Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 10. Andacht.

Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 10. Andacht.

Maleachi 2.

Die Bestrafung der Sünden, von der dieses Kapitel handelt, gilt zunächst den Priestern, aber auch dem ganzen Volk. Es ist aber wie alles Wort Gottes auch uns gesagt, und wir wollen uns recht darunter demütigen. „Siehe, ich will schelten,“ spricht der Herr durch den Propheten Maleachi, euch samt dem Samen, und den Kot eurer Feiertage euch in's Angesicht werfen und soll an euch kleben bleiben.“ V. 3. Ist auch Eines unter uns, das durch diese Bestrafung sich nicht getroffen fühlt? Eines das sagen könnte, es sei sich keiner Sonntagsentheiligung bewusst? Ich glaube nicht; denn es ist ja ganz entsetzlich, wie allenthalben in der Christenheit der Tag des Herrn geschändet wird, im Kleinen und im Großen, im Geheimen und öffentlich. Da müssen wir uns tief beugen, und die Liebe und das Erbarmen unseres Heilands, der uns inzwischen mit Langmut und Geduld getragen, anbeten; denn wie würde es uns ergehen, wenn Er uns den Kot unserer Feiertage in's Gesicht werfen würde? Wir müssten vor Scham und Schande vergehen und rufen: „Ihr Berge fallt über uns, und ihr Hügel deckt uns.“ Luk. 23,30. Lasst euch dieses Wort tief zu Herzen gehen, und kehrt um von dem verkehrten Weg; denn der Herr lässt Seiner nicht spotten.

Als ich bei Dorothea Trudel in Männedorf war, kam eines Tages ein Mann dahin und wurde freundlich von Dorothea aufgenommen als er ihr sein Leiden geklagt hatte, dass er schon über 20 Jahre furchtbare Gesichtsschmerzen habe, und kein Arzt ihm helfen könne, ja, dass er schon beinahe sein ganzes Vermögen zu Kuren verwendet, jedoch ohne Erfolg, blickte sie ihm, wie sie zu tun pflegte, mit freundlichem Ernst in's Gesicht, und sagte dann mit großem Nachdruck: „Weißt du, woher dein Leiden und Schmerzen kommen? Von deiner Sabbatschänderei.“ Der Mann war ein Beindreher und arbeitete fast immer am Sonntag. Er war auf's tiefste betroffen, ging in sich, bereute diese schwere Sünde, und war in drei Wochen gesund und frei von allen seinen Schmerzen. Er war so glücklich darüber, dass er beschloss, zum bleibenden Andenken an seine Heilung ein wertvolles Kruzifix in den Betsaal zu stiften. Ehe er Männedorf verließ, ging er an einem Sonntag mit Dorothea Trudel und mir an das Ufer des Züricher-Sees, um einen Bekannten auf das Schiff zu begleiten. Auf dem Rückweg frug er Dorothea, ob sie erlaube, dass er diesen Nachmittag über den See fahren dürfe, er habe dort eine Liste mit Waren übergeben, im Falle man mehr Waren brauche, so habe er den Schlüssel bei sich in der Tasche. Er selbst wolle keine Ware verkaufen, nur den Schlüssel dazu abgeben. Dorothea Trudel erwiderte ihm sehr ernst: „Wenn du das tust, so wird deine Krankheit wieder kommen, und es wird mit dir ärger werden denn zuvor,“ und schnell ging sie in's Haus. Herr N. N. fragte nun auch mich, was er denn tun solle? Ich konnte ihm nichts anderes sagen, als dass ich ihn warnte, doch genau auf das zu achten, was Dorothea ihm eben gesagt habe. Hierauf kehrte ich nach Hause zurück. Herr N. N. aber ging seines Weges. Am andern Morgen sah ich ihn weder beim Frühstück, noch bei der Andacht, und als ich mich bei der lieben Trudel nach ihm erkundigte, sagte sie mir: „Ja, der liegt drüben im Hause, (sie hatte drei Häuser,) und hat wieder so rasende Schmerzen, dass man ihn von Weitem schreien hört.“ Sehet, so straft der Herr, wenn wir Sein Wort und Seine Befehle missachten und Ihm zuwider handeln. Diese Erfahrung hat einen unauslöschlichen Eindruck auf mein Gemüt gemacht, und auch auf meine Jungfer, die ich bei mir hatte, und der ich an Sonntagen für sich zu sticken erlaubt hatte. Seit dieser Zeit rührt sie Sonntags keine Arbeit mehr an, die nicht dringend nötig ist. Ja, unser Gott ist ein gerechter Gott! In jedem Gericht das über uns kommt, müssen wir Seine Gerechtigkeit erkennen und aufrichtige Buße tun, die aber nicht in Klagen und Jammern, sondern darin besteht, dass wir unsere Sünde und Unwürdigkeit tief erkennen, uns vor dem Herrn demütigen und uns in die Liebe und das Erbarmen Jesu versenken, so dass wir Nichts werden und Er Alles ist. Ja, wir wollen recht froh und dankbar sein, dass wir nach so vielen Übertretungen Seiner heiligen Gebote doch die Gnade ergreifen dürfen, die Vergebung der Sünden erlangen und geheiligt werden können. Wie glücklich sind wir, dass wir den Abgrund der Barmherzigkeit Gottes kennen, und uns schuldbeladen wie wir sind, darein versenken dürfen. Der Weg dahin ist uns immer offen, und je mehr wir einsehen, dass wir uns selbst nicht helfen und nicht retten können, desto mehr sollen wir uns dieser lebendigen Quelle nahen, und daraus schöpfen Gnade um Gnade. Dieses liebende Heilandsherz nimmt uns immer an, und dort finden wir Ruhe und Frieden für unsere Seelen.

Der Prophet Maleachi spricht in V. 8. und 9. „Ihr aber seid von dem Weg abgetreten, und ärgert viel im Gesetze, und habt den Bund Levi zerbrochen, spricht der Herr Zebaoth. Darum hab' ich auch euch gemacht, dass ihr verachtet und unwert seid.“ Welch ein ernstes Wort spricht der Herr hier über uns aus, wie oft haben wir den Bund mit dem Herrn gebrochen, und Seinen heiligen Zorn gereizt, dadurch, dass wir von Seinem Weg abgetreten und andern Göttern nachgeeilt sind. Wie ist unser eigenes Ich, unsere Eigenliebe so groß! So lange die Eigenliebe in uns herrscht, zieht der Herr Seine liebende Hand zurück, weshalb so viele Seelen sich so unwert und verlassen fühlen. Unser böses Herz aber erkennt so schwer, dass es vom Weg des Herrn abgetreten ist. Eine gläubige Seele pflegte oft zu sagen: „Es wird Niemand betrübt, denn durch sein eigenes Herz;“ das ist sehr wahr! Wenn der Wille einmal gebrochen, und Eigenliebe, eigene Ehre und Hochmut aus dem Herzen ausgerottet sind, kann man Andere nicht mehr beleidigen und wird selbst nicht mehr beleidigt und verletzt. Einem ungebrochenen Herzen kann sich der Herr mit Seiner Gnade und mit Seinen Segnungen nicht mitteilen. Ihr Lieben, wir müssen von allen unsern Neigungen, Bequemlichkeiten und Gewohnheiten los werden und alles zum Opfer dem Herrn auf Seinen Altar legen, verbrennen und vernichten lassen. Wie könnte ich diesen Beruf haben, wenn ich noch eignen Willen hätte und noch etwas aus mir selbst tun wollte. Wir können für uns und Andere nur dann erhörlich beten, wenn wir uns unter sie, ja selbst unter den größten Sünder hinunter stellen können, denn wenn wir auch keine groben Tatsünden begangen haben, die Wurzel und Anlage zu allen Sünden liegt doch in einem Jeden von uns, und wir verdanken es nur der Gnade und Barmherzigkeit Gottes, wenn wir nicht auch in den tiefsten Abgrund der Sünde hineingeraten sind.

Ein lieber Freund sagte mir einmal, wenn er in einen Eisenbahnwagen komme und die vielen Menschen sehe, so sei es sein Erstes, dass er sich unter Alle hinunter stelle und dann für sie bete. Das ist der rechte Priestersinn, wenn man sich nicht höher achtet und für besser hält, als Andere. Die heilige Schrift sagt ausdrücklich: Philipp. 2,3. Es achte einer den andern Höher als sich selbst.“ Vor dem Herrn gilt kein Ansehen der Person, und der Geringste und Verachtetste kann oft in Gottes Augen mehr gelten, als ein Vornehmer und Reicher. Bei Gott verleihen auch Verstand und Begabung kein Vorrecht. Es ist alles Gnade, und der Mensch darf sich dessen nie überheben. Die Einfältigen kommen oft viel leichter zum Durchbruch und Ziel als die Begabten und Vernunftsmenschen. Ich habe diese Beobachtung schon sehr oft bei meinen Kranken gemacht. Eine einfältige Schwarzwälder-Bauernfrau ist viel leichter zu leiten und zu heilen, als eine adelige, begabte Dame. Warum? Sie kann einfältiger und kindlicher glauben, als Letztere, und dringt deshalb rascher durch. Ich fühle mich zu solch einfachen, geringen Leuten sehr hingezogen; auch sind diese der Liebe bedürftiger. Eine jede Seele ist hoch zu achten, da sie durch das Blut Jesu Christi teuer erkauft ist, und sind alle Seelen gleich in den Augen Gottes. V. 10 heißt es: Denn, haben wir nicht alle Einen Vater? Hat uns nicht Ein Gott geschaffen? Warum verachten wir denn Einer den Andern, und entheiligen den Bund, mit unsern Vätern gemacht? Wir wollen uns das recht zu Herzen nehmen und uns wohl hüten, dass wir Niemand gering schätzen, mag er auch noch so unansehnlich und noch so tief gefallen sein; er hat auch eine unsterbliche Seele, und wir müssen es lernen, uns unter Alle hinunterzustellen. Wer noch nicht gedemütigt ist, der hat noch eigenen Willen, und wer noch eigenen Willen hat, der ist noch nicht los von Sünden, besonders von Hochmut und Eigenliebe.

V. 17 heißt es: „Ihr macht den Herrn unwillig durch eure Reden.“ Mit wie viel Mund- und Zungensünden verunreinigen wir unsere Seelen, und betrüben dadurch den heiligen Geist! Wie viel Übels hat der Zorn schon angerichtet! „Des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist.“ Jak 1,20. Zorn ist Zündstoff der Hölle, und wenn wir ihn nicht bekämpfen, so verleugnen wir damit die Kraft des Herrn Jesu. „Ist Jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen, stehe, es ist Alles neu geworden.“ 2 Kor. 5,17.

Vor etwa 35 Jahren, ehe ich den Heiland kannte, hatte ich auch mit dem Zorn zu schaffen, aber ich erkannte, dass das zuerst überwunden werden müsse, was mir der Herr in Gnaden schenkte. Wie können wir Andere vor dem Zorn warnen, wenn wir selbst diesen Zündstoff der Hölle noch in uns haben. Und wie sehr schadet der Zorn der Gesundheit! Von vielen, schweren, unheilbaren Krankheiten ist der Zorn die Ursache. Vor einigen Jahren wurde ich zu einer Kaufmannsfrau in St. gebeten, die schon seit 8 Jahren sehr krank war; man erwartete täglich ihr Ende. Ich fand sie sehr schwach, doch noch nicht mit dem Tode nah'. Ich betete zu Hause viel für diese Frau, und bat den lieben Gott, Er möge mir doch kund tun, wo es derselben fehle, und mir Weisheit schenken das Richtige zu reden, da hörte ich eine ganz deutliche innere Stimme: „Sie hat den Zorngeist.“ Nun war mir Alles klar. Andern Tages besuchte ich sie wieder; ich frug sie, ob sie leicht zum Zorn gereizt werde, was sie mir sogleich unter vielen Tränen bekannte. Sie sagte mir, dass sie sich über die geringsten Kleinigkeiten oft so furchtbar ärgere, dass sie in die heftigsten Zornesausbrüche gerate. Ich stellte ihr nun ernstlich vor, wie sündlich das sei, und wie sie dagegen kämpfen und ohne Unterlass um die Kraft Jesu bitten müsse, erzählte ihr auch, auf welche Weise ich vom Zorn losgeworden sei. Sie müsse den festen Willen haben, von dem Zorngeist los zu werden, und solle sich damit in's Erbarmen Jesu werfen. Die Frau machte Ernst mit der Umkehr und konnte nach vier Wochen mit den Ihrigen gesund und fröhlich das Weihnachtsfest feiern. Ist das nicht wieder ein neuer Beweis von der Treue und Barmherzigkeit unseres hochgelobten Heilandes, der, sobald wir die Sünde aufrichtig hassen, und den redlichen Willen haben, von ihr los und ein Kind Gottes zu werden, uns sogleich zu Hilfe kommt, und uns in Seine heilsamen Zügel, in Seine feine Geisteszucht nimmt? Oft klagen mir meine lieben Kranken, dass ihr Leiden sie so reizbar, so neidisch, zornig und aufgeregt mache; das ist aber oft gerade umgekehrt, wie wir aus dem sehen, was ich eben von jener Frau erzählte. Zu der lieben Dorothea Trudel kam auch einmal ein Mann mit dieser verkehrten Ansicht; er hatte ein schweres Leberleiden, das ihn, wie er sagte, so schnell zum Zorn reizen würde, worauf ihm Dorothea entgegnete: „Nein, dein Leberleiden kommt von deinem Zorn, bekehre dich gründlich zum Herrn, überwinde den Zorn, der Zündstoff der Hölle ist, durch die Kraft Jesu; bitte um Demut, und dein Leberleiden wird sich bald verlieren.“ Der Mann war aufrichtig und redlich, tat über diese Verdammungssünde Buße, bat den Herrn um Demut und Kraft, Alles überwinden zu können, und bald war sein Leberleiden samt dem Zorn verschwunden und er ein glückliches Kind Gottes. So ist es, ihr Lieben, wir dürfen uns nicht selbst betrügen, sondern wir müssen den Ursachen der Leiden auf den Grund gehen. O, dass Alle, welche hier anwesend sind, heute noch Ernst machen, sich mit all' ihrem Jammer in's Meer des Erbarmens Jesu werfen, sich tief beugen und ganz willenlos der Gnaden-Zucht des heiligen Geistes überlassen würden! Welch herrliche Erfolge könnten wir erleben und was für glückselige Kinder Gottes würden wir Alle dadurch werden. Das gebe der barmherzige Herr und Heiland nach Seiner großen Gnade und Liebe. Amen.

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