Monod, Adolphe - Abschiedsworte - Alles in Jesu Christo.

Monod, Adolphe - Abschiedsworte - Alles in Jesu Christo.

(Den 9. März 1856.)

1. Kor. 2,1-10.
Und ich, liebe Brüder, da ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch zu verkündigen die göttliche Predigt. Denn ich hielt mich nicht dafür, dass ich etwas wüsste unter euch, ohne allein Jesum Christum den Gekreuzigten. Und ich war bei euch mit Schwachheit und mit Furcht und mit großem Zittern. Und mein Wort und meine Predigt war nicht in vernünftigen Reden menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft; auf dass euer Glaube bestehe nicht auf Menschen Weisheit, sondern auf Gottes Kraft. Da wir aber von reden, das ist dennoch Weisheit bei den Vollkommenen; nicht eine Weisheit dieser Welt, auch nicht der Obersten dieser Welt, welche vergehen: sondern wir reden von der heimlichen verborgenen Weisheit Gottes, welche Gott verordnet hat vor der Welt zu unserer Herrlichkeit, welche keiner von den Obersten dieser Welt erkannt hat; denn wo sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Sondern wie geschrieben stehet: Das kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, das Gott bereitet hat denen, die ihn lieben: Uns aber hat Gott es geoffenbart durch seinen Geist. Denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.

Indem ich mit Euch, meine lieben Freunde, und gleichsam vor Euren Augen die Resultate zusammenfasse, in denen mich die Erfahrungen des Lebens und des evangelischen Hirtenamtes, sowie das Forschen in dem Wort Gottes befestigt haben, sagte ich vergangenen Sonntag: „Alles durch den heiligen Geist;“ heute wollen wir sagen: „Alles in Jesu Christo.“ Man ist manchmal geneigt sich vorzustellen, als habe uns Jesus Christus nur die Pforte des Himmels geöffnet und uns dann uns selbst überlassen, um aus eignen Kräften hinein zu gehen; aber das ist eine sehr dürftige Anschauung von dem, was der Herr für uns getan hat und was er für uns ist; und Paulus hatte sicher viel erhabenere Gedanken als er schrieb: „Ich hielt mich nicht dafür, dass ich etwas wüsste unter euch, ohne allein Jesum Christum den Gekreuzigten.“ Für ihn ist Gott ganz in Jesu Christo zusammengefasst, und Jesus Christus ganz in seinem Kreuz. Und anderswo sagt er: „Welcher uns gemacht ist von Gott zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung.“1) Da sehen wir, dass uns Jesus Christus nicht nur gegeben ist um unsere Sünden durch sein einmal vergossenes Blut zu tilgen, sondern auch, um uns, wenn wir einmal durch dieses köstliche Blut mit Gott wieder versöhnt worden sind, zu leiten, zu heiligen, um uns mit Weisheit zu erfüllen und alles in Allen zu vollbringen. Und ferner: „In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“2) also im Fleisch in sichtbarer Gestalt wohnt Gott, aber er wohnt ganz in Christo mit seiner ganzen Herrlichkeit, mit all der unendlichen Fülle seiner Vollkommenheiten. Und anderswo noch, in einer anderen tiefen Stelle sagt der Apostel: „Alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes.“3) Da sehen wir eine wunderbare, staunenerregende Hierarchie: Gott an der Spitze der ganzen Ordnung und Gestaltung der ewigen Wahrheit, wie er seinen Sohn sendet und leitet, und sein Sohn wiederum uns ruft und an Kindesstatt annimmt, damit wir im Namen dieses Sohnes über alle Dinge herrschen und die ganze Welt besitzen mögen, nach dem Recht, welches wir als Glieder dessen haben, dem die ganze Welt untertan ist. „Alles ist euer“ ist die erste Stufe; „ihr aber seid Christi“ die zweite; „Christus aber ist Gottes“ die erste oder dritte, die höchste Stufe, von der alles Übrige abhängt. Wie fern liegt uns jetzt der Gedanke; als hätte Jesus nur eine Tat, die Haupttat der Erlösung vollbracht! Jesus Christus ist der Gott des Menschen, wie Pascal so schön an einer Stelle sagt, wo er auf eine tief christliche Weise entwickelt, welchen Platz Jesus Christus zwischen Gott und uns einnimmt; er ist der Gott der Menschen; er ist Gott, der sich uns gegeben hat; er hat sich ganz gegeben; und wenn wir Christum besitzen im wahren Glauben, so besitzen wir nichts Geringeres, als Gott selbst und in ihm das ewige Leben: „Wer den Sohn hat, der Hat das Leben… Gott hat uns das ewige Leben gegeben, und solches Leben ist in seinem Sohn.“4)

Welches Bedürfnis auch in unseren Seelen und in unserem ganzen Leben, im irdischen und himmlischen, zu befriedigen wäre, Alles finden wir in Jesu Christo. Handelt es sich vor Allem darum, unsere Sünden zu tilgen? er hat sie getilgt durch sein Blut. Nur Eins in der Welt tilgt die Sünden: nicht unsere Bußübungen, nicht unsere Reue, nicht unsere Almosen und guten Werke, selbst nicht unsere Gebete, - nur das Blut Jesu Christi: „Das Blut Jesu Christi macht uns rein von aller Sünde.“5) Jede Sünde, welche das Blut Jesu Christi bedeckt hat, ist auch ewig vor Gott getilgt. Gott selbst sieht sie nicht mehr; ich könnte noch stärkere Ausdrücke anwenden, ohne mich von der Heiligen Schrift zu entfernen. „Gott selbst sucht sie,“ sagt ein Prophet, „und findet sie nicht mehr. … Er hat sie hinter sich zurückgeworfen“6) um sie nicht mehr zu sehen. „Er hat sie in die Tiefe des Meeres geworfen;“7) und indem er uns in Christo ansieht, sieht er uns ohne Sünde wie Christum selbst an, der für uns zur „Sünde gemacht worden ist, damit wir in ihm wären die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.“8) Handelt es sich darum in unseren Trübsalen getröstet zu werden? Wir gehen zu Jesu Christo; er hat gelitten wie wir, mehr als wir, unendlich mehr als wir von Leiden nur denken können; alle unsere Leiden sind nur ein kleiner Bach von dem Strome seines unendlichen Leidens, wie auch jeder Trost und jede Gnade von seinem Kreuz ausgeht; zu dem Schmerzensmann gehen wir, wenn wir Trost und Friede suchen; wir wissen dass er weiß, was Kummer ist und dass wir in seiner Nähe nicht nur Linderung unserer Schmerzen finden, sondern auch wahre Segnungen darin erkennen werden und dass unsere bittersten Leiden zuletzt als die deutlichsten Zeichen seiner Gnade werden erfunden werden. Handelt es sich um Licht und Weisheit, um Kraft und Widerstand gegen die Sünde; handelt es sich um diese Welt oder handelt es sich um die andere, Alles ist in Christo: mit Christo haben wir alles, ohne ihn haben wir Nichts, gar nichts. Darum sagt auch der Apostel Paulus in der bewunderungswürdigen Stelle, welche ich soeben anführte: „Alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes.“ Alles ist euer, wenn ihr Christi seid, der Gottes ist. Nicht das Verhältnis Gottes zu Christo wird von Jemand bestritten werden; aber auch das Verhältnis Christi zu uns wird nicht bestritten werden, wenn wir wahre Christen sind. Nun, was folgt daraus? Dass alle Dinge uns gehören. Ich bin wohl arm? Alle Reichtümer dieser Welt sind mein, denn sie sind Christi, der Gottes ist, der mir wohl mit ihm und durch ihn alle Reichtümer dieser Erde geben könnte, wenn sie mir nützlich wären. Wenn er mir anstatt des Reichtums die Armut zu Teil werden lässt, so geschieht dies, weil die Armut am besten für mich ist und es geschieht nach der Wahl Gottes. Die ganze Welt mit all ihrer Ehre und Macht gehört mir, denn sie gehört meinem Vater, der sie mir morgen geben wird, und der sie mir heute geben könnte, wenn es gut für mich wäre, denn er schaltet damit nach seinem Wohlgefallen. Ich bin krank? Die Gesundheit ist mein, die Kraft ist mein, das Wohlsein ist mein, ein vollkommener Genuss aller Güter des Lebens ist mein; denn Alles das ist Christi, der Gottes ist und der nach seinem Willen damit schaltet nach seinem Wohlgefallen. Zu wessen Gunsten sollte er damit halten, außer zu meinen Gunsten, der ich sein Kind bin? Wenn er mir diese Güter heute verweigert für einen flüchtigen Augenblick, der dahin fliegt wie ein Weberschifflein, so hat er seine Gründe dafür; in diesen Schmerzen und in dieser Bitterkeit liegen verborgene Segensgüter, die besser für mich sind als diese so kostbare Gesundheit und dieses so süße Wohlbefinden. Er beraubt mich eines Gutes, um mir ein anderes, besseres zu Teil werden zu lassen: darin liegt mein Trost, er liegt ganz in seiner Liebe. Handelt es sich um Weisheit und Licht? Nun, wenn ich selbst mein ganzes Leben lang unwissend wäre, wenn ich nie die Gelegenheit gehabt hätte, meine Geisteskräfte in der Welt auszubilden, ich bin weise in Christo. Wenn ich Christum kenne, bin ich viel aufgeklärter und erleuchteter in göttlichen Dingen, als ein Mensch von dieser Welt, der hinter den Büchern grau geworden ist, denn ich kenne dieses unerschaffene ewige Licht, das er nicht kennt und welches das Licht ist, in dem Gott selbst sich erfreut und welches mich unfehlbar durch alle Nacht des Lebens führt. Ihr könnt Nichts finden, von dem ich nicht sagen kann: Das gehört meinem Vater, also auch mir; wenn er es mir heute verweigert, so wird er es mir morgen geben, ich verlasse mich auf seine Liebe. Alles ist mein, wenn ich Christi bin. Merkt auch, dass Paulus in dem Kapitel, welches wir Anfangs gelesen haben, sagt: „Ich hielt mich nicht dafür, dass ich etwas wüsste unter euch, ohne allein Jesum Christum, den Gekreuzigten.“ O meine Freunde, lasst uns nicht in Undankbarkeit vergessen, dass Jesus Christus uns unter dem Kreuz und durch das Kreuz diese unendliche Glückseligkeit erworben und verdient hat, welche ich zu beschreiben versuche, die ich aber selbst nicht einmal ahnen oder begreifen kann. Durch sein vergossenes Blut, durch seine unsäglichen Leiden bat er Alles für uns erfüllt. Seine Liebe ist der Grund unserer Befreiung und unserer vollständigen Erlösung: Seht das ist der Heiland. Das mit haben wir angefangen und damit müssen wir schließen. Wir kommen zu seinem Kreuz, wir lassen uns nieder unter seinem Kreuz, wir wollen uns durch Nichts in der Welt von diesem Platz reißen lassen, da wollen wir leben, da wollen wir sterben. Liebe Freunde, bald wird das ganze Schauspiel dieser Welt uns verschwinden. Wir empfinden Angst in der Welt, aber lasst uns getrost sein: Jesus Christus hat die Welt überwunden; der Starke ist durch einen noch Stärkeren gebunden; und jetzt sind wir in Christi Gegenwart, der uns durch sein Blut erkauft hat und uns erwartet, um uns mit Herrlichkeit und Seligkeit zu überhäufen. Wollt Ihr seine Herrlichkeit nicht? Wollt Ihr seine Liebe nicht? Lernt ihn kennen wie er ist. Umfasst ihn ganz in aufrichtigem Glauben, damit Ihr die herrlichen Worte des Apostels zur Tat macht, mit welchen wir uns einen Augenblick beschäftigt haben; damit Ihr glücklich im Leben und noch glücklicher im Tod seid; damit dieses für den Weltmenschen so traurige Leben für Euch ein Leben werde, dessen Licht und Friede immer wachsen wird bis zum Tag des Herrn Jesu Christi, welchem sei Lob, Preis und Herrlichkeit und vor Allem die Huldigung unserer Herzen und eine Liebe, wo möglich so groß wie seine Liebe!

1)
1. Kor. 1,30
2)
Kol. 2,9
3)
1. Kor. 3,22.23
4)
1. Joh. 5,12
5)
1. Joh. 1,7
6)
Jes. 38,17
7)
Micha 7,19
8)
2. Kor. 5,21
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