Luther, Martin - Predigt am 4. Sonntag nach Epiphanias.

Luther, Martin - Predigt am 4. Sonntag nach Epiphanias.

Epistel: Röm. 13,8-10.

Es sollten allerlei Gesetze dazu gegeben, verordnet und gehalten werden, daß sie nicht für sich selbst, noch um der Werke willen gehalten würden, sondern allein um Uebung willen der Liebe; welches auch ist die rechte Meinung des Gesetzes, wie hier S. Paulus sagt: „Wer den andern liebt, hat das Gesetz erfüllt“: also, daß, wo man sehe, daß es nicht zum Nutzen des Nächsten gereicht, sondern zu Schaden, sollte es nachbleiben. Denn es kann wohl einerlei Gesetz auf eine Zeit dem Nächsten nütze, auf eine andere Zeit schädlich sein. Darum soll es gehen nach des Nächsten Nutzen. Und ist gleich mit den Gesetzen umzugehen als mit Speisen und Kleidern und anderer Leibes Nothdurft. Da muß ich nicht sehen auf Kleider und Speise, sondern auf Nutzen und Noth des Nächsten, der gespeist und bekleidet soll werden, daß ich aufhöre zu speisen und zu kleiden, wo ich sehe, daß er's nimmer mag oder ertragen kann.

Wenn du nun einen solchen Narren sähest, der bei sich selbst gedächte: Ei, Speise und Kleider ist ein gut Ding, und dächte nicht weiter, sondern führe zu und nähme einen Menschen vor sich, und thäte nicht mehr, denn füllte immer in denselbigen alle das Brod und Bier, das er kriegen könnte, und legte ihm alle Kleider an, die er ergreifen könnte, bis daß der Mensch erwürgte und erstickte, und doch damit noch immer einpfropfte und immer kleidete ohne Aufhören - und so Jemand zu ihm spräche: Höre auf, du hast den erstickt, Speisen und Kleiden ist ihm zu viel, und ist nun eitel verlorne Arbeit; er aber führe zu und spräche: Du Ketzer, willst du gute Werke wehren? Speise und Trank und Kleider ist gut Ding, darum soll man nicht aufhören, und kann es nicht zu viel machen; und führe immer fort mit Speisen und Kleiden: sage mir, was wolltest du von dem halten? Unsinnigkeit wäre selbst nicht so rasend und toll, als ein solcher Narr. Eben solche Leute sind jetzt unsere Geistlichen gewesen, und noch allesamt, die mit Werken und Gesetzen umgehen, allein der Meinung und mit solcher Blindheit, daß es um die Werke zu thun sei, ersticken Leib und Seele und sehen nicht, daß es um Uebung willen der Liebe zu thun ist. Setzen also die Werke über die Liebe, die Magd über die Frau, daß es Jammer ist zu gedenken, geschweige denn zu hören und sehen, oder selbst thun und leiden.

So ist nun dies Gebot der Liebe ein kurzes Gebot und langes Gebot; ein einiges Gebot und viel Gebot; es ist kein Gebot und alle Gebote. Kurz und einig ist es an sich selbst und des Verstandes halben bald gefaßt, aber lang und viel nach der Uebung, denn es begreift und meistert alle Gebote. Und ist gar kein Gebot, so man die Werke ansieht, denn es hat kein eigenes sonderes Werk mit Namen: aber es ist alle Gebote, darum, daß aller Gebote Werke seine Werke sind und sein sollen. Also hebt der Liebe Gebot alle Gebote auf, und setzt doch alle Gebote auf; das alles darum, daß wir wissen und lernen sollen, kein Gebot, kein Werk weiter halten noch achten, denn sofern die Liebe das fordert.

Weil nun wir ohne Werke auf Erden nicht sein sollen noch mögen, müssen auch mancherlei Gebote sein, damit die Werke verfaßt werden; also doch, daß Liebe ihre Macht behalte und Oberherr sei über solche Fasser, und heiße die Werke lassen und fassen, wo es für sie dient, und kein Werk bleibe noch gehe, sie wolle denn.

Das laßt uns an einem Fuhrmann lernen. Der hat Pferde und Wagen im Zaum, nach seinem Willen; wo nun derselbige wollte damit zufrieden sein, daß die Pferde im Zaum gingen, und er nicht auf den Weg sehen, daß er Pferde, Zaum und Wagen lenkt nach dem Wege, da sollte gar bald das Geschirr auf einem Haufen liegen mit Roß, Wagen, Zaum und Fuhrmann und etwa in einer Pfütze ersaufen oder über Stock und Stein den Hals stürzen. Wo er aber so klug ist, daß er das Geschirr alles nach dem Wege lenkt und sieht, wo es der Weg mag oder nicht mag leiden, der fährt recht; welcher aber will stracks zufahren, das ist der kluge Fuhrmann, der den Weg will nach dem Wagen lenken, und der Weg soll sich ihm schicken, wie sein Wagen will; das wird er wohl sehen, wie fein er's treffen wird.

Also geht es zu, wenn man die Leute nach dem Gesetz und Werk will regieren, und nicht die Gesetze nach den Leuten; eben wie der Fuhrmann den Weg nach dem Wagen richtet. Nun ist's wahr, daß der Weg sich oft schickt fein nach dem Wagen; geht stracks vor sich; aber wiederum gehet er zuweilen krumm und ungleich, da will er wahrlich den Wagen nach sich gekrümmt und ungleich haben. Also muß es ja sein, daß die Leute sich nach dem Gesetz und Werken schicken, wo sie können und ihnen gut ist. Aber wiederum, wo es ihnen schädlich ist, soll wahrlich das Gesetz sich beugen und weichen und der Regierer klug sein, daß er der Liebe Raum lasse und die Werke und Gesetze aufhebe. Darum auch die Weltweisen sagen, daß Prudentia oder Vorsichtigkeit oder Bescheidenheit (wie es die Geistlichen nennen) sei aller Tugend Fuhrmann, und sie müsse alle Tugend meistern 1).

Evangelium: Matth. 8,23-27.

Das erste Stück ist, daß der Herr Jesus mit seinen Jüngern in das Schiff tritt. Da ist noch kein Ungewitter, sondern ein fein freundliches stilles Wetter; so ist das Meer auch sanft und still. Sonst würden sich zum wenigsten die Jünger gescheut haben, daß sie nicht in's Schiff gesessen wären. Sobald aber Christus mit seinen Jüngern in dem Schiff sitzt, und sie vom Lande abstoßen, und auf das Meer kommen, da erhebt sich so ein großes Ungestüm, daß das Schifflein mit Wellen bedeckt wird, als sollte es jetzt untergehen.

Diese Historie laßt uns ja wohl merken und ein Sprichwort daraus machen, daß wir sagen: So geht's, kommt Christus in das Schiff, so wird's nicht lange stille bleiben, es wird ein Wetter und Ungestüm kommen2).

Das dient aber alles mit einander dazu, daß du dich wohl zuvor bedenkst, ob du wollest ein Christ sein oder nicht. Denn so du willst ein Christ sein, so schicke dich3) auf dies Ungewitter und diesen Unfrieden, da wird nichts anders aus: wer in Christo will gottselig leben„, sagt S. Paulus (1. Tim. 3, 12), „der muß Verfolgung leiden“. Daher vermahnt auch Jesus Sirach 2,1 alle Gläubigen und spricht: „Mein Sohn, willst du Gottes Diener sein, so schicke sich zur Anfechtung, halte fest und leide dich“. Als sollte er sagen: Wenn du Gottes Diener nicht sein willst, so fahre immer hin, der Teufel wird dich wohl zufrieden lassen, bis zu seiner Zeit; wiederum aber, so du begehrst, Gott zu dienen und ein Christ zu sein, so gib dich nur willig dahin, das Wetter und die Verfolgung werden nicht ausbleiben. Darum fasse einen Muth, daß du davor, als vor einem unversehenen Zufall, nicht erschrickst. Fürchte dich vor solchem Wetter nicht, sondern fürchte dich vor Gott, daß du der Welt halben von seinem Wort nicht abweichst, und wage es trotzig drauf: es sei um der Welt Gunst willen nicht angefangen; darum wollest ihrer Ungunst und ihres Zorns halben auch nichts unterlassen4).

Der Glaube, ob er gleich klein und schwach ist, steht er dennoch, und läßt sich nicht gar zu Tode schrecken. Wie man hier an den Jüngern sieht. Der Tod war ihnen vor Augen; denn da schlugen die Wellen so mit Macht allenthalben zu, daß sie das Schifflein gar bedeckten. Wer sollte in solcher Noth und Todesgefahr nicht erblassen? Aber der Glaube, wie schwach er auch ist, hält er doch wie eine Mauer, und legt sich wie der kleine David wider Goliath, das ist, wider Tod, Sünde und alle Gefahr, verzagt nicht, sondern sucht Hilfe, da sie zu suchen ist, nämlich bei dem Herrn Christo, weckt ihn auf und schreit ihn an: „Ach Herr, hilf uns, wir verderben“5).

Solches geschieht noch heutiges Tages, daß der Herr sich gegen seine Christen stellt, als sähe er uns nicht, ja hätte uns gar aus der Acht gelassen; wie er hier im Schiffe thut, liegt und schläft, bekümmert sich gar nicht um das Wetter, für seine Jünger, noch für das Schiff. Aber er ist dennoch mit im Schiff, ob er gleich schläft.

Das sind nun die Anfechtungen, die immer mit zuschlagen, daß unser Herr Christus die Wellen über das Schifflein fallen läßt; das ist, er läßt den Teufel und die Welt wider die Christen toben, daß man besorgen muß, wie es denn heutiges Tags auch vor Augen ist, es werde ganz und gar zu Boden gehen. Der Bapst und sein Haufe ist dem Worte feind, hetzt immerdar die großen Potentaten6) wider uns. So läßt der Teufel den Türken auch nicht feiern. Da sitzen wir im Schiff und haben Wetter und Wind, daß es wohl besser taugte. Dennoch soll der Herr wohl still dazu sitzen und sich nicht merken lassen, daß er uns helfen wolle. Das ist ein Schlaf, den er im Schiffe thut. Aber da müssen wir uns ermannen und denken, es habe noch nicht Noth. Denn er ist der Herr, ist auch bei uns im Schiffe. Ob er sich nun also stellt, als sähe er uns nicht, so sollen doch wir uns stellen, daß wir ihn sehen und ihn dafür halten, daß er das Meer könne still machen, wenn es noch so sehr tobt und wüthet7).

Also kann auch Niemand die geringste Sünde stillen noch schweigen, sondern sie beißt und frißt das Gewissen, daß auch nichts dafür hülfe, wenn alle Welt solchen Menschen tröstete und beistünde, er muß hinunter in die Hölle. Da ist der Glaube ein Held und stillt alle Sünde, wenn ihrer so viel wären, als alle Welt gethan hat.

Ist's nun nicht ein allmächtiges, unaussprechliches Ding um den Glauben, der solche mächtige Feinde alle bestehen kann und den Sieg erlangen? Daß wohl S. Johannes sagt 1. Epist. 5,4: „Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, euer Glaube“. Nicht daß solches zugehe mit Frieden und stiller Ruhe. Denn es ist ein Streit, der geht ohne Wunden und Blut nicht ab; ja, das Herz in solchem Streit fühlt die Sünde, den Tod, das Fleisch, den Teufel und die Welt so hart, daß es nicht anders denkt als, es sei verloren, Sünde und Tod haben gewonnen, der Teufel liege oben; des Glaubens Kraft fühlt es wenig. Das ist hier bezeichnet in dieser Geschichte, da die Wellen nicht allein an das Schiff stießen, sondern es gar damit bedeckt ward, daß es jetzt soll untergehen und versinken, und Christus liegt und schläft: da war keine Hoffnung des Lebens, der Tod lag oben und hatte gewonnen; das Leben lag unten und war verloren8).

1)
E. A. 8, 59 ff.
2)
E. A. 1, 179.
3)
Richte dich darauf ein
4)
E. A. 1,180
5)
Ebenda S. 184
6)
Machthaber
7)
E. A. 1,186
8)
E. A. 11,75 f.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/l/luther/p/luther_4_nach_epiphanias.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain