Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Das Buch Nehemia

Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Das Buch Nehemia

Der Bau der Mauern durch Nehemia. Neh. 1-7.

Dreizehn Jahre nach Esra, a. 445, entschließt sich Nehemia, der als Mundschenk dem persischen Hofe zugehörte, nach Jerusalem zu ziehen, weil er hört, daß die Stadt noch immer ohne Mauer und Thore ist. Er hält zuerst in einem reumütigen Gebete Gott seine Verheißung vor und bittet, daß er ihm die Gunst des Königs zuwende. Sein Gebet wird erhört. Artaxerxes entläßt ihn gnädig und weist die Beamten an, ihm das Holz zum Bau zu liefern. 1,1-2,10.

Nach seiner Ankunft wandert er nachts um die zerfallene Mauer herum und beruft sodann die Häupter der Stadt zum Bau. Die mächtigen Männer von Samarien setzen sich dem Werke sofort feindlich entgegen. Zunächst spotten sie. 2, 11-20.

Die Mauer wird in Lose verteilt und an allen Stellen begonnen. Nehemia gibt das Verzeichnis derer, die an den Bau Hand anlegten. 3, 1-32.

Die Feinde spotten nicht nur, sondern drohen mit Gewalt. Das Volk muß in den Waffen arbeiten. 3, 33-4. 17.

Aber das Volk leidet nicht nur unter den Anstrengungen der Arbeit, sondern auch unter dem harten Druck seiner Reichen. Nehemia setzt die Rückgabe der verpfändeten Grundstücke und der dem Volke abgenommenen Zinsen durch. 5, 1-13.

Er ist selbst ein Muster der opferwilligen Uneigennützigkeit, da er auf alle Vorteile des Statthalteramts verzichtet. 5, 14-19.

Die Ränke seiner Feinde durchschaut und verachtet er, und auch als sie einen Propheten dingen, um ihn zu erschrecken, bleibt er fest. Die Mauer wird vollendet und die Feinde sind beschämt. 6.

Nehemia ordnet die sorgfältige Bewachung der Stadt an, und denkt auf Mittel, sie zu bevölkern. Er findet das alte Verzeichnis der unter Serubabel eingewanderten (vgl. Esr. 2). 7.

Ehe die weiteren Schritte Nehemias erzählt werden, durch welche er die Vermehrung der Einwohnerschaft Jerusalems herbeiführt, wird ein Bericht über das Laubhüttenfest eingefügt, das besonders feierlich war, weil es zu einer erneuten Verpflichtung des Volkes auf das Gesetz führte. Dieser Bericht ist von einem Teilnehmer an der Versammlung aufgezeichnet; denn der Schreibende erzählt in der ersten Person: wir machten es so. Dagegen ist nicht sicher, ob hier Nehemia selber spricht; der Abschnitt kann auch zu den Aufzeichnungen Esras gehört haben. Auch im folgenden sind andere Listen und Angaben vom Chronisten zwischen die eigenen Aufzeichnungen Nehemias eingefügt, oder es werden die Berichte Nehemias vom Chronisten abgekürzt.

Weitere Verbesserungen in der Gemeinde. 8-13.

1)

Vor dem Laubhüttenfest sammelt sich das Volk um Esra, um das Gesetz zu hören. Der Eindruck ist ein niederschlagender. Aber die Leiter des Volkes, Esra und Nehemia, ermahnen zur Festfreude. Es wird das Laubhüttenfest gefeiert und hernach ein Bußtag, von welchem das Bußgebet der Leviten berichtet wird. Danach wird eine Urkunde aufgestellt und von den angesehenen Männern unterschrieben, worin sich das Volk zu denjenigen Leistungen verpflichtet, die zur Ausführung des Gesetzes nötig sind: Entfernung der fremden Weiber, Beobachtung des Sabbats, Entrichtung einer Tempelsteuer, Lieferung des Holzes für den Altar und Abgabe des Zehnten und der Erstlinge. 8-10.

Nun folgt die in Kap. 7 vorbereitete Maßregel: jeder zehnte Mann zieht nach Jerusalem, und es wird eine Liste der in Jerusalem niedergelassenen gegeben, ebenso werden die Dörfer, welche die Judenschaft an sich gebracht hat, aufgezählt. 11. Mit n gleichzeitig2).

An diese Liste hat der Chronist noch andere Verzeichnisse gefügt: eine Liste von Priestern und Leviten, die mit Serubabel kamen, das Verzeichnis der Hohenpriester bis auf Jaddua, der in die Zeit Alexanders des Großen fällt, Häupter der priesterlichen Familien zur Zeit des Hohenpriesters Jojakim, des Sohnes Josua, nebst levitischen Verzeichnissen. 12, 1-26.

Nun wird die Mauer durch einen feierlichen Umzug eingeweiht. 12, 27-43. n.

Es werden Wächter für die Tempelkammern eingesetzt, in welche die heiligen Abgaben kommen. Das Volk freut sich an der schönen Ordnung nach dem Gesetz. 12, 44-47.

Gemäß der Verordnung des Gesetzes werden die Moabiter und Ammoniter aus der Gemeinde entfernt. 13, 1-3.

Den Schluß bilden Aufzeichnungen Nehemias aus seinem zweiten Aufenthalt in Jerusalem.

Der Feind Jerusalems, Tobia, hat im Tempel eine Kammer in Beschlag genommen, die ihm von Nehemia entzogen wird. Die Leviten haben sich wieder im Land herum zerstreut, weil die Abgaben nur spärlich eingingen. Nehemia schafft hier wieder Ordnung. Am Sabbat wird Handel getrieben, den Nehemia dadurch abstellt, daß er die Thore geschlossen hielt. Wieder sind fremde Frauen in den Familien. Nehemia treibt sie weg und dies reicht bis in das hohepriesterliche Haus hinauf. 13, 4-31. n.

Auch Nehemia ist für den inneren Gang der alttestamentlichen Gemeinde eine sehr lehrreiche Gestalt. Er ist wie Esra mit ganzem Herzen dem Gesetz zugethan; es zeichnet ihn aber vor Esra die Energie aus, mit der er handelt. Er geht mutig ans Werk, um die Gemeinde in einen Zustand zu bringen, wie er ihrem Beruf entspricht, und fürchtet sich vor keinen Schwierigkeiten. So erfüllt ihn auch der Rückblick auf das, was er unternommen hat, mit einem hohen Bewußtsein. Er schließt seine Erzählung jeweilen mit einem Gebetswort, daß sein redliches Bemühen der Beachtung Gottes empfiehlt. Es zeigt sich an ihm, wie das Gesetz Israel nicht nur beugt, sondern auch erhebt und mit starker Zuversicht und mit Mut zu kraftvollem Handeln erfüllt. Das Zusammenwirken Esras und Nehemias eröffnet das Zusammengehen der beiden Richtungen, die wir im Neuen Testament wieder vereint finden. Dort stehen nebeneinander der Schriftgelehrte, der die Lehre des Gesetzes ausbildet, und der Mann der That, der Pharisäer, der mit eifriger Entschlossenheit dem göttlichen Gebot das Volksleben unterthan zu machen strebt. Sie haben das Werk Esras und Nehemias fortgesetzt.

Der Chronist, der das Ganze gesammelt und bearbeitet hat, hat wohl das Ende der Perserherrschaft und den Anfang des griechischen Regimentes gesehen. Er führt die Hohenpriesterreihe bis auf Jaddua herab, der nach dem Bericht des Josephus Alexander dem Großen die Huldigung der Judenschaft überbracht hat, Neh. 12, 10.11, und auch 1 Chr. 3,19 - 24 wird das Geschlecht Serubabels weit über ihn selbst hinabgeführt. Damit stimmt, daß im Buche wiederholt nach Dariken gerechnet wird, der Goldmünze, die seit Darius in Asien gangbar geworden ist. Obwohl nun noch ein volles Jahrhundert verflossen ist zwischen den letzten Ereignissen, die der Chronist erzählt, und seinen eigenen Tagen, so ists doch nicht rätselhaft, warum er mit Nehemia die Erzählung schließt und sie nicht weiter führt. Das Volk übte nun den Gehorsam ein gegen das Gesetz. Das ließ sich nicht mit den Erlebnissen der Väter vergleichen. Das war keine neue Offenbarung Gottes, kein steigendes Hervorleuchten seines Willens, kein Wachstum seiner Verheißungen. Männer wie Esra und Nehemia folgten einander von jetzt an in langer Reihe; doch was war von ihnen zu erzählen? Sie erklärten das Gesetz und gehorchten dem Gesetz das war ihr Ruhm und ihr Ziel. Nicht sie, sondern die Väter hatten die großen Thaten Gottes gesehen und seine Worte gehört. Aber zugleich ging der Blick der Gemeinde auch vorwärts. Darin daß sie Jahr um Jahr den Dienst unter dem Gesetz verrichtete, kam ihr Herz und ihr Hoffen nicht zur Befriedigung und Ruhe. Das war der Weg zum Ziel, doch nicht selbst das Ziel, die Arbeit um den Lohn, doch nicht der Lohn. Wann kam er? Es wurde aus der dem Gesetz untergebenen Gemeinde ein wartendes Volk, daß nach der Zukunft sah. Und in dieser Wartezeit verstummte vorerst die biblische Geschichtsschreibung.

1) , 2)
Die von Nehemia stammenden Abschnitte sind mit n bezeichnet.
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