Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 83. Der Thaler mit vielen Köpfen.

Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 83. Der Thaler mit vielen Köpfen.

Es ward Gotthold ein Reichsthaler gezeigt, darauf sechs unterschiedliche fürstliche Bildnisse geprägt waren, mit dem Bericht, daß es gar ein schöner Pfennig und wol des Aufhebens werth wäre. Er sagte darauf: Wenn das Gepräge auch dem Gelde einen höheren Werth machen kann, so ist wahrlich dieser Thaler vielen andern vorzuziehen. Ich weiß aber nicht, ob nicht ein subtiler Geiz hierunter verborgen liegt, wenn man eine solche Auswahl unter dem Gelde macht und das schönste, als welches am meisten in die Augen fällt und dem geizigen Herzen mehr beliebt, bei Seite legt. Es ist dies schöne Gepräge nichts anders, als eine starke Klammer und Band, damit uns der Pfennig ans Herz befestigt und also dieses gegen den nothleidenden, dürftigen Nächsten desto fester verschlossen wird. Ich halte nicht, daß der mehr von der Abgötterei entschuldigt ist, welcher vor einem schönen und künstlich bearbeiteten, als der vor einem unförmlichen und schlechten Götzen niederfällt. Laßt uns lernen das Geld dafür halten, was es ist, nämlich ein Diener unserer und unseres Nächsten Dürftigkeit. Es habe nun mein Diener einen schönen Mantel um oder einen schlechten, so muß er doch mein Herr nicht sein, sondern ein Diener bleiben. Wollt ihr denn ja diesen Thaler vor andern behalten, so gedenkt, daß auf demselben die hochfürstlichen Herren Brüder ein Gedächtniß ihrer brüderlichen Einträchtigkeit haben stiften wollen; was ihr nun auf dem Gelde liebt, das sucht auch über alles in eurem ganzen Leben, nämlich brüderliche Liebe, Einigkeit und Frieden. Dies Geld dünkt euch schön zu sein, weil etliche fürstliche Häupter darauf gebildet und vereinigt sind, wie viel schöner ist vor Gott ein Haus, darinnen die Einwohner, eine Gasse, darinnen die Nachbarn, eine Stadt, darinnen die Bürger, ein Amt, darinnen die Collegen friedlich, brüderlich und einträchtig bei einander wohnen! Mein Gott! mir ist kein Geld schöner, als was ich auf deine Ehre und meines Nächsten Dienst verwenden mag!

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