Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 63. Die Wohlhabenheit.

Scriver, Christian - Gottholds zufällige Andachten. - 63. Die Wohlhabenheit.

Es sagte einer zu seinem Freunde, den er in etlichen Wochen nicht gesehen, daß er ihm gar wohl vorkomme und er sich seinem Bedünken nach an Wohlhabenheit des Leibes merklich gebessert, weil er eine schöne gesunde Farbe habe und fein fröhlich und lebhaftig sei, welches jener auch nicht ableugnete, sondern sagte, er hätte sich eine Zeit her recht wohl befunden. Gotthold hörte dies mit an und sprach: Ich wünsche von Herzen, daß euch Gott bei solcher guten Gesundheit lange erhalten wolle, allein ich erinnere mich, daß die Aerzte schreiben, es sei die gar zu völlige Wohlhabenheit des Leibes gefährlich, und so einer einem schöner und besser vorkommt, als man sonst bei ihm gewohnt ist, so habe man solchen Wohlstand verdächtig zu halten, weil die Natur, wenn sie auf die höchste Stufe ihres Aufnehmens gekommen ist, nichts, als das Abnehmen übrig habe, und deßfalls geht es, wie allezeit mit gar zu großem Glück und dem stetigen Wohlgerathen alles Vornehmens. Ich will nicht sagen davon, daß Gott mehrentheils es also gefällt, daß er ein Gefäß bis oben an füllen und bald hernach wieder ausleeren läßt; ich meine, daß er oft einem Menschen zeitliche Glückseligkeit beschert und selbige doch bald nach seinem allweisen Rath in Trübseligkeit verkehrt, sondern nur das bitte ich in Acht zu nehmen, daß das schleunige und erwünschte Wachsthum der zeitlichen Glückseligkeit dem Christenthum insgemein verdächtig zu halten und schädlich ist. Bei manchem wächst mit dem Geld auch die Welt, mit dem Gold auch der Stolz; so manchen Thaler er hat, so manchen Diener und Werkzeug hat er, seines Fleisches Willen zu vollstrecken; ja, mancher schließt zugleich mit dem Gelde auch sein Herz in den Kasten, welches daraus abzunehmen, daß er so gar keine Barmherzigkeit dem dürftigen Nächsten erweiset, der mit vielem flehentlichen Suchen fein Herz nicht finden kann, Jes. 58, 10. und des Schatzes im Himmel nicht einmal gedenkt. Darum, so euch Reichthum zufällt, so hänget das Herz nicht daran. Ps. 62, 11. Und weil die Schrift so oft von der Gefahr der Seligkeit, die beim Reichthum ist, Meldung thut, so schlaget es nicht in den Wind. Gedenket, daß ein Schiff leicht zu Grunde geht, wenn es überladen ist; meinet nicht, wenn euch alles wohl gelingt und ihr niemals ohne merkliche Besserung eurer Güter zu Bette geht, daß ihr alsdann Gott im Schooße sitzt, sondern habt desto mehr Acht auf euren Wandel, auf euer Gewissen und Christenthum, auf daß es nicht dermaleinst heiße: Gedenke, Sohn, daß du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben! Luc 16, 25. Mein Gott! gieb an zeitlichen Gütern, so viel dir gefällig ist, und gieb ein Herz dabei, das bei wenigem nicht klein- und bei vielem nicht hochmüthig sei, sondern in allem und bei allem sich genügen lasse!

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