Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Der Psalter

Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Der Psalter

Liedersammlungen mögen die ersten Bücher gewesen sein, die in größerem Maße in die Hände des Volkes kamen. Es gab schon früh ein Buch „von den Kriegen des Herrn“, in welchem Lieder von den Brunnen in der Wüste und vom Siege Moses über den König Sihon stunden. Eine andere Sammlung war überschrieben: Das Buch des Redlichen; darin stund ein Lied über Josuas Sieg bei Gibeon und Davids Klage über Saul und Jonathan.1) Aus einer dieser Sammlungen wird der Erzähler des Richterbuchs wohl auch das Lied der Debora entnommen haben. Seit David kamen neue Liederbücher hinzu; es entsteht der Psalm. Die älteren Lieder erwuchsen aus den großen Erlebnissen des Volkes, deren Andenken sie festhalten wollten; sie sprachen aus der Seele des Volkes heraus von dem Leide und der Freude, an der alle Teil hatten. Aber im Umgang mit Gott erhält auch die einzelne Menschenseele und das, was sie erlebt und empfindet, Reichtum, Würde und Tiefe. Nun brechen die Lieder aus dem persönlichen Erlebnis und Verkehr mit Gott hervor und wenden sich deshalb häufig direkt an Gott. Das Lied wird Gebet.

Es ist bei David vieles zusammengekommen, was ihn befähigte, der Anfänger und das Vorbild der Psalmdichtung zu werden. Schon als er noch ein junger Mann war, beruhte sein Ruhm nicht nur auf seinem Mut in den Philisterkämpfen, sondern zugleich darauf, daß er der Harfe kundig war. Mit dem Spiel war aber stets das Lied verbunden. Was an Liedern in Israel bereits vorhanden war, das kannte er. Dazu kam sein wunderbarer Lebenslauf, der ihn aus allen gewohnten Bahnen hinauswarf und auf sich selbst stellte, daß er selbst in persönlicher Glaubensbewährung auf Gottes Schutz und Hilfe sich gründen mußte, während doch zugleich sein Geschick und Erlebnis die größte Bedeutung für das ganze Volk besaß. Da lernte David selbst beten, und des eigenen Herzens Bewegung wahr und schlicht ins Lied fassen, und doch so beten, daß sein Gebet zum Gebet des ganzen Volkes ward. Und nun verstummte die Psalmdichtung nicht mehr. Die Lieder mehren sich während der ganzen Zeit, welche die biblischen Schriften umspannen, bis hinaus übers Exil.

Das Wachstum des Psalters war dadurch erleichtert, daß die Formen des hebräischen Liedes sehr einfach sind. Überall sucht das Lied den Rhythmus. Das hebräische Lied bildet denselben aber nicht vermittelst der Silben, wie unsere Lieder, sondern durch größere Satzglieder. Die Sätze werden regelmäßig aus zwei, seltener drei Gliedern aufgebaut, die mit einander dem Umfang und dem Sinne nach harmonisch sind.2) Daneben verwenden die Psalmen natürlich alle poetischen Mittel der Sprache, durch welche sich die lebendig gespannte Empfindung Ausdruck gibt. Freilich erreichen nicht alle Psalmen dieselbe Höhe poetischer Kraft. Dies bringt zum Teil schon der Unterschied ihres Inhalts mit sich. Ein Psalm, der aus tiefer Verzagtheit und bittern Leiden heraus gedichtet ist, wird die poetischen Mittel anders brauchen als der, welcher dem überströmenden Dank eines jubelnden Herzens entspringt.3)

So entstanden nach und nach mehrere Psalmbücher nebeneinander. Dies zeigt sich darin, daß der Psalter aus fünf Büchern besteht, in die er nicht erst nachträglich eingeteilt worden ist, sondern die ursprünglich wenigstens zum Teil für sich bestanden.4) Sonst stände nicht am Schluß des zweiten Buches die abschließende Bemerkung: die Gebete Davids, des Sohnes Isais sind zu Ende, Ps. 72, 20. Sonst käme es auch nicht vor, daß derselbe Psalm zweimal in den Psalter aufgenommen wurde. 5) Im allgemeinen enthalten die ersten Sammlungen die älteren, die folgenden jüngere Psalmen. Doch ist diese Regel nicht ausnahmslos. Liedersammlungen, bei denen jedes Stück ein kleines Ganzes bildet, lassen sich leicht vermehren. So wurden in die älteren Sammlungen auch neue Lieder aufgenommen und andererseits fanden auch in die jüngeren Sammlungen einige alte Lieder ihren Weg.

Schwierig sind die Bemerkungen, die den Psalmen als Überschrift vorgesetzt sind. Sie sind teils musikalischer Art. Dahin gehören vielleicht auch die abgerissenen Worte, die bei einigen Psalmen im Titel stehen, mit denen vielleicht auf andere bekannte Lieder hingedeutet ist, mit welchen der Psalm musikalisch in derselben Weise zu behandeln war.6) Sodann enthalten sie oft den Namen des Psalmisten.7) In dieser Hinsicht ist jedoch die Überlieferung unsicher geworden. Davids Ehre und Größe, die er als der gesalbte König und erste gottbegabte Psalmensänger genoß, hat mit sich gebracht, daß sein Name vermutungsweise zu manchen Psalmen hinzugesetzt worden ist, zu denen er nicht gehört. Es lassen sich darum jetzt die davidischen Psalmen nicht mehr sicher gegen die anderen abgrenzen. Die äußere Bezeugung ist unsicher geworden und die inneren Anzeichen sind selten deutlich genug, um das Urteil sicher zu leiten. Die Psalmen sind in ihrer Art und Sprache sehr verwandt, wie denn natürlich bei Liedern, die im Gebrauch der Gemeinde sind, altertümliche Formen, geschichtliche Anspielungen und Besonderheiten nicht fortgepflanzt werden. Sie werden teilweise wenigstens der fortschreitenden Sprache ähnlich gemacht, und was dunkel und unverständlich wird, fällt weg. Überhaupt bringt der Gebrauch den Liedern stets mancherlei Wandlungen. Strophen, die zusammengehören, trennen sich und werden selbständig. So gehören Ps. 42 und 43,9 und 10 zusammen. Oder es werden umgekehrt verschiedene Lieder verschmolzen und neue Verse hinein- oder hinzugesetzt, vgl. Ps. 40. 102. 117.

Alle Strömungen des geistigen Lebens, die Israel bewegten, spiegeln sich im Psalter. Zu manchen Liedern sind die Psalmisten durch die geschichtliche Lage getrieben, in der Israel damals stund. Sie bitten und danken für das, was das Volk erlebt. Eine andere Gruppe derselben entspringt der persönlichen Notlage ihrer Verfasser. Eine dritte Gruppe hat allgemeineren Inhalt. Sie beschaut nachdenklich Gottes Größe und die Art seiner Weltregierung, oder der Menschen Vergänglichkeit und Sünde, oder die Seligkeit und Sicherheit dessen, der Gott vertraut. Eine vierte Gruppe schließt sich eng an die prophetische Predigt an und faßt deren Bußruf und deren Verheißung ins Lied. Und auch der priesterliche Typus fehlt nicht. Einige Psalmen haben liturgischen Charakter und sind direkt zur Verwendung im Tempeldienst bestimmt.

Die Psalmen mit geschichtlicher Veranlassung.

Kein Zweifel haftet an der geschichtlichen Stellung des 18. Psalms. Das ist die erhabene Rückschau Davids vom Throne aus auf seinen Lebensgang. Er verherrlicht Gott als seinen Lebensretter. In der ganzen Majestät des Weltherrschers, zu deren Veranschaulichung hier wie oft bei Psalmen und Propheten das Gewitter die Farben gibt, hat er sich aufgemacht zu seiner Hilfe. Der Grund, weshalb ihm Gott geholfen hat, liegt darin, daß er sich nicht verschuldet hat, sondern seine Hände rein erhielt. Und nun überschaut er die Höhe seiner Stellung, seine kriegerische Macht, seine Überlegenheit über alle seine Feinde, die Ausdehnung seiner Herrschaft in die Ferne. Das alles sind Gottes Gaben.8)

Ferner werden wir wohl Ps. 7 in die Zeit der Verfolgung Davids stellen dürfen.9) Es ist die Antwort Davids auf die Anklage, daß er Sauls Leben und Krone bedroht habe. Auf die feierliche Bezeugung seiner Unschuld ist die Anrufung Gottes und seines richterlichen Eingreifens aufgebaut. Aus der Gerechtigkeit Gottes schöpft David die Gewißheit der Errettung und des Sieges, weil dieselbe die Verleumdung und Bosheit auf den zurückfallen läßt, der sie verübt. Ein solches Lied schallte mächtig aus der Wüste hervor und war für David ein starker Bahnbrecher zum Thron.

Es mögen auch noch andere Teile des Psalters aus der Verfolgungszeit Davids stammen, z. B. die beiden zusammen gehörenden Lieder 3 und 4, die beide zeigen, wie mitten in der Bedrängnis in Gott feste freudige Ruhe erlangt werden kann, oder das dringende: „wie lange!“ des 13. Psalms, in welchem wir den Psalmisten nahezu erliegen und doch die göttliche Güte in gewisser Hoffnung ergreifen sehen.

Auch nur die vier eben genannten Psalmen zeigen, wie reich und mannigfaltig das Seelenleben ist, das hier ins Wort ausströmt. Im Ps. 7 redet die kochende Empörung des unschuldig Bedrohten, während in Ps. 3 und 4 das Herz in unangreifbarer Ruhe über allen menschlichen Anfechtungen schwebt, wogegen Ps. 13 wieder die bange Sorge und Klage hervorbricht, weil die befreiende Wendung der Dinge sich immer noch nicht zeigen will. Diese Mannigfaltigkeit der Töne hat sehr wohl im selben Menschenherzen Raum, und daß sie alle im Psalter nebeneinander stehen, gerade das macht ihn unvergänglich wahr.

Ps. 30 wird durch die Überschrift in die Zeit verlegt, als David seinen Palast in der Davidsstadt einweihte.10) Es ist ein herzlicher Dank für die Wandlung der Klage, Angst und Todesnähe in Freude und Jubel. Seine einstige wohlgemute Sicherheit, da er im Gefühl seiner Kraft sprach: ich werde nimmermehr wanken, hat ihm Gott freilich zerstört; aber nun ist ihm ein neues höheres Glück geschenkt.

An eine andere feierliche Stunde in Davids Leben hat man oft bei Ps. 24 gedacht. Er gilt dem Heiligtum und verkündigt, daß der Herr in dasselbe kommt. Zuerst wird aber der Blick auf die Größe Gottes gerichtet, daß ihm die ganze Welt gehört, weil er sie wunderbar bereitet hat, und auf die Bedingung, die allein den Zugang zum Heiligtum gewährt, daß es nicht den Übelthätern, sondern den an Herz und Händen Reinen offen steht. Nun erst verstehen wirs nach seiner ganzen Bedeutung, wenn der Herr in diese Thore seinen Einzug hält. Es liegt nahe, bei diesem Einzug des Herrn an ein bestimmtes Ereignis und ein sichtbares Zeichen desselben, also an die Bundeslade, zu denken. Aber der „Berg des Herrn“ V. 3 weist doch vielleicht schon auf den Tempelberg hin. Vielleicht feiert der Psalm den Einzug Gottes in das neu erbaute Tempelhaus.

Auch Ps. 101 spricht ein königlicher Dichter, und bei einem solchen denken wir mit Grund in erster Linie an David. Der Psalm verkündigt, wie man beim Könige Kunst und Ehre findet, nur durch Redlichkeit und Gerechtigkeit; die ränkevolle Hinterlist und Bosheit rottet er aus.

Auch der Fall Davids erscheint im Psalter. Ps. 51 hat die Überschrift: als der Prophet Nathan zu ihm kam, nachdem er zur Bathseba gegangen war. Dieser wunderbare Psalm muß in der That solch einen Anlaß haben, wie ihn die Geschichte Davids zeigt. Der Fall des Königs war kein Geheimnis. Wie konnte er den Anstoß und die Schande heilen, die er selbst verursacht hatte? Er sprach zu seinem Volke durch einen Psalm. Durch denselben stellt er sich mit runder völliger Offenheit vor Gott und Menschen als Sünder dar und ergreift zugleich mit fester Gewißheit Gottes Verzeihung. Beides wird mit heller Klarheit ausgesprochen: ich habe gesündigt, und: du verzeihst dem Reuigen und richtest den Gefallenen auf.11)

In Ps. 61 betet der König vom Ende des Landes aus mit bedrücktem Herzen und doch in der Gewißheit, daß er in Gott seinen Beschirmer hat, der ihm langes Leben auf dem Throne geben wird und ihn seine Güte und Treue erfahren läßt. Vielleicht fällt das Lied in die Zeit, da er vor Absalom floh. Ähnlicher Art ist Ps. 63, auch ein Gebet des Königs. Zu Gott hin streckt sich sein ganzes Wesen. Gott ist sein stetiger Gedanke, seine Freude und auch sein Schutz.

Ps. 20 ist an den König gerichtet und kann deshalb nicht von David, aber sehr wohl für David gebetet sein. Angesichts einer kriegerischen Entscheidung bittet der Psalmist zuversichtlich für den König, auf den Namen Gottes gestützt. Mit Ps. 20 ist Ps. 21 eng verbunden; er fügt zur Bitte des vorangehenden Psalms den Dank, nachdem der König den Sieg von Gott empfangen hat.

Ähnlich wie Ps. 20 werden wir Ps. 72 aufzufassen haben. Die Überschrift von Salomo wird umzuwandeln sein in „für Salomo“. Es ist ein Gebet für den König nicht in einer besondern Not, sondern im Blick auf seine gesamte Regierung. Sein Amt ist die Rechtsverwaltung. Hier hat er sich als der Beschützer der Armen und Bedrängten zu erweisen. Und die Gegengabe Gottes ist Frieden und Reichtum und weite Herrschaft und unvergänglicher Ruhm. Auch Ps. 45 feiert einen König in seiner Pracht und Macht, zu der auch die Königin aus der Ferne gehört, die in reichem Schmuck und Geleit ihm zugeführt wird. Der Psalm gehört vielleicht jenen festlichen Tagen an, wo die ägyptische Königstochter für Salomo nach Jerusalem gebracht wurde, vgl. 1 K. 3, 1. Andere dachten an die Anfänge Ahabs, der sich die Königin auch aus der Fremde, aus Tyrus, geholt hat, vgl. V. 13.

Aus dem Anfang der assyrischen Notzeit hören wir den Hilferuf Israels gegen seine Feinde Ps. 83, und wohl in derselben Zeit betet Ps. 80 für das bedrängte und geschlagene Ephraim, indem er sein Gebet durch den Rückblick auf die Erlösung aus Ägypten stützt. Ebenfalls aus der assyrischen Notzeit, jedoch aus Jerusalem, wird der jubelnde Dank stammen, der Ps. 46-48 Gott dargebracht wird, nachdem die Stadt in diesen Nöten erhalten blieb. Wir werden diese Psalmen in die Nähe Jesaja's zu setzen haben.

Aus Jeremia's Nähe kommt Ps. 79, der Jerusalem in der Macht der Heiden und aufs tiefste erniedrigt zeigt. Die Not und Schande des Davidshauses treibt auch den Sänger von Ps. 89 zu seinem Gebet. Er schaut auf den ewigen Bund, den Gott David gegeben, und der durch die Majestät Gottes verbürgt und gesichert ist, und entfaltet die reichen Verheißungen desselben. Und nun ist David in den Kindern und Erben seines Thrones so tief erniedrigt. Drum fleht der Psalmist mit dringender Bitte um die Erweisung der David zugesagten Gnaden.

Ps. 137 zeigt den stechenden Schmerz der Exilszeit mit ihrer Sehnsucht nach Jerusalem und nach der Rache Gottes über seine Feinde, Edom und Babel.

Dagegen preisen Ps. 96-98 Gott der herannahenden Erlösung wegen, weil er zu seinem Volk kommt und so vor allen Völkern sich offenbart. Diese Lieder sind dem Propheten, der Jes. 40-66 geschrieben hat, sehr verwandt.

Auch in Ps. 102 schaut der Psalmist hoffend auf den Wiederaufbau Jerusalems.12) Für die Dankfeier der heimkehrenden Scharen, wie sie in wiederholten Zügen dem Tempel zustreben, ist Ps. 118 gedichtet.13)

Auch der hochbegabte Mann, welcher das mit besonderem Titel versehene Psalmbüchlein, Ps. 120-134, zum größten Teil verfaßt hat, läßt uns an der Freude und Hoffnung der neuen Gemeinde teil nehmen. Zuerst hören wir seine Seufzer über die Plage, die Lug und Trug und Zank der Heiden auf ihn legen, als er noch in ihrer Mitte wohnen mußte. 120. Dann faßt er seinen Glauben in's Lied, mit dem er die Wanderung antritt, unter der Hut dessen der nicht schläft noch schlummert. 121. Unaussprechlich ist die Freude der Heimkehr. 126. Das neugebaute Jerusalem wird begrüßt und an seiner festen göttlichen Gründung erfreut sich der Psalm. 122. 125. Wie ein aus der höchsten Todesgefahr erretteter steht Israel wieder auf und dankt Gott. 129. Aber die Gemeinde ist noch arm und verachtet; darum richtet sich das Auge flehend nach oben. 123. Innig steigt das Verlangen zu Gott empor, und sucht seine Vergebung und Hilfe. 130. Und der Blick zu Gott bringt Ruhe. Die großen Wünsche legen sich und still und befriedigt wird der Psalmist mit Gottes Willen eins. 131. Es ist ja nicht menschliches Mühen, welches das Gedeihen schafft, sondern Gottes Segen, 14) und dieser bleibt nicht aus; im Gedeihen und Glück seines Hauses erfährt ihn der, welcher den Herrn fürchtet. 127. 128. Und wie lieblich ist's unter Brüdern zu wohnen in einer einträchtig verbundenen Gemeinde. 133. In derselben Zeit, zum Teil mit Worten älterer Psalmen bittet Ps. 144 um die Befreiung Israels von der Herrschaft der Fremden und um Gottes Segen für die Kinder und die Herden.

Am Schluß des Psalters kommt noch die makkabäische Zeit zum Wort. Ps. 149 ist eine Aufforderung zum Lobe Gottes, wie sie der letzte Teil des Psalters oft enthält. Aber die Beschreibung der Frommen, die dieser Psalm gibt, ist ihm eigentümlich: „Erhöhung Gottes ist in ihrem Mund und ein zweischneidiges Schwert in ihrer Hand, um Rache zu üben an den Heiden und Züchtigung an den Völkern.“ Das sind die Scharen, die mit dem Loblied Gottes in die Schlacht zogen für die Freiheit Jerusalems gegen die syrischen Könige.

Es bleiben noch mehrere Psalmen, die sich deutlich auf eine bestimmte geschichtliche Lage Israels beziehen, ohne daß wir dieselbe mit einiger Sicherheit angeben könnten.

In Ps. 60 (vgl. 108) klagt der Psalmist über eine verlorene Schlacht und die Antwort ist ein Ausspruch Gottes, der Israel als sein Eigentum und die Nachbarvölker als das Gebiet seiner Herrschaft bezeichnet. Das Ziel des Psalmisten ist die Unterwerfung Edoms; aber Israel vermag dasselbe nur mit Gottes Hilfe zu erreichen. Die Überschrift erinnert an die 2 Sam. 8,13 erwähnte Besiegung der Edomiter durch David; aber wir hören aus Davids Zeit nichts von Niederlagen und Verlusten, die uns die Klage des Psalmisten verständlich machen würden.

Ähnlich ist Ps. 44. Israel, sagt er, hat nicht in eigener, sondern nur durch Gottes Macht Kanaan erlangt. Auch jetzt kann es allein mit Gott seine Feinde besiegen. Aber es hat schwere Niederlagen erlitten, und hat doch den Herrn nicht verlassen und dient keinem fremden Gott. Um Gottes willen werden seine Angehörigen getötet. Darum geht die Bitte an Gott: hilf!

Ps. 74 klagt, daß der Tempel mit Axt und Feuer verheert werde, und schaut dann auf zur Majestät Gottes und bittet, daß er an seinen Bund gedenke. Beide Psalmen stammen am wahrscheinlichsten aus schweren Zeiten unter den ältern Königen.

In Ps. 77 sucht der Psalmist in dunkler Zeit den Trost darin, daß er auf die früheren Erweisungen der göttlichen Gnade rückwärts blickt, und richtet sich an den Thaten Gottes in Ägypten auf.

Ps. 75 feiert eine That der göttlichen Gerechtigkeit, durch die er Ordnung im Lande schuf, die Gottlosen darniederwarf und die Gerechten erhöhte. Manche Ereignisse in der Geschichte Judas lassen sich nennen, bei denen ein Psalmist so sprechen konnte.

Ähnlich dankt Ps. 76 Gott für einen Sieg, der seinen Namen und seine Herrschaft groß gemacht hat Ps. 85.

Gebete wegen persönlicher Anliegen.

Sehr zahlreich sind die Psalmen Bedrängter, die wegen Bedrohungen und Gewaltthaten ihrer Feinde zu Gott schreien.15) Zu diesen Klagepsalmen gibt die Geschichte Naboths eine anschauliche Erläuterung. Es ist kein paradiesisches Friedensbild, das uns der Psalter in Israel zeigt. Die Habgier und der Haß waren nicht wählerisch in ihren Mitteln und scheuten sich vor Blutvergießen nicht, und das Recht war noch keine öffentliche Macht, die auch der Gottlose wenigstens äußerlich hätte ehren und fürchten müssen. Es kam auf den frommen Sinn der Bevölkerung und den richterlichen Ernst der Stadt- und Stammesältesten und der Könige an, ob Ordnung und Sicherheit im Lande sei, und diese ließen den bösen Leidenschaften viel freien Raum.

An der Bosheit der Menschen wurde der gläubigen Gemeinde Gottes Güte groß und seine Hilfe teuer. Nach der im Gesetz enthaltenen Berufung war das gesamte Volk die Gemeinde Gottes. Hier aber scheidet es sich: dort stehen die Gottlosen, hier die Frommen, Gerechten, auf Gott hoffenden. Jene sind die Mehrzahl und haben die Macht und sind die Verfolger; diese sind bedrückt und müssen ihre Stärke im Unsichtbaren suchen, in Gottes Liebe und Schutz. Der Weg des Frommen erwies sich als ein schmaler Weg, den die große Menge der Leute nicht betrat.

In Ps. 5 stärkt der Psalmist am Widerwillen und Haß Gottes gegen alle Bosheit seine Zuversicht, daß Gott ihm gegen seine Widersacher beistehen wird. Ps. 6 ist aus großem Kummer heraus gebetet; der Betende ist dem Tode nah, vielleicht durch Krankheit oder Mangel, vielleicht durch Verfolgung; aber auch jetzt ist er der Erhörung seines Gebets gewiß. Ps. 17 hebt den inneren Gegensatz hervor zwischen dem Psalmisten und seinen Feinden. Er ist aufrichtig und treu Gott ergeben, von ihm geprüft und rein erfunden, jene sind hochfahrend, auf Genuß und Lust der Welt bedacht. Auch Ps. 31 zeigt den Psalmisten in einem schweren Leidensstand. Doch ist die Bitte von Dank durchzogen; denn die Hilfe bleibt nicht aus. Ps. 69 läßt in ein Märtyrerleben hineinsehen, das mit demjenigen Jeremias Ähnlichkeit hat. Ps. 94 hebt das Gottlose an dem Treiben der Feinde hervor, wie sie Gottes nicht achten, und thun, als ob er weder sehe noch höre. Mehrfach wird das Gebet auch zum Fluch wider die Feinde, am schärfsten in Ps. 109.16)

In Ps. 42 und 43 drückt nicht nur Unglück, sondern auch der Aufenthalt in der Fremde schwer auf den Psalmisten. Nach dem Heiligtum auf Zion geht sein Verlangen und Hoffen. Ähnliche Sehnsucht nach dem Tempel erfüllt Ps. 84.

Der gewaltigste unter diesen Psalmen, die in Not und Schmerz entstanden sind, ist Ps. 22. Das ist ein durchdringender Schrei der Klage und Bitte aus höchster Todesnot, aber auch ein Wort triumphierender Hoffnung nicht bloß für den Psalmisten, sondern mit weitem Ausblick für Gottes Verherrlichung, der gerade in der Erhebung der Niedrigen und Erlösung der Bedrängten seine Größe offenbart.

Andere Bitten entspringen weniger einer augenblicklichen Not. In Ps. 25 werden in alphabetischer Reihe Gebetsworte gegeben, die das zusammenstellen, was der Mensch vor allem bedarf, Vergebung, Beschirmung gegen die Feinde, Leitung in Gottes Wegen. In Ps. 26 bezeugt der Psalmist die Redlichkeit seines Gottesdienstes und bittet, daß ihn Gott entsprechend führe. Ps. 141 bittet in seinem ersten deutlichen Teil um Bewahrung vor Versündigung.17)

Oft geht im selben Psalm die Bitte alsbald über in den Dank. Doch gibt es auch Psalmen, bei denen der Dank für die erfahrene Hilfe und empfangene Gabe die Wurzel und der Gegenstand des ganzen Liedes ist, vgl. 34, 40, 66, 67, 92, 116, 138. In Ps. 107 wird der Aufruf zum Dank an die gerichtet, denen er in besonderem Maße obliegt: an die aus der Wüste und aus dem Gefängnis wieder heimkehrenden, an die aus Krankheit wieder auferstehenden und die aus dem Sturm auf dem Meere geretteten.

In Psalm 32 wird nicht nur der Dank für die Hilfe, sondern auch die innere Bedingung derselben beleuchtet. Wie das Unglück mit der Sünde, so hängt die Hilfe mit dem Geständnis zusammen. Der Psalmist preist Gottes Güte, die ihn sofort, sowie er den Mut faßte, seine Verfehlung einzugestehen, aus seiner Not befreite. Das ist der heilsame Weg für alle Frommen.

Den dankenden Psalmen stehen die Lieder des Glaubens nah mit ihrer Zuversicht, Ruhe und Seligkeit in Gott. Ps. 27 preist frohlockend die Überlegenheit des Psalmisten über alle seine Feinde, weil er in Gottes Zelt geborgen ist, und aus seiner Zuversicht steigt nun die Bitte um Bewahrung empor. In Ps. 11 läßt der Betende zuerst seine Freunde in ihrer Verzagtheit reden. Du richtest nichts mehr aus; alles ist dahin, klagen sie. Aber des Psalmisten glaubensstarke Antwort lautet: Gott sieht und vergilt. Ps. 91 preist die Allmacht der göttlichen Beschirmung und die völlige Ruhe der Seele im Vertrauen auf ihn, vgl. Ps. 121. In Ps. 23 spricht ein Herz, das mit Gott völlig zufrieden ist, und Ps. 16 versenkt sich in den Reichtum der Seligkeit, welche die Erkenntnis und Gemeinschaft Gottes in sich schließt.

Die prophetischen Psalmen.

Die Weissagung und der Psalm stehen einander nah. Auch der Prophet sprach in den gehobenen Formen der dichterischen Rede aus starker Bewegung des Herzens heraus, so daß sein Wort oft nahezu zum Liede wird. Man kannte in Israel seit Alters singende und spielende Prophetenchöre, vgl. 1 Sam. 10,5. Zugleich bewegte das prophetische Wort die Furcht und Hoffnung der Gemeinde aufs tiefste und fand deshalb in ihren Liedern eine Antwort und Fortsetzung.

In Ps. 50 ist ein Spruch Gottes über die rechte Anbetung ins Lied gefaßt. Gottes Erscheinung in Herrlichkeit wird beschrieben; alsdann hält er Israel zwei Dinge vor, daß er nicht die äußerliche Gabe des Opfers fordert, sondern den Dank, und daß Gottlosigkeit und Berufung auf Gottes Gnade nimmermehr zusammengehen.

Ps. 132 gibt die Weissagung, welche die Regierung Salomos und den Tempelbau begleitet. Das Lied beginnt mit der Erinnerung an den Eifer Davida, dem Herrn ein Haus zu bauen, und ladet ihn nun ein, die Bitte des Königs zu erfüllen und in sein Haus zu kommen. Die Antwort darauf bildet Gottes Verheißung, durch die Davids Haus für immer zum königlichen Geschlecht und Jerusalem zur Stadt Gottes erkoren ist.18)

Der prophetische Bußruf und die Klage über Israels Verdorbenheit tönt in Ps. 12 und 14 (53) wieder. Ps. 82 zieht die zur Verantwortung, die in Gottes Namen dem Lande vorstehen und das Recht verwalten, ihres Unrechts wegen. Ps. 81 ruft bei Gelegenheit eines Neumondsfestes Israel weg von den fremden Göttern zum Herrn allein, weil nur so Sieg und Gedeihen kommt. Ps. 95 genügt die Erinnerung an das, was in Ägypten geschehen ist, zur Warnung Israels. Ps. 65 schaut von der gegenwärtigen Zerrüttung hinaus auf eine neue Blüte des Landes, und Ps. 87 freut sich an. Der umfassenden Weite des göttlichen Reichs, daß Gott auch die Heiden in Jerusalem zu Bürgern macht. Und auch Ps. 68 schließt das Gemälde der göttlichen Größe, das er zum Teil im Anschluß an das Deborahlied entwirft, damit, daß die Völker insgesamt zum Herrn gebracht werden.19)

Mit der Prophetie stehen auch diejenigen Psalmen in Zusammenhang, welche die Majestät des in Gottes Namen regierenden Königs darstellen. Ps. 2 verheißt dem auf dem Zion von Gott eingesetzten König, daß das Toben der Völker seine Herrschaft nicht aufheben wird; denn er ist Gottes Sohn und hat die Völker als Erbe von Gott empfangen. Daher liegt ihnen und ihren Königen ob, sich ihm zu unterwerfen. Ps. 110 gibt dem König den Sitz neben Gottes Thron, wo er unerreichbar ist für jede Anfechtung. Er wird Gott priesterlich dienen und als Held seine Feinde niederwerfen. Nun mögen diese Psalmen vielleicht nicht ausschließlich die Zukunft und den König der Verheißung, sondern zunächst die jetzigen Könige Israels im Auge haben. Aber sie sprechen den Zusammenhang des Königtums mit Gott und die Verheißung und Zusage, die ihm geworden ist, so gewaltig aus, daß ihr Wort die Gegenwart überflog und Weissagung ward auf einen König, der in Wahrheit Gottes Reich und Thron in seinen Händen hat. Nach der Anleitung solcher Psalmen wurden dann auch die anderen zum Preise von Königen gesungenen Lieder ins Bild des künftigen Königs eingefügt.

Lehrhafte Psalmen.

Wie das Gebet sich leicht zur sinnenden Betrachtung und Meditation erweitert, so kann auch der Psalm eine lehrhafte Haltung annehmen. Ps. 33 betrachtet die Größe der göttlichen Weltregierung. In Ps. 139 schaut der Psalmist auf die alles durchdringende Macht des göttlichen Wissens und Könnens, die unsere ganze Existenz umschließt. Ps. 103 beschaut Gottes Milde und Freundlichkeit. Ps. 113 verweilt bei seiner Herablassung zu den niedrigen und Ps. 111 nennt die Zeugnisse, durch die Gott Israel seine Macht und Gnade bewiesen hat. Der Blick auf Gott erweckt aber auch das Bewußtsein um die uns endliche Distanz und Verschiedenheit zwischen ihm und uns. Von der Ewigkeit Gottes geht in Ps. 90 der Blick zur Vergänglichkeit des Menschen hinab und die Nichtigkeit unseres Daseins wird empfunden. Ähnlich wie hier die göttliche Unvergänglichkeit und die menschliche Vergänglichkeit nebeneinander stehen, werden in Ps. 36 die menschliche Lüge und Bosheit und die vollkommene Treue und Güte Gottes einander entgegengesetzt.

Auch die Natur ist ein Zeichen der Herrlichkeit Gottes und vermag das Herz zum Psalm zu bewegen. Ps. 29 feiert mit großer dichterischer Kraft den Donner, diese erhabene Stimme Gottes, mit der übrigen Pracht des Gewitters. Ps. 19 zeigt uns das Himmelsgewölbe und vor allem die Sonne als die Zeugen der göttlichen Herrlichkeit, worauf eine zweite Strophe das andere Zeugnis Gottes, das Gesetz, nach seiner Wahrheit und Vortrefflichkeit preist. Ps. 8 nennt den Menschen das größte Werk Gottes. Ob auch Gottes Herrlichkeit die ganze Welt erfüllt, so daß auch das Kind sie empfindet und aussprechen kann, so ist doch der Mensch, so klein er unter den großen Werken Gottes ist, unter ihnen das wunderbarste; denn Gott hat ihn nahe zu sich selbst emporgehoben und zum Herrscher über seine Werke gemacht. Ähnlich begleitet Ps. 104 nach der Anleitung der Schöpfungsgeschichte Gottes Schaffen durch die große Reihe seiner wunderbaren Werke.

Auch an die Art und Form des Weisheitsspruches lehnen sich einige Psalmen an. Ps. 15 beantwortet die Frage nach der Art und dem Wesen wahrer Frömmigkeit, die zum Heiligtum und zum Genuß der göttlichen Nähe Zutritt hat. Ps. 37 gibt eine alphabetisch geordnete Reihe von Regeln rechtschaffener Gottesfurcht. Ps. 112 preist das Glück und die Sicherheit des Gerechten.

Dagegen schildert uns Ps. 49 das für alle gleich unentrinnbare Todeslos, an dem alle menschliche Hoffart scheitert, und in Ps. 73 erzählt der Psalmist, wie er durch das Gedeihen und Gelingen, das auch den Gottlosen zu teil wird, innerlich erschüttert wurde, bis er in ihrem Ende und Ausgang die Gerechtigkeit Gottes wahrnahm und den unendlichen Wert der Erkenntnis und Gemeinschaft Gottes aufs neue ergriff. So schlägt dieser Psalm eine ähnliche Richtung wie das Buch Hiob ein.

Auch das dem ganzen Psalter als Einleitung vorgesetzte Lied, Ps. 1, hat den Charakter der Spruchdichtung. Die beiden Wege, vor die der Mensch gestellt ist, werden einander entgegengesetzt. Der eine ist bezeichnet durch den Rat der Sünder, der andere durch Gottes Gesetz. Auf diesem gedeiht das Leben in Fruchtbarkeit und Bestand; auf jenem zergeht es leer und nichtig, und dies darum, weil Gottes Auge und Gericht die Gerechtigkeit und Bosheit von einander trennt.

Wie hier das Gesetz als die sichere Leitung des Menschen gepriesen wird, so rühmen auch die 22 Strophen des 119. Psalms unermüdlich die Zuverlässigkeit, Vortrefflichkeit und Heilsamkeit des göttlichen Gebots.

Auch die Geschichte Israels wird für den Psalter Gegenstand der Betrachtung. Ps. 78 verknüpft nach dem Unglück, das über Ephraim kam, dessen Treubruch mit den Erweisungen der Widerspenstigkeit und des Unglaubens, die das Volk schon in der Wüste sich zu schulden kommen ließ, und hält demselben die Größe der göttlichen Zeichen und Thaten entgegen von der Erlösung aus Ägypten bis auf David. Ps. 105 und 106 besingen nach den biblischen Berichten die mosaische Zeit. Der erstere schaut auf Gottes große Hilfe, der letztere auf des Volkes immer neue Widerspenstigkeit. Ps. 114 preist in einer dichterisch sehr vollendeten Form die Wunder des Auszugs aus Ägypten.

Die liturgischen Psalmen.

Eine letzte Gruppe von Psalmen dient dem Bedürfnis des Gottesdienstes, wonach die Anbetung nicht nur im Opfer, sondern auch im Worte zum Ausdruck kommen will. Der Refrain dieser Psalmen, der den Grundton derselben angibt, heißt: lobt den Herrn; denn er ist gütig und seine Gnade währt ewiglich. Ps. 135 und 136 gründen das Lob auf die hervorstechenden Wohlthaten der mosaischen Zeit. Ps. 115 stellt den lebendigen Gott den toten Götterbildern entgegen. Ps. 145-150 stützen die Mahnung zum Lob auf die zahlreichen Gaben Gottes, die der Naturlauf bringt und die Gottes Weltregierung schenkt in ihrer freundlichen Beschirmung der Schwachen und Armen. Sie schließen die ganze Kreatur in ihren Aufruf zum Preise Gottes ein. Ps. 134 ist ein kurzer Lobspruch für die Tempelwache in der Nacht, und Ps. 117 eine ähnliche Formel der Anbetung, wie sie bei vielen Anlässen in der Gemeinde üblich war.

Die schlichte Wahrheit und Einfalt, die lebendige Zuversicht und Hoffnung des Psalters zeigen, wie reich und stark Gottes Wort in Israel wirksam war. Wo Gott offenbar wird und erkannt ist, da entsteht Gebet. Hat Gott mit uns gesprochen, so können wir mit ihm reden. Was von oben in die Seele kam, das hebt sie auch wieder hinauf und macht, daß der Geist zu Gott hinzugelangt. Darum ist der Psalter ein wichtiges und sicheres Siegel und Zeugnis der Offenbarung Gottes in Israel. Er ist von großer Wichtigkeit für das Verständnis aller anderen Bücher des Alten Testaments. Während die Geschichtsbücher den äußeren Hergang der Geschichte zeigen, erschließt uns der Psalter die Seele jener Männer. So beteten, so klagten, so dankten sie, und das macht vieles begreiflich, was uns sonst an der alttestamentlichen Geschichte auffallend und wunderbar scheinen muß. Nicht minder wichtig ist der Psalter für das Verständnis des Gesetzes. Dieses gibt uns in seiner knappen Sprache oft nur die äußere Zeremonie; der Psalter aber gibt uns, was die Zeremonie innerlich begleitet, und läßt uns teilnehmen an der verborgenen geistigen Seite des alttestamentlichen Gottesdienstes. Und zur prophetischen Predigt gibt der Psalter die Antwort der Gemeinde, und zeigt, daß die Propheten nicht umsonst im Namen Gottes redeten und litten, sondern daß ihr Wort eine Gemeinde schuf, die Gott im Glauben sich ergab. Zugleich ist freilich auch der Psalter wie die ganze alttestamentliche Schrift mit seinen vielen schweren Seufzern und dunkeln Fragen ein Bußruf an Israel, der ihm vorhält, daß ihm die Gerechtigkeit noch fern war und das Vollkommene noch nicht erschienen ist. Auch er bereitet mit seinem Seufzen und Sehnen das Volk auf eine neue höhere Gabe Gottes vor.

1)
Vgl. 4 M. 21, 14; Jos. 10, 13 und 2 Sam. 1, 18.
2)
Diese Form des Lieds rührt ursprünglich vom Wechselgesang her, bei dem zwei Sänger zusammenwirken, von denen der eine den Vers beginnt, der andere das Gesagte mit einem parallelen Satz beantwortet, bestätigt und vollendet. Daraus ward dann die stehende poetische Form.
3)
Hie und da sind die Verse zu regelmäßigen Strophen gegliedert, was dann besonders deutlich wird, wenn am Schluß jeder Strophe derselbe Vers als Refrain wiederkehrt, wie Ps. 42 und 43; 46. Um dem Gedächtnis eine Hilfe zu bieten, sind einzelne Psalmen nach den Buchstaben des Alphabets geordnet. In Ps. 25. 34. 145 beginnt jeder Vers, in Ps. 37; 9 und 10 (am Anfang und Schluß) je der zweite Vers, in Ps. 111 und 112 jeder Halbvers der Reihe nach mit einem Buchstaben des Alphabets. In Ps. 119 beginnen je 8 Verse mit demselben Buchstaben in alphabetischer Reihenfolge. Jedoch ist nur in Ps. 111. 112 und 119 die Ordnung ohne Störung erhalten.
4)
Die Bücher umfassen Ps. 1-41; 42-72; 73-89; 90-106. Am Schluß der Bücher steht jedesmal eine Formel zu Gottes Preis.
5)
Ps. 14 und Ps. 53 sind identisch, am Schlusse nur mit verschieden gestaltetem Text. Ps. 60, 7-14 steht nochmal Ps. 108, 7-14 und hat an letzterer Stelle nur eine neue, aus Ps. 57 genommene Einleitung. Ps. 70 ist identisch mit Ps. 40, 14-18.
6)
Ps. 21: nach Hindin des Morgenrots; Ps. 56: nach stumme Taube der Fernen. Ps. 57-59; 75: verdirb nicht; Ps. 45. 60. 69. 80: „nach Lilien“. Ps. 120-134 haben eine besondere Aufschrift, die Luther: Lied in höherm Chor„ übersetzte, deren Sinn dunkel ist. Vielleicht sind sie als Lieder beim Heraufziehen in festlicher Wallfahrt zum Tempel oder als Lieder des Heraufziehens aus Babylon nach Jerusalem zurück bezeichnet. Die meisten dieser Lieder sind auch in ihrer Form sehr gleichartig und können leicht ein kleines Liederbuch für sich unter diesem Titel gebildet haben.
7)
Genannt werden als Verfasser: David für 73 Psalmen, Mose für Ps. 90, Salomo für Ps. 72 und 127, Asaph für Ps. 50. 73-83, die Söhne Korahs für Ps. 42-49, 84-88. Ps. 88 hat außerdem noch eine zweite Überschrift, die ihn Heman, dem Esrahiten, zuweist, und bei Ps. 89 ist Ethan der Esrahite genannt. Asaph, Korah, Heman und Ethan sind die Namen levitischer Geschlechter, die den musikalischen Dienst im Tempel besorgten, und sagen uns über den Verfasser und die Zeit, in der er lebte, nichts.
8)
Vgl. 2 Sam. 22. Über den kräftigen Ausdruck des guten Gewissens, mit dem David die Reinheit seiner Hände als den Grund seiner Erhebung geltend macht, vgl. die Bemerkung zu Hiob, sowie das Seite 78 Gesagte.
9)
Zu den Gründen, die im Inhalt des Psalms liegen, kommt hier auch ein äußeres Zeugnis. David, sagt die Überschrift, habe dies dem Herrn gesungen wegen der Worte des Kusch aus Benjamin. Luther hat übersetzt des „Mohren“, weil Kusch sonst in der That der Volksname für die äthiopischen Stämme ist. Nun sind sonst die geschichtlichen Bemerkungen in den Titeln öfters aus den Büchern Samuel geschöpft, was zeigt, daß man in Israel ähnlich, wie wir es thun, in den Geschichtsbüchern nach der Veranlassung zu den Psalmen gesucht hat. Aber diese Überschrift ist jedenfalls nicht einfach aus den Büchern Samuel entnommen und kann sehr wohl eine sichere gute Überlieferung sein.
10)
Weil im Psalm selbst nichts vom Hause Davids steht, wird die Angabe im Titel mehr als nur die Ansicht eines alten Erklärers ausdrücken. Daß David sich für immer als einen aus den Stricken des Todes erretteten angesehen hat, zeigt Ps. 18. Der Mann, der mit Ps. 18 auf das von ihm erkämpfte weite Reich hinsah, kann sehr wohl mit Ps. 30 in sein neuerbautes Haus eingezogen sein.
11)
Der ursprüngliche Psalm geht bis V. 19. V. 20 und 21 scheinen hinzugefügt, während der Tempel zerstört war. David hat ausdrücklich darauf verzichtet, seine Sünde mit Opfern zu decken und gleichsam abzuzahlen. Er weiß, daß er die Vergebung nur dadurch suchen und empfangen kann, daß sein Geist und Herz zerbrochen sind. Dazu hat in der Zeit, die ohne Tempel und Opfer war, ein Israelite den Wunsch gefügt: wenn wir doch wieder opfern könnten, wie gerne würden wir es thun!
12)
In Ps. 102 ist das Gebet um die Wiederherstellung Jerusalems mit dem Flehen eines todmatten Leidenden verbunden (V. 2-12 und 24-28). Die Veranlassung dazu lag darin, daß der Leidende von der „Flüchtigkeit“ seines Lebens zur Ewigkeit Gottes emporschaut. Aus der Ewigkeit Gottes fließt aber auch die Hoffnung auf den Fortbestand Jerusalems.
13)
In diesem Psalm liegt eine Erscheinung vor, die sich in den späteren Psalmen öfter wahrnehmen läßt, daß nämlich das redende „Ich“ nicht nur den Psalmisten meint, sondern die gesamte Gemeinde, und das ausspricht, was von Israel gilt.
14)
Ps. 127, der die Überschrift von Salomo trägt, ist selten von den anderen Liedern dieser Gruppe abzutrennen. Manches konnte einen schriftgelehrten Ausleger in diesem Psalm an Salomo erinnern: Das Haus, das der Herr baut, der Geliebte des Herrn, so hieß ja Salomo, vgl. 2 Sam. 12,25, und die göttlichen Gaben im Schlaf, vgl. 1 Kö. 3,5 ff.
15)
Manches in dieser Gruppe, sowie auch in den folgenden, kann sehr leicht schon von David stammen. Wir wissen von Salomo, daß er 1005 Lieder sprach, 1 K. 4,32; auch die davidischen Liederbücher werden manche und mannigfaltige Lieder enthalten haben.
16)
Weitere Gebete Bedrängter: 9. 10. 28. 35. 38. 39. 41. 52. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 62. 64, 70. 71. 86. 88. 102. 140. 142. 143.
17)
Im zweiten Teil ist die Abschrift des Psalms nicht mehr zu entziffern.
18)
Der Psalm steht unter den Wallfahrtsliedern, weicht aber in der Form von den andern Stücken dieser Sammlung ab, die leicht auch ein älteres Lied aus der Salomonischen Zeit enthalten haben kann. Ist das Lied erst im neuen Jerusalem entstanden, so versetzt es sich absichtlich in die Salomonische Zeit zurück, weil eben jene Verheißungen die aus dem Exil heimkehrenden bewogen, nach Kanaan zurückzuziehen.
19)
Vgl. die Loblieder auf Gottes Königtum 93. 99. 100.
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