Quandt, Emil - Jonas, der Sohn Amithai. II. Jonä Mission auf dem Schiffe.

Quandt, Emil - Jonas, der Sohn Amithai. II. Jonä Mission auf dem Schiffe.

Kap. 1,6-16.

In Jesu Namen. Amen.

Der fliehende und schlafende Prophet war es, der sich in den fünf ersten Versen unsers Buches selbst uns vor Augen stellte; der aufgewachte und ins Meer versenkte Prophet ist es, den wir in den folgenden zehn Versen schauen. Möge sein Bild uns ein ziehendes Exempel sein, selbst aufzuwachen aus allem Schlaf und Träumen, darinnen unser Leben etwa befangen ist und uns zu versenken in das Meer der Liebe Gottes in Jesu Christo!

Vers 6. Da trat zu ihm der Schiffsherr und sprach zu ihm: Was schläfst du? Stehe auf, rufe deinen Gott an, ob vielleicht Gott an uns gedenken wollte, dass wir nicht verdürben. „Da“ trat der Schiffsherr zu ihm d. i. als alles Schreien der Heiden zu ihren Göttern und alles Überbordwerfen nichts geholfen, da erinnerte man sich des wunderbaren Fremdlings auf dem Schiff, von dem man nichts wusste, als was er selber gesagt hatte (Vers 10), nämlich, dass er vor dem Herrn flöhe. Im ersten Schrecken, im ersten Schreien und Hantieren, hatte man den ernsten, schwermütigen Passagier ganz aus dem Sinne verloren; als sich aber bei der längeren Fortdauer der Gefahr die erschreckten Sinne zu sammeln anfingen, vermisst man ihn und sucht ihn, bis er in seinem heimlichen Winkel gefunden wird. Die Schiffsmannschaft musste voll Unmuts sein, dass, wo Alle beteten und arbeiteten, dieser Eine fehlte. Sie musste aber zugleich von Staunen erfüllt werden, dass Angesichts der gemeinsamen Todesgefahr dieser Eine schlafen konnte. Beides, Unmut und Staunen, liegt in der Anrede des Schiffsherrn: „Was schläfst du? Stehe auf!“ Dass aber nicht Einer von dem Schiffsvolk ihn in seiner Ruhe stört, sondern der Herr des Schiffes ihn anredet, ist ein Beweis dafür, dass Jonas auch als fliehender Prophet des Allerhöchsten doch in seinem Wesen etwas hatte, was Ehrfurcht einflößte. Es scheint aber auch das noch in den Worten des Schiffsherrn zu liegen, dass auf dem Schiffe die Meinung herrschte, der Gott des wundersamen Fremdlinge möchte am Ende mächtiger sein, als die von ihnen angerufenen Götter. „Rufe deinen Gott an, spricht der Mann, ob vielleicht Gott an uns gedenken wolle, dass wir nicht verdürben!“

So hat auch heutzutage das Weltkind eine Ahnung, die in Nöten und Gefahren besonders mächtig wird, dass der Gott der Frommen stärker sei, als was die Welt in ihrem Wahne verehrt und anbetet. Ein vornehmer Weltmann in Amerika hatte es seinen Spott, dass seine gottesfürchtige Gemahlin ihr Töchterlein in der Zucht und Vermahnung zum Herrn aufzog und suchte den Glauben an den Herrn Jerum, den die Mutter ins Herz der Tochter pflanzte, wegzuwitzeln und zu Schanden zu machen. Als es aber plötzlich mit dem Töchterlein zum Sterben kam und das Kind mit bebender Stimme fragte: „Vater, in welchem Glauben soll ich sterben, in deinem oder der Mutter Glauben?“ da antwortete der Weltmann unter Tränenströmen: „Nicht, nicht in meinem, sondern in der Mutter Glauben!“

Jonas aber kannte wohl den wahren und lebendigen Gott, aber war ein Flüchtling vor ihm und ein Schläfer. Wie beschämend musste es für ihn sein, von Heiden aus dem Schlaf geweckt und an seine Gebetspflicht erinnert zu werden! Aus dem leiblichen Schlafe ließ er sich nun freilich aufrütteln, aber ob seine Seele auch schon aufwachte aus ihrem Schlaf? Es steht nicht geschrieben, ob Jonas dem Mahnruf des heidnischen Schiffsherrn gefolgt sei und gebetet habe oder nicht; wenn er aber gebetet hat, so ist doch keine Erhörung erfolgt; wie kann Gott der Herr auch Gebete erhören, die der Mund nur spricht, während das Herz noch Gott fliehet? Der Herr tat in seiner Barmherzigkeit aber alles Mögliche, damit auch Jonas Herz aufwache, wie wir weiter sehen.

Vers 7. „Und einer sprach zum andern: Kommt, wir wollen losen, dass wir erfahren, um welches willen es uns so übel gehe. Und da sie losten, traf es Jona.“ Es war ein im ganzen Altertum, nicht bloß unter den Heiden, sondern auch unter den Juden weitverbreiteter Gebrauch, durch das Los den Willen der Gottheit zu ermitteln; denn es herrschte allgemein der Glaube, den der weise Salomo Sprüche 16,33 also ausdrückt: „Los wird geworfen in den Schoß; aber es fällt, wie der Herr will!“ Unter dem Kreuze unsers Erlösers warfen heidnische Kriegsknechte das Los um den ungenähten Rock. Bei den Israeliten aber war das heilige Land selbst einst durch das Los an die Stämme, Geschlechter und Familien verteilt, daher denn auch das Los immer eine große Rolle unter ihnen spielte und namentlich fast immer angewendet wurde, um über Mein und Dein zu entscheiden. „Das Los stillte den Hader und schied zwischen den Mächtigen“ (Sprüche 18,18). Die christliche Kirche hat das Los nur angewendet, ehe der heilige Geist ausgegossen war, bei der Wahl des Matthias zum Apostelamte (Apostelgesch. 1,26), nachher nie wieder, nur dass die Brüdergemeinde es öfters gebraucht, aber nur unter brünstigen Gebeten und mit vieler Vorsicht. Ein Christenmensch wird daher wohl tun, sich des Losens in seinem Leben zu entschlagen; denn er lebt in der Zeit des neuen Bundes, die da ist eine Zeit der Erleuchtung des heiligen Geistes, in welcher gilt einmal das Wort St. Pauli 2 Tim. 2,7: „Der Herr wird dir in allen Dingen Verstand geben!“ und sodann das Wort St. Jacobi 1,5: „So Jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte von Gott, der da gibt einfältiglich Jedermann und rückt es Niemand auf, so wird sie ihm gegeben werden.“ In Zeiten der Ratlosigkeit beten und betend seinen Verstand anstrengen, das ist einem Christenmenschen ziemlicher, als losen. Es hat übrigens auch der gottselige Stifter der Brüdergemeinde es selber ausgesprochen, „dass sich Unberufene mit dem Lose erstaunlich verbrennen können.“

In unserer Jonasgeschichte aber - das ist klar und gewiss - kommt der Herr der Einfalt der Schiffsmannschaft entgegen und lässt das Los auf den Richtigen fallen. Jonas wird durch das Los als derjenige bezeichnet, um dessentwillen es dem ganzen Schiffe so übel geht. Es ist dabei nicht zu übersehen, wie tief das Schuldgefühl in der Menschheit, auch in der heidnischen, wurzelt. Die Schiffsleute, obgleich arme Heiden, wissen doch, dass die Not von oben her verhängt wird um der Sünde willen. Freilich, dass sie meinten, ihr Unglück sei um eines sonderlichen Verbrechers willen, der unter ihnen sei, über sie gekommen, kam zwar in diesem Falle mit der Wahrheit überein, aber wo diese Meinung sich für alle Fälle geltend machen will, da ist sie törichter Aberglaube. Alles Leiden ist Strafe, das ist gewiss, aber aus der Größe des Leidens darf man nicht auf die Größe der Schuld einen Rückschluss machen und noch dazu die Schuld bei einem Andern suchen. Wie spricht der Herr Evangelium St. Lukä 13,4.5? „Meint ihr, dass die Achtzehn, auf welche der Turm in Siloah fiel und erschlug sie, seien schuldig gewesen vor allen Menschen, die zu Jerusalem wohnen? Ich sage: Nein; sondern, so ihr euch nicht bessert, werdet ihr auch alle also umkommen!“ Doch, wie gesagt, diesmal hatten's die Leute auf dem Schiff getroffen, beides mit ihrer Meinung und mit ihrem Lose: Es war ein sonderlicher Sünder unter ihnen, und dieser Sünder war der, den das Los traf, Jonas, der Sohn Amithai, der Prophet von Gath-Hepher.

O, wie dem Propheten mag das Herz gepocht haben, als das Los geworfen ward! Wird der Herr ein Gottesurteil sprechen? Wird Er seinen Knecht, der, wie sehr er Ihn auch erzürnt hat, immer doch sein Knecht ist, in die Hände der Unbeschnittenen geben? Ja, Er tut's. „Mit Feuer wird gesalzen, was milde Zucht verschmäht; und was den Tau verachtet, mit Flammen übersät.“ Ihn trifft das Los; aber ihn trifft noch mehr. Das Los ist für ihn, was einst für Petrum der Blick des Herrn und der Hahnenschrei war. Jonas Herz erwacht aus seinem Schlafe, und „Zurück zu Gott, wenn auch durch Schmach und Meer und Tod!“ das ist jetzt seine Losung.

Vers 8. 9. „Da sprachen sie zu ihm: Sage uns, warum geht es uns so übel? Was ist dein Gewerbe? Und wo kommst du her? Aus welchem Lande bist du? Und von welchem Volke bist du? Er sprach zu ihnen: Ich bin ein Hebräer, und fürchte den Herrn Gott vom Himmel, welcher gemacht hat das Meer und das Trockne!“ Ein wunderbares, ernstes und erschütterndes Gespräch. Die Stürme heulen, die Wogen zischen und brausen, das entmastete Schiff tanzt haltlos wie eine kleine Nussschale auf dem empörten Element. Die Leute, die auf dem Schiffe mit einander reden, können jeden Augenblick Kinder des Todes sein. Da haben sie nun den Schuldigen entdeckt; wir erwarten, sie werden alsobald im Zorne über ihn herfahren und ihn ins Meer werfen. Jonas hat's gewiss auch erwartet. Aber statt dessen sprechen sie mit ihm milde, freundlich, brüderlich: Wo kommst du her? Was hast du getan? Was hat diese Heiden so mild gemacht? Jonas weiß es: Der Gott, sein Gott, der die Herzen der Menschen lenkt wie Wasserbäche! Im treffenden Lose zeigte der Herr dem entflohenen Propheten seine Gerechtigkeit, in den freundlichen Worten der Liebe seine Barmherzigkeit. Gottes Gerechtigkeit hat ihn gebeugt, seine Barmherzigkeit beugt ihn noch tiefer. Der sich geweigert hatte, zu den Heiden zu gehen und ihnen Buße zu predigen, tut nun selbst vor Heiden Buße. Er hatte den Schiffern, als er sein Fährgeld bezahlte, gesagt, er flöhe vor seinem Gott vom Lande weg aufs Meer. Er hatte damit seinen Gott verkleinert, denn die Heiden mussten denken, er bete einen Gott an, der da sei wie ihre nichtigen Götter, von denen sie träumten, jeder Götze habe eine bestimmte Gegend oder ein bestimmtes Element unter sich, worüber hinaus ihre Macht nicht reiche; sie hatten darum auch nichts sonderbares darin gefunden, dass er vor seinem Gotte floh, sie würden es ihren Götzen gegenüber ebenso gemacht haben, wenn sie die Rache des einen oder des andern gefürchtet hätten. Nun bekennt Jonas, sein Gott sei ein gar andrer Gott, dessen Gewalt über Land und Meer reiche. „Ich bin ein Hebräer und fürchte den Herrn Gott vom Himmel, welcher gemacht hat das Meer (wohlgemerkt, das nennt er zuerst) und das Trockne.“ Das soll nicht, wenigstens nicht allein ein Glaubensbekenntnis sein, wie man es wohl gefasst hat, sondern vor allen Dingen eine Beichte, ein Bußbekenntnis. Seine Torheit und Sünde will Jonas damit kund tun. Denn töricht, über die Maßen töricht musste ja der ganzen Schiffsmannschaft ein Mann erscheinen, der selber gestand, einen Gott zu haben, dessen gewaltiger Arm auch über das Meer reiche und der doch hatte meinen können, auf dem Meere seinen Gott entflohen zu sein. Und nicht bloß töricht musste Jonas ihnen erscheinen, sondern sehr sündig und frevelhaft, als der seinen Gott, seinen allmächtigen Gott, betrübt und nun die unschuldige Schiffsgesellschaft mit ins Verderben gezogen. Als ein armer Missetäter stand Jonas vor ihnen. Schmach, vor der er sich also geängstigt, dass er lieber Gott erzürnen, als dieselbe über sich ergehen lassen wollte, hatte er nun reichlich. Aber er scheute sie nicht mehr; seine Seele war davon gründlich geheilt, mochte nun auch sein Leib darüber verderben. Sein Leben hielt er reuig als vor Gott verwirkt; so achtete er keiner Schmach und keines Unheils mehr, wenn er nur noch mit seinem Tode Gott preisen konnte.

Vers 10.11.12. Da fürchteten sich die Leute sehr und sprachen zu ihm: Warum hast du denn solches getan! Denn sie wussten, dass er vor dem Herrn floh; denn er hatte es ihnen gesagt. Da sprachen sie zu ihm: Was sollen wir denn mit dir tun, dass uns das Meer stille werde? Denn das Meer fuhr ungestüm. Er sprach zu ihnen: Nehmt mich und werft mich ins Meer; so wird euch das Meer stille werden. Denn ich weiß, dass solch groß Ungewitter über euch kommt um meinetwillen. So erbietet sich denn Jonas freiwillig nun zum Opfer, zum schmachvollen Tode in den Wellen. Der Prophet hat sich selber nun wieder. Nachdem er Gottes Größe, die er zu Anfang so schnöde verkleinert hatte, mutig bekannt; nachdem er seine Torheit, die er zu Anfang sich und Andern verheimlicht hatte, offen gestanden: will er nun auch das Dritte, das Schwerste tun, die Leute, die er ins Unglück gezogen, durch seinen Tod retten. Es bedurfte keiner besonderen Offenbarung dazu, dass er voraus wissen konnte: Das Meer wird stille werden, wenn ich hineingeworfen bin. Denn indem der Herr durch das Los ihn hatte treffen lassen, konnte Jonas gewiss sein, dass der Herr auch nur seine Entfernung vom Schiffe abwartete, um den Schiffern wieder günstiges Wetter zu geben. Darum spricht er: Werft mich ins Meer!

Damit aber gewann der Prophet die Herzen der Heiden ganz für sich und noch mehr für seinen Gott. Als er ihnen sein Beichtbekenntnis abgelegt, hatten sie erkannt, dass Jonä Gott, der Gott vom Himmel, mächtiger sei, als der Heiden Götter, sintemal er Land und Meer beherrsche. Das immer gewaltigere Brausen und Stürmen im Meer war Gottes eignes Amen zu dem Worte des Propheten gewesen. „Da fürchteten sich die Leute sehr.“ Und zu dieser keimenden Gottesfurcht gesellt sich die Verwunderung, wie man nur einen solchen allmächtigen Gott betrüben könne. „Warum hast du denn solches getan?“ Damit sie nun nicht etwa in dieselbe Sünde fallen und den großen Gott mit voreiligem Handeln auch betrüben, so fragen sie den Propheten selber um Rat, wie sie sich jetzt benehmen sollen. „Was sollen wir denn mit dir tun, dass uns das Meer stille werde?“ Der Prophet sagt: Werft mich ins Meer! Da stutzen sie erst recht; sollen sie einen Propheten des allmächtigen Gottes töten? Dieser Prophet ist zwar ein Frevler gegen seinen Gott; er bekennt es ja selber; aber er ist doch ein Prophet des großen Gottes. Was sollen sie tun?

Vers 13. Und die Leute trieben, dass sie wieder zu Lande kämen, aber sie konnten nicht; denn das Meer fuhr ungestüm wider sie. Ehe sie dies Ungeheure tun und den Knecht des Gottes ins Meer werfen, dessen Erkenntnis, wie schwach auch immer, in aller dieser Not ihnen aufgegangen, versuchen sie noch einmal mit dem letzten Aufbieten aller Kräfte, das Land zu gewinnen. Mit welchen Gefühlen mag Jonas diesen ihren Anstrengungen zugeschaut haben? „Ich fürchtete mich, so mag er gedacht haben, vor der Heidenmission und muss nun sehn, wie leicht, wie dankbar sie ist; nur ein Wörtlein haben diese Heiden von dem wahren Gotte gehört, noch dazu aus dem Munde eines so jämmerlichen Knechtes, wie ich, und schon dies Wörtlein hat bei ihnen also gezündet, dass Furcht Gottes in ihre Herzen gedrungen und mit der Furcht die Scheu, seinem Propheten ein Leides zu tun.“ Aber lange hat er sich solchen Betrachtungen nicht hingeben können. Immer lauter brausten die Wellen; immer heftiger widerstand ihnen der Wind. Es war nun zum Händegreifen klar; Jonas hatte Recht; er musste über Bord geworfen werden. Länger mitleidig gegen den Einen sein, hieß grausam gegen Alle sein. Wollten nicht Alle verderben, musste der Eine sterben. Es galt auch hier das Wort des Caiphas, das er nicht weissagte von ihm selber, sondern weil er Hoherpriester war: „Es ist besser, Ein Mensch sterbe für das Volk, denn dass das ganze Volk verderbe!“ Der schreckliche Moment, wo sie den Mann, durch den sie so eben zum Glauben erweckt sind, ins Meer stürzen müssen, ist nicht länger hinauszuschieben.

Vers 14. 15. „Da riefen sie zu dem Herrn und sprachen: Ach, Herr, lass uns nicht verderben um dieses Mannes Seele willen, und rechne uns nicht zu unschuldig Blut; denn Du, Herr, tust, wie Dir gefällt. Und sie nahmen Jona und warfen ihn in das Meer, da stand das Meer stille von seinem Wüten.“ „Siehe, er betet!“ so sprach Gott zu Anania, um ihn zu überzeugen, dass aus dem Christushasser Saulus ein gläubiger Christ Paulus geworden. „Siehe, sie beten!“ das ist auch uns ein Zeugnis, dass diese blinden Heiden gläubig geworden sind an Gott. Sie beteten ja freilich auch vorher, aber da schrien sie ein jeglicher zu seinem Gott, da gebärdeten sie sich als verfinsterte Götzendiener. Nun aber beten sie zum Herrn, das ist zu dem Gotte Jona, der Himmel und Erde gemacht hat, zu dem lebendigen Gott. Sie beten zu ihm, ehe sie Hand an seinen Propheten legen, dem sie ihre Erkenntnis verdanken und der doch sterben will und muss. Sie beten zu ihm, er möge ihnen sein Blut nicht zurechnen; sie nennen sein Blut „unschuldiges Blut“, weil er ihnen nichts getan; denn dass er sie in dies Unglück gebracht, haben sie vergessen und vergeben über dem großen Glück, dass er ihnen den lebendigen Gott gepredigt. Sie erinnern Gott in ihrem Gebete, dass es ja sein Wohlgefallen sei, sein unerforschliches und unabwendbares Wohlgefallen, dass Jonas stürbe, und deuten damit an, dass sie handelten nach dem Grundsatz: Was Gott gebeut, das muss geschehen, das andre wird der Herr versehen. Welch' ein Gebet und welch' ein Glaube! Wird solch' Glaube auch in Israel gefunden? Was ist aus diesen Leuten geworden in der kurzen Zeit von der Abfahrt aus Japho bis hierher? Gläubige, Bekehrte sind's geworden, die Erstlinge der Heidenwelt, die nach Gott fragen! Ihre kostbaren Waren, die sie von Japho mitgenommen haben, haben sie verloren; aber die köstliche Perle des Heils im lebendigen Gotte haben sie gewonnen. Ihr Schiff ist fast zum Wrack geworden, aber ihre Seele ist ein Schifflein Gottes geworden. Dazu kommt nun auch die leibliche Rettung. Sie werfen Jonas ins Meer. Da wird es stille. Die getürmten Wogen ebnen sich. Ihr Schiff gleitet sicher nach Japho zurück. So hat also Gott ihr Gebet erhört; ja, es ist sein Wohlgefallen gewesen, dass der Eine für Alle ins Meer sank. Nun ist Er versöhnt. Vers 16. „Und die Leute fürchteten den Herrn sehr und taten dem Herrn Opfer und Gelübde.**“ Es ist wichtig, dass ehe von den ferneren Schicksalen des Jonas die Rede ist, noch mit diesem einen Verse das fernere Benehmen der Schiffsleute geschildert wird. Stände dieser Vers nicht in der Bibel, so ließe sich gegen diejenigen Ausleger nicht viel sagen, die der Meinung sind, die Bekehrung der Heiden auf Jonä Schiff sei eine bloße Scheinbekehrung gewesen; denn es ist ja leider eine alltägliche Erfahrung, dass die Meisten, die in der Not das Beten zum lebendigen Gott gelernt haben, nach der Errettung das Preisen vergessen, wo denn das Wort Hoseas gilt 7,16: „Sie bekehren sich aber nicht recht, sondern sind wie ein falscher Bogen.“ Von den Schiffsleuten in unserer Geschichte ließ sich nun zwar nach all' dem Vorhergehenden schon etwa annehmen, dass ihre Bekehrung eine nachhaltige sein würde; Beten und Beten ist ein Unterschied. Wer so betet und betend sich also in Gottes Wohlgefallen ergibt, wie diese Schiffer Vers 14, dem kann man doch von vornherein eine ehrliche Bekehrung zutrauen. Dennoch würden wir im Ungewissen sein ohne Vers 16. Wer aber trotz dieses Verses noch behaupten kann: „Eine wirkliche Bekehrung zu Gott war dies keineswegs!“ bedenkt nicht, was er redet und müsste folgerecht auch an der Aufrichtigkeit der Buße Jonä zweifeln trotz seiner Dahingabe in den Opfertod. „Und die Leute fürchteten den Herrn sehr“ - ist dies nicht Zeugnis genug für wahre Bekehrung? Sie fürchten Gott nicht nur in der Not, sondern sie fürchten ihn nun auch, da der gnädige Gott alle Not gehoben und das Schiff wieder auf sanften Wellen dahingleitet, ja nun fürchten sie ihn sogar sehr (wörtlich: mit großer Furcht). Das tut kein Heuchler! Und ihre nachhaltige Gottesfurcht bewährt und beweist sich auch in Früchten der Gottseligkeit. Sogleich und noch auf dem Schiffe brachten sie dem Herrn Dankopfer dar, aber damit noch nicht zufrieden, gelobten sie auch, ihm nach der Landung weiter zu dienen. Da dürfen und müssen wir glauben, dass, der in ihnen angefangen hat das gute Werk, es zu seines Namens Ehre auch vollendet haben und ihnen die Wege gezeigt haben wird bis in die Vorhöfe Jerusalems.

So schließt das erste Kapitel ab als eine doppelte Bekehrungsgeschichte. Wir scheiden von dem Propheten Jonas zwar mit dem traurigen Bewusstsein, dass um seiner Sünde willen sein Leib den Wellen übergeben ist, aber doch mit der fröhlichen Gewissheit, dass seine Seele sich bekehrt hat von der Flucht zur Hinwendung und Hingebung in des Herrn Gericht und Erbarmen. Wir nehmen Abschied von den andern Leuten auf Jonä Schiff als von Brüdern im Herrn, die durch des Propheten Wort und Todesgang erbeutet sind für den lebendigen Gott, und die wir, so wir uns nur aus Gottes Macht durch den Glauben bewahren lassen zur Seligkeit, einst von Angesicht zu Angesicht sehen werden dort, wo die Gerechten mit Abraham, Isaak und Jacob zu Tische sitzen. O möchte, was von Jonas im ersten Kapitel erzählt ist, auch alle diejenigen unter uns, die noch ihre eignen Wege gehen, erbeuten für den großen Gott. Als einmal im dritten Jahrhundert nach Christo ein heidnischer Redner, namens Cyprian, diese Geschichte von dem von Wellen bedeckten Propheten las, erschütterte sie seine Seele und ward ihm ein Anstoß zur Bekehrung, also dass er den Herrn suchte und sogar ein großer Kirchenvater und geistreicher Lehrer der Christenheit wurde. Möge dies erste Kapitel vom fliehenden und schlafenden, vom erweckten, vom ins Meer versenkten Propheten bei uns Ähnliches wirken. Das walte Gott! Amen.

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autoren/q/quandt/jona/jona-_2._stunde.txt · Zuletzt geändert: von aj
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