Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 25. Andacht.

5 Buch Mose Kap. 10.

Das heutige Kapitel beginnt wieder mit einem Gespräch zwischen dem Herrn und Mose. Warum, meine Lieben, hört man davon heutzutage so wenig, fast nie mehr reden? Warum hört man im Gegenteil immer sagen: das war nur dazumal, jetzt spricht der Herr nicht mehr mit uns Menschen. Das muss uns doppelt tief beugen und beschämen, weil wir diesen heiligen Genuss des persönlichen Umgangs mit dem Herrn noch viel leichter haben könnten als die Väter des alten Bundes, weil wir unseren Heiland als Versöhner, Mittler und Fürsprecher haben, was Jene nicht hatten. Aber leider ist unsere Natur so verfinstert durch die Sünde und so verkehrt in ihrem Dichten und Trachten geworden, dass der heilige, reine Gott unmöglich in eine Gemeinschaft, in ein persönliches Verhältnis zu uns treten kann. Wie kann Er denn zu uns reden, wenn das Herz noch angefüllt ist vom Jahrmarktskram, von sündlichen Phantasien, und es darin schwirrt wie ein Rad, das nicht zur Ruhe kommen kann? Wenn wir ausgekehrt, aber nicht eingekehrt sind, wie es in der Heiligen Schrift heißt: Jes. 29, 13. Matth. 15, 8. „Sie sind ferne von Mir!“ Weil unsere Ohren allen Welt- und Sündenwust lieber hören als Gottes Stimme, so muss uns das tief in den Staub beugen; denn wir könnten es so unaussprechlich gut haben, wenn wir nur wollten, wenn wir in den Gehorsam des Glaubens zu bringen wären. Dass wir es heute gerade noch so haben können, wie die Väter des alten und die Gläubigen des neuen Bundes, das kann ich euch hoch und heilig versichern. In meinem Beruf komme ich sehr oft in die schwierigsten Lagen, wo mir Niemand auf der Welt raten und helfen kann; da bete ich ganz still vor meinem Heiland, bespreche mich mit Ihm und ich darf nie ohne Antwort von Ihm gehen, aber es gehört die Stille des Grabes Jesu dazu. Alles in uns muss schweigen, vernichtet und willenlos dem Herrn zu Füßen liegen und fest müssen Seine Verheißungen ins Auge gefasst werden. Ich darf dann nicht vorher Menschen um Rat fragen, oder gar in eigener Vermessenheit mir selbst durch die Verlegenheit durch helfen wollen. Nein, schnell zum Heiland gehen und bei Ihm allein sich Rat holen. Herz, Sinn und Gedanken müssen auf Ihn gerichtet sein, dann können wir aber auch Seine Stimme hören und wir werden nie irre geführt werden. Es ist das ein seliges Geheimnis und eine heilige Kunst, die, wenn wir sie recht üben, uns einen unaussprechlichen Genuss und Seligkeit bereitet. Die größte Demut und gänzlicher Willensbruch, unbedingter Gehorsam und ein beständiger Gebetsumgang mit dem Herrn sind auch da wieder Grundbedingungen. Was glaubt ihr, welche Demütigung es für Mose war, als er den Befehl vom Herrn bekam, er soll wieder zwei ganz gleiche steinerne Tafeln hauen, wie die ersten gewesen, die er im Eifer zerbrochen hatte; aber er beugte sich in Demut und war gehorsam, ungemein ausdauernd und ganz stille.

Es heißt V. 10: „Ich stand auf dem Berg wie vorhin, vierzig Tage und vierzig Nächte, und der Herr erhörte mich auch diesmal.“ Meine Lieben, das will viel heißen, vierzig Tage und vierzig Nächte still und gehorsam vor dem Herrn stehen und warten auf Seine Hilfe! Wie steht's da bei uns? Prüft euch, meine Lieben, wenn ihr zum Herrn betet in einem Anliegen und Er erhöret euch nicht sogleich, ist da auch ein stilles, gehorsames Warten, bis es dem Herrn gefällig ist? Ach, leider nein! Wie hadert man da gleich mit dem lieben Gott, wie gibt man wieder anderen Gedanken Raum im Herzen, und vom geduldigen Harren und stille sein, zusehen dem Herrn, wie Er's macht, ist gar keine Rede; und so lange wir nicht das lernen und üben, unseren eigenen Willen ganz aufzugeben und in unbedingtem Gehorsam auf die Winke des Herrn achten und Seiner Leitung folgen, so lange kann der Herr nicht mit uns reden, sich nicht zu uns bekennen. Wir müssen vorher unsere Herzen ganz ausleeren lassen von allen unlauteren und unreinen Gedanken; was uns stört und drückt, unsere Phantasie beunruhigt und bewegt, wie es V. 16 heißt: „So beschneidet nun eures Herzens Vorhaut und seid förder nicht halsstarrig!“ O die unreinen Gedanken und Phantasien, welche aus dem Herzen kommen, können entsetzliche Folgen haben! sie sind nicht zollfrei, der Herr weiß sie alle. Da kann ich nicht umhin, euch eine warnende Begebenheit zu erzählen, welche dieser Tage in meinem Hause vorgekommen ist, und die uns die schreckliche Macht zeigt, welche die unreinen Phantasiebilder auf Körper und Seele ausüben, die uns aber auch in das Herz voll Erbarmen unseres hochgelobten Heilandes blicken lässt, der durch die Kraft Seines Lodes Alles wieder heilt und gut macht. Vor 8 Tagen brachte man mir ein 26 Jahre altes Mädchen, welches schon seit sieben Jahren von den furchtbarsten Brustkrämpfen befallen und sehr oft mit unbegreiflicher Gewalt aus dem Bett geworfen wurde, so dass sie mit Wunden im Gesicht hierher kam. Zu diesen Krämpfen trat noch seit sieben Wochen ein Lahmsein und eine völlige Steifheit der Glieder ein, und es wären eher die Füße gebrochen, als dass man sie hätte biegen können, und seit sechs Wochen war sie auch so völlig der Sprache beraubt, dass sie keinen einzigen Laut hervorbrachte. In diesem Zustand trugen sie zwei Männer aus dem Wagen in das Krankenzimmer, und da lag sie eher tot als lebendig scheinend. Ich war getrost dabei und blickte weder auf die Krankheit noch auf das Stummsein, sondern allein auf den Herrn und Heiland Jesus Christus und Sein Wort. Ich machte die arme Kranke auf Manches aufmerksam und fand sie sehr aufrichtig, indem sie durch Schreiben auf das Täfelchen mit mir bekehrte. Ich konnte mit Freudigkeit vor dem Herrn im Gebet für sie einstehen. Das arme Kind aber wurde mit unreinen Phantasiesünden übel geplagt; der Herr jedoch, der es den Aufrichtigen gelingen lässt, hat auch sie nicht lange auf sich warten lassen. Er eilte, wie immer, mit Seiner Hilfe. Am Samstag kam sie; und am Dienstag stellte sich während der Betstunde ein sehr heftiger Husten ein, der ohne Aufhören eine Stunde lang währte; da zeigte sich die Stimme wieder. Am Mittwoch früh schrieb sie noch auf das Täfelchen: „Ich glaube gewiss, ich werde bald sprechen können, und wirklich nach dem Mittagessen rief sie auf einmal: „Gottlob, jetzt kann ich sprechen!“ Sie bewegte gegen Abend ihre Beine, stand vom Bett auf und ging im Zimmer auf und ab. Wegen gänzlicher Appetitlosigkeit und aus Mangel an Nahrung, da sie 6 Wochen nur Flüssiges nehmen konnte, war ihre körperliche Schwäche sehr groß; sie erholte sich aber vollends rasch, und heute, gerade zu der Stunde, in der sie vor 8 Tagen in das Haus herein getragen wurde, saß sie am Rädchen und spann fleißig. So kann uns die Sünde zurichten und besonders die unreine Phantasie-Sünde; aber seht wie schnell der Herr heilt, wenn wir offen und aufrichtig sind. O bittet um die Kraft des Namens Jesu, denn durch die Kraft Seines Namens und durch die Besprengung mit Seinem Blute werden wir los von allen unreinen Phantasien. Darum lasset uns fleißig bitten:

„Versöhnungsblut komm über mich.
Vertreib die Macht der Finsternis!“

Unsere sündige Natur kann nie gereinigt und geheiligt werden durch uns selber. Der Apostel schreibt: „Wandelt im Geiste, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen.“ Gal. 5,16. Also im Geist müssen wir wandeln, uns über die sündlichen Regungen und Bewegungen unserer bösen Natur stellen und wachen und beten; denn der Satan lauert fort und fort, um seinen Einfluss auf uns geltend zu machen, und sobald wir da nicht mit dem Schild des Glaubens gewappnet sind und fest auf dem Felsen Jesus stehen, uns unter den Schatten der süßen Jesus-Hand stellen, so sind wir keinen Augenblick sicher, dass uns die Macht der Finsternis nicht wieder überwältigt. Wir dürfen uns auch niemals begnügen mit dem, was wir haben, und zufrieden sein mit unseren Fortschritten in der Heiligung und Bekehrung, sondern mit einem unwiderstehlichen Drang und Trieb vorwärts streben und uns das höchste Ziel vor Augen stellen. Jeder Stillstand ist ein Rückschritt, deshalb:

„Fortgekämpft und fortgerungen,
Bis zum Ziele durchgedrungen
Muss es, bange Seele, sein!“

Und das können wir in allen Lagen des Lebens üben, daran hindert uns kein Beruf, er mag heißen, wie er will, und der Mensch mag hoch oder nieder gestellt sein, in armen oder reichen Verhältnissen leben. Der Stalljunge, die Küchenmagd kann so gut wie der Fürst und Baron seine Arbeit im Blick auf den Herrn verrichten und in der Kraft Seines Jesus-Namens, in treuem Gehorsam und beständigem Gebets-Umgange mit dem Herrn bleiben. Vor Gott gilt kein Ansehen der Person; da gilt's Jedem:

Wer da läuft und läuft zu schlecht,
Der versäumt sein Kronenrecht.“

V. 12 u. 13. „Und nun Israel, was fordert der Herr, dein Gott von dir; denn dass du den Herrn, deinen Gott fürchtest, dass du in allen Seinen Wegen wandelst und liebst Ihn und dienst dem Herrn, deinem Gott, von ganzem Herzen und von ganzer Seele, dass du die Gebote des Herrn hältst und Seine Rechte, die ich dir heute gebiete, auf dass dir's wohl gehe?“ Ja, wir dürfen nie ablassen im Kampf, sowohl gegen die Macht der Finsternis in und außer uns, als auch im Kampf zum rechten Durchdringen und Eindringen in die seligen Gottesgeheimnisse. Es darf sich keiner damit begnügen, dass er die Einwirkungen des Geistes Gottes verspürt. Nein, wir sollen ringen und kämpfen, um die Inwohnung des Heiligen Geistes zu erlangen. Zum Perlentor der Stadt Gottes kann nichts eingehen, was noch unlauter und unrein, was noch von Verdammungssünden an uns ist; Alles muss abgestreift werden, und auch hier in dieser Welt ist nur der wahrhaft glücklich und ein brauchbares Werkzeug im Dienste Gottes, dessen Herz ganz los ist von allen sündlichen Begierden und Neigungen und eine Behausung der heiligen Dreifaltigkeit geworden ist. Eine solche Seele hat durch die Kraft Gottes eine Herrschaft über die bösen Geister und die eigene sündige Natur und ist hier schon ganz mit ihrem Heiland verbunden und ihm einverleibt. Ihr einziges Dichten und Trachten ist nur der Herr, Ihn zu lieben und ihm zu dienen in aller Einfalt und Demut, voll brennender Nächstenliebe. O, meine Lieben, wir wollen uns doch recht in der Demut, Willenlosigkeit, kindlichem Gehorsam und beständigem Gebetsumgang mit dem Herrn üben, dass auch wir auf dem Weg des wahren Friedens und unbeschreiblicher Freude endlich das Ziel des Glaubens, der Seelen Seligkeit, durch die Gnade unseres hochgelobten Heilandes erlangen und zur ersten Auferstehung kommen mögen. Dazu verhelfe uns der Herr und Heiland in Gnaden. Amen.

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