Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 64. Die Citronenschale.

Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 64. Die Citronenschale.

Ein einfältiges, doch frommes und gottesfürchtiges Herz klagte, daß, wenn es mit Gott zu reden hätte, ihm so gar keine Worte zufließen wollten, und da ich, sprach es, ja allenthalben so viel zu Wege bringen kann, daß man mich vernimmt, da kann ich doch vor meinem Gott so viel nicht finden, als mich bedünkt, daß seine Majestät, mein Vertrauen zu ihm und meine Noth erfordert. Gotthold hatte eben eine ganz dünn geschälte Citrone bei der Hand, zeigte ihm die durchsichtige Rinde und sagte: Ich weiß gewiß, ihr hättet nicht gemeint, daß allein in dieser allerobersten Rinde dieses Apfels sein starker Geruch verborgen sei, sondern daß man auch die nächstfolgende weiße Haut mitnehmen müsse. Haltet dafür, daß es also mit eurem Gebet bewandt sei. Wie dünn und schlecht es ist von Worten, so hats doch wegen der brünstigen Andacht einen durch die Wolken dringenden starken Geruch. Die Worte ohne Glauben und Andacht sind zu nichts nütze, als wie der weiße mittlere Bast an diesem Apfel, aber die gläubige Andacht ohne Wort wird von Gott, der die Herzen kennt, nicht verachtet. Die Stoßgebetlein sind die stärksten, des Herzens Anliegen hinweg zu stoßen. Ein einiger, aus dem Grunde des beängstigten Herzens aufsteigender Seufzer ist ein großes Geschrei in Gottes Ohren. Haltet sicherlich, daß oft das Herz mit stillem Munde und liegender Zunge in der Noth am heftigsten betet. Die Worte im Gebet sind zuweilen nöthig unserthalben, (damit wir nicht also beten, daß wir selbst nicht wissen, was wir gebetet haben) nicht aber auf Gottes Seite, der schon vorher weiß, was wir bedürfen. Ja, Gott läßt es uns zuweilen an den Worten im Gebet fehlen, damit wir nicht mehr auf uns selbst und unser Vermögen, als auf ihn und seine Gnade sehen. Machet es künftig, wie König David, welchen ihr zweifelsfrei für einen guten Beter werdet gelten lassen; der sagte, als er mit Gott redete und sich selbst es auch nicht gut genug machte: Was soll David mehr reden mit dir? Du erkennst deinen Knecht, Herr, Herr! 2. Sam. 7, 20. Könnt ihr nicht Worte machen, so werft euer Herz mit allem seinen Anliegen eurem lieben Gott in den Schooß, er wird wol Worte darinnen finden. Mein Gott, du bist ein Geist; gieb, daß ich dich im Geist und in der Wahrheit anbete! Joh. 4, 24. Du kannst und wirst überschwenglich mehr thun, als ich kann mit Worten bitten oder im Gemüth fassen und verstehen. Eph. 3, 20.

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