Preiswerk, Samuel - Davids messianische Bedeutung.

Preiswerk, Samuel - Davids messianische Bedeutung.

Ein weltlicher Herrscher, dem es gelingt, ein mächtiges blühendes Reich zu gestalten und dabei sich einen berühmten Namen zu machen, der hat nach seinem eigenen und aller Welt Urtheil etwas Großes geleistet und seine Lebensaufgabe glänzend erfüllt. Bei dem König David macht all dieses nur erst den Unterbau, die Vorbedingung aus, ist aber nicht das letzte und höchste Ziel. Die heilige Schrift legt auch offenbar nicht hierauf das eigentliche Gewicht, sondern es sind in ihrer Auffassung und Darstellung alle die irdisch großen Kräfte und Thaten, die sie von David zu berichten hat, nur die Mittel zu dem viel höhern Zwecke, daß mit diesen Hebeln Israel um einen wichtigen Schritt vorwärts gerückt werde in der erlösenden Offenbarung und Entwicklung des Reiches Gottes. Wenn das aber geschehen sollte, so mußte auch David selber mit seiner Gesinnung und seinem bestimmten Willen in diese höhern, göttlichen Wege eingehen; er mußte mit prophetischem Geiste die Gedanken Gottes erfassen und in sich aufnehmen, mit prophetischem Blicke auf dieses Ziel hin seine Kräfte in den Dienst der göttlichen Pläne stellen. Es genügte nicht, daß er ein noch so großer, auch nicht, daß er ein noch so frommer Mann gewesen wäre: er mußte ein Mann Gottes sein. Das ist aber niemand von selber; es bedarf hiezu einer Begabung von oben und eines allmäligen Werdens; es ist von vorne herein auch einleuchtend, daß eine große Selbstverleugnung dabei unerläßlich ist. Dies letztere ist die Klippe, an welcher Saul scheiterte, die Grundbedingung von Seite des Menschen für ein gedeihliches Wirken im Reiche Gottes.

Mit der Salbung durch Samuel hatte David die göttliche Begabung empfangen. Was dieselbe auf den Empfänger für eine Wirkung mit sich geführt habe, das wird schon bei der Salbung Sauls so ausgesprochen: „und der Geist des Herrn wird über dich gerathen, - da wirst du ein anderer Mann werden;“ und hernach: „da gab ihm Gott ein anderes Herz. “ Also eine durch Gottes Geist vermittelte höhere Einsicht und Weisheit, welche der natürliche Verstand von sich aus nicht erreicht hätte, edlere und höhere Antriebe, zu welchen die natürlichen Anlagen und Triebe sich nicht erhoben hätten: diese Mitgift empfieng der Gesalbte als nothwendige Ausrüstung zu seinem Berufe. Wir haben gesehen, wie sich David von Anfang an mit Gehorsam diesem höhern Lichte und dieser bessern Kraft unterstellte, und so für seine Aufgabe innerlich heranreifte, bis ihm dieselbe in seinem dreißigsten Lebensjahre mit der Königswahl zu Hebron förmlich übergeben ward.

Aber eben bei diesem Schritte, der Uebernahme des Königthums über Israel, mußten sich für David sehr ernste Ueberlegungen, ja gewichtige Bedenken erheben. Zwar nicht der Blick auf den rohen und innerlich (politisch und social) zerrütteten Zustand seines Volkes konnte ihn abschrecken; ebensowenig dessen ohnmächtige Stellung gegenüber den mächtigen feindseligen Nachbarvölkern; in diesen Schwierigkeiten mußte ja vielmehr ein herausfordernder Reiz liegen für eine in der ersten Mannesblüte stehende Heldennatur voller Thatenfrische und Geisteskraft; es konnte für ihn nicht lange die Frage sein: kann ich König sein? Aber das mußte ihn bewegen und darüber mußte er vor Gott im klaren sein: darf ich? - Er, wenn einer, mußte wissen aus der Geschichte seines Volkes und aus dem Munde seines greisen Freundes Samuel, daß Gott selber König sein sollte in Israel; er mußte wissen, wie sehr seiner Zeit das Verlangen des Volkes nach einem Könige, wie die andern Heiden auch hätten, den Propheten bekümmerte, und wie demselben damals der Herr antwortete: sie haben nicht dich, sondern mich verworfen. War es nun nicht eine gotteswidrige Anmaßung, wenn irgend ein Mensch sich in Israel auf den Thron setzte? Wenigstens war der traurige Vorgang Sauls nicht geeignet, diese Bedenken zu zerstreuen. Auf der andern Seite zeigte die Geschichte von Josuas Tode bis auf Samuel, daß die Volksmasse Israels die Glaubens- und sittliche Kraft nicht besaß, um eine solche Gottesherrschaft ohne sichtbaren Thron zu ertragen; jeder einzelne Richter war immer wieder nur ein einzelner Nothhelfer gewesen, und an keinen derselben knüpfte sich eine dauerhafte Gestaltung des Gottesstaates, wie ihn die mosaische Gesetzgebung mit unübertrefflichen Grundlinien gezeichnet hatte; denn diese wurde eben nie gehalten, und sobald Schrecken und Noth durch einen Richter wieder gedämpft und einem neuen Aufschwung gewichen war, so verfiel das Volk wieder in den Götzendienst und dessen religiöse und bürgerliche Demoralisation, und untergrub sich ebenso frevelhaft als leichtsinnig die Wurzeln seines Bestandes. Und es war keineswegs zu hoffen, daß es künftig besser gehen würde, vielmehr lag es am Tage, daß auf diesem Wege Israel zuletzt völlig zu Grunde gehen mußte. Das konnte niemand klarer einsehen als David, der sein Volk von den höchsten bis in die niedersten Schichten kannte. Nur durch Begründung einer festen und bleibenden Königsmacht konnte noch dem langsamen Zerbröckeln und Untersinken ein Halt geboten, den sich auflösenden Glaubens- und Staatselementen ein Kern geschaffen werden, um welchen sie frisch sich sammeln und so wieder erstarken möchten.

War nun aber dieses Heilmittel nicht schlimmer als das Uebel selber? Ja, so wie das Volk es begehrt hatte. Ja, wenn Israel ein Königreich wurde gleich allen andern Königreichen der Heiden, so wurde es eben ihres gleichen, und stand dann da als ein Zwerg unter Riesen, die es bald genug erdrückt hätten; wenn es einen König einsetzte, um fortan nicht mehr Gott zu gehorchen, so gab es sein Vorrecht und zugleich überhaupt das Recht seiner Existenz auf, denn es war ja nur dadurch das Erstlings-Volk und es hatte ja nur darin den gottgeordneten Zweck seines Daseins, daß es dasjenige Volk war, in welchem Gottes Offenbarung auf dem Leuchter stände und Gottes Gebot, Recht und Sitte als allein gültig und allein heilsam anerkannt würde, zu einem Zeugniß allen Völkern.

Einen solchen König aber, wie alle andern Völker, sollte Israel auch nicht haben. Ein Königthum freilich war ihm notwendig geworden, denn es hatte sich unfähig bewiesen für die edlere Lebensform, zu der es in der Richterzeit sich hätte heranbilden sollen, aber ein solches, durch welches das Volk erst recht wieder zum Bewußtsein zurückgeführt würde: Gott ist und bleibt dein einiger wahrer König. Das konnte geschehen, wenn der irdische König in Israel nicht nur sich dem himmlischen König unterordnete, sondern auch dessen Sinn und Willen so vollkommen zu seinem eigenen machte, daß seine Verwaltung des Königsamtes nichts anderes war als der menschliche und sichtbare Ausdruck der Herrschaft Gottes. Das war dann freilich ein Königthum, welches im innersten Wesen verschieden war von allen Heidenreicben, welches einzig in seiner Art dastand: ein göttliches Königreich auf Erden. Nicht durch die Gewalt des Stärkeren, nicht mit dem blutigen Rechte des Schwertes, sondern durch Gottes Einsetzung und Stiftung sollte dieses Reich bestehen; das war denn der einzige Thron auf Erden, der auf Gerechtigkeit gegründet war. Nicht für seine Ehre und Lust, nicht nach seiner Willkür, sondern nach Gottes Recht und Gebot und zu Gottes Ehre sollte dieser König regieren: nicht herrschen also, sondern dienen, dienen Gott und dem Heile seines Volkes.

Das mußte eine völlige Neugestaltung des israelitischen Volks- und Staatslebens herbeiführen; und es thut sich uns da ein überraschender Ausblick auf in weite Ferne, denn es sind uns ja hiemit unverkennbar die Grundzüge gegeben für das Reich Gottes auf Erden, wie es erst in Jesu vollendet und vollkommen zur Erscheinung gelangt. Wie alles göttliche Wirken auf Erden, so beginnt auch die Entfaltung dieses neuen Ansatzes in der erlösenden Offenbarung Gottes mit kleinem und mangelhaftem Anfange. David und sein Reich bildet nur erst das noch sehr menschlich schwache Vorbild eines solchen himmlischen Königthums auf Erden, aber eben doch das ganz bestimmte Vorbild, in welchem die wesentlichen Grundlinien bereits zu Tage treten, soweit die damalige Zeit sie vorerst fassen konnte. Wir sehen somit in David den Angel, in welchem eine neue Wendung der Wege Gottes sich bewegte, den Träger eines neuen Aufschlusses über Gottes Plan und Rath zum Heile seines Volkes.

David war aber nicht bloß durch seine Stellung und Geschichte eine thatsächlich prophetische Gestalt, sondern es kam ihm seine Bedeutung auch zum eigenen prophetischen Bewußtsein. Natürlich geschah auch das nur nach und nach und nur innerhalb des Gesichtskreises, den er zu durchblicken vermochte. Den vollen Umfang und die ganze Tragweite seines Königthums, wie wir es vorhin angedeutet, vermochte er begreiflicherweise nicht von Anfang an zu ermessen; aber soviel mußte ihm klar sein, daß er das Scepter über Israel nur führen könne als der Bevollmächtigte Gottes und in der beständig gepflegten gehorsamen Gemeinschaft mit dem Herrn, der doch allein der eigentliche König sein und bleiben müsse. Ganz dieser Gesinnung gemäß, übernahm er, wie bekannt, die Königswürde erst, als ihn ein förmliches Geheiß des Herrn gen Hebron wies; und erst als er an der stäten Kräftigung seines Reiches merkte, daß ihn der Herr zum König über Israel bestätigt hätte, und sein Königreich erhöhet um seines Volkes Israel willen (2. Sam. 5), erst da sah er sich berechtigt und verpflichtet, auch sein Privathauswesen auf einem Fuße einzurichten, der seiner Stellung entsprechend sei. Hiebei dürfen wir uns nicht daran stoßen, daß er nach der Sitte und den Begriffen seiner Zeit eine Erhöhung der Zahl seiner Frauen als mit hiezu gehörig betrachtete. Es lag für den Israeliten darin noch nicht der Widerspruch mit dem Zweck und Wesen der Ehe, wie wir ihn jetzt fühlen, weil auch für dieses Gebiet erst durch Jesu Lehre und Licht die sittliche Vollkommenheit erkannt werden kann. Für den König vollends gehörte eine vermehrte Zahl von Frauen und die Ehre großer Nachkommenschaft mit zu der Würde seines Hofstaates. - Und kaum war Haus und Staat einigermaßen geordnet und die Sicherheit nach außen hergestellt, so war es nun Davids wichtigstes Anliegen, die Ehre Gottes über der seinigen aufzurichten, indem er zur Wiederherstellung des verfallenen Gottesdienstes die Bundeslade aus ihrer Vergessenheit hervorholte, in feierlichem Festaufzuge nach Jerusalem führte, und bei diesem Anlasse, alles königlichen Schmuckes entblößt, im einfachen leinenen Brustkleide der Priester vor der Lade her „tanzte“, d. h. nach dem Takte gieng und hüpfte mit lebhaftem begleitendem Gebärdenspiel. Er legte damit vor allem Volke ein tatsächliches Zeugniß ab, wie er, der irdische König, vor dem himmlischen eigentlichen König Israels keine andere Stellung kennen und einnehmen wolle, als die der dienenden Demuth, wie er es denn auch gegen die höhnende Micha! aussprach: „vor dem Herrn, der mich erwählet hat vor deinem Vater und vor alle seinem Hause, daß er mir befohlen hat, ein Fürst zu sein über das Volk des Herrn, über Israel, ja, vor dem Herrn will ich spielen, und will noch geringer werden denn also, und will niedrig sein in meinen Augen, und mit den Mägden, davon du geredet hast, zu Ehren werden. “

Ebenso wollte er auch nicht, während er selber in einem Palaste von Cedernholz wohnte, die Lade Gottes ferner in einem bloßen Teppichzelte stehen lassen, sondern ihr eine entsprechende Behausung herrichten durch den Bau eines herrlichen Tempels, in welchem künftig das Sinnbild der Gegenwart Gottes unter Israel seine Stätte haben sollte. Getreu jedoch seinem Grundsatze, daß er nicht nach seinem eigenen, sondern nach Gottes Willen zu fragen und zu handeln habe, besprach er sein Vorhaben zuerst mit dem Propheten Nathan. - Wir können nicht umhin, hier im Vorbeigehen darauf zu achten, wie David mit einem ebenso schönen als seltenen Beispiele unter den Großen der Erde dadurch hervorleuchtet, daß er einen solchen Mann neben sich hatte, der ihm als wahrhaft treuer Rathgeber dienen, ihm auch - wenn es nöthig war - furchtbare Wahrheiten sagen konnte. David vermochte dieß offenbar nur dadurch, daß er in diesem Manne seines Vertrauens eben nicht bloß den treuen Unterthan und Freund, sondern den Vermittler des Wortes des Herrn erkannte; und für einen auf so gefährlichen Boden gestellten Mann war anderseits die Bewahrung seiner Selbstständigkeit gegenüber dem mächtigen Geiste Davids und die Vermeidung von Menschenfurcht oder gar Schmeichelei nur in dem Bewußtsein möglich, daß er im Auftrage einer höheren Majestät dastehe und zu reden habe.

Der Prophet, nach seinem eigenen persönlichen Urtheile, stimmte dem Könige bei. Aber in der Nacht erhielt er den göttlichen Auftrag, ihm einen andern Bescheid zu bringen. Derselbe enthielt fürs erste eine Ablehnung des Vorhabens Davids, und zwar aus doppeltem Grunde, nämlich sowohl wegen der Sache selbst, als wegen der Person Davids. „Solltest du mir ein Haus bauen?“ ließ ihm der Herr sagen (2. Sam. 7); „habe ich doch in keinem Hause gewohnt seit dem Tage, da ich die Kinder Israel aus Aegypten führte, bis auf diesen Tag; sondern ich habe gewandelt in der Hütte der Wohnung. Wo immer ich unter allen Kindern Israel wandelte, habe ich auch je geredet mit irgend einem der Stämme Israel, dem ich befohlen habe, mein Volk zu weiden, und gesagt: warum bauet ihr mir nicht ein Cedernhaus?“ Es war jetzt noch nicht die Zeit, daß ein Tempel gebaut würde; die ernste Lection, welche Israel noch zur Zeit des Priesters Eli erhalten hatte, als die Philister die Bundeslade erbeuteten, die Lehre nämlich, daß der lebendige Gott nicht an die irdischen Sinnbilder seiner Verehrung gebunden sei, - sie wäre ganz verloren gegangen. Es galt jetzt vielmehr, daß David, und durch ihn dann auch sein Volk, allmälig den mosaischen Gottesdienst mit seinen Geräthen und seinen Handlungen in seiner sinnbildlichen Bedeutung ansehen lernte, daß er die ersten geistigen Schritte thäte auf dem (von Samuel angebahnten) Wege prophetischer Erkenntniß, dessen Ziel im Neuen Testamente erreicht ist: das Gesetz hat den irdischen Schalten der himmlischen Güter. Und wie große Fortschritte auf dieser Bahn dann auch wirklich geschahen, das vernehmen wir in dem Gebete Salomos bei der Einweihung des von ihm erbauten Tempels (1. Kön. 8): „Denn sollte in der That Gott auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel mögen dich nicht fassen; wie sollte es denn das Haus thun, das ich gebaut habe? Wende dich aber zum Gebete deines Knechtes. . . , daß deine Augen offen stehen über dies Haus Nacht und Tag, über die Stätte, davon du gesagt hast: mein Name soll da sein, daß du hörest das Gebet, das dein Knecht an dieser Stätte thun wird. . . Wenn dein Volk beten und flehen wird in diesem Hause. . . , so wollest du hören im Himmel und ihm gnädig sein. “ - So wie aber Davids Zeit noch nicht die rechte Zeit, so war auch er selber noch nicht der rechte Mann für den Tempelbau, „denn (so ließ ihm der Herr sagen, 1. Chron. 23,9. ) du bist ein Kriegsmann und hast viel Blut vergossen. “ Aber Gottes Wohnung bei seinem Volke konnte nur durch einen Friedensfürsten gebaut werden.

Doch sollte in dieser abschlägigen Antwort nicht von ferne eine Verwerfung Davids liegen; im Gegentheile fügte ihr der Mund des Herrn sofort eine schöne doppelte Verheißung bei. Er selber wurde in seinem Königreich bestätigt und ihm zugesagt, daß seinem Hause der Thron Israels bleiben werde ewiglich. „So spricht der Herr Zebaoth: ich habe dich genommen von den Schafhürden, daß du sein solltest ein Fürst über mein Haus Israel, und bin mit dir gewesen, wo du hingegangen bist. . . Und der Herr verkündiget dir, daß der Herr dir ein Haus machen will. “ Was aber den Tempel betrifft, den werde sein Sohn, ein König des Friedens, erbauen. „Wenn nun deine Zeit hin ist, daß du mit deinen Vätern schlafen liegest, so will ich deinen Samen nach dir erwecken, der von deinem Leibe kommen soll; dem will ich sein Reich bestätigen. Siehe, der Sohn, der dir geboren werden soll, der wird ein ruhiger Mann sein, denn ich will ihn ruhen lassen von allen seinen Feinden umher; er soll Salomo heißen, denn ich will Friede und Ruhe geben über Israel in seinen Tagen. Der soll meinem Namen ein Haus bauen. Er soll mein Sohn sein und ich will sein Vater sein. Und ich will seinen königlichen Stuhl über Israel bestätigen ewiglich. “

So schmerzlich es nun für David sein mußte, dem Lieblingsplane seines Lebens zu entsagen, so bestand er diese Probe der Selbstverleugnung und beugte sich gehorsam unter den Willen Gottes. Und eben daraus erwuchs ihm ein neues inneres Licht voll trostreichen Ersatzes. War ihm denn nicht gesagt, er habe seine Aufgabe richtig erfaßt und bisher nach Kräften treu erfüllt, aber es sei das ein Werk so weit über alle seine Gedanken hinaus herrlich und göttlich groß, daß er in seinen Tagen es erst anbahnen, mit all seiner Kraft erst die maßgebenden Grundlinien dazu ziehen könne? War ihm nicht damit an die Stelle seiner menschlich engen Hoffnung eine himmlisch weite Aussicht eröffnet für das Heil Israels und das Wohnen des Herrn unter seinem Volke? Und das alles knüpfte sich an ihn und sein Königshaus! Er sollte das Vorbild, sein Nachkomme der Vollender sein. Statt verstimmt, verdrossen, muthlos zu werden, dankte er dem Herrn für den hohen Beruf, dessen er gewürdigt worden, und für die segensvolle Verheißung, die seinem Throne und Hause zugesichert war. Je größer aber in seinen Augen das Werk wurde, das Gott nicht bloß in halber Arbeit thun, sondern zur Vollkommenheit ausführen wollte, desto größer mußte ihm auch sein Nachkomme werden, welcher das auf seine Schultern würde nehmen können. Er dachte hiebet zunächst natürlich an einen leiblichen Sohn, und zwar an Salomo, als derselbe geboren war, und es konnte ihm noch nicht offenbar sein, wie auch dieser wieder nur ein Vorbild, und zugleich das ergänzende Seitenstück zum Vater, sein werde; aber ganz nach der Eigenthümlichkeit des prophetischen Schauens, reichte von diesem gegebenen nächsten Punkte aus sein Blick in eine weite selige Ferne, wo (wie beim irdischen Horizonte) endlich Himmel und Erde sich berührten und in eins zusammenflossen. So verstehen wir sein vom Geiste Gottes getragenes Gebet, das er auf jene Antwort Nathans hin im Heiligthume vor dem Herrn that: „Wer bin ich, Herr Herr, und was ist mein Haus, daß du mich bis hieher gebracht hast? Dazu hast du das zu wenig geachtet, Herr Herr, sondern hast dem Hause deines Knechtes noch von fernem Zukünftigem geredet. Das ist eine Weise eines Menschen, der Gott der Herr ist. “ Diese letzteren Worte sind im hebräischen Grundtexte dunkel und verschiedener Auslegung unterworfen, wie das häufig vorkommt, wo ein Prophet mit der Sprache ringt, um einer ihm gewordenen höhern Mittheilung Ausdruck zu verleihen; doch wird die Uebersetzung, wie sie Luther gegeben, wohl am zutreffendsten den Sinn Davids wiedergeben. Wir, die wir von Jesu wissen, haben es klar vor Augen, wie derselbe Davids Sohn und Gottes Sohn zugleich war, und wie er eben dadurch die nöthigen Bedingungen in sich vereinigte, um den Widerspruch zwischen irdischem und himmlischem Königthum auszugleichen und das davidische Reich Israel zum Himmelreich Gottes zu verklären. Nun eben das, was wir sehen, hat David von ferne geahnt, und hat mit jenen gedrungenen räthselhaften Worten diesem ahnenden Fernblicke einen Ausdruck zu geben gesucht. - Hierin liegt denn auch der Schlüssel zu dem Verständniß so vieler seiner Psalmen, in welchen er offenbar von sich redet, und doch ebenso offenbar manches sagt, das in seinem vollen Sinne auf den damaligen geschichtlichen David nicht paßt und auch richtig von alten Zeiten her als Weissagung auf den Messias ist aufgefaßt worden; David hat von sich geredet mit der prophetischen Einsicht oder wenigstens Ahnung, daß was von ihm gelte als dem Gesalbten Gottes, in erhöhtem, ja erst recht in vollem Maße gelten müsse und werde von seinem großen Nachkommen, dem rechten Messias.

David faßte also einen neuen freudigen Muth zu seiner zukunftreichen Aufgabe, und was er sein sollte im Dienste seines großen Gottes und Königs, das war er aus ganzem Holze und mit voller Kraft; und hier gewann nun jenes Wort, da ihn Gott als einen Kriegsmann bezeichnet hatte, eine höchst nachdrückliche Bedeutung. Eben in jene Zeit fielen die gewaltigen Angriffe seitens der heidnischen Nachbarvölker. Nun hatten die Kriege im Alterthum überhaupt nicht bloß ihren politischen, sondern zugleich auch ihren religiösen Charakter, so daß Patriotismus und Religion in Eine Spitze zusammenliefen; und das war bei den Kriegen gegen Israel, zumal in jener Zeit, in besonderm Maße der Fall. Gleichwie später Sanherib vor Jerusalem prahlte: „haben auch der Heiden Götter ein jeglicher sein Land errettet von der Hand des Königs zu Assyrien? wo sind die Götter zu Hamath und Arpad? wo sind die Götter zu Sepharvaim? haben sie auch Samaria errettet von meiner Hand? welcher unter allen Göttern dieser Länder hat sein Land errettet von meiner Hand, daß der Herr sollte Jerusalem erretten von meiner Hand?“ - so hatten einst die Philister die Erbeutung der Bundeslade angesehen als einen Sieg ihres Dagon über den Herrn Israels, und mit ihr gleichsam den Judengott als einen überwundenen Gefangenen triumphierend ihrem Götzen zu Füßen gestellt. So waren auch die nunmehrigen Angriffe der Moabiter, Syrer u. s. w. nicht nur gegen die wachsende politische Macht, sondern eben damit zugleich auch gegen den Volksgott Israels gerichtet. Diese Anschauung theilte natürlich auch David, nur mit dem großen Unterschiede, daß er nicht, wie die übrigen Völker, seinen Gott mit den andern Völkergöttern als ihresgleichen auf Eine Linie stellte, wobei es sich dann zeigen würde, welcher der stärkere sei, sondern daß er seinen Gott als den einzigen wirklichen und wahren Gott erkannte, neben welchem kein anderer sich diesen höchsten Namen anmaßen dürfe, vor welchem also auch keiner der Götzen bestehen könne. Das Heiden- und Götzenthum war ihm der scharfgeprägte Ausdruck der Feindschaft der Welt und der bösen Mächte gegen den heiligen Gott. Nun, so mußte auch der Gesalbte dieses Gottes in siegreichem Kriege diese Feindesmächte überwinden, und es damit vor Israel und den Heiden kund thun, daß der Herr allein König sei auf Erden, und daß alle seine Feinde - einst auf ewig - zum Schemel seiner Füße müssen gelegt werden. In diesem Sinn und Glauben (wie er ihn z. B. im 86 Psalm ausspricht) ist denn auch David gegen seine Feinde zu Felde gezogen, und hat die Ueberwindung derselben in heiligem Triumphliede als theokratische Siege1) (somit auch als messianische) gefeiert (Ps. 60): „Gott hat geredet bei seiner Heiligkeit; deß bin ich froh, und will theilen Sichem, und abmessen das Thal Suchoth. . . Moab ist mein Waschtopf, meinen Schuh strecke ich über Edom, Philistäa jauchze mir zu! Wer will mich führen in eine feste Stadt? wer geleitet mich bis in Edom? Thust du es nicht, Gott, der du uns verstoßen, und nicht auszogst, Gott, mit unserm Heer? Schaffe uns Beistand in der Noth, denn Menschenhilfe ist kein nütze. Mit Gott wollen wir Thaten thun; er wird unsre Feinde untertreten. “ - Hier sehen wir bei David die Erfahrungen sich sammeln, die höhern, vom Geiste Gottes in ihm beleuchteten Einsichten und Anschauungen sich immer deutlicher gestalten, welche in dem (wahrscheinlich erst später verfaßten) zweiten Psalme2) ihren Ausdruck gefunden haben: „Warum toben die Völker, und die Nationen sinnen Eitles? die Könige der Erde lehnen sich auf, und die Fürsten rathschlagen miteinander wider den Herrn und wider seinen Gesalbten: lasset uns zerreißen ihre Bande und von uns werfen ihre Seile. Aber der im Himmel wohnet, lachet ihrer, und der Herr spottet ihrer; da wird er mit ihnen reden in seinem Zorn, und mit seinem Grimm wird er sie schrecken: Ich habe meinen König gesalbt auf meinem heiligen Berg Zion. “ - Daher erachtete sich David auch berufen, an den besiegten Feinden des Herrn einige laut redende Strafexempel der richtenden Gerechtigkeit desselben zu statuieren; und das that er natürlich in der Weise des harten Kriegsbrauches seiner Zeit. So ließ er die Reihen der besiegten Moabiter mit der Schnur abmessen, daß zwei Drittheile hingerichtet wurden - eine noch viel furchtbarere Züchtigung, als das Decimieren bei den Römern, - und es scheint nach der Erzählung eher noch eine Milde Davids darin gelegen zu haben, daß er doch „ein volles Drittheil“ zum Leben begnadigte. Noch härter, ja eigentlich grausam, war die Behandlung der Ammoniter, die unter eisernen Dreschwagen, mit Beilen und Sägen, in Ziegelöfen getödtet wurden; diese hatten aber auch mit vielfacher Grausamkeit die Israeliten namentlich in dem benachbarten Gilead bekriegt3) und mit boshaft höhnendem Muthwillen den Krieg mit David herausgefordert. Da wäre verzeihende Milde von den Feinden als Schwäche, von Israel als eine Verleugnung der göttlichen Gerechtigkeit angesehen worden; da war furchtbare Vergeltung die Sprache, in welcher zu reden war, damit alle Völker es inne würden, daß der Herr der König und Helfer seines Volkes, der vergeltende Richter und Rächer des Unrechts sei.

Ganz in demselben Sinne, nicht als selbstherrlicher, sondern als theokratischer (die Gottesherrschaft über sein Volk verwaltender) König führte David auch sein Regiment im Innern seines Landes als das Werkzeug und der Vollstrecker der Ordnungen Gottes. Die biblische Erzählung hebt uns ein auffallendes Beispiel hievon hervor. Eine dreijährige Theurung wurde von David als göttliches Strafgericht erkannt, und er fragte durch den Hohenpriester (durch das „Licht und Recht“) den Herrn nach dessen Ursache. Die göttliche Antwort wies auf eine noch ungesühnte Blutschuld Sauls hin, welcher seiner Zeit einen Theil der Gibeoniten umgebracht hatte, während diese doch von Josuas Zeiten her (Jos. 9) die eidliche Zusicherung hatte», daß sie das Schicksal der übrigen Canaanäer nicht theilen sollten. David zeigte sich alsbald bereit, das geschehene Unrecht zu sühnen; die Gibeoniter wollten aber keinen Loskauf mit Geld annehmen, sondern forderten sieben Männer aus Sauls Familie zur Ausübung der Blutrache. David willfahrte ihnen, und sorgte hernach für ein anständiges Begräbniß der Hingerichteten, und „also ward Gott nach diesem dem Lande wieder versöhnet. “ (2. Sam. 21. ) Die Blutrache verdankte ihren Ursprung der göttlichen Ordnung, welche in dem natürlichen Rechtssinne des Menschen ihren Wiederhall findet, daß ein Mörder gerechte Vergeltung leiden müsse. So lange nun keine geordnete Obrigkeit das rächende Schwert handhaben konnte, fiel dies als eine Art heiliger Pflicht dem nächsten Verwandten zu. Auf einer religiösen Stufe, wo es noch galt, das Rechtsgefühl erst gehörig zu wecken und zur Geltung zu bringen, da konnte es noch nicht heißen: liebet eure Feinde, sondern vorerst mußte gelten: Auge um Auge, Blut um Blut. So hat auch noch das mosaische Gesetz die Blutrache nicht aufgehoben, sondern geordnet und eingeschränkt, und dadurch eine eigentliche Rechtspflege angebahnt. Indem nun David die Sühne für jene blutige Verletzung eidlich gesicherter Rechte selber zur Hand nahm, bethätigte er sich vor seinem Volk als der Vertreter und Vollstrecker der göttlichen Gerechtigkeit, und hob dadurch zugleich die gewaltthätige Privatrache auf. - Daß hiebei die Enkel für den Ahn büßen mußten, das beruht auf einer dem ganzen Alterthum und insbesondere dem alten Testament eigenen Anschauung von einem Gesetze der Solidarität der Familie, des Stammes, selbst des Volkes. Unsere Zeit des fast extremen Subjectivismus ist freilich wenig geeignet, sich in dieselbe hineinzuversetzen, obschon wir sie z. B. an dem Gedeihen oder Verkommen mancher Familien in der täglichen Erfahrung selber anerkennen und anwenden. - Wir finden auch nach dieser Seite hin in den Psalmen Davids die unmittelbare treue Abspiegelung des Sinnes, mit welchem er sich zu Gott stellte, wenn er in seinem Regentenspiegel sagt (Ps. 101): „ich will frommes Herzens einhergehen in meinem Hause. . . Meine Augen sehen nach den Treuen im Lande, daß sie bei mir wohnen; der fromme Wege geht, soll mein Diener sein. Falsche Leute bleiben nicht in meinem Hause, Lügner bestehen vor meinen Augen nicht. Alle Morgen will ich vertilgen alle Gottlosen im Lande, daß ich alle Uebelthäter ausrotte aus der Stadt des HErrn. “ Und auf dem Grunde solcher Erkenntniß und Erfüllung seiner Pflichten betet er: „denn du, Gott, hörest meine Gelübde, du giebst mir das Erbe derer, die deinen Namen fürchten; du giebst dem Könige langes Leben. . . daß er immer sitzen bleibe vor Gott; Gnade und Wahrheit laß ihn behüten, so will ich deinem Namen lobsingen ewiglich, daß ich meine Gelübde bezahle Tag für Tag“ (Ps. 61). Wir überblicken hiemit eine erste Periode seiner königlichen und damit zugleich auch seiner prophetischen Stellung in Israel; man könnte sie mit einem zusammenfassenden Worte als die Periode des messianischen Gehorsams bezeichnen, im Unterschiede von der nachfolgenden, welcher der Charakter des messianischen Leidens aufgeprägt ist.

Während das Volk Israel und die Heiden in David den Gesalbten des Herrn ehrten, der im Gehorsam Gottes stark sei und Thaten thue, hatte innerlich ein arger Ungehorsam sein Verhältnis zu dem Herrn getrübt. Ehebruch und Blutschuld lastete auf dem Könige. Es würde uns zwar übel anstehen, wollten wir in einem tugendhaft entrüsteten Verdammungsurtheile die Schadenfreude auslassen, daß wir auch an diesem Manne einen faulen Fleck gefunden. Denn die heilige Schrift enthält ja die Urkunden der erlösenden Offenbarungen Gottes an die Sünder; es ist also nicht anders zu erwarten, als daß die Menschen, die sie uns zeichnet, in Schwachheit und Sünde die Gnade eines barmherzigen Gottes bedürfen; es müssen sogar, je näher ein Mann unter das Licht der göttlichen Offenbarung gerückt wird, seine Fehler um so dunkler und schärfer abstechen. Und dann wäre noch weiter zu fragen, wie viele Menschen, wie viele Könige - sogar unter den Christen - nach einer Versündigung, und zumal nach einem Ausgleiten auf diesem Boden, so tiefe, aufrichtige, durchgreifende Buße thun. Aber hiemit können wir uns allerdings doch nicht begnügen, denn es handelt sich bei David nicht bloß um den persönlichen Charakter, sondern um die theokratische Bedeutung des Mannes. Durch seinen Sündenfall war sein ganzes Verhältnis zu dem Herrn in Frage gestellt, und er wäre nicht der erste Gesalbte gewesen, der im Geiste angefangen und im Fleische geendet hätte. Während die weltliche Geschichtschreibung dem ganzen Vorfall höchstens ein flüchtiges Achselzucken zu schenken hätte, bildet derselbe für einen theokratischen König eine so folgenschwere Anklage, daß der Herr den Propheten Nathan mit einem ausdrücklichen Auftrage deshalb an David sandte. Wie nun dieser ihn aufnehmen werde, darauf kam viel an; Davids eigene Zukunft sammt all den Verheißungen, die ihm gegeben waren, und hiemit zugleich ein großer Theil der Entwicklung des Volkes, das stand alles auf der messerscharfen Kante der Entscheidung in Davids Antwort. Saul hatte es seiner Zeit (1. Sam. 13 u. 15) nicht über sich gebracht, wirklich reumüthig zu sprechen: „ich habe gesündigt“; wird es jetzt sein Nachfolger können? - Bei der Erzählung Nathans von dem Reichen, der des armen Nachbars einziges Schäflein geschlachtet, war der König aufgefahren: so wahr der Herr lebt, der Mann ist ein Kind des Todes! Nathan sprach: du bist der Mann, und hielt ihm im Namen des Herrn seine Uebelthaten vor, und verkündigte ihm die Strafen Gottes dafür. Da sprach David zu Nathan: „ich habe gesündigt wider den Herrn. “ So konnte ihm denn auch der Prophet die Vergebung seiner Sünde zusichern, soweit wenigstens, daß er nicht sterben müsse.

Daß es mit David - und dazu so rasch - eine so glückliche Wendung zur Buße genommen, dazu war durch den frommen Sinn und die vielgeübte Gewissenhaftigkeit desselben schon stark vorgearbeitet. Das Wort Nathans führte nur den letzten durchschlagenden Streich auf sein Herz; aber erschüttert war dieses bereits in sehr nachdrücklicher Weise. Die leidenschaftliche Begier und dann die Angst vor der Entdeckung konnte ihn zeitweilig blenden und hinreißen; aber es wachte denn doch der bessere Sinn auf, und ob den Anklagen und Entschuldigungen seiner Gedanken, ob dem innern Kampfe, da er sich schuldig fühlte und es doch nicht sein wollte, war ihm schon lange nicht mehr wohl gewesen. „Denn da ichs wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein täglich Heulen, denn deine Hand war Tag und Nacht schwer auf mir, daß mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird. Da sprach ich: ich will dem Herrn meine Uebertretungen bekennen, da vergabst du mir die Missethat meiner Sünde. “ Nathans Sendung löste ihm die Zunge für das Bekenntniß, das schon auf derselben schwebte, das seit bald einem Jahre mit wachsender Schärfe ihn im Gewissen brannte, und das er doch nie rund herauszusagen gewagt und vermocht hatte. Jetzt war dem verhaltenen Strome, dessen Wasser ihm bis an die Seele giengen, ein Ausweg gewonnen und der Bann gebrochen, und in der Vergebung konnte er seines Gottes wieder froh werden: „wohl dem, dem die Uebertretungen vergeben sind, dem die Sünde bedecket ist; wohl dem Menschen, dem der Herr die Missethat nicht zurechnet, in deß Geist kein Falsch ist. “ - Aber nur leicht obenhin gieng es auch jetzt nicht. Denn erst jetzt wagte David eigentlich, seiner That voll ins Gesicht zu schauen; erst da er sich mit dem Schilde der zugesicherten Vergebung geschützt wußte, konnte - und mußte er aber auch - seine Sünde bis auf den Grund in das richtende Licht vor Gott stellen. Da giengen ihm die Augen erst ganz auf, und wurde ihm seine Schuld erst recht bewußt und schwer; da gab es nun erst manche finstre Nacht innerlich durchzukämpfen, bis er auch für die so erkannte Sünde in ihrer vollen Wucht und ihrem ganzen Umfange die Vergebungsbotschaft sich aneignen konnte durch den Glauben, bis sein tief verwundetes Gewissen wieder gründlich ausgeheilt war. „Ich bin so müde von Seufzen, ich schwemme mein Bette die ganze Nacht, und netze mit meinen Thränen mein Lager. “ (Ps. 6. ) „Meine Missethaten gehen über mein Haupt; wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden. “ (Ps. 38. ) „Es hat mich umgeben Leiden ohne Zahl; es haben mich meine Sünden ergriffen, daß ich nicht sehen kann; ihrer ist mehr, denn Haare auf meinem Haupt, und mein Herz hat mich verlassen. “ (Ps. 40. ) - Die heftigen Gemüthsbewegungen dieser Zeit übten eine erschütternde Rückwirkung auch auf seine leibliche Gesundheit: „deine Pfeile stecken in mir, und deine Hand drücket mich; es ist nichts Gesundes an meinem Leibe vor deinem Dräuen, es ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde; meine Wunden stinken und eitern vor meiner Thorheit. . . Meine Lieben und Freunde stehen gegenüber meiner Plage, und meine Nächsten treten ferne“ (Ps. 38); es beschäftigten ihn sogar ernste Todesgedanken: „Herr, lehre mich doch, daß es ein Ende mit mir haben muß, und mein Leben ein Ziel hat. Siehe, du machest einer Hand breit meine Tage, und meine Lebenszeit ist wie nichts vor dir. Wenn du einen züchtigest um der Sünde willen, so wird seine Schöne verzehret wie von Motten. Laß ab von mir, daß ich mich erquicke, ehe denn ich hinfahre und nicht mehr sei. “ (Ps. 30. ) „Hilf mir um deiner Güte willen, denn im Tode ist dein Gedächtniß nicht; wer will dir in der Unterwelt danken?“ (Ps. 6. ) - Aber eben aus der Tiefe einer so ernsten und durchdringenden Buße konnte er dann auch mit ganzer Glaubenskraft die zugesprochene Vergebung sich aneignen, und frohlocken: „ich harrete des Herrn, und er neigte sich zu mir und hörte mein Schreien, und zog mich aus der grausamen Grube, aus dem tiefen Schlamm, und stellte meine Füße auf einen Felsen, und machte meine Tritte gewiß, und hat mir ein neues Lied in meinen Mund gegeben, zu loben unsern Gott. “ (Ps. 40. )

Natürlich war aber Davids Verhältniß zu Gott nach einem solchen Vorgange nicht wieder das nämliche wie vorher. Hatte sein Fall ihn nicht von dem Herrn zu entfremden vermocht, so mußte derselbe nothwendig dazu dienen, ihn desto inniger in die getrübte Gemeinschaft zurück und desto höher in der Erkenntniß des Geistes empor zu führen. Vor allem war ihm über die Sünde ein neues Licht aufgegangen, daß sie nämlich in der äußeren Uebertretung eines Gebotes nur eben sichtbar zu Tage trete, ihr Wesen aber und ihr Fluch viel tiefer innerlich in der Feindschaft wider Gott liege. Eben dadurch, daß er von jeher mit Gott in einem stäten und tatsächlichen innern Lebensverbande stand, wurde ihm das Entsetzliche der Sünde nur um so deutlicher, als ihm dieselbe das Herz von Gott abgewendet und für den Zufluß des ihm so unentbehrlichen geistigen Lebensöles unempfänglich gemacht hatte. Wer sündigt, der hat es sofort mit dem lebendigen Gott selber unmittelbar und persönlich zu thun: „An dir allein habe ich gesündiget und übel vor dir gethan!“ (Ps. 51. ) Und daran reiht sich wie von selber die weitere Einsicht, daß die Sünde der menschlichen Natur inwohne als ein unvermeidliches Erbtheil, das eine sehr tief innerliche Heilung erfordere: „Siehe, in Schuld bin ich geboren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen. “ So zuversichtlich er mit aller (alttestamentlichen) Wahrheit sonst sagen konnte: „du prüfest mein Herz und besuchest es des Nachts, und läuterst mich, und findest nichts“ (Ps. 17), so getrost er auch, namentlich im Gegensatz zu den falschen Anklagen und der Ungerechtigkeit seiner Feinde sprach: „der Herr thut wohl an mir nach meiner Gerechtigkeit, er vergilt mir nach der Reinheit meiner Hände“ (Ps. 18), „ich wasche meine Hände in Unschuld, und halte mich, Herr, zu deinem Altar“ (Ps. 26) - so ist ihm jetzt doch klar geworden, daß, neutestamentlich zu reden, die Gerechtigkeit des Gesetzes noch nicht die ist, welche vor Gott gilt; er hat beten gelernt: „wer kann merken, wie oft er fehlet? vergieb mir auch die verborgenen Fehler“ (Ps. 19); „gehe nicht ins Gericht mit deinem Knechte, denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht“. Es war ihm das Auge aufgegangen über die „Wahrheit im Verborgenen“, und diese „heimliche Weisheit“, die ihn Gott wissen ließ, bezog sich zugleich auch auf die neue Erfahrung und Einsicht, daß nun auch zur Sühne der Sünde das äußerliche Opfer nur der Abschatten sei der tief innerlichen Versöhnung unmittelbar mit Gott selber, einer Vergebung aus Gnaden. „Denn du hast nicht Lust zum Opfer, ich wollte dirs sonst wohl geben, und Brandopfer gefallen dir nicht; die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten. “ David hat hiemit eine innere priesterliche Weihe erhalten; er hat in seiner Buße sich selbst Gott zum Opfer dargegeben, und so des Priesters sinnbildliches Vorrecht, die Versöhnung der Sünde durchs Opfer, geistig vollziehen dürfen: „Schlachtopfer und Speisopfer gefallen dir nicht, aber die Ohren hast du mir aufgethan; du willst weder Brandopfer noch Sündopfer. Da sprach ich: siehe, ich komme, im Buch ist von mir geschrieben. Deinen Willen, mein Gott, thue ich gerne, und dein Gesetz habe ich in meinem Herzen“ (Ps. 40). So war er auf dem Wege tief-innern Leidens zum Siege über die Sünde, zu ihrer wahren Vergebung und Ueberwindung gelangt, und hatte eine unmittelbare priesterliche Gemeinschaft mit Gott gefunden, in welcher er recht das Bild des wahren, königlich-priesterlichen Gesalbten des Herrn darstellte - und doch nur das Ab- und Vorbild desselben, denn er hatte ja um seiner eigenen Sünde willen so gelitten, während doch an der Hand des rechten Gesalbten kein Blut kleben sollte, nicht einmal des Krieges, viel weniger des Mordes.

Diese vorbildliche Bedeutung Davids, als des durch Leiden siegenden Gesalbten, zeichnet sich aber noch bestimmter in einer unmittelbar folgenden Reihe von Erfahrungen, welche nun aber nicht bloß auf rein innern Vorgängen, sondern auf furchtbaren äußeren Ereignissen beruhten. David war kein Privatmann, und darum war mit der erlangten persönlichen Begnadigung noch lange nicht aller Schade wieder gut gemacht, den sein Sündenfall angerichtet. Er hatte Aergerniß gegeben. „Der Herr hat deine Sünde weggenommen, du wirst nicht sterben - hatte Nathan gesagt - aber weil du die Feinde des Herrn durch diese Geschichte hast lästern gemacht, wird der Sohn, der dir (von Bathseba) geboren ist, des Todes sterben. “ Und so blieb es in dieser Hinsicht bei der angekündigten Strafe: „Siehe, ich will Unglück über dich erwecken aus deinem eigenen Hause. “ Es erfolgte die bekannte Empörung unter Absalom. Wie schon früher bemerkt, waren Davids Unterthanen wohl äußerlich geeinigt, aber darum doch gar nicht Ein Herz; neben der fortglimmenden politischen Stammes-Eifersucht klaffte auch unter der Oberfläche ein tiefer religiöser Zwiespalt, und das gerade in Davids Umgebung am meisten. Man beugte sich und schmeichelte dem mächtigen König, aber vielen war seine fromme Richtung ein ärgerlicher Dorn im Auge. Es scheint auch, daß die Uebelthat Davids, deren Mitwisser Joab war, kein völliges Geheimniß blieb, sondern unter der Hand in diesen Kreisen mit schadenfroher Bosheit besprochen wurde. Auf diese feindselige Partei und ihr Treiben deuten ja auch Nathans Worte hin: du hast die Feinde des Herrn lästern gemacht. Es erklärt sich somit um so eher, daß Absalom gegen seinen an Geist und Kraft so überlegenen Vater mit solchem Erfolge eine Partei sammeln, und daß zu ihm Männer übertreten konnten wie ein Ahitophel, mit dem David in so vertrautem Verkehr stand und den er so hoch in Ehren hatte, daß „ wenn Ahitophel einen Rath gab, das war, als wenn man Gott um etwas gefragt hätte“ (2. Sam. 16. 23).

Daß nun der König diesem Aufruhr gegenüber auch nicht den Versuch machte, sich mit Gewalt zu widersetzen und Jerusalem zu behaupten, geschah nicht aus Bestürzung und Muthlosigkeit-, sondern aus Unterwerfung unter Gottes gerechtes Gericht. Den selben Weg zur Versöhnung Gottes durch bußfertiges Erdulden seiner Züchtigungen, welchen David innerlich für seine Person durchgemacht, den mußte er nun auch äußerlich um des Volkes willen gehen. Es stand nicht ihm zu, die Schuld des Abfalls an den Feinden geltend zu machen, sondern es galt für ihn vielmehr, all das geschehene Uebel als um seiner Sünde willen geschehend, als seine Schuld auf sich zu nehmen. So floh er aus Jerusalem, damit ihn und nicht die Stadt das Unheil treffe; so gieng er barfuß über den Kidron den Oelberg hinan; so ließ er Simeis Lästerung über sich ergehen, „denn der Herr hat es ihn geheißen“; so zerriß ihm Absaloms furchtbares Ende das Herz, und er wünschte, daß er doch hätte mögen für jenen sterben können; so nahm er die Schuld des gegen ihn empörten Volkes als die seinige auf sein Haupt, damit an ihm alles Volk sehe, wie die Sünde unter Gottes Gerechtigkeit gestraft - aber eben damit auch durch sein ergebenes Dulden gesühnt werde. - Und dennoch war er, wie er es selber wohl wußte, in anderer Hinsicht ein ganz unschuldig Leidender. Denn das war nicht die Ursache, um deren willen seine Feinde ihn haßten und verfolgten, daß er einen sittlichen Fall gethan hatte; im Gegentheil, das hätten sie ihm lange zu gute gehalten, wenn sie bei ihm in den Strahlen weltlicher Macht und irdischen Genusses sich hätten sonnen können; aber eben sein Ernst, seine Frömmigkeit, sein ausgesprochenes und mit der That ausgeführtes Bestreben, ein König im Geiste und nach dem Herzen Gottes zu sein: das war der wirkliche Beweggrund ihres Widerwillens gegen ihn. Von dieser Seite betrachtet litt er schreiendes Unrecht, duldete er unschuldig recht eigentlich darum, weil er der Gesalbte des Herrn war und sein wollte, so daß er vor Gott zwar bekannte: „Gott, du weißt um meine Thorheit, und meine Schulden sind dir nicht verborgen“ (Ps. 69), aber zugleich mit voller Wahrheit und Kraft betete: „die mich ohne Ursach hassen, deren ist mehr, denn ich Haare auf dem Haupte habe; die mir unbillig feind sind und mich verderben, sind mächtig; ich muß erstatten, das ich nicht geraubt habe. Um deinetwillen, trage ich Schmach, ist mein Angesicht voller Schande; denn der Eifer um dein Haus hat mich verzehret, und die Schmähungen derer, die dich schmähen, fallen auf mich. Sie geben mir Galle zu essen und Essig zu trinken in meinem Durst. Sie verfolgen, den du geschlagen hast. “ Schnödester Undank und Verrath und freche Bosheit reichten sich die Hand gegen ihn: „Sie rathschlagen nur, wie sie ihn von seiner Höhe stoßen, fleißigen sich der Lügen, segnen mit dem Munde, und im Herzen fluchen sie“ (Ps. 62). „Meine Feinde reden Arges wider mich: wann wird er sterben und sein Name vergehen? Sie kommen, daß sie schauen (d. h. machen dem Kranken ihre Besuche), und meinens doch nicht von Herzen, sondern suchen etwas, daß sie lästern mögen, gehen hin und tragens aus. Alle, die mich hassen, raunen miteinander wider mich, und denken Böses über mich: es sei ein Bubenstück über ihn beschlossen, und wenn er liegt, soll er nicht wieder aufstehen! Auch mein Freund, dem ich vertrauete, der mein Brot aß, tritt mich mit Füßen“ (Ps. 41). „Wenn mich doch mein Freund schändete, wollte ichs leiden, und wenn mich mein Hasser pochte, wollte ich mich vor ihm verbergen. Du aber bist mein Geselle, mein Freund und mein Vertrauter, die wir freundlich Rath miteinander pflogen und wandelten ins Haus Gottes unter der Schaar!“ (Ps. 55. )

Aber eben weil er als der Knecht Gottes solches zu leiden hatte, so betete er auch getrost: „Herr, mache den Rath Ahitophels zur Narrheit;“ „zernichte, Herr, mache ihre Zunge uneins, denn ich sehe Frevel und Hader in der Stadt“ (Ps. 55); obwohl er klagen mußte: „mein Leben hat abgenommen vor Betrübniß und meine Jahre vor Seufzen; meine Kraft ist verfallen vor meiner Missethat, und meine Gebeine sind verschmachtet“ - so sprach er doch zu seinem Gott: „in deine Hände befehle ich meinen Geist“ (Ps. 31). Ja, im Bewußtsein, daß er mit seinem Gott innerlich verbunden sei, daß sein Leiden dem Volke zum Segen gereichen müsse, sang er jenen Psalm voll tiefer Klage und freudiger Zuversicht mit dem ergreifenden Schlusse priesterlichen Segens: „Ach Herr, wie ist meiner Feinde so viel, und erheben sich so viele wider mich. Viele sagen von meiner Seele: sie hat keine Hilfe bei Gott. Aber du, Herr, bist der Schild für mich, und der mich zu Ehren setzet und mein Haupt aufrichtet. Ich rufe an den Herrn mit meiner Stimme, so erhört er mich von seinem heiligen Berge; ich liege und schlafe und erwache, denn der Herr hält mich. Ich fürchte mich nicht vor viel Tausenden Volks, die sich umher wider mich lagern. Auf, Herr, und hilf mir, mein Gott! denn du schlägst alle meine Feinde auf den Backen, und zerschmetterst der Gottlosen Zähne. Bei dem Herrn findet man Hilfe. Deinen Segen über dein Volk“! (Ps. 3. ) Eben darum schaut und spricht er auch im Geiste das furchtbare Gericht, das „ihn“ treffen muß, nämlich Ahitophel, den Judas Ischarioth jener Tage: „der Satan (der Verkläger) müsse stehen zu seiner Rechten; wenn er gerichtet wird, müsse er verdammt ausgehen, und sein Gebet müsse zur Sünde werden. Seiner Tage müssen wenig werden, und sein Amt müsse ein anderer empfangen. Darum, daß er nicht gedachte, Barmherzigkeit zu thun, sondern verfolgte den Elenden und Armen und den Betrübten, daß er ihn tödtete. Er wollte den Fluch haben, der kommt ihm auch; er wollte des Segens nicht, der bleibt auch ferne von ihm; und er zieht an den Fluch wie sein Hemd, und geht in sein Inwendiges wie Wasser und wie Oel in seine Gebeine“ (Ps. 109). - Die ganze Lage Davids in dieser Zeit, eben von der Seite seines unschuldigen Leidens, hat vielfache Aehnlichkeit mit jener frühern Periode seines Lebens, welche das Vorspiel zu dieser gebildet hatte, der Verfolgung unter Saul, so daß es bei manchen seiner Klag- und Trostpsalmen kaum mehr möglich ist, zu entscheiden, ob sie der saulischen oder der absalomischen Fluchtzeit angehören; das bildet aber auch für ihre messianische Bedeutung keinen wesentlichen Unterschied; diese heiligen Lieder schildern in jedem Falle die Trübsal, welche David von den Feinden Gottes darum erdulden mußte, weil er dessen Gesalbter war, und reden somit prophetisch von den Leiden, welche erst recht über den künftigen rechten Messias werden ergehen müssen. In der absalomischen Zeit waren die Verhältnisse nur gereift und ausgebildet, welche unter Saul sich erst aus ihren Keimen entfalteten.

Hier sehen wir denn nun David in einer merkwürdigen Stellung: innerlich weiß er sich mit Gott versöhnt und geeinigt, und dennoch - ja gerade in Kraft dieser innern Weihe unterzieht er sich als ein schuldiges Haupt dem Gerichte Gottes; vor Gott seine Schuld anerkennend und in tiefem, schwerem Leiden sühnend, leidet er doch eigentlich nicht um seiner Person, sondern um seines Volkes willen, und seinen Feinden gegenüber als ein völlig Unschuldiger; und nachdem die Feinde allen Haß und Grimm an ihm ausgetobt haben, ist seine Schuld gesühnt und damit die Macht der Feindschaft erschöpft und entwaffnet, so daß sie sein Leben lang ihr Haupt nie mehr erheben durfte; er hat sie - ein unerhörter Sieg! - durch Dulden überwunden, und sein Gebet ist in Erfüllung gegangen: „Es müssen sich schämen und zu Schanden werden alle, die sich meines Unglücks freuen; es müssen mit Schande und Schaam gekleidet werden, die sich wider mich brüsten“ (Ps. 35,26). Es ist hier weder möglich noch nöthig, alle die Züge einzeln hervorzuheben, in welchen David als der typische Vorläufer des Messias erscheint, dessen Thun und Leiden eine thatsächliche Weissagung bildet auf den leidenden Erlöser; ebenso liegt es auf der Hand, wie die Psalmworte des leidenden David, deren wir etliche der wichtigsten angeführt, in dem Leiden und zum Theil in dem Munde des Erlösers selbst ihre Erfüllung gefunden haben. Aber darauf müssen wir noch achten, wie auch hier, und hier ganz besonders, David nicht etwa bloß ein unwillkürliches Vorbild, sondern in prophetischem Geiste seiner messianischen Stellung wohl bewußt war. Schon die bisher erwähnten Aussprüche aus dieser Leidenszeit lassen es mehrfach fühlen, daß sie weiter hinausreichen, als nur in die damalige Zeit und Lage der Dinge; wohl am allerdeutlichsten tritt uns diese weissagende Haltung in dem Haupt- und Kernliede unter den Leidenspsalmen entgegen, in jenem, dessen Anfangsworte in der schauerlichsten Leidensstunde der gekreuzigte Messias ausrief: Eli, Eli, lama asabthani! Gleich dieser erste Aufschrei aus großer, finsterer Tiefe trägt das Gepräge, daß David die Tiefe und Nacht seines eigenen Leidens doch erst als den Schatten der wahren Messiasleiden erkannt und darum seiner Klage einen weissagend starken Ausdruck verliehen habe, dessen ganze vollwichtige Bedeutung erst in der Zukunft lag. So spricht er weiter: „Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, ein Hohn der Leute und Verachtung des Volks. Alle, die mich sehen, spotten mein, sperren das Maul auf und schütteln den Kopf: er befehle es dem Herrn, der helfe ihm aus und errette ihn, hat er Lust zu ihm. . . Sei nicht fern von mir, denn Angst ist nahe, denn es ist hier kein Helfer. Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, alle meine Gebeine haben sich zertrennt; mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs. Meine Kraft ist vertrocknet wie eine Scherbe, und meine Zunge klebet an meinem Gaumen, und du legest mich in des Todes Staub. Denn Hunde haben mich umgeben, der Bösen Rotte hat mich umzingelt; sie haben meine Hände und Füße durchgraben. 4) Ich möchte alle meine Gebeine zählen, sie aber schauen und sehen ihre Lust an mir. Sie theilen meine Kleider unter sich, und werfen das Loos um mein Gewand“ (Ps. 22). Aber freudig weissagend schließt er auch: „Es werden gedenken und sich zum Herrn bekehren aller Welt Enden, und vor dir anbeten alle Geschlechter der Heiden. Denn der Herr hat das Reich, und er herrschet unter den Heiden. Er wird einen Samen haben, der ihm dienet; vom Herrn wird man verkündigen zu Kindeskind. Sie werden kommen und seine Gerechtigkeit predigen dem Volk, das geboren wird, denn er hat es gethan. “

Der Mann, der solche Erfahrungen gemacht und sie so in sich verarbeitet hat, ist nun auch gereift und empfänglich für eine weitere innere Offenbarung, in welcher gleichsam die prophetische Summa alles Bisherigen gezogen wird. Er hatte es erkannt: den Messias muß die Feindschaft der gottwidrigen Welt treffen, und er muß sie durch Leiden überwinden; aber er hatte auch erfahren, welch ein schwaches und mangelhaftes Vorbild er sei, um seiner Sünde willen; er hatte ja nicht im vollen Sinne schuldlos leiden und darum auch nicht die wahrhafte priesterliche Versöhnung bringen können. Hierin liegen nun die Anknüpfungspunkte für die prophetischen Blicke und Offenbarungen, aus denen die zwei Psalmen hervorgegangen sind, welche als die hellsten Lichter der davidischen Messiasweissagung zu bezeichnen sind. In dem einen (Ps. 2) bezeugt er von dem künftigen Gesalbten, daß für diesen das Verheißungswort Gottes: „ich will sein Vater und er soll mein Sohn sein,“ noch in einem weit volleren Sinne gelten müsse, als dies bei Salomo der Fall war; er führt ihn redend ein: „Ich will zur Satzung verkündigen, daß der Herr zu mir gesagt hat: du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget. Heische von mir, so will ich dir die Heiden zum Erbe geben und der Welt Enden zum Eigenthum. Du sollst sie mit einem eisernen Scepter zerschlagen, wie Töpfergefäße sollst du sie zerschmeißen. “ Und er schließt mit der warnenden Mahnung: „Küsset den Sohn, daß er nicht zürne und ihr umkommet auf dem Wege; denn sein Zorn wird bald entbrennen. Aber wohl allen, die auf ihn trauen. “ In dem andern (Ps. 110), welchen Jesus selber auf sich angewendet, schaut er den Gesalbten in seiner herrlichen Vereinigung mit Gott als den priesterlichen König, der seines Reiches Genossen zum Ziele der Vollendung führt, daß sie die geheiligte, über alles Böse siegreiche priesterliche Gemeine des Herrn bilden: „der Herr sprach zu meinem Herrn: setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege. . . Am Tage deines Heerzuges wird dein Volk williglich folgen; in heiligem Schmucke, wie der Thau aus dem Schooß der Morgenröthe, kommt dir deine junge Mannschaft. Der Herr hat geschworen, und es wird ihn nicht gereuen: du bist ein Priester ewiglich nach der Weise Melchisedeks. “

Unter den Stürmen und in der Glut des Unglücks haben sich in David die verheißungsvollen Blüten der messianischen Leidens-Weissagung erschlossen. Mit der Sühnung der Schuld brach die Zeit der Erquickung an. Jetzt konnte David, „des Herrn Knecht,“ jenes herrliche Loblied anstimmen (Ps. 18. 2. Sam. 22) das er dem Herrn sang „zu der Zeit, da ihn der Herr errettet hatte von der Hand aller seiner Feinde und von der Hand Sauls, und sprach: Herzlich lieb habe ich dich, o Herr meine Stärke, Herr mein Fels, meine Burg, mein Erretter, mein Gott, mein Hort auf den ich traue, mein Schild und Horn meines Heils, und mein Schutz. . . . der seinem Könige großes Heil verleihet, und wohlthut seinem Gesalbten, David, und seinem Samen ewiglich. “ Die hochgehenden Sturmwellen haben sich gelegt, und es beginnt nun noch ein stillerer Abschnitt des Lebens, den wir als die Zeit des messianischen Glaubens für David bezeichnen können.

Hier ist ein letztes bedeutungsvolles Ereigniß zu erwähnen, die Zählung des Volks und ihre Folgen. Nachdem alle äußern Feinde besiegt und der Aufruhr im Innern bewältigt war, stand David groß und mächtig da; jetzt konnte er anfangen, sich zu überheben und von Gott abweichend auf die eigene Macht zu pochen; ja jetzt konnte er den Weg gewaltiger Eroberungen antreten, Israel auf die glänzende Höhe eines weitgebietenden Weltreiches erheben, und seinen eigenen Namen mit blutiger Schrift zu den Größten unter den Großen der Erde schreiben. Er war an Geist und Erfahrung der Mann dazu; sein Reich, wie es unter ihm aufgeblüht war, bot ihm an Menschen und Hilfsquellen die reichsten Mittel dazu dar. Und wieder hielt er vor den Lockungen der guten Tage nicht Stand wie unter den Schlägen des Unglücks. Die Volkszählung, die er anordnete, war der erste (vielleicht ihm selber noch halb unklare) Schritt in der gefährlichen Richtung. Selbst dem rauhen Joab, welchem David, bezeichnend genug für seine kriegerischen Regungen, die Zählung übertrug, graute vor dem gottversuchenden Unterfangen. Aber kaum war das Volk gezählt, so schlug David sein Gewissen, und er sprach zu dem Herrn: „Ich habe schwer gesündiget, daß ich das gethan habe; und nun, Herr, nimm weg die Missethat deines Knechts, denn ich habe sehr thörlich gethan. “ Von den drei Strafen, welche ihm hierauf der Prophet Gad im Namen des Herrn vorlegte, wählte er die, bei welcher er nicht in der Menschen, sondern unmittelbar in Gottes Hand fiel. Eine Pest raffte 70. 000 Mann in Israel weg: der König wurde an seinem Volke gestraft, denn dieses ist mit demselben nach biblischer Anschauung eben so in einem solidarischen Verbande wie die Familie mit ihrem Haupte; zudem war es eine verdiente Strafe für die absalomische Empörung. Auf Davids Fürbitte wurde der Pest gewehrt, als der das göttliche Gericht vollziehende Engel bei der Tenne Arafna stand und seine Hand über Jerusalem ausstrecken wollte. Dort baute hernach David, auf Gottes Befehl durch Gad, einen Altar; das war aber auf dem Hügel Moria, dem nachmaligen Tempelberge. Es hatte aber auch dieser Fall Davids durch dessen herzliche Buße seine messianische Frucht: David entsagte mit reuiger Selbstverleugnung seinen weltlich hochfahrenden Gedanken für seine Person und sein Reich, damit dieses ein Gottesreich werde unter dem verheißenen priesterlichen Gesalbten aus seinem Stamme; er gab im Glauben den lockenden Erdenglanz hin um das noch unsichtbare künftige Himmelsgut und bereitete sinnbildlich die Stätte, da der Herr unter seinem Volke einst wohnen sollte.

Es liegt in der Natur, daß der alternde Mann den ruhigeren Herbst seiner Tage zu ernsten Betrachtungen anwendete, und prophetische Blicke that rückwärts in den gesammelten Schatz seiner Erfahrungen und vorwärts in die künftigen Wege Gottes. Er hat natürlich je und je in seinem Leben solche Zeiten der stilleren Sammlung gehabt, und eine köstliche Frucht derselben, vielleicht schon aus früherer Zeit, ist der wunderbar friedens- und kraftvolle 23 Psalm. Ein anderer (Ps. 8), welcher den Stempel einer gottgeweihten Nachtwache trägt, mag wohl in diesen altern Jahren Davids entstanden sein; er zeugt von einer reifen, großen und tiefen Anschauungsweise, und der Dichter steigt darin bis auf die weitblickende Höhe des prophetischen Ausspruchs, indem er von der hochbevorzugten Aufgabe und Stellung redet, welche Gott dem „Menschen-Sohne“ zugewiesen. Und wie für die Natur, so hat er auch ein klares Auge und eine geheiligte Betrachtungsweise für die Schicksalsgänge der Menschen. Das Glück der Gottlosen neben dem Leiden der Elenden und Frommen hat ihn viel beschäftigt (Ps. 37); er hat einen Gottlosen gesehen, „der war trotzig und breitete sich aus und grünete wie ein eingewurzelter Baum,“ aber hat auch seinen endlichen Fall gesehen. Er kann jetzt tröstend versichern: „Befiehl dem Herrn deine Wege, und hoffe auf ihn, er wirds wohl machen. Ich bin jung gewesen und bin alt geworden, und habe noch nie gesehen den Gerechten verlassen, oder seinen Samen nach Brot gehen. “ Und so verkündet er die gerechte Lösung der verschlungenen Menschenwege mit einer Kraft und Fülle des Ausdrucks, in welcher die prophetische Aussicht auf ein letztes bleibendes Vergelten durchklingt: „Es ist noch um ein kleines, so ist der Gottlose nimmer, und wenn du nach seiner Stätte sehen wirst, wird er weg sein. Aber die Elenden werden das Land erben, und Lust haben in großem Frieden. . . Der Gottlosen Arm wird zerbrochen; aber der Herr erhält die Gerechten; der Herr kennet die Tage der Frommen, und ihr Erbe wird ewiglich bleiben. “ - Und noch einmal vernehmen wir das Zeugniß seines festen Glaubens auf ferne Zukunft hinaus in seinen „letzten Worten“ (2. Sam. 23): „Es spricht David, der Sohn Isai, es spricht der Mann, der hoch gestellet ist, es spricht der Gesalbte des Gottes Jakobs, lieblich mit Psalmen Israels: der Geist des Herrn hat durch mich geredet, und sein Gespräch ist auf meiner Zunge. Es hat gesagt der Gott Israels, mir hat der Hort Israels verheißen einen gerechten Herrscher unter den Menschen, einen Herrscher in der Furcht Gottes. Und wie das Licht des Morgens wird die Sonne aufgehen, ein Morgen ohne Wolken, da vom Glanz nach dem Regen das Gras aus der Erde wächst. Ist denn mein Haus nicht fest bei Gott? Denn er hat mir einen ewigen Bund gesetzt, wohl geordnet in allem und bewahret. Das all mein Heil und mein Wunsch ist, sollte ers nicht lassen blühen? Aber Belial (die Bösen) sind allesammt wie ausgeworfene Disteln, die man nicht mit Händen fassen kann, sondern wer sie angreifen soll, muß Eisen und Spießstangen in der Hand haben; und werden mit Feuer verbrannt werden zur Ruhezeit. “ - Ein herrlicher Schwanengesang, wenn nur nicht, so möchten wir sagen, er mit einem so harten Mißton schlösse! Hat denn David auch in dem sonst milder werdenden Alter den Grimm über seine Feinde nicht verwinden können? Und noch bedenklicher mag es erscheinen, wenn er noch auf seinem Todbette seinem Sohne die Bestrafung Joabs und Simeis als letzten Willen hinterläßt neben der lieblichen Fürsorge für die Söhne Barsillais. Es sind das die selben Züge, die wir schon in manchen früheren Psalmen angetroffen, da er die Rache Gottes über seine Feinde herabruft. Vorerst ist das ganz unbestreitbar, daß David nicht wie Jesus für seine Feinde betete; er konnte es auch nicht, denn er konnte nicht hohepriesterlich für sie sterben; sein Glaube führte ihn nur so weit, daß er gegen sie beten konnte, aber beten im Glauben, nicht in Rachsucht. Er hatte in seinem Leben an sich und andern in überreichem Maße Gewalt und Unrecht erlebt; er sah dergleichen noch täglich vor seinen Augen als den Lauf der Welt; und zudem wußte er, daß die erlittene Feindschaft nicht ihm nach seiner zufälligen Persönlichkeit, sondern ihm als dem Gesalbten, mithin im Grunde dem Herrn selber gelte; da hätte er ja den Glauben an Gott verleugnen müssen, wenn er es nicht hätte festhalten sollen: es muß endlich den Elenden ihr Recht, den Frevlern ihre Vergeltung werden, und der Heilige in Israel kann nicht ohne Ende sich lästern und sein spotten lassen. Gott ist ja nicht ein „guter“ schwacher Priester Eli; David hatte seine strenge Gerechtigkeit an sich selber zuerst scharf genug erfahren. Und wenn Jesus seine erschütternden Weherufe über Chorazin, Bethsaida, Capernaum, über die Pharisäer erhebt, wenn er von dem nicht sterbenden Wurm und dem nicht löschenden Feuer der Gerichteten redet, wenn er über Judas das furchtbare Wort spricht: besser nicht geboren - ist das Rache? ist es aber milder, als was David über seine gottfeindlichen Verfolger, über einen heuchlerischen Verräther Doeg oder Ahitophel weissagt? Ihm war eben Gott von je her ein wirklicher, lebendiger und naher Gott, mit dem er heiligen Ernst machte. Und das kann uns nicht wundern, daß seine Worte scharf und kantig lauten und mit einer, auf seiner Stufe ja gewiß vorhandenen, Einseitigkeit das rächende Gericht ausprägen. In Bezug aber auf Joab und Simei insbesondere war es für ihn lebenslang ein demüthigender Druck gewesen, daß er, der in Gottes Stelle und Namen sollte König sein, den Frevelmuth und die Mordthaten des einen, die Lästerung des andern wider den Gesalbten Gottes mußte stehen lassen, weil er selber befleckt gewesen; da war es eine That seines Glaubens, daß er selber demüthig das beschämende Aergerniß ungestraft duldete, aber scheidend sich dessen getröstete, es stehe nach ihm ein besserer Gesalbter auf, ein Sohn Davids der mit reinen Händen ein reines Gericht verwalten könne.

Wir sind an das Sterbebette des königlichen Propheten getreten. Wie schaut er wohl auf den nahenden Tod, und schaut er über das Grab hinaus, hinüber? Wir finden schon in dem (vielleicht bereits in früheren Jahren gedichteten) 17. Psalme ein merkwürdig ahnungsreiches und helles Schlußwort: „Ich aber will schauen dein Antlitz in Gerechtigkeit, ich will mich sättigen, wenn ich erwache, an deinem Bilde. „ Und im 16. Psalme, der wohl der Abglanz des innern Lichtes seines Alters ist, spricht er zwar nicht die bestimmte Gewißheit der leiblichen Auferstehung so klar aus, wie es die lutherische Uebersetzung giebt, wohl aber weht durch dieses ganze Lied der große von oben gegebene Friede und Glaube eines Mannes Gottes, für welchen der Tod nicht der Abschluß alles kräftigen Lebens, das Todtenreich nicht die letzte Wohnstätte für die Ewigkeit ist, welcher im Geiste darüber hinausschaut in ein fernes aber helles Leben mit Gott: „Darum freuet sich mein Herz, und meine Ehre ist fröhlich; auch mein Fleisch wird sicher liegen; denn du wirst meine Seele nicht der Unterwelt lassen, du wirst nicht zugeben, daß dein Frommer die Grube sehe. Du thust mir kund den Weg zum Leben; vor dir ist Freude die Fülle und liebliches Wesen zu deiner Rechten ewiglich. “ Die Sonne seines Lebens ist ihm in lichtem Abendrothe untergegangen, in welchem sein Geist den künftigen Morgen eines ewigen Tages ahnen und von ferne grüßen durfte. Es gilt gewiß auch von ihm, was Jesus von Abraham gesagt (Joh. 8,56): er freute sich, daß er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und ward froh.

So war David auch in seinem Sterben was er in seinem ganzen Leben gewesen: der Vorbote und das Bild seines Herrn und Sohnes und Urbildes. In dieser tatsächlichen Weissagung durch Werk und Leiden und ganzes Dasein lag die Aufgabe seiner prophetischen Stellung, ein messianischer König zu sein und ein messianisches Reich zu gründen. Darum hatte er auch keine Zeichen und Wunder zu verrichten, und selbst was er in Worten geweissagt, war nicht, wie sonst bei den Propheten, ein Auftrag den er unmittelbar für das Volk erhalten hätte, sondern es wurden ihm Lichtblicke und Offenbarungen gegeben zunächst für den Zweck seines eigenen prophetischen und messianischen Wachsthums, und diese legte er dann in heiligen Sprüchen und Liedern nieder sich und andern zu bleibendem Lichte und Troste. Und was er so, lebend und leidend, in menschlich schwachem Vorbilde verheißen, das ist auch in göttlicher Kraft und Reinheit erfüllt worden. Es giengen freilich auch da die Wege Gottes himmelhoch über der Menschen Gedanken, und der lebensfrische Stamm Isais mußte erst abwelken und umgehauen werden, ehe aus seiner Wurzel das Reis neu aufschoß, das in Fülle des Geistes der wahre Prophet, Priester und König seines Volkes ward. Dann hat aber auch dieser Gesalbte Gottes, durch Gehorsam und Leiden vollendet, zur Rechten der Majestät in der Höhe sich gesetzt, und wartet bis alle seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt werden. Und ist die Zeit erfüllet, so kommt er in seinem Reiche in den Wolken des Himmels, und sein Volk in heiligem Schmucke jauchzt ihm zu: Hosianna dem Sohne Davids!

Vorträge über die Propheten
Gehalten auf Veranstaltung eines christlichen Vereins
Vor Zuhörern aus allen Ständen
Basel
Bahnmaier’s Verlag
1862

1)
D. h. als Siege der Gottesherrschaft, als Siege des menschlichen Königs, sofern er zugleich ein göttlicher ist.
2)
Dieser Psalm ist zwar nicht ausdrücklich David zugeschrieben, aber nach alter Ueberlieferung nennen schon die Apostel (Apgsch. 4,25) diesen als den Urheber desselben; und die neueren Ausleger kommen darauf zurück.
3)
Vgl. Amos 1, 3. 13 und schon 1. Sam. 11, 2.
4)
Diese im Grundiert dunkle Stelle wird mehrfach gedeutet; es hat aber noch niemand die auf alten Autoritäten ruhende lutherische Uebertragung auf genügende Weise ersetzt.
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