Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Ruth.

Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Ruth.

Die Geschichte der Ruth ließe sich nach ihrem Stoff wie ihrer Form leicht mit dem Richterbuch vereinigt denken, als eine Art Anhang zu demselben, wie die Geschichte von der Herkunft des Tempels in Dan oder dem Untergang von Gibea. Es ist aber ein innerer Unterschied zwischen diesem und dem früheren Buch. Das ist kein dunkles, anklagendes Bild, wie Israel den Herrn verlassen hat und von ihm verlassen worden ist. Vielmehr ist diese Geschichte als ein Zeugnis dafür geschrieben, daß der Gott Israels den nicht verläßt, der sich zu ihm und seinem Volk gesellt.

Arm und einsam zieht Naomi aus dem Moabiterlande heim nach Bethlehem. Mann und Söhne sind ihr gestorben, doch Ruth, das moabitische Weib ihres verstorbenen Sohnes, begleitet sie mit starker Zuversicht. 1.

Sie sucht ihr Brot durch das Sammeln von Ähren und trifft, ohne es zu wissen, den Acker ihres Verwandten Boas, dem Gott das Herz zur Freundlichkeit rührt. 2.

Durch den nächtlichen Gang zur Tenne gibt sich Ruth in Boas Hand, mit dem Begehren, daß er sie zu seinem Weibe mache, gestützt auf das Verwandtenrecht, das Boas die Erhaltung der Familie ihres verstorbenen Mannes übertrug.1) Boas handelt keusch und ehrenhaft an ihr und weist ihre Bitte nicht ab. Am andern Morgen wird das Hindernis, das der Erfüllung derselben noch entgegensteht, beseitigt. Der nächstverwandte Mann tritt freiwillig von seinem Recht und seiner Pflicht zurück. Ruth wird das Weib des Boas und die Mutter Obeds, dessen Sohn Isai der Vater Davids war. 3 u. 4.

Der letztere Umstand gibt der Erzählung ihr besonderes Gewicht. Sie berichtet, warum und wie die Moabitin die Stammmutter Davids geworden ist. So sehen wir auch, wie sich diese Erzählung erhalten und in die Oeffentlichkeit dringen konnte. Sie war ein Familienerbe des Davidischen Hauses und wanderte mit dessen Erhebung von Bethlehem nach Jerusalem und kam von dort her zu ganz Israel. Die Aufzeichnung derselben fällt jedenfalls erst in die Königszeit, nachdem das Davidshaus das wichtigste Glied des ganzen Volks geworden war. Doch treten in dem Buche nirgends Nebenansichten hervor, weder rechtfertigende, als wäre die Moabitin ein Flecken im Davidshaus, der entschuldigt werden müßte, noch auch ruhmredige, als sollte Ruth dem Davidshause zum Verdienste angerechnet werden. Die Geschichte steht einfach da als Ermunterung zum Vertrauen auf den Herrn, als Beweis seiner Hilfe und Fürsorge für die, die ihn suchen, und hierin hat sie ihren vollwichtigen Zweck und ihre große Lieblichkeit.

1)
Die Art, wie Ruth um Boas wirbt, ist nicht als anstößig zu betrachten. Ruth sucht die Ehe, weil sie dieselbe bedarf, weil nur die Ehe ihr Brot gab, und das, was noch nötiger ist als Brot, Ehre und Schutz. Ein Weib, das in einer Zeit wie die der Richter rein und unversehrt bleiben wollte, mußte eines Mannes Weib werden, und Ruth war und blieb in offener Natürlichkeit ein reines Weib.
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