe, fortwandeln, dem Weltsinn forthuldigen wolle, was wohl ihre frommen verstorbenen Eltern dazu sagen würden? Sie möchte doch bedenken, was zu ihrem Frieden diene, umkehren und sich zu Jesu bekehren, dann würde sie ein glückseliges Kind Gottes werden, denn als Weltkind sei sie doch gewiss nicht glücklich rc. So sprach ich auf offener Straße über eine halbe Stunde mit ihr, und als ich geredet hatte, hat sie um die Erlaubnis, mich besuchen zu dürfen, worauf ich erwiderte, dass mein Haus und Herz ihr allezeit offen stünden. Sie kam, und kam wieder, zuletzt fast täglich in die Betstunden, ging nie mehr ins Theater und bekehrte sich gründlich. Nun ist sie verheiratet, ihrem Mann eine glaubensstarke Stütze und ihren Kindern eine gottesfürchtige, liebende Mutter, deren einziges Bestreben es ist, wie sie mir kürzlich schrieb, ihre Kinder in der Zucht und Vermahnung zum Herrn zu erziehen. Sie lebt still und zurückgezogen von der Welt, und ist, obwohl in der Nähe einer großen Stadt, doch nie mehr in ein Theater oder zu sonst einem weltlichen Vergnügen gegangen. Meine Lieben, prüft euch doch recht, wie es bei euch steht und denkt darüber nach, was die Weltlust bietet: eitel Unfrieden und Herzeleid, und was man bei dem Herrn findet: Friede und Freude im heiligen Geist. Man kommt durch das Wort Gottes von einer Klarheit zur anderen, ist selig hier und dort, man darf sich vor dem Tod und dem Gericht nicht fürchten, es ist ein seliger Heimgang zum Vater, mit dem wir hier schon durch Seinen Sohn, unseren hoch gelobten Heiland, Mittler und Versöhner, vereinigt worden sind. Von Enoch, dem siebenten von Adam, heißt es: Er durfte den Tod nicht schmecken, sondern wurde von dem Herrn hinweggenommen, dieweil er ein göttliches Leben führte. „So lasset uns nun laufen durch Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist, und Glauben halten bis ans Ende.“ Hebr. 12,1.

„O, wie wohl, wie wohl wird's tun,
recht gekämpft zu haben,
und dort fröhlich auszuruh'n,
uns bei Dir zu laben!“

Der Herr gebe uns Allen ein seliges Ende. Das walte Gott! Amen.

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