Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 21. Andacht.

Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 21. Andacht.

5. Buch Mose 4.

Die ganze herrliche Predigt, welche in diesem Kapitel enthalten ist, bezeugt uns klar und deutlich, dass der Herr, unser Erlöser, nicht gekommen ist auf die Welt, das Gesetz aufzulösen, sondern zu erfüllen. Er hat auch uns angewiesen und angeleitet, es zu erfüllen, und auf diese Weise ist's eine Lust und eine Freude für uns, nämlich in Seiner Kraft, im Vertrauen auf Ihn. Wenn wir bei dem Herrn bleiben und immerfort Lichts- und Glaubenskräfte aus Ihm anziehen, ist's uns ein Leichtes, Alles zu erfüllen; denn Er geht uns ja voran, und Sein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Weg. „Ich vermag Alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.“ Philipper 4,13. Da hat keines, auch nicht Eines eine Entschuldigung: denn die Geringsten und Verachtetsten nimmt der Herr oft gerade am liebsten, um sie zu mächtigen Werkzeugen Seiner Gnade zu gebrauchen. Verstand und Gaben sind dem Herrn oft nur hinderlich; denn je kleiner, je demütiger, je vernichteter und je dankbarer wir sind, desto mehr kann der Herr uns göttliche Gaben schenken. Es darf sich Keines damit entschuldigen, dass es nicht viele Gaben besitze, oder keinen guten Unterricht genossen habe. Wer sich dem Herrn willenlos und demütig übergibt und in Seiner Schule ein williger Schüler ist, kann weltlich Gelehrte weit übertreffen. Woher kommt es, dass ganz ungebildete, oft recht einfältig aussehende Leute, wenn sie sich redlichen Sinnes der Zucht des heiligen Geistes überlassen und fest am Herrn bleiben, eine tiefe Erkenntnis in göttlichen Dingen bekommen und eine Gebetskraft, dass gelehrte Theologen sich daran erbauen und erkennen müssen, dass ihre Gebete eine besondere Kraft haben. Das kommt von der Macht der Demut Jesu her, welche sich diese Seelen erbeten haben. Wer die wahre Demut besitzt, der hat eine unwiderstehliche göttliche Macht, besonders auch über die unsauberen Geister. So erzählte mir erst dieser Tage ein lieber Freund eine wunderbare Geschichte von der Macht der Demut, welche ich auch euch, meine Lieben, mitteilen will. In einem Ort, nicht weit von hier, war ein Mädchen, welches von bösen Geistern besessen war. Ihre Angehörigen erkannten wohl, dass hier allein die Fürbitte helfen könne. Sie baten deshalb einige Gemeinschaftsglieder des Ortes, zu ihnen zu kommen, um vereint mit denselben den Herrn um Seine Hilfe anzuflehen. Sie kamen nun zusammen und hielten in der Fürbitte an; allein der böse Geist wollte nicht weichen. Da berieten sich die Angehörigen der Kranken, ob nicht noch ein Bruder vorhanden wäre, welcher sich zu ernstlichem Gebet mit ihnen vereinigen könnte. Da fiel ihnen noch ein ganz armer geringer Mann aus ihrem Dorf ein. Zu diesem schickten sie, und er kam sogleich. Als er aber in das Zimmer eintrat, stand das besessene Mädchen auf, ging ihm entgegen und schlug ihn gewaltsam auf die Wange. Der liebe, demütige Mann aber nahm dieses willig hin und bot alsbald die andere Wange auch dar, indem er sagte: Meinem Heiland wurde in's Angesicht gespieen und geschlagen; ich habe noch weit mehr verdient. Da erschrak das Mädchen, sie blieb vor ihm stehen, und eine Stimme aus ihr rief: „Da muss ich weichen, die Demut Christi vertreibt mich.“ Der 1. Mann betete nun mit der Besessenen, und von Stund an war der böse Geist ausgefahren und das Mädchen gesund. O ihr Lieben, was könnten wir ausrichten, wenn wir unablässig um die Demut Christi bitten würden. Dieser unansehnliche aber fromme Landmann hatte die Demut Jesu und darum eine Übermacht über jenen bösen Geist, so dass er ihn austreiben konnte. Diese Demut hatte er sich aber auch aus der unerschöpflichen Gnadenfülle Jesu vorher schenken lassen müssen. Aus dieser Quelle können auch wir Gnade, Weisheit, Licht, Kraft und Demut nehmen.

Einen ganz ähnlichen Vorfall erlebte ich in Männedorf: Bei der lieben Dorothea Trudel befand sich damals eine schwermütige Jungfrau, welche oft so bösartig wurde, dass sie ihre Umgebung schlug und misshandelte. In einem solchen Unfall biss sie einst die liebe Dorothea in die Wange, dass diese blutete. Stille und ruhig nahm Dorothea dies hin und überschüttete das Mädchen mit nur noch größeren Liebesbezeugungen, worin sie so weit ging, dass sie jene böse Person des Nachts zu sich in ihr eigenes Bett nahm und sie bei sich schlafen ließ. Der böse Geist, welcher in dem Mädchen war, konnte aber diese Liebe nicht ertragen und fuhr bald aus. So können auch Kinder Gottes von dem Feind angetastet werden, aber die Liebe überwindet Alles, und auch diese Begebenheit musste der lieben Dorothea zum Heil und Segen werden, wie sie es auch mir und schon vielen Anderen wurde.

„Ja, die Furcht des Herrn, das ist Weisheit, und meiden das Böse, das ist Verstand.“ Hiob 28, 28. So darf sich auch Keines entschuldigen, es möchte wohl gerne von dieser oder jener Sünde los sein, es sei aber eben zu schwach dazu usw. Wir wissen Alle, in wem wir Gerechtigkeit und Stärke haben. Wer mit redlichem Verlangen von der Sünde los werden will und bittet den Herrn um Seinen Beistand, glaubt ihr wohl, er werde vergebens bitten? Gewiss nicht! Nur müssen wir einen ernstlichen Hass und Abscheu vor der Sünde und ja nicht Mitleid mit uns haben, sondern entschieden mit ihr brechen; dann dürfen wir uns felsenfest auf die Hilfe des Herrn verlassen. Wer aber ein geteiltes Herz hat und es das eine Mal mit dem Herrn, das andere Mal mit der Sünde hält, in dem kann der Herr unmöglich das Werk der Bekehrung ausführen. Wer in der Sünde beharrt, die er einmal als solche erkannt hat, dass sie Leib und Seele ruiniert, dem kann der Herr nicht helfen, der will eben absolut im Sumpf der Sünde stecken bleiben und einen siechen Körper behalten. Der Herr hat mit der Sünde nichts zu schaffen; Er will, dass wir der Welt rein absagen und Ihm allein angehören sollen. Wer Ihm nicht gehorcht und auf Sein Wort nicht achtet, wer das Wort nicht seines Fußes Leuchte und ein Licht auf seinem Weg sein lässt, mit dem kann der Herr nicht sein. Denkt einmal darüber nach, ob die Wege der Gottlosen, d. h. derer, die vom Herrn abgewichen sind, nicht eitel Unfall und Herzeleid sind? „Wer nicht für mich ist, der ist wider mich,“ spricht der Herr, Luk. 11,23. Wenn wir wider den Herrn sind, so ist Er auch wider uns, und wehe Allen denen, die den Herrn gegen sich haben. Bleiben wir aber fest wie eine Klette an Ihm, so ist Er für uns, und wir dürfen uns alles Guten zu Ihm versehen. Er will ja Alles selbst in und an uns wirken, wenn wir uns nur willenlos dazu hergeben und uns vernichtigen lassen. Darauf sollte unser ganzes Dichten und Trachten gehen. Er will, wie er einst die Israeliten aus der Knechtschaft Ägyptens befreite, auch uns aus der Knechtschaft der Sünde, die uns gefangen hält, erlösen, und uns hinüberbringen in das gute Land, das uns der Herr zum Erbteil geben wird. Die Israeliten hatten wohl ein schönes Ziel vor Augen, das Land Kanaan, wo Milch und Honig floss; aber was ist das im Vergleich mit dem Kanaan, das uns verheißen ist, dem neuen Jerusalem, das uns Offenbarung 21 beschrieben ist? Welch herrliche Verheißungen haben wir, welch eine Wonne und Herrlichkeit wartet unser? Dies kann der sündige Mund gar nicht ausdrücken. Wie groß und erhaben sollte vor uns dieses Ziel stehen, dass wir den Herrn, unseren Heiland, einmal persönlich sehen dürfen. Wer mag dieses Glück wohl fassen?

„Bis ich mich Deiner sichtbar freu'n
Und Dich umarmen kann,
Lass es mein Ein und Alles sein,
Was Du für mich getan.

Ach ja, meine Lieben, wenn wir uns mehr in die Liebe und in das Erbarmen unseres Heilandes hinein versenken würden, und tief zu Herzen nähmen, was Er für uns getan, dann könnten wir nicht mehr mutwillig sündigen; denn:

„Fällt mir etwas Arges ein,
Denk ich nur an Jesu Pein,
Die erlaubet meinem Herzen,
Mit der Sünde nicht zu scherzen“

Jede Sünde entspringt zuerst in den Gedanken; deshalb musste auch der Heiland eine Dornenkrone tragen zur Strafe für unsere Gedankensünden. Wie sollte uns das ein Sporn sein, unsere Sinnen und Gedanken, Regungen und Begierden heiligen zu lassen, hingegen unserem hochgelobten Heiland und Erlöser, als Sein Eigentum, allein zur Ehre leben, leiden und sterben. So sollten wir uns auch viel häufiger, namentlich in Nächten, wo wir nicht schlafen können, die Treue und Barmherzigkeit Gottes, die durch unser ganzes Leben über uns waltet, die vielen Wohltaten und Segnungen, die wir täglich und stündlich genießen dürfen, vor die Seele führen und dafür loben und danken. Je mehr wir loben und danken, desto mehr kann uns der Herr schenken. V. 9 ermahnt Moses: „Hüte dich nun, und bewahre deine Seele wohl, dass du nicht vergessest der Geschichte, die deine Augen gesehen haben, und dass sie nicht aus deinem Herzen komme all dein Lebenlang; und sollst deinen Kindern und Kindeskindern kund tun.“ - Das gilt wörtlich auch uns, und es ist wohl Keines unter uns, das sich nicht vieler Spuren göttlicher Treue und Liebe rühmen könnte. Aber, statt dass unser Mund überfließen würde von Preis und Dank dieser unverdienten Gnaden, nehmen wir es leider meist nur hin, als gehörte uns das Alles von Rechtswegen. Der Herr lässt Seiner nicht spotten. Er ist ein gerechter und eifriger Gott. Im drei und zwanzigsten Vers lässt Er uns sagen: „So hütet euch nun, dass ihr des Bundes eures Gottes nicht vergesst, den Er mit euch gemacht hat, und nicht Bilder macht einigerlei Gleichnis, wie der Herr, dein Gott, geboten hat; denn der Herr, dein Gott, ist ein verzehrend Feuer und ein eifriger Gott.“ Ja, so gnädig und so barmherzig, so liebevoll und so freundlich der Herr unser Gott ist, hütet euch, dass ihr Seinen Zorn nicht reizt, denn er frisst bis in die unterste Hölle hinunter. Das Blut Jesu Christi lässt Er nicht mit Füßen treten und eben so wenig die Gnade auf Mutwillen ziehen, das habe ich bei meinen 2500 Kranken schon zur Genüge erfahren dürfen. Wenn an einer Kranken die Kraft des Blutes schon viel gewirkt und der Herr in Seiner Gnade viel Gutes getan hat, und sie fällt mutwillig immer wieder in die Sünde, die ihr aufgedeckt worden ist, zurück, dann zieht endlich der Herr auch Seine Hand zurück und rafft sie oft plötzlich hinweg. Hievon tritt mir ein schreckliches Beispiel vor die Seele: Ein Mädchen kam zu mir, welches einen Tollfuß hatte, der noch überdies eine ganze Spanne kürzer war als der gesunde Fuß, so dass sie an Krücken gehen musste. Der Herr heilte sie in Seiner großen Barmherzigkeit vollständig; sie bedurfte der Krücken nimmer und ließ sie deshalb bei mir zurück. Im Gebet versprach sie, dem Heiland treu zu bleiben und nie auf Tanzböden zu gehen. Aber leider, leider gewann sie nach 5-6 Jahren die Welt wieder lieb, sie hat ihr Versprechen gebrochen, und was tat der Herr? Mitten aus der Welt heraus raffte Er sie schnell hinweg.

Meine Lieben, lasst das euch doch ernstlich erwecken, der Sünde gänzlich abzusagen und dem Herrn zu schwören, bei Ihm unveränderlich bleiben zu wollen bis an's Ende; denn bei Ihm ist Friede und Freude im heiligen Geist; im Sündendienst ist Sklaverei und eitel Herzeleid. Wir müssen sehr auf der Hut sein, wenn der Herr uns Seine Segnungen mitteilt, dass wir recht in der Demut bleiben, uns nicht in Seinen Gaben selbst beschauen, noch uns darinnen wohlgefallen, sondern allein den Herrn, der uns so gerne segnet. Es hat mir einmal ein sehr frommer Mann gesagt, man bedürfe starker Schultern, um die Segnungen des Herrn erfragen zu können. Wenn es uns gut geht, wenn wir haben, was unser Herz begehrt, so vergessen wir den Dank so leicht, wir vergessen es, wie gnädig und freundlich der Herr ist, und dass Er uns das alles aus unverdienter Gnade gegeben hat; auch werden wir dadurch leicht träge, hochmütig, gleichgültig und undankbar gegen die Wohltaten, welche uns der Herr erwiesen hat, dass wir Ihm in allen Stücken die Ehre geben und lassen. So lange dich die Gnade und die Segnungen des Herrn demütigen und beugen, so dass Sein Geist dir das Zeugnis gibt, dass du derselben nicht wert bist, so lange du dem Herrn allein die Ehre gibst und immer mehr von Dank gegen Ihn erfüllt wirft, so lange wird dir der Herr nicht nur Seine Segnungen lassen, sondern er wird sie auch noch vermehren, ja dich mit Seiner Liebe und Seinen Wohltaten überschütten. Matth. 25. V. 29. Denn wer da hat, dem wird gegeben werden und wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, das er hat, genommen werden.“

Liebe Seelen, bleibet in der Demut, so wird euch der Herr durch Alles hindurch helfen, euch reichlich segnen und mit Seinem Geist durchdringen, denn:

„Im Demutstale liegt
Des heilgen Geistes Gab';
o wohl dem, der sie sucht!
Hinab, mein Herz, hinab!“

Der barmherzige Heiland wolle doch uns Allen offene Ohren und willige Herzen geben, zu bedenken, was zu unserm Frieden dient, und mit Furcht und Zittern zu schaffen, dass wir selig werden; denn es ist schrecklich in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. Davor bewahre uns der Herr in Gnaden. Amen.

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