Lange, Johann Peter - Der Herr ist wahrhaftig auferstanden: die Losung der Christlichen Gemeinde unserer Zeit, etc

Lange, Johann Peter - Der Herr ist wahrhaftig auferstanden: die Losung der Christlichen Gemeinde unserer Zeit, etc

Die Losung der christlichen Gemeine in unserer Zeit: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden.

1. Die Bedeutung der Auferstehung Christi.

Es ist eine unumstößliche Thatsache, daß mit der Gewißheit von der Auferstehung Christi ein großer Wendepunkt in dem Leben der Jünger Jesu, und mittelbar durch ihr Leben in dem Leben der ganzen Menschheit eingetreten ist, ein Wendepunkt, den man als die Umkehr von der Verzweiflung zum höchsten Lebensmuth, von dem drohenden Untergang zu der herrlichsten Neubelebung bezeichnen kann.

Wenn in einer tragischen Geschichte der Moment der Katastrophe eintritt, so erschüttert uns der Anblick eines Gerichtes, das sich vollendet hat. Aber mit dem Gefühl dieses Gerichtes kommt ein neuer, seliger Schauer über uns; es ist das Vorgefühl eines hohen Siegesfestes, welches der persönliche Geist hinter der sichtbaren Scene feiert, indem er durch das Gericht hindurchgedrungen ist zur Versöhnung, zur Verklärung seines Lebens.

Diese Verklärung, zu welcher das Menschenleben durch's Gericht kommt, ist mit der Auferstehung Christi zu einer Wirklichkeit geworden, welche die Mitte der diesseitigen Welt durchbrochen hat, und einen Himmelsglanz ausgegossen hat über das alte Leben, das dem Tode verfallen war. Die ewige Weissagung einer neuen Welt in unserm tragischen Gefühle hat hier ihre Erfüllung gefunden.

Die Jünger waren durch den Tod Jesu zerstreut worden, wie Schaafe, die keinen Hirten haben. Das war der Weltabend in den edelsten Herzen sündiger Menschen in der Mitte der Zeit, eine Nachwirkung jenes geistigen Weltabends, in welchem der Heilige Gottes verblutete am Kreuz der Schande. Sie irrten wie Verzweifelnde umher. Aber mit der Gewißheit, daß ihr Herr auferstanden sei, kehrte ihr Lebensmuth wieder in verklärter Gestalt. Jetzt hatten sie den lichten Mittelpunkt der ewigen Welt gefunden, und er leuchtete ihnen in ewigem Glanze. Die flüchtige, zerstreute Heerde sammelte sich wieder unter der vereinigenden Macht des Osterjubels, und jetzt war sie eine Gemeine junger Löwen. Eine neue Welt war ihnen aufgegangen mit der Gewißheit von dem persönlichen neuen Leben ihres Herrn. Jetzt war ihr Gebet zu dem Gott, der im Verborgenen wohnt, Eins mit den begeisterten Grüßen, womit die Dem Freunde riefen, dessen persönliche Nähe sie mit Zuversicht empfanden, dessen Antlitz ihnen leuchtete, der in seiner Herrlichkeit in ihre Mitte trat. Und die Frucht ihres Gebets war der strömende Segen des Geistes Christi. Durch seinen Geist wurde sein Leben. Eins mit dem ihrigen. Seine Persönlichkeit, ja, die ganze neue Welt des Himmelreichs, deren Mittelpunkt seine Persönlichkeit war, war ihnen jetzt klar als die neue Heimath ihres Lebens. Ihr Wandel war fortan in diesem Himmel. Sie hatten den Morgenstern im Herzen, welcher ihnen die Ewigkeit in der Zeit, die Versöhnung in dem Gerichte, das Leben in dem Tode, den Gottesrath in aller Weltnoth enthüllte. Mit der Wirklichkeit des neuen Lebens Christi war ihnen ihre ganze innere Glaubenswelt eine Wirklichkeit geworden, welche siegreich in die äußere Welt hervorbrach. Darum traten sie selber hervor als Sieger in der alten Welt. Die Juden waren Christen, die Verläugner des Herrn seine Verkündiger, die Galiläer Friedensfürsten der Welt geworden. Wer möchte es läugnen, daß jene Wendung ihres Lebens mit der wunderbarsten Macht auch die Wendung des Lebens der Menschheit bewirkte? In der verzweifelnden Welt des Alterthums, welche mit der Verwerfung Christi sich selber gerichtet hatte, rief ihr Zeugniß, Leben und Martyrthum die neue Welt des Glaubens hervor, eine religiöse, geistige, sittliche, ja auch eine physische Auferstehung, die in ihrer Macht allen Widerstand des alten Weltfluchs durchbricht, und in ihren Wirkungen noch immer fortdauert, bis sie sich in einer allgemeinen Auferstehung der Menschheit vollendet. Die Apostel Jesu waren sich aber dieser Thatsache auch vollkommen bewußt. Sie erklärten ihr neues Leben aus dem neuen Leben Christi (Apostelg. 4, 10). Ihre ganze Wirksamkeit concentrierte sich in der Predigt von dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Wenn sie aber ihre ganze Botschaft in Einen Ausdruck brachten, so war es immer das Zeugniß von seiner Auferstehung. Und gerade in demselben Sinne, wie ihnen ihre Lebenserneuerung eine reale war, war ihnen auch die Auferstehung Christi eine reale. So wenig sie bloß in Visionen gewirkt haben, gelitten haben und gestorben sind für ihren Glauben, sind sie für bloße Visionen gestorben. Nur Träumer könnten wähnen, daß Träume die Welt gerettet, nur Weiber in der Spekulation könnten meinen, daß Weiber-Visionen den Stein der rauhen alten Weltnoth vom Grabe der menschlichen Lebenshoffnung gewälzt, und in eine Ehrensäule für den Sieger verwandelt haben, der eine neue Welt in dem Leben seiner Gemeine angekündigt hat. Schon frühe wollte sich die Idealisterei den Glauben an die Auferstehung Jesu bequem machen, und verderben, indem sie anfing, die Auferstehung von den Todten als eine bloß geistige zu deuten. Allein die Apostel ließen sich in der Gemeine ihres Herrn von Idealisten nicht imponieren, die in der Schule des indischen Pantheismus, oder des persischen Dualismus zurückgeblieben waren, während sie die Zeugen von der idealen christlichen Wirklichkeit meistern wollten. Sie lehrten die reale Auferstehung mit dem Bewußtsein ihres schneidenden Gegensatzes gegen eine bloß geistige. In diesem Sinne sprach der Apostel Paulus: ist Christus nicht auferstanden, so ist nichtig unsere Botschaft, und so ist auch euer Glaube nichtig, so ist es also nichts mit unserm ganzen Christenthum (1. Cor. 15, 14). Auf diese Spitze der Gewißheit von der realen persönlichen Auferstehung Christi und ihrer Offenbarung gründete er also das ganze Christenthum, und mit ihm allen Gottesglauben, das ganze Heil der Welt. Es ist offenbar, daß er der verwegenste Spieler gewesen wäre, wenn er nicht als der treueste Gotteszeuge von einer Thatsache gezeugt hätte, die ihm in Gott gewiß war, deren Wahrheit Gott selber fort und fort durch die mächtigsten Wirkungen dieses Zeugnisses besiegelte. So steht es mit der Verkündigung von der persönlichen Auferstehung Christi. Mit ihr würde das ganze Christenthum fallen, wenn es überhaupt fallen könnte; mit ihr steht das Christenthum, ja es besteht in ihr. Auf die Auferstehung Jesu gründet sich die Ausgießung des heiligen Geistes. Ohne Ostern gäbe es keine Pfingsten; ohne das neue Leben der verklärten Individualität des Hauptes der Menschen keine neue christliche Menschheit.

2. Die Verdunkelung der Botschaft von der Auferstehung Christi.

So wie sich in der Brust des sündigen Menschen durch die Wallungen seines unreinen Lebens die Gewißheit seiner persönlichen Würde oft verdunkeln kann, und wirklich verdunkelt, nämlich das Gewissen, so wie sich in dem Leben des Christen durch die Nachwirkungen des alten Lebens manchmal die Gewißheit seines Heils trübt, also das Bewußtsein von dem in ihm waltenden objektiven Gewissen, der Gerechtigkeit Christi, die seines Geistes Leben und Mittelpunkt geworden ist, so entsteht auch vielfach wieder eine Verdunkelung der großen Gewißheit der christlichen Menschheit, welche man als das historisch vollendete Gewissenderselben betrachten kann.

Das historisch vollendete Gewissen der christlichen Menschheit, der lichte Einheitspunkt ihres Gesammtbewußtseins ist die Zuversicht der persönlichen Auferstehung Christi. Die Verdunkelung derselben aber geht hervor aus den Nachwirkungen der heidnischen Weltansicht.

Es ist mit den Höhepunkten des geistigen Menschenlebens wie mit den Höhepunkten einer Alpenwelt. Sie sind so gewiß vorhanden und erscheinen in der Wirklichkeit des Menschenlebens, wie irgend etwas Alltägliches; ja viel gewisser in sofern, als sie den mächtigsten Eindruck gemacht haben, und fort und fort dominierend wirken. Allein so wie jene Alpenspitzen Tage lang, selbst Wochen lang sich theilweise oder ganz verhüllen können für die Bewohner der Thalgegenden, so ist es mit diesen geistigen Höhepunkten auch. Auch dann, wenn sie in der Anschauung einer Zeit allgemein sichtbar sind, sind sie noch vielfach von Gewölk umwogt, oder von Nebelduft umflort, und nur an schönen Tagen erscheinen sie in ihrem reinen Lichte, nur in den glücklichsten Stunden in einem Sonnenglanze, der sie ganz verklärt. Und wie könnte das anders sein, da sie von allen Dünsten umzogen werden, welche noch aus der Tiefe des geistigen Menschenlebens emporsteigen? So lange es Niederungen des menschlichen Verderbens gibt, wird sich die Ausdünstung derselben in Gebilden des Wahns, des Irrthums und des Unglaubens sammeln, und die Höhepunkte der menschlichen Geistesherrlichkeit umziehen. Daraus erklärt sich's, daß die Gewißheit von der Auferstehung Christi in der Menschheit mehr als irgend eine andere Ueberzeugung vielfach verdunkelt werden muß. Die erste Erscheinung dieses Gipfels im Sonnenglanz hat die Herzen der Menschen entzündet mit einer unvergänglichen Himmelsfreudigkeit des Lebens, und jede neue Erscheinung setzt diese Wirkung fort. Ja, auch durch jede Umflorung hindurch übt diese Höhe ihre mysteriöse Wirkung auf die Menschheit aus, und bewußt und unbewußt wird diese in allen ihren Empfänglichen immer mehr in höhere Lebensstimmungen emporgezogen. Allein es liegt auch ganz in der Natur der Sache, daß die Gewißheit dieser erhabensten Wahrheit und Thatsache mehr Verdunkelungen erfahren muß, als irgend sonst eine Ueberzeugung, welche der Menschheit heilig ist. Sie zieht als der hervorragendste Gipfel die meisten Gewölke an. Darum verschwindet sie oft dem Blick der Thalbewohner. Manche Fernwohnende sahen sie noch nie in ihrer Klarheit. Sie ist eben der Culminationspunkt unter den lichten Höhepunkten der Menschheit; das macht sie für Tausende zur Mythe. Auch in der apostolischen Gemeine stellten sich bereits solche Verdunkelungen der thatsächlichen Auferstehung ein. Der Apostel Paulus hat in seinem ersten Corintherbriefe, im 15. Kapitel mit Leuten zu thun, welche durch ihre Einreden die Gewißheit der großen Thatsache trübten. Sie wagten es freilich noch nicht, die Lehre von der persönlichen Auferstehung Christi unmittelbar anzugreifen; dafür bildete diese zu sehr den eigentlichen Lebensgedanken der neuen Gemeine. Allein die griffen die Lehre von der einstigen persönlichen Auferstehung der Todten an; wahrscheinlich, indem sie dieselbe in einem vornehmeren, mehr philosophischen Sinne zu deuten meinten (s. 2. Tim. 2, 17, 18). Sie sahen, daß die Verbreitung des Christenthums in der Welt eine geistige Auferstehung der Menschheit zur Folge hatte. Sie fühlten auch, daß diese geistige Auferstehung eine große Bedeutung für die Auferstehungslehre haben müsse. Diese Entdeckung berauschte sie! Sie hatten zudem ihre bestimmten Bedenken gegen die leibliche Auferstehung. Und so fuhren sie zu und lehrten: die Auferstehung der Todten sei bereits geschehen. Wie begeistert mochten sie diese geistige Auferstehung zu schildern wissen! Sie machten Anspruch darauf, daß man ihre Sätze als Läuterungen des christlichen Lehrbegriffs betrachten sollte. Allein Paulus sah in ihren Einwendungen gegen die einstige Auferstehung der Todten ganz consequent aus dem Grunde der christlichen Weltanschauung heraus einen Angriff auf die Lehre von der Auferstehung Christi, ja auf das Christenthum selbst. Böse Geschwätze, nannte er ganz trocken die vermeintlich „geistigen“ Auffassungen (V. 33), und von jenen Propheten eines höheren Wissens sagte er unumwunden: sie wissen nichts von Gott (V. 34). So führt er also jene Auffassungen der Auferstehungslehre auf Unwissenheit zurück, und zwar auf Unwissenheit im Hauptartikel, in der Lehre von Gott. Es ist ein wesentlicher Charakterzug der heidnischen Weltansicht, daß sie nicht dazu kommen kann, Gott als Gott zu erkennen. Auch der heidnische Philosoph kann den Höhepunkt der theokratischen Weltansicht, die sich in der christlichen vollendet, nicht erschwingen; er kann nicht Gott erfassen als den Herrn der Herrlichkeit, der alles kreatürliche Leben überwaltet, und zugleich durchwaltet als der ewige Geist. Immer wieder verfällt er in die Voraussetzung, die Welt, welche seinem Geiste noch so viele Finsternisse entgegensetzt, müsse auch für den Geist Gottes finster sein in irgend einem Maße. Er kann es nicht fassen, daß die großen, dunkeln Massen der materiellen Welt, die heißen, blinden Triebe der Kreaturwelt, ihre Ungeheuer und Gifte, daß die grauenvollen riesigen Weltschatten des Uebels ganz durchdacht, durchlichtet, ganz rein gesetzt, ganz als Wirkungen erwogen und auf den höchsten Weltzweck bezogen sein sollen in einem unendlichen Bewußtsein eines ewigen Geistes. Und wenn er die kühne Voraussetzung bildet, daß Gott die ganze Welt umfasse, so nimmt er dennoch an, daß Gott mit dem Finstern in der Welt eine Trübe aufnehme in sein eignes Wesen. Gegen diesen Wahn eifert das glorreiche christliche Gottesbewußtsein in dem Worte des Johannes: Gott ist Licht, und Finsterniß ist in ihm gar keine (1. Joh. 1, 5); nichts Blindes ist in ihm, nichts Unbewußtes, keine Blödigkeit, keine Trübe. Und positiv sagt er dasselbe, indem er erklärt: ohne den Logos, außerhalb des bis zum Wort bestimmten göttlichen Bewußtseins sei auch nicht das Mindeste geworden von Allem, was geworden sei (Joh. 1, 3). In dieser vollendeten Gotteserkenntniß spricht Jakobus das Wort: Bewußt von Ewigkeit sind Gott alle seine Werke (Apg. 15, 18). Paulus gibt über diesen Punkt eine sehr klare Bestimmung dem heidnischen Weltbewußtsein gegenüber. Die unsichtbare Wesenheit Gottes, sagt er, wird von der Erschaffung der Welt an in den Werken als Erkennbares sichtbar angeschaut, nämlich seine ewige Macht und Gottheit (Röm. 1, 20). Mit dem Satze: das Sichtbare ist das Erkennbare, Durchdringliche, es ist auflösbar im Gedankenleben, ist es zugleich ausgesprochen, daß es in der ewigen Macht Gottes das Gesetzte, Erkannte und Durchdrungene ist. Dieselbe Erklärung des Apostels kehrt nun hier in negativer Gestalt wieder, wenn er den Verläugnern der persönlichen Auferstehung vorwirft: sie wissen nichts von Gott. Ihre Unwissenheit aber ist eine positive, ein Wahn von Gott. Sie stellen die ungeheure Materialität der Welt dem weltbildenden Geiste Gottes als eine Schranke gegenüber, und sehen einen ewigen Widerstreit zwischen diesen beiden großen Mächten. Weil sie aber diesen Widerstreit in dem allgemeinen Verhältniß zwischen Gott und der Welt sehen, so finden sie ihn auch in allen abgeleiteten Verhältnissen zwischen dem Göttlichen und dem Weltlichen wieder; also zwischen dem Geist und dem Wort, zwischen der Idee und dem Individuum, zwischen der Seele und dem Leibe, zwischen dem geistigen Sinn, dem Ideal oder Symbol und der Thatsache. Sie mögen es nicht fassen, daß Gott sich selbst vollkommen ganz erfaßt, und darum auch sein Werk mit aller Dunkelheit der Welt hell erfaßt und zusammenfaßt in dem Lichtpunkt eines bestimmten Lebensgedankens. Ihr erstes Bedenken ist, daß Gott die ganze Dunkelheit aller Dinge zusammenfassen soll in einen Lichtgedanken; ihr erster Anstoß also ist die reine Idealität der Welt: das Wort. Ihr zweiter Anstoß, daß dieser alles umfassende Lichtgedanke zusammenfallen soll mit dem Leben eines Individuums in einer ewigen Persönlichkeit, also die reine Idealität des vollendeten Menschen: der Gottmensch. Ihr dritter, daß diese Persönlichkeit im vollsten Sinne Mensch, daß sie Fleisch werden, daß diese reine Himmelseele sich ganz verleiblichen soll mit Ausscheidung aller Trübe der menschlichen Leiblichkeit, also die reine Idealität der Erscheinung Christi: seine Heiligkeit. Ihr letzter Anstoß ist, daß dieser vollendete Gottmensch sein Leben in vollendeter, krystallheller, alles Idealistisch-Unwirkliche aufhebender Wirklichkeit entfalten soll, somit die reine Idealität der evangelischen Geschichte, die historisch vollendete Erlösung: das Evangelium. So nimmt mit jeder Steigerung der unendlich kühnen christlichen Weltanschauung, mit jedem Stufentritt der christlichen Geistesherrlichkeit ihre Noth zu, und steigert sich bis zur Angst, zum Grauen. Darum will ihnen die thatsächliche Auferstehung als die Spitze alles Unerhörten und Unglaublichen erscheinen. Sie fühlen, daß diese Thatsache ein Blitz sein würde, dessen Donnerschlag den Kieselstein ihrer ganzen finstern Naturwelt, ihres ganzen Weltprozesses in den hellen Krystall einer göttlichen Idealwelt verwandeln müßte. Darum eben kommen sie mit ihrer Auslegung. Sie haben sich aber einen betrüglichen Canon gebildet, welcher alle ihre Exegese verdirbt, und durchaus nichtig ist, so sehr er zur Zeit sie selber noch fesseln, ihren Schülern noch imponieren mag. Sie wenden überall ein falsches Entweder, Oder! an, wo sie die Einigung des Geistigen und Weltlichen erkennen sollten. Entweder sollen die biblischen Mittheilungen dem Reiche der Idee, oder sie sollen dem der Thatsache zufallen. Dieses aus der heidnischen Weltanschauung stammende Entweder, Oder! liegt noch wie ein schwerer Alpdruck auf dem Denken vieler Theologen und Philosophen auch in unserer Zeit. Manche gehen so weit, daß sie der Thatsächlichkeit, der Wirklichkeit mißtrauen, wo sie nur Geist in einer Kunde wittern. Entweder, heißt es, hat diese Kunde einen historischen, oder sie hat einen geistigen Sinn. Und wie gerne setzen sie dann den geistigen Sinn an die Stelle des historischen, und rühmen sich, sie wüßten auf diese Weise den höheren Sinn dem niederen vorzuziehen. Der gutmüthige, jungblütige Denker, welcher von ihnen das Philosophieren lernen will, hört sie rechnen mit ihrem Entweder, Oder! und staunt. Und er weiß es ihnen Dank, wenn sie ihm die Gedankenfahrt zu dem Gipfel der Lehre von der Auferstehung so bequem machen, als setzten sie ihn auf einem Sopha nieder. Sie belehren ihn nämlich, die geistige Auferstehung Christi sei als die höhere zu feiern, im Gegensatz gegen die reale; obwohl in der Auferstehung Christi nicht die höhere, sondern die höchste Thatsache gefeiert wird: der Moment, in welchem die höchste Idee, die des ewig siegreichen persönlichen, göttlichen Lebens mit der höchsten Wirklichkeit, mit der Auferstehung Christi von den Todten, von den Todten in der Geisterwelt und von den Todten im Grabe, wie von den todten Herzen in der diesseitigen Welt in voller Klarheit zusammenfällt, und Eine Glorie bildet. Sie reden von einer geistigen Auferstehung im Gegensatz gegen die historische nach ihrem kläglichen Entweder, Oder! als ob diese historische Auferstehung geistlos wäre, als ob nicht die Geistesfülle, welche von Christo ausströmt, durch diese thatsächliche Vollendung seines Lebensganges bedingt wäre. Sie wollen ihre Auferstehung als einen idealistischen Spuk hinter der Wirklichkeit herschlüpfen, und sie nur durch Reflexe in menschlichen Träumen und Ekstasen kund geben lassen. Das nennen sie den geistigen, den höhern Sinn, welcher dem geistig-historischen, also dem höchsten Sinn gegenüber, immer noch der höhere sein soll. In dieser Dialektik kommen sie dem Apostel Paulus vor wie Berauschte; er redet ihnen im Namen löblicher Gedankenpolizei scheltend zu: werdet doch einmal rechtschaffen, gründlich nüchtern! - Und sündiget nicht - auch nicht gegen den Begriff aller Begriffe, nach welchem ein harmonischer Gegensatz, nicht ein Widerspruch, zwischen dem Geist und dem wahren Leben sein muß (1. Cor. 15, 34). Diese trübe Weltansicht kann erst ganz erlöschen, wenn der Sieg des Geistes über das Fleisch in der Menschheit ganz vollendet ist. Denn so wie der Mensch sein individuelles Geistesleben verschlungen sieht in die Wallungen seines Blutes, so reflectirt sich ihm das Bild einer gleichen Verschlungenheit des göttlichen Geistes in die materielle Welt, in seiner Anschauung des Weltganzen. Und da in unserer Zeit gerade der Menschengeist in seinem ungeheuern Ringen mit der äußern Materialität der Welt die ganze Macht, welche diese Materialität ihm gegenüber ausübt, inne wird, so trübt ihm der aufschlagende Dampf, in welchem er mit der Materialität ringt, Himmel und Erde, den Spiegel der ewigen Gottheit, und den Gipfel der factischen Auferstehung, in welchem der tiefste Rathschluß der ewigen Gottheit That geworden ist, die Spitze der Zeitlichkeit, in welcher die Ewigkeit sich verklärt hat. Oft wenn sich das Wetter zum Bessern ändern will, sieht man auf dem Gipfel der Berge die Nebel aus der feuchtklaren, wasserdünstigen Luft hervorbrechen in einem unendlichen Duft und Rauch, welcher Himmel und Erde bedeckt und verhüllt. Immer feiner wird dieser Duft, immer wogender und wilder, als wollte er alle Klarheit vernichten. Aber es ist nichts als der große Prozeß, der die verborgene Feuchtigkeit der Luft in eine klare, trockne Aetherluft verwandelt. Aus jedem Wassertropfen wird vielleicht ein ungeheurer Dampf. Aber der Dampf wird immer trockener und feiner, zuletzt fein wie ein Hauch. Er hat keine Kraft, keine Zeit mehr, die ausgestreckte Hand zu befeuchten; denn er muß fort, der Aether verzehrt ihn. Es stellen sich Momente ein, wo die Sonne siegreich hervorblickt. Man fühlt, daß das schöne Wetter nahe ist. Möge es sich so verhalten mit dem Gewoge der trüben Weltsubstanz in den Herzen, Köpfen und Lehren unserer Zeit, mit diesen Nebeldämpfen, welche um den Gipfel der christlichen Menschenherrlichkeit wogen. Hinter so vieler Verdunkelung und Verzweiflung muß wohl ein großer, schöner Tag der neuen Menschheit verborgen sein. Man sieht es aus den verschiedenen Gestalten der Lehre von der „geistigen“ Auferstehung Christi, daß sich die Witterung ändern will. Einige geben der geistigen Auferstehung Christi die allgemeinte Fassung. Sie sehen nichts in ihr als ein Symbol: die Auferstehung der Menschheit zu einem höheren Leben im allgemeinsten Sinne. Diese Auferstehung soll sich im christlichen Geiste so reflectirt haben, daß sich die Kunde von der Auferstehung Christi als Sage bilden mußte. Sie stehen auf der Stufe jener kindhaften Anschauung, wo man glaubt, daß der Donner den Blitz zur Folge habe, indem er ein leuchtendes Signal gebe, daß er jetzt wirklich donnern wolle. Sie erklären die unermeßlichste geschichtliche Wirkung, die in ihrem Ursprunge augenscheinlich aus einem geschichtlichen Spitzpunkte hervorbricht, aus sich selber, während sie diesen Spitzpunkt als einen bloßen Reflex betrachten. Sie glauben also an eine Länge und Breite der Auferstehung, nicht aber an ihre Tiefe und Höhe; an eine Welt der Auferstehung, worin sich alles Geistesleben schleichend unmerkbar aufrafft und emporkommt, nicht aber an eine Auferstehung, die als Ein Gottesgedanke und Eine Gottesthat in Einer individuellen, thatsächlichen Menschenherrlichkeit jene Welt der Auferstehung begründet und trägt. Sie lehren eine Periode der Auferstehung, welcher keine Epoche der Auferstehung vorangegangen sein oder auch folgen soll. Ihre Auferstehung hat also keine Einheit; sie ist unorganisch, ungeschichtlich und unevangelisch; am meisten aber unerheblich und unvollendet. Denn es ist keine durchgreifende Auferstehung der Menschheit, wenn bloß ihre Gedanken und Sitten auferstehen, nicht aber ihre Individuen; und es gibt keine einheitlich lebendige, organische Auferstehung der Individuen im Allgemeinen, wenn sie sich nicht in dem Alles umfassenden Leben des reichsten Individuums vorab entscheidet; endlich ist die Auferstehung dieses Individuums wieder nicht vollkommen, wenn sie nicht eine Folge seines heißen Lebenskampfes ist, und unmittelbar aus seinem Tode als Sieg über den Tod hervorgeht.

Andere lehren eine bestimmtere Auferstehung des persönlichen Christus; aber nur in seinem geistigen Fortleben in seiner Gemeine soll sie bestehen. Sie sagen: Christus ist auferstanden in den Herzen seiner Jünger, in dem begeisterten Erwachen seiner Jünger zum Glauben an den ewigen Sieg seines geistigen Lebens. Sie finden, daß der Apostel die Gemeine als den Leib Christi bezeichnet hat; wohlan! sagen sie: mit diesem Leibe ist Christus auferstanden. Und ganz getrost predigen sie sogar in diesem uneigentlichen Sinne von der Geschichte der Auferstehung, während die Gemeine wähnt, es werde ihr die Auferstehung im eigentlichen Sinne verkündigt. Aber jene Leiblichkeit, worin Christus den Jüngern wiedererschien, deren Wundenmale er dem Thomas zeigte, war keine figürliche, nicht der Leib der Gemeine. Und die Gemeine Christi könnte nicht einmal in diesem Sinne der Leib Christi sein, wenn er nicht in seiner verklärten Leiblichkeit das Haupt wäre. Das was diese feiern, ist im Grunde nicht die Auferstehung des Leibes, sondern des Geistes. Es hängt zusammen mit der unwürdigen Ansicht dieser Geistigen von dem Geiste, daß er sich selber verlieren könne, daß er wachse, werde und sich entfalte, wie etwa Pflanzengeist oder Weingeist.

Der Geist aber ist ewig, und lebt immer fort. Ihre Auferstehung des Geistes also setzt eine Sterblichkeit des Geistes voraus, die dem Wesen des Geistes nicht gemäß ist. Diese Auferstehung des Geistes Christi in den Jüngern wäre jedoch eigentlich nur ein Aufstehen des Geistes der Jünger von der Niedergeschlagenheit, in welche der Tod Christi sie versetzt hatte. Nicht Christus ist hier im Grunde der Auferstandene, sondern die Jünger sind's; sie haben sich in innerer Ermannung über die historische Niederlage Christi erhoben. Wodurch aber haben sie sich erhoben? Mit Weibervisionen, in denen ein Element subjektiver Exaltation und Täuschung gelegen, hat, wie man uns bereden will, ihre begeisterte, geistige Auferstehung begonnen. Auf solche Gründe also wollen diese Spiritualisten das Gewicht der neuen Welt gründen; auf weibliche Aufregungen wollen sie diese Gemeine, worin es dem Weibe nicht erlaubt ist, öffentlich zu reden, diesen Tempel aller Geistesnüchternheit, aller Geistesprüfung, aller Herzensläuterung und Herzensbeschwichtigung bauen. Oder jedenfalls nur auf die idealistischen Auferstehungen der Apostel im Geist. So geben sie uns elf idealistische, halbe Auferstehungen, die als solche gar keine sind, für die eine reale, oder auch elf Unwahrscheinlichkeiten für eine Wahrheit. Ja, man könnte sagen: ein ganzes Nest von Ironien geben sie uns für einen Gottesschwur der treuesten Versicherung von der gewissen großen Thatsache. Denn das ist nicht geschichtlich und der menschlichen Natur nicht gemäß, daß gerade solche Menschen, deren Hoffnung auf die Erscheinungswelt in allen ihren Gliedern zerbrochen und zerknirscht worden ist, mitten im Zuge ihrer Niedergeschlagenheit und Verzweiflung von sich aus wiederum anfangen sollen, dieselbe Hoffnung auf die Erscheinungswelt, nur auf eine verklärte und gehobene, aufzupflanzen. Ja, die Jünger konnten in ihrer Gebrochenheit Essäer, Büßer oder Einsiedler werden ohne Erfahrung der thatsächlichen Auferstehung Christi; aber nicht Christen, deren Lebensmuth sich gerade in derselben Region steigerte, worin er vernichtet worden war. So sollen wir also den Jüngern die unerhörteste, übermenschlichste Ermannung zutrauen. Und dann wieder sollen wir ihnen zutrauen die unklarste Schwindelei, worin die Vorspiegelungen ihres eigenen Geisteslebens oder Nachwirkungen des Geistes Christi als Erscheinungen seines neuen Lebens betrachtet haben. Fürwahr, diese Auferstehung wäre eine Niederlage des christlichen Geistes, eine Auferstehung, worin die Weiber der Exaltation, die Männer den Weibern, die Denker den Schwärmern, die Thatsachen den Idealistereien erlegen wären; worin die Wahrheit von der Dichtung, und zuletzt die wirkliche Welt von einer unwirklichen Symbolik wäre umgekehrt worden. Wenn aber diese geistigen Ausleger uns überreden wollen, für die Apostel und für die ersten Christen habe der Gegensatz zwischen bloß geistiger und realer Auferstehung keine Bedeutung gehabt, warum legen sie denn ein so unerhörtes Gewicht auf denselben? Ist es ein Gegensatz, der sie zu Philosophen macht, so macht derselbe Gegensatz die Apostel zu Schwärmern. Und wäre es anders, hätten die Apostel ungeachtet dieser Verwechselung die großen Gotteshelden der Weltgeschichte bleiben können, so müßte man unsere Philosophen für Schwätzer halten, weil sie ein so großes Aufheben von diesem Gegensatz machen. Aber sie wissen wohl, weßhalb sie das thun. Ihre Welt ist eine andere als die des Auferstandenen. Sie feiern schon Pfingsten, wenn die Christengemeine Ostern feiert. Aber ihr Pfingstfest ist eine Verkümmerung der christlichen Pfingsten, weil nur da in Wahrheit die Offenbarung des heiligen Geistes gefeiert werden kann, wo die Wahrheit der Auferstehung gefeiert wird. Sie lassen nicht nur das Leben Christi in den Geist Christi, sondern auch den Geist Christi in den Gemeingeist aufgehen. Sie wissen nichts von all den hohen, feinen Bestimmtheiten in der Welt des Geistes, auf denen die Lehre von dem heiligen Geiste beruht. Sie feiern das Fest des religiösen Menschengeistes in seiner allgemeinen Gestalt, und dieses Fest nennen die Pfingsten oder auch Himmelfahrt, sogar Ostern, Alles was ihr wollt. Ja, und wenn sie noch das Fest des wahrhaft lebenskräftigen religiösen Menschengeistes feierten, aus dem alle Bestimmtheiten des christlichen Lebens sich entfaltet haben unter den Lebensmittheilungen Gottes, so feierten sie wenigstens den halben Advent. Aber der religiöse Geist, welchen sie verkünden, soll sich stolz und selbstgenügsam allen Entwickelungen, allen historischen Thatsachen des christlichen Geisteslebens gegenüberstellen. Redet von der heiligen Individualität Christi, die von dem heiligen Geist empfangen ist: sie reden schon von dem Geiste, und zwar von einem Geiste, der jene Individualität in ihrer Einzigkeit überflüssig machen soll. Und so löschen sie mit dem Geistesleben, das sie verkündigen, jede Bestimmtheit, jede Thatsache des Reiches Gottes in seiner eigentlichen Bedeutung aus. Es ist nicht der Geist, in dem das Evangelium in seiner Lebensfülle entsteht, sondern jener, vor dem es vergehen soll. In diesem Sinne reden sie denn auch von der geistigen Auferstehung; sie soll die faktische, persönliche Auferstehung Christi negieren. Sie machen Ausfälle auf den „fleischlichen“ Glauben, auf den „Wunderglauben“, auf den „Buchstabenglauben“, und immer zielen sie im Grunde nach dem Herzen der Ostergeschichte, nach der großen Thatsache. Der persönliche Christus verschwindet ganz unter diesem trügerischen Spiel, womit sie die geistige Auferstehung verkündigen.

Wieder Andere wollen wenigstens diese einzige Persönlichkeit retten; nur ihr Wiedererscheinen in dem auferweckten Leibe und in dem neuen Leben fassen sie nicht. Die Jünger, heißt es, sind der idealen Auferstehung Christi, des Eingangs seiner verklärten Persönlichkeit in das himmlische Leben in ihrem Geiste gewiß geworden; darin besteht die Ostergeschichte. Aber diese Gewißheit brauchten sie ja nicht erst durch den Anblick des leeren Grabes Jesu und durch Ekstasen der frommen Frauen zu gewinnen. Man müßte eine wunderliche Meinung von den Jüngern haben, wenn man meinte, sie hätten die Gewißheit, daß Jesus in den Himmel gekommen sei, erst durch außerordentliche Vorgänge erhalten. Und wenn eine solche Gewißheit die Osterthatsache machte, so hätte sicher schon Isaak am Grabe seines Vaters Abraham das Osterfest gefeiert; dem der persönlichen Fortdauer seines Vaters und seiner Aufnahme ins himmlische Leben war er ohne Zweifel gewiß. Ja, in der Schule des Sokrates hätte man ein ähnliches Osterfest schon vor dem Augenblicke gefeiert, da er den Giftbecher trank, und seinem Tode entgegenging. Sollte eine solche Versicherung frommer Lebendigen über dem Grabe frommer Todten den Wendepunkt der Weltgeschichte bilden, so würde dieser in tausend kleinen Wendepunkten zerbröckeln. Aber die kleinen Wendepunkte würden wohl selber verschwinden, wenn der große fehlte. Mit der großen Wirklichkeit der Auferstehung würde auch die Zuversicht des seligen Fortlebens der Frommen aus der Welt verschwinden. Denn jede Lebenssphäre bildet einen Gegensatz des schaffenden und des empfangenden Lebens, des bestimmenden Centrums und der bestimmten Peripherie, und so wie es keinen Umkreis von blühenden Welten geben würde ohne das Centrum der Sonne, so auch keine so unendlich reiche Sphäre der Hoffnung auf die Auferstehung ohne das belebende Centrum einer Persönlichkeit, welche die Auferstehung selber ist. In der zuletzt bezeichneten Richtung hat man sich endlich noch zu einer besonderen Confession entschlossen, was die Offenbarung des Auferstandenen anlangt. Christus, heißt es endlich, ist den Seinen wirklich erschienen, aber nur in der Form der Geistererscheinungen. Vielleicht waren diese Erscheinungen nur subjektive Gedichte, die sich in ihrer Aufregung erzeugten; aber es wäre doch auch möglich, daß sich Christus als ein Revenant den Seinen gezeigt hätte. - Aber der Revenant macht den Eindruck des Unglücklichen, des Ohnmächtigen. Er sollte die Erde verlassen, und kann es nicht; er wollte sie gerne wieder betreten, und vermag es ebenfalls nicht. Nur in einem Schattenbilde seiner Leiblichkeit, das seine Persönlichkeit in die nächtliche Stimmung empfänglicher Menschen wirft, indem sie hart an der Schranke des diesseitigen Lebens hinstreift, kann er allenfalls ein Zeichen geben, daß er in der jenseitigen Welt hinter der Scene fortlebt. Der Revenant ist eine Erscheinung, aber keine Gewißheit; er ist ein Fortlebender, aber kein leiblich Auferstandener; ein Bekümmerter, aber kein Triumphierender. Er ist in der Regel ärmer als die Diesseitigen, kein Tröster der Lebendigen. Und Christus sollte sich zuletzt den Seinen als ein solches Gespenst gezeigt haben? Der Herr der Herrlichkeit sollte als ein erscheinungssüchtiger Schatten in der Geistesdämmerung der Seinen sich haben blicken lassen? Freilich kann man nicht annehmen, daß Christus in das diesseitige Leben zurückgekehrt sei wie Lazarus. Er ist auf erstanden zum jenseitigen Leben, aber in der Macht des diesseitigen, in der Verklärung des Leibes, oder in der Macht jenes Auferstehungslebens, in welchem das Jenseits und das Diesseits zusammenfällt. In dieser Gestalt konnte er allerdings nicht den profanen Blicken der Welt sich zeigen, sondern nur den Jüngern, deren Blicke durch den geistigen Weltuntergang, den sie durchgemacht hatten, geweiht waren. Es war ja nicht genug, daß sie die neue Leiblichkeit des Herrlichen sahen, sondern sie mußten auch die Herrlichkeit ihres Herrn in dieser Leiblichkeit sehen können. Sie standen aber nach ihrer Geistesstimmung ganz so: sie konnten den Herrn sehen in seiner Herrlichkeit, weil ein heiliger Weltabend mit dem Charfreitag über ihre Seele gekommen war. Sie waren gerade da, wohin die gläubige Menschheit kommen muß an dem einstigen historischen Weltabend, um den Herrn in seiner Herrlichkeit zu empfangen. Sie sahen ihn also nicht bloß mit ihren leiblichen Augen, sondern unter der Mitwirkung ihrer visionären Disposition, obwohl sie ihn mit leiblichen Augen sahen. Daß sie ihn aber also leiblich sahen von Anfang an, beweist sogleich die Erfahrung der Magdalene. Sie meinte zuerst, sie sähe den Gärtner. Dieß widerspricht ganz dem Charakter einer subjektiven Ekstase. Die Leiblichkeit des Herrn stand schon vor ihrem leiblichem Auge da, bevor sich seine Herrlichkeit und Persönlichkeit ihrem geistigen Auge entfaltet hatte.

Einen feineren und bedeutenderen Zug der objektiven Wahrhaftigkeit der Auferstehung Jesu könnten wir schwerlich finden. Und diese wunderbare Erscheinung - sie wandelte mit den Jüngern, sie zeigte ihnen die Narben in den Händen und in der Seite, sie redete, sie aß mit ihnen, sie gab ihnen die bestimmtesten Aufträge! Ja, wenn erst Christus in seinem neuen Leben den Jüngern so nahe war, dann konnte er nicht als Revenant an ihnen vorüberschleichen. Sein Wiedererscheinen mußte die Macht seines ganzen Lebens, seiner ganzen Geschichte haben: es mußte durchdringen wie der Strahl der Sonne durch seinen Leib, durch die Sichtbarkeit, durch die Herzen seiner Jünger, durch das ganze Diesseits, durch die ganze Welt. - Die beiden Ansichten, welche wir zuletzt erwähnt haben, zeigen, wie der Nebel sich lichtet vor der Sonne der Auferstehung, und wie das Sonnenbild anfängt, wenigstens durch eine hellere Stelle in der Nebelwand sein Dasein zu verrathen. Allein an sich betrachtet, kann man sie nur als unentschiedene und unerhebliche Zwittermeinungen betrachten, welche zwischen der christlichen Ueberzeugung von der persönlichen Auferstehung des Herrn, und der pantheistischen Hypothese von seinem Aufgehen in den Gemeingeist der Menschheit hin und her schwanken. Das aber haben alle diese Behauptungen einer „höheren, geistigen“ Auferstehung Christi miteinander gemein, daß sie sich der christlichen Gemeine gegen über möglichst verhüllen, indem sie sich die kirchliche Ausdrucksweise aneignen. Es muß aber darauf gedrungen werden, daß dieses Gemunkel, welches die Geister entmuthigt, statt sie zu beleben, das die Lebendigen in der Gemeine eher tödten könnte, als die Todten in ihr lebendig machen, ein Ende nehme. Dieß geschieht aber, wenn ein wahres und redliches Entweder, Oder! an die Stelle jenes schleichenden und falschen tritt. Das ist die feierliche Frage der Gemeine Christi an unsere Zeit: wer ist in dem Leben seines Geistes ein Zeuge geworden für die Gewißheit der persönlichen Auferstehung Christi; wer wagt es, sie zu läugnen?

3. Der große Gegensatz in seiner Bedeutung.

Die Frage, welche wir zuletzt aufgestellt haben, ist die entscheidende Lebensfrage der christlichen Gemeine. In ihr concentriert sich eine ganze Reihenfolge von Streitfragen, welche dieselbe in unserer Zeit verwirren. Es sind Fragen, über welche die Gemeine durchaus zu der höchsten Klarheit kommen muß. Und so wie die erste sich uns in einer bestimmten Alternative dargestellt hat, so bilden auch die folgenden eine Reihe von Alternativen, die wir in einer kurzen Skizze darstellen wollen. –

In der Lehre von der Auferstehung Jesu culminiert die christliche Weltanschauung; dagegen fixiert und verstockt sich in der bestimmten Verläugnung derselben die pantheistische. Dieser Widerspruch erzeugt die ganze Familie von verwandten Widersprüchen, die man aus ihrer Verworrenheit, Verhüllung und Heuchelei hervortreiben muß, indem man die Alternativen des christlichen Auferstehungsbewußtseins entwickelt, und in scharfer Bestimmtheit aufstellt.

Aus der ersten Alternative, nach welcher es die Frage ist, ob man die reale, persönliche Auferstehung verkündigt oder nicht, entwickelt sich sofort die zweite. Entweder nämlich verkündigt man den persönlichen Christus, der in dem Menschen Jesus in die Welt gekommen ist, der mit ihm ewig Eins ist, ihn ins Leben gerufen hat, der ihn im ewigen individuellen Leben und im Licht des Himmels verklärt; oder man redet von einem unpersönlichen Christus, dem Christus des Juden Philo, welchen auch der Jude Spinoza gelten lassen kann, welcher den Menschen Jesus nur streifend berührt, oder auch theilweise erfüllt, dann aber seine Individualität durchbrochen und zersprengt haben soll, der ihn soll begraben haben in die ewige Nacht, worin alle Individuen versinken nach dem Wahne des Pantheismus. Jesus erscheint aber in seiner ewigen Identität mit Christus als die alle Menschen umfassende Persönlichkeit, als der Eingeborne, in dessen Geistesumfang und Macht alle Menschen, wie sie zum Leben berufen sind, hineingeboren werden, unter der Bestimmung, in ihm eine ewige organische Einheit zu bilden. Es fragt sich nun, ob man diese weltumfassende Persönlichkeit Jesu anerkennt; oder ob man ihn nur als einen religiösen Genius unter den Genien will gelten lassen, etwa als den besten unter den vielen, die aber alle rechts und links und nach allen Seiten als besondere Geistesmächte den Organismus seines universalen Lebens in der Welt durchbrechen können.

Diese große Persönlichkeit Jesu, welche die Menschheit umfaßt, feiert in der Auferstehung ihre geschichtliche Vollendung, in welcher zugleich die Menschheit prinzipiell vollendet ist. Diese Vollendung gibt sich kund darin, daß Jesus als der Auferstandene aus dem geschichtlichen Weltlauf zu dem ewigen Gott geht, und daß der Geist Gottes als der heilige von ihm in die Menschheit ausströmt, und sein vollendet persönliches Leben der Menschheit einverleibt. Es fragt sich nun, ob man dieses Fortleben des persönlichen Christus in der Menschheit erkennt in seiner ganzen Macht, als eine ewig persönliche Wirkung des persönlich ewigen Christus; oder ob man in dem Geiste Christi nur eine unbestimmte, durch die Menschheit bereicherte Nachwirkung des Lebens Jesu erblicken kann.

Diese Alternative nimmt bestimmteren Verkennungen des Geistes Christi gegenüber folgende Gestalt an: Trat das Christenthum als der Geist der Herrlichkeit, in welchem alle Momente des christlichen, des gottmenschlichen Lebens vorhanden und vereinigt waren, somit als die gereifte Gottseligkeit, in die Welt; oder trat es unreif, unentwickelt und sogar verkümmert, folglich also, bei den hohen Ansprüchen, die es machte, als die decidierte Armseligkeit (als Ebionitismus) in die Welt? Hat die Gottseligkeit des Christenthums der Armseligkeit der Welt, oder hat die Gottseligkeit der Welt der Armseligkeit des Christenthums zum Leben verholfen?

Der Geist, welcher von Christus ausströmt, gibt sich kund als der heilige. Er entnimmt jedes Bewußtsein, das er erfüllt, jedes Leben, das er beherrscht, seiner falschen Beziehung auf die Welt, und führt es in seine Urbeziehung zu Gott, also in die ideal-reale Welt zurück. So erscheint er als eine besondere göttliche Persönlichkeit, worin sich die ewige Persönlichkeit der allgemeinen Menschheit in Gott kund gibt. Er ist der Geist der Vollendung der allgemeinen Menschheit. Darum versteht er sich selber ganz in jedem Bewußtsein, das er erfüllt, erkennt er sein eigen Leben wieder in jedem Herzen, das ihm begegnet, und stimmt er mit sich selber ganz überein in allen wesentlichen Lebensäußerungen seiner Träger. So aber äußerte sich der heilige Geist nach dem Zeugnisse des Neuen Testaments in der Gemeine der Apostel: sie waren. Ein Herz und eine Seele; und erst in dieser vollendeten Einigkeit des Geistes traten sie als Apostel Christi hinaus in die Welt. Hat man es nun erkannt, daß die Apostel diesen Geist der Herrlichkeit hatten, und in ihm Einen Glauben, Eine Religion, Eine Religionsstufe; oder kann man in den Aposteln nur alttestamentliche Propheten des christlichen Geistes oder Advents sehen, und kaum diese, indem man wähnt, Einer sei wesentlich über den Andern hinausgegangen, ja es habe die Religion des Einen die des Andern reformiert?

Freilich hat der Eine Geist die Fülle des Lebens Christi durch die mancherlei Gaben der Apostel kund gegeben. Seine Einheit erblüht in der reichsten Mannigfaltigkeit der individuellen Gestaltungen, der besonderen Beziehungen des gottmenschlichen Lebens. In seiner Beziehung zum alttestamentlichen Judenthum aber stellt derselbe das christlich verklärte Gesetz dar in dem Jacobus als These, das im christlichen Glauben concentrirte und verwandelte Gesetz in dem Paulus als Antithese, das aus dem christlichen Glauben erblühende neue Gesetz im Johannes als Synthese.

Es fragt sich nun, ob man in dieser Mannigfaltigkeit des apostolischen Geistes den entfalteten Reichthum der Einen Persönlichkeit Christi, und die Grundzüge des Reichthums der allgemeinen Persönlichkeit der christlichen Menschheit erkennen kann; oder ob man in dieser Mannigfaltigkeit. Verschiedenheiten und Veränderungen des Urchristenthums sehen will; so daß man die vollendete Einheit des urchristlichen Geistes verkennt, und das Wesen des Christenthums gerade nur in dem Wechsel seiner Formen und Beziehungen, seiner Gewänder erblickt. Im ersteren Falle bildet sich eine Theologie der Genossenschaft mit dem Helden der Menschheit, im letzteren eine Theologie der Kammerdienerschaft, die nur das Aeußerlichste des Helden würdigt; die eine als eine Theologie des heiligen Herrn, die andere als eine Theologie der heiligen Röcke. Das ist hier die Frage: War das Christenthum der Apostel die vollendete Geistesreligion, oder stellte es verschiedene Stufen einer unreifen christlichen Jüngerschaft dar?

In der christlichen Gemeine ist die allgemeine Persönlichkeit der Menschheit ins Leben getreten, das sich selber erfassende Bewußtsein der Menschheit, die Gewißheit ihrer Ewigkeit in Gott, in Christo. Sie ist aber ins Leben getreten mit einem reichbestimmten Bewußtsein, und der Ausdruck dieses Bewußtseins ist das Wort Gottes. Das Evangelium ist der Ausdruck und Abdruck des Lebens Christi in der Bestimmtheit des Wortes. Das Wort ist das reine Medium, die Urform des Gehaltes des christlichen Geistes. Es ist zugleich die Klarheit des Bewußtseins der Gemeine Christi, so zu sagen, der Taufname ihrer herrlichen Persönlichkeit. Darum kann auch der religiöse Sinn in seiner Gesundheit die Herrlichkeit des Wortes Gottes nie verkennen. Wo er aber das Wort verkennen will, da thut er es in dem Wahne, als könne die religiöse Ahnung, die in ihrer morgenfrischen, welthistorischen Fruchtbarkeit unter der Wirkung des Geistes Gottes alle Bestimmtheiten des Christenthums und des Wortes Gottes zur Welt geboren hat, nun am Weltabend, da sie alt geworden ist, und da sie nur durch den Zusammenschluß mit der vollendeten und entwickelten Religion sich verjüngt, in individuellen Formen und Verkümmerungen noch einmal eine neue, schiere Religion, oder gar eine Menge solcher Religionen gebären. In diesem Zuge wird der religiöse Sinn spiritualistisch. Er verkennt, daß die religiöse Ahnung jetzt, da die Erfüllung der Religion vorhanden ist, nichts Größeres thun kann, als ihren Geist in dem Worte dieser Religion, das Wort in diesem Geiste zu verklären. Er will immer wieder den Geist neben und außer dem Worte, und fängt an, das Wort anzufeinden. Darum muß das Verhältniß zwischen dem Geist und dem Wort scharf bestimmt werden. Es muß unterschieden werden zwischen dem Geist, der das Wort hervorbrachte, der es versteht, verklärt und in seinem Leben verewigt, und zwischen jenem Geiste, der das Wort einen todten Buchstaben schilt, und seine Bestimmtheiten verwischt und verschwemmt; zwischen dem Geiste Christi, der alle Lichter des Wortes anzündet, und jenem Geiste, der alle seine Lichter auslöscht. Die allgemeine Persönlichkeit der Menschheit, die Kirche, ist eine moralische Person. Als moralische Person muß sie sich selber treu und gleich bleiben, und zwar in der grandiosesten Consequenz, da sie die moralische Persönlichkeit der neuen Menschheit ist. Daraus folgt, daß sie ihre Communion heilig halten muß im Gegensatz gegen offene Profanationen. Somit gehört also die Kirchenzucht zu ihrem Recht, zu ihrer Pflicht. Ebenso sehr aber muß sie ihre öffentliche Lehre, ihr Bekenntniß frei halten von der Vermengung mit öffentlichem, frechem Widerspruch. Daraus ergibt sich ihr Lebensbedürfniß, einem solchen Widerspruch gegenüber Symbole aufzustellen, und sie als Gesetze ihres socialen Lebens zu behaupten. Die symbolische Haltung gehört zu der geistigen und sittlichen Bewußtheit, die geweihte Communion zu der reinen Lebensinnigkeit der Kirche; die Heilighaltung beider und die Ausschließung ihrer öffentlichen Verächter gehört mit zu ihrem moralischen, socialen Ehrgefühle. Dieses moralische Ehrgefühl der Kirche wird bestritten. Man behauptet, sie könne ihre früheren Lehr- und Lebensbestimmungen, die alten Symbole, desavouieren; ja, sie müsse das, es gehöre zu ihrem Fortschritte. Man behauptet, sie sei es dem Staate schuldig, oder ich weiß nicht welcher unbekannten dritten Potenz, ihr sociales Heiligthum, die Communion, für alles, was einmal Christ geheißen hat, offen stehen zu lassen; das gehöre zu ihrer Toleranz. Man erwartet, sie solle keine verbindenden Verpflichtungen für ihre Diener und Glieder mehr aufstellen; dies sei gegen die Freiheit. Was will man mit alle Dem? Die moralische Freiheit dieser herrlichen Persönlichkeit brechen, ihre Ehre entwürdigen. Denn die Kirche hat ihre Lebensexistenz der Welt gegenüber in der Klarheit und Bestimmtheit ihrer Lehre, in der Heiligung ihrer Gemeinschaft, in der Consequenz ihrer Selbstbestimmung, in dem gesetzlich fein bestimmten Ausdruck ihrer Freiheit. Namentlich wäre eine Kirche ohne dogmatische Bestimmtheit, ohne Heiligung der Communion keine Kirche. Dagegen bewährt die Kirche ihre Ehre in der Kraft, die Geheimnißlehren des Reiches Gottes zu bewußten Social-Principien zu erheben, durch die Weihe der Sacramente sich immer mehr dem himmlisch reinen Leben zu nähern; überhaupt in der Vermittelung ihrer Stiftung mit der Gewissensfreiheit und dem Glauben der Welt, die Reinheit und Hoheit dieser Stiftung treu zu bewahren. Will man der Kirche das erlauben, die moralische Person par excellence zu sein? Oder möchte man sie in eine unmoralische Person par excellence verwandeln? Möchte man ihr zumuthen, in ihr öffentliches Leben die Selbstverneinung, die Selbstverwerfung ihrer welthistorischen Bekenntniß-Acte, in ihr Lehramt den Selbstwiderspruch, in ihre Communion die sittliche Herabstimmung, in ihre Freiheit die hohle, wilde Seele der Gesetzlosigkeit aufzunehmen? So verkennt man die Consequenz der Entwickelung, welche zu der moralischen Würde der Kirche gehört. Aber auch die Freiheit der Entwickelung bedarf sie. Weil die Kirche die allgemeine Persönlichkeit ist, so ist sie in ihrem Sein und Wesen im höchsten Sinne mündig. Dieses Centrum ist aber von einem Werden umgeben, worin die Kirche unmündig zu sein scheint, während nur der Theil der Welt unmündig ist, der angefangen hat, Kirche zu werden, der es aber noch nicht ganz geworden ist. Die Kirche hat eine Vorhalle, welche aus ihren Katechumenen besteht; ein großes Seminar, worin nicht nur Individuen, sondern manchmal Nationen sich befinden. Da die Kirche in ihrem Wesen die wahrhaft mündige Persönlichkeit der Menschheit ist, so ist sie die von Gott verordnete Vormünderin der Welt. In diesem Recht der Kirche liegt aber eine dreifache Pflicht derselben. Zuerst diese, daß sie alle unmündigen Christen zur Mündigkeit des kirchlichen Lebens erziehe, und sie sobald als möglich in ihre Rechte einsetze. Ferner, daß sie in ihren Mündigen das Recht der Mündigkeit heilig bewahre. Drittens endlich, daß sie in ihren Mündigwerdenden die ihnen gebührenden Rechte in Anspruch nehme. Worin besteht aber die Mündigkeit der Kirche? Darin, daß das Gesetz ihres Lebens nicht in alttestamentlicher Gesetzlichkeit ihr gegenübersteht, sondern in neutestamentlicher Bestimmtheit sich aus ihrem Glaubensleben entfaltet (siehe Galat. 4, 1. ff.). Sie verwaltet stets ihre Vormundschaft, indem sie ihre Lebensgesetze aus der neutestamentlichen in die alttestamentliche Form übersetzt; dagegen verwaltet sie stets ihre Mündigkeit, indem sie dieselben Lebensgesetze aus der alttestamentlichen in die neutestamentliche Form verwandelt durch den Lebensprozeß der Reformation. Das ist die Freiheit ihrer Entwickelung. Will man ihr diese Freiheit zugestehen? Viele verwerfen die Vormundschaft der Kirche selbst. Man verschreit es als Hierarchie, wenn sie Kinder und rohe Völker pädagogisch zu Christo führt. Aber auch ihre Mündigkeit will man ihr absprechen. Die Priester wollen die mündige Kirche ewig bevormunden, und sie in ihren meisten Gliedern zu einer ewigen Katechumenenkirche, zur Vorschule eines Priesterseminars herabwürdigen. Das ist untreue Vormundschaft. Auch die Philosophen wollen sie bevormunden. Nach der Dürftigkeit der Weltanschauung ihrer Systeme soll sich die Kirche des unendlichen Reichthumes ihrer Weltanschauung entäußern. Und wenn sie dieselbe nicht auf geistige Weise meistern können, so denken Manche unfrei genug, um dem Staat zuzureden, er solle die Kirche ihrer Selbständigkeit völlig berauben. Und wie mannigfach bevormundet, ja tyrannisiert der Staat die Kirche, ohne den Rath der Philosophen erst abzuwarten! So wird die Kirche, die hohe mündige Person, das Forum der wahren Mündigkeit in der Welt, die Predigerin auf dem Berge, vielfach auf's schnödeste bevormundet in ihren Mündigsein, den treusten Kindern ihres Geistes. Dies kommt daher: die Kirche ist ein Weib. Das Weib aber wird Unrecht leiden, so lange es Barbarei, rohes, hartes Wesen in der Welt gibt. Aber dieses Weib ist die Braut Christi. So ist also dies die Frage: Wird man endlich diese verkannte fürstliche Persönlichkeit, die mündige Kirche, die Gemeine der Gläubigen in ihrer Gewissens- und Glaubensfreiheit als mündig gelten lassen, frei geben, und verehren lernen? Wird der Hierarch Rechenschaft ablegen von seiner Vormundschaft, die er über den großjährigen Mündel unberufen fortsetzt? Wird der Philosoph es lernen, ein Geistesleben, von dessen Tiefen er kaum eine Ahnung hat, mit Verehrung zu behandeln, obwohl es in volksthümlicher Form erscheint? Wird der Staat sich in das richtige organische Verhältniß zur Kirche setzen, indem er ihr das evangelische presbyteriale Episkopat in ihrem Gebiet freigibt, oder wiedergibt? Die Kirche bedarf der Freiheit für ihre Entwickelung; diese Freiheit wird ihr bestritten. Sie darf sich aber ebenso wenig in der Treue ihrer Entwickelung stören lassen. Denn so wie sie die mündige Persönlichkeit ist, so ist sie ebenfalls die dem Herrn geheiligte. Wenn man ihr aber tausendfach mit der Reformation ihre Mündigkeit verkümmert, so ist sie in Gefahr, sich durch die Revolution von dem Wege ihrer Heiligung verlocken zu lassen. Die Hierarchen erliegen gewöhnlich dieser Gefahr. Der wahre Messias wurde von den Schriftgelehrten verworfen; der falsche Messias Barcochba wurde bei seiner revolutionairen Unternehmung von Hierarchen und Rabbinen, namentlich von dem berühmten Rabbi Akiba, anerkannt. Das ist eine Gefahr der Kirche; sie wird zur Revolution gegen ihre eignen Grundlagen versucht. Sie ist zu einer unendlichen Entfaltung, Läuterung und Vergeistigung ihres Lebens berufen. Allein sie darf auf dem Wege ihrer Entwickelung nicht das Mindeste von ihrem Lebensprincip, von ihrer Lebensnorm und Lebensubstanz verlieren. Ihr Lebensprincip ist die ewige Persönlichkeit Christi. Ihre Lebensnorm und Substanz ist die ewige und heilige Liebe Gottes, wie sie sich für sie ausgesprochen und ihren Reichthum auseinandergelegt hat in dem göttlichen Wort. So muß also die Kirche ewig sich selber in ihrem Princip gleich bleiben. Der persönliche Christus und die christliche Persönlichkeit müssen aus allen ihren Entwickelungen nur immer heller hervorblicken. Ihr Wachsthum muß ein Wachsthum in der Liebe sein; der Geist der Erkenntniß der ewigen Persönlichkeiten, die Lust an der heiligen Saat der Persönlichkeiten, an ihrer Erweckung, an ihrer Blüthe und Reife muß immer mehr als der leuchtende Grundzug ihres Charakters hervortreten. Und weil die Liebe ihren bestimmten Ausdruck hat in dem Worte Christi, so wird diese Norm der Kirche immer mehr in allen Theilen heiliges Lebensgesetz werden. In der Uebereinstimmung mit dem Wort muß die Kirche die Versicherung der Treue in ihrer Entwickelung finden. In demselben Maaß aber, als sie so durchs Wort dem heiligen Geist ihres Lebens treu bleibt, beharrt sie in dem entschiedenen Widerstreit gegen den unheiligen Geist der Welt. Diese Treue ihrer Entwickelung aber wird in höchsten Maaße angefochten in unserer Zeit. Sie soll vor allen Dingen ihr hohes Bewußtsein, in einem persönlichen Verhältniß zu stehen mit dem persönlichen Gott durch den persönlichen Christus, aufgeben. Sie soll an der Saat der ewigen Persönlichkeiten, deren Pflege sie übernommen hat, verzweifeln. Dem Moloch, dem Zeit- und Prozeß-Gott soll sie ihre Kinder durchs Feuer gehen lassen, indem sie die Lehre von der Unsterblichkeit derselben, von ihrer Auferstehung aufopfert. Die Bestimmtheit des Wortes soll sie aufgeben an die Unbestimmtheit der Ahnung, die Bestimmtheit des heiligen Geistes an die heterogene und antagonistische Stimmung des irreligiösen Weltgeistes. Sie soll mit einem Wort aus ihrer gesetzmäßigen organischen Entwickelung, die in dem großen Saatkorn der persönlichen Auferstehung Christi wurzelt, und in der großen Saat der allgemeinen Auferstehung reifen wird, und auf dem ganzen Wege ihrer Entfaltung lauter Auferstehung ist - aus dieser gesetzmäßig treuen Entwickelung soll sie durch tausend subtile Laxheiten überspringen in eine romantische, falsche, ungesetzliche Metamorphose, und am Ende in dem dämonischen Materialismus des Weltgeistes mit verderben. Der Versuchergeist tritt ihr immer lockender und imponierender gegenüber. Darum fragt sich's, ob er endlich von ihr weichen werde, oder ob sie ihn mit einem zerschmetternden Scheltwort von sich stoßen solle. Und wie die Entwickelung dieser großen Persönlichkeit, der Kirche, geheiligt ist, so ist sie auch von dem hellsten Bewußtsein begleitet; sie ist eine höchst bewußte. Das heißt: die Wissenschaft gehört mit zu ihrem Leben, die Theologie ist die Entfaltung ihres Glaubenslebens in der gebildeten Intelligenz. Man will der Kirche diese heilige Bewußtheit bestreiten. Sie soll sich daran genügen lassen, im dunklen, verworrenen Gefühl ihr Leben zu haben; die Wissenschaft von ihrem Leben aber soll sie einer vornehmen Theologie, einer Geistesindifferenz überlassen, welche sie bedienen will, wie der Cassaführer den reichen oder auch verschuldeten Besitzer, dem er am Tage des Unglücks eine entsetzliche Bilanz macht. Und diese Theologie will sich sogar dazu verstehn, dem religiösen Gefühl in einem innerlichen Jenseitsbedürfniß vollen Spielraum zu gewähren, und alle seine Regungen für indifferent zu halten, wenn es dagegen einstweilen auch alle Bestimmungen dieser Theologie für indifferent gelten lassen will. Keine Spur von psychologischer Wahrheit, von moralischer Würde, von christlicher Geistesherrlichkeit ist in diesem Vergleichsvorschlag. Vielmehr muß die Kirche, als die Gemeine der Religion des Geistes, gerade in den Bestimmtheiten der Theologie die zartesten Bestimmtheiten ihres eignen Lebens sehen. Freilich eben deswegen muß sie auch in den freisten Forschungen und Vermuthungen der Theologie (die überall von frechen socialen Widersprüchen bornierter und arroganter Geister gegen die Grundprincipien ihres socialen Lebens zu unterscheiden sind) die regten Aeußerungen der unendlichen Geistesbewegung, die sie zu ihrem Leben bedarf, erblicken. Die Kirche muß also darauf bestehen, daß ihre Christlichkeit immer mehr theologisch, daß ihre Theologie immer mehr christlich lebendig werde, daß die unveräußerliche Polarität zwischen dem frommen Lebensgefühl der Gemeine, und der höchsten Forschung der Theologen, in einer immer innigeren, schnelleren und feineren Wechselwirkung sich bewege. Wird man das endlich wieder anerkennen, daß die Theologie Vollendung der Religion sei, die vollendete Religion im Grunde Theologie? Oder will man eine Theologie, welche die Religion vernichten dürfte? Diese Theologie würde von der Religion vernichtet werden, und dies würde eben ein Act der wahren Theologie sein. Da die Kirche die allgemeine Persönlichkeit der Menschheit darstellt, so ist es klar, daß sie sich immer mehr erweitern, daß sie endlich die ganze Menschheit in ihren Lebenskreis, in ihr Leben aufnehmen muß. Wie das Bewußtsein dieser Persönlichkeit die Welt umfaßt mit seiner Liebe, so will es die Welt durchdringen mit seinem Geist, und dadurch aufnehmen in seinen Geist. Ja, mit der Menschenwelt will es auch die ganze Erde in Besitz nehmen, will sie verstehn, ihren Himmelsklang empfinden; will sie zu einer neuen umgestalten. Diesem Anspruch stellt sich ein kalter Geist der Verneinung in den Weg, und behauptet, er sei eine bloße Prätention. Der gemeine Christ soll der höchsten Erkenntniß, der Volksgeist der geringeren Menschenracen soll des Christenthums, der wilde Erdgeist soll der Vermenschlichung und Vergeistigung nicht fähig sein. Der stolze Geist der Welt zieht also wie ein besprechender Zauberer einen schwarzen Kreis ahriman'scher Finsterniß um die erleuchtete Christengemeine herum, und spricht: Bis hieher, und nicht weiter! Aber der Geist der Gemeine zerstört den finstern Kreis, indem er ein flammend helles Kreuz hineinzeichnet mit seinem Missionswesen, und spricht entschieden auch in diesem Dienste des Herrn das Losungswort aus: Wer nicht für mich ist, der ist wider mich!

Und so wie man die Hoffnung der Kirche mit einem schwarzen Zauberkreis umziehen will im Raume, so auch in der Zeit. Das Unsterbliche in der Religion, sagt man, werde sich in philosophische Begriffe auflösen; damit werde das Vergängliche in den Volksvorstellungen mit denselben zu Boden fallen, oder nur noch am Boden des gemeinen Volksbewußtseins sein Leben fristen. Ja, Einzelne haben die Menschheit schon von der Religion wie von einer Illusion, einer Krankheit, einer fixen Idee los machen wollen; von der Religion, geschweige vom Christenthum. Man will also der Kirche ihre Zukunft verkümmern, absprechen. In der Folgezeit soll sie sich in ahrimanischer Finsterniß verlieren, oder, was eben so viel ist, in einem rein materialistischen Staatswesen. Aber auch diesen Zauberkreis vernichtet die Hoffnung der Kirche. Weil sie die Persönlichkeit der Menschheit ist, so muß sie sich als allgemeine Persönlichkeit vollenden. Sie muß ihr Ziel erreichen in einer geheiligten Menschheit, deren Mitglieder sich alle als Kinder der Auferstehung wissen, die sich immer mehr in ihrer Individualität erfassen, heiligen, ausbilden und verewigen. Ja, die Zeit muß zuletzt auf dem Wege der Kirche durch den jüngsten Tag in die Ewigkeit übergehn, die Vergänglichkeit muß sich vor ihrem Blick ins Unvergängliche verwandeln, der Tod in ihrem Gesichtskreise muß zerrinnen, und in dem Feuer der Weltmetamorphose muß sich ihre ganze Glaubenswelt in eine idealschöne Erscheinungswelt verwandeln. Die Persönlichkeit der Menschheit muß sich vollenden in der vollendeten Gemeine. Will man die Kirche selig preisen in dieser Hoffnung ihrer Zukunft, oder will man ihr dieselbe entreißen, und sie dem Gott des ewigen Wechsels, der Vergänglichkeit, der alles begrabenden Zeit wie eine verwerfliche Schwärmerei zum Opfer bringen?

Es liegt in dem allgemeinen Wesen der Kirche, daß sie eine einige Persönlichkeit ist. Und doch ist sie so zertrennt in Confessionen und Sekten! Dieser Wirrwarr, sagt man, dieser Hader muß aufgehoben werden. Aber aufgehoben soll der Zwiespalt der Confessionen werden auf negative Weise; dadurch, daß sie sich miteinander in Eine gemeinsame Unconfession auflösen, in das Bekenntniß der vollendeten Verworrenheit, der Unfähigkeit, sich in den Principien der christlich verklärten Menschheit zu einigen; daß sie untergehn in einer zweiten Kindheit der Altersschwäche der Kirche, worin diese das Bewußtsein um ihre Dogmen, um die Mysterien ihrer Geburt vergessen hat, und nur noch in moralischem Wohlthun sich der Welt nützlich machen soll. Aber die Confessionen können nur confessionell ihre Spannungen auflösen, dadurch, daß sie sich in ihrer Grundlage, in der Schrift, und im Leben Christi ihres Wesens erinnern, und in der wesentlichen Taufe seines Geisteslebens ihrem alten Adam absterben, und wiedergeboren werden, um in ihren wesentlichen Momenten den reichen Organismus des Leibes Christi zu bilden. Es hat freilich den Anschein, als ob mehrere der großen Kirchen der Christenheit in ihrer alten Erscheinung immer mehr dem Untergang zusteuren wollten. Aber es gibt keinen Untergang so großer, weltgeschichtlicher Art, der nicht eine lebensreiche Auferstehung zur Folge hätte. Und auf eine solche Auferstehung zur Einheit in dem reichsten Organismus hofft die wesentliche Kirche. Sie hofft aber auf die Erscheinung dieser Einheit, weil sie dieselbe bereits hat im Grunde: in dem Einen Herrn, in dem Einen Evangelium, dem Einen Glauben, der Einen Taufe. Wird man es nun endlich dem Worte, das die Kirche ins Leben gerufen hat, und fortwährend bildend beseelt, zutrauen, daß es in ihr eine neue Welt, einen höhern geistigen Kosmos schaffe; oder will man verkündigen, die Kirche werde in einem Chaos von Spaltungen zu Grunde gehen, und dadurch beweisen, daß nicht das Wort der Wahrheit ihr Lebensprincip gewesen? - Der Geist der Wahrheit verkündigt die ewige, mysteriöse Einheit ihres Lebens, wenn auch die Grundzüge ihres Organismus noch kaum die Gestalt des Leibes Christi gewonnen haben im Mutterschooße der Zeitlichkeit; der Geist des Wahns dagegen predigt immerfort, sie sei mit Selbstwidersprüchen in ihrem eigensten Wesen behaftet; sie müsse zur Einigung mit sich selber kommen - durch den Tod.

Endlich ist die Persönlichkeit der Kirche als eine ewige zu erkennen. Als eine solche soll sie einst verherrlicht werden in der Offenbarung der Ewigkeit aller Personen, welche ihre Persönlichkeit umschließt - in der Auferstehung der Todten. Allein mehr als je wird diese letzte, stolzeste Hoffnung der Kirche, die Erwartung der Auferstehung der Todten, bestritten. Wenn schon die Saat geläugnet wird, die Auferstehung Christi, wie viel mehr ihre einstige Aernte, die Auferstehung der Todten! Von dieser Auferstehung weiß der pantheistische und spiritualistische Geist der Zeit nichts. Er hat keine Ahnung von der absoluten Vernünftigkeit dieser einstigen hohen Wirklichkeit. Viel eher könnte er einen einstigen General-Untergang aller Lebendigen predigen, einen Tag, an welchem es dem Weltgeist gefallen dürfte, durch eine zerstörende Erdmetamorphose ein rein undenkbar: Neues oder gar ein höchst unpersönliches Nichts aus dem alten Erdleben zu machen. Wenn er aber den Ausdruck „die Auferstehung der Todten“ gelten läßt, so hat er wieder dieselbe „geistige“ Auferstehung im Sinne, welche für ihn auf alle möglichen Verhältnisse paßt, und überallhin. Wieder dieselbe Leier, die wir bereits gehört haben! Nur gibt sie hier das verworrenste Stück im gedämpftesten Ton. Der Apostel Paulus aber macht die feierliche Erklärung: Wenn es mit der Auferstehung der Todten nichts ist, so ist auch Christus nicht auf erstanden, und in dem Falle ist es mit dem Christenthum nichts (1. Kor. 15, 13). Ihm sind diese drei Dinge durchaus Eins, und mit Recht; es ist die Einheit der Grundlegung, der Entwickelung und der Vollendung der Auferstehung, oder der Verklärung der Menschheit in ihrer ewigen Persönlichkeit. Hier also culminiert der Gegensatz der christlichen Weltanschauung und der pantheistischen in seiner letzten, höchsten Entfaltung, und das ist die letzte Frage: Wird die dunkle Substanz der Welt sich in der Subjectivität Christi und seiner Gemeine verklären zu einer vollendeten Idealität der Realwelt, oder, wird dieser Anflug des Idealen, das sich emporringende subjective Menschenleben zuletzt in der dunkeln Substanz des abstract Allgemeinen versinken? So geht offenbar der Zwiespalt zweier, ganz verschiedener, ja geschiedener Weltanschauungen durch unsere Zeit. Dieser Zwiespalt bildet sich immer mehr aus. Er tritt immer deutlicher in allen Momenten der christlichen Lehre hervor, namentlich in denen, welche wir in einer bestimmten Reihenfolge dargestellt haben. Er schneidet immer tiefer ein in die äußere Kirche, und droht, sie selbst in zwei Lager zu zertheilen. Es ist ein Zwiespalt, welcher bedeutender zu werden droht, wie jemals einer, der die Kirche in zwei Parteien getrennt hat; denn es handelt sich um das Grundprincip des Christenthums, ja der Religion, der höhern Menschenwürde, um die Wahrheit der Persönlichkeit. Wenn man aber die Zeichen der Zeit nach ihrer tiefern Bedeutung würdigt, so scheint die ganze, ungeheure, dunkle Gährung unserer Tage dahin zu arbeiten, sich in diesem Gegensatz zu klären, zu bestimmen, zu fixieren. Und nach der Allgemeinheit und Macht der Gährung, wie nach der Bedeutung des Gegensatzes, kann man vermuthen, dieser Zwiespalt könne zum letzten werden, zum größten, zum entscheidenden - er könne vielleicht zu jenem Riß werden, der einmal bis in den Abgrund gehen, und die letzte Krisis der Menschheit in der Scheidung des verklärten Menschenkerns von einem nach der Unpersönlichkeit ringenden, den Tod und die Finsterniß suchenden Niederschlag der Menschheit ankündigen soll. Jedenfalls ist es die Aufgabe der Kirche, sich des Grundprincips ihrer Weltanschauung, ihrer ganzen Geisteswelt, der Auferstehung Christi, immer mehr bewußt zu werden, immer mehr die Seligkeit in dieser Wahrheit zu erfahren, und sie immer freudiger als die Losung ihres Lebens zu verkündigen.

Eben darum aber, weil die Lehre von der Auferstehung an die Spitze der christlichen Lehren gestellt werden muß in unserer Zeit, muß sich auch die innere Gewißheit derselben in neuer Erweisung bewähren. Wir können manche Frage in den Hintergrund treten lassen vor dieser alles umfassenden Frage. Es handelt sich um die Gewißheit der Auferstehung.

4. Die Gewißheit der Auferstehung Jesu Christi.

Jede Kraft muß sich in der Welt zunächst Anerkennung verschaffen durch sich selbst, indem sich ihre drei wesentlichen Momente: ihre Idee, ihr Dasein und ihre Wirkung in Einer energischen Erscheinung bewähren. Je größer die Kraft ist, desto nachdrücklicher ist ihre Selbstbewährung. Wenn aber irgend eine Kraft wirksam auftritt, so hat sie den ganzen Widerstand entgegengesetzter Kräfte zu bestehen, und erst dadurch, daß sie denselben überwindet, bewährt sie sich als die größere Kraft. Und je mächtiger der Widerspruch ist, den eine Kraft überwindet, desto mächtiger ist sie selber. Die höchste Kraft wird sich also in der Besiegung des höchsten Widerstandes verherrlichen. So hat sich die Auferstehung Christi erwiesen durch sich selbst. Sie hat den höchsten Widerstand und Widerspruch besiegt. Sie hat sich zum herrschenden Mittelpunkte der welthistorischen Kräfte gemacht. Die Weltgeschichte geht im Kreise um diesen mysteriösen Punkt herum. So wie Ostern das Fest der Feste, der Sonntag der Sonntage und der Tag der Tage ist, so ist die Auferstehung Christi die Kraft aller Kräfte, das Ereigniß aller Ereignisse; mehr als irgend eine andere Thatsache bestimmt sie den weltgeschichtlichen Gang der menschlichen Dinge. Wenn der Auferstandene sein Dasein oder das Dasein seiner Auferstehung erweisen sollte, so hatte er die ungeheursten Widersprüche in der diesseitigen Welt zu besiegen. Er mußte eine ganze Reihe von Regionen der Todesschatten in der Stimmung der Menschheit durchbrechen und umgestalten, bis er in der Wirklichkeit unserer diesseitigen Welt die Anerkennung seines Daseins im neuen Leben durchgesetzt hatte. Zuerst mußte er die Region aller Gespensterfurcht durchbrechen. An die Wiederkehr der Todten glaubte man auch sonst schon. Aber die geliebten Todten wurden überall sonst bei ihrer wirklichen oder vermeinten Wiederkehr für die Diesseitigen zu dunklen Gespenstern, vor denen man sich entsetzte. Man hatte ein Gefühl davon, daß sie in regelloser Weise über die schauerliche Kluft zwischen dem Diesseits und Jenseits herüberschweiften; und sie zu schauen, das erschien selbst als etwas Unglückdrohendes, als eine Verdüsterung des diesseitigen Lebens. Christus aber hat in seiner Wiederkehr diese Region des Schauers durchbrochen, die Gespensterfurcht besiegt. Er hat den Eindruck des Grauens, den sonst ein Wiedererscheinender machte, aufgehoben in der Wirkung eines seligen Staunens, einer nie gekannten Wonne. In seiner neuen Wiedererscheinung hat er den Eindruck gemacht, daß das Jenseits traulich, das Diesseits heilig, und daß die schauerliche Kluft zwischen dem Diesseits und Jenseits in eine festliche Höhe, worin die diesseitige und jenseitige Welt ihre Vereinigung finden, verwandelt sei. Das Sehen eines Wiedererscheinenden gehörte zum Nächtlichsten, Ungewissesten, Graunvollsten und Bedenklichsten, zu den größten Nachtstücken der Superstition: er hat das Schauen des Wiedererscheinenden zu einer morgenheitern, gewissen, seligen Erfahrung, zu der Erfahrung des schönsten Gottesgrußes, zu dem Ausgangspunkt einer neuen Religion gemacht. Man könnte hier einwenden, dies werde eben. Alles erst noch vorausgesetzt. Aber man lese nur die Ostergeschichte. Am Ostermorgen ist ja factisch die Gespensterfurcht in dem Jüngerkreise Christi verschwunden; die Gespensterfurcht bei dem Gesicht des größesten Todten. Von diesem Etwas reden wir eben, welches diese Wirkung hervorbrachte; von diesem mysteriösen Etwas, das zuerst in den Herzen trauernder Weiber in der Nähe des Grabes die alte Welt des Entsetzens und der Furcht vor den Jenseitigen in eine neue Welt der großen Freude verwandelte; ja, das ein einsames Weib, die Magdalene am Grabe, vermochte, einer Erscheinung aus der jenseitigen Welt zuzustürzen, um ihre Füße zu umklammern. Wie kommt es, daß hier zuerst einsame Weiber vor einer Geistererscheinung Stand halten, mit einer Geistererscheinung sich festlich begrüßen? Ist es nicht so, als ob ein Löwe flüchtige Gazellen, scheue Hindinnen auf seinem Wege zum Stehen brächte? Das ist nun unumstößliche Thatsache, daß in der ersten Gemeine die letzten Erschütterungen einer großen Gespensterfurcht bei der mysteriösen Kundgebung Jesu sich eingestellt haben (Luc. 24, 37), aber Raum gemacht haben einer innigen Freude an diesem Wiedererschienenen und dem lebhaftesten Verkehr mit ihm. Die christliche Gemeine feiert die Begebenheit des Wiedererscheinens Christi nach seinem Tode. Wie düster müßte diese Feier sein, wenn nicht jenes Wiedererscheinen den Charakter der Gewißheit, des Sieges über den Tod, der Leiblichkeit und der Verklärung gehabt hätte! Nur durch diese Charakterzüge konnte sich das volle Dasein des Auferstandenen bewähren, und aus der Erfahrung der Wiedererscheinung des großen Todten den höchsten, hellsten Triumph der Menschheit machen. Nur die reale Wirkung der Auferstehung konnte die Erinnerung an die große Geistererscheinung zum Osterfest machen. Die zweite dieser Regionen, welche der Auferstandene zu durchbrechen hatte, war die Verzweiflung starker, edler Männer, deren schönste Ideale zerronnen waren, deren Hoffnung auf die leidlose Gründung eines alle Menschen ideale verwirklichenden Gottesreiches zertrümmert war. Der Kreuzessschlag hatte auf diese Gemüther entscheidend gewirkt. Ihre Verzweiflung war gründlich. Und wenn man weiß, welche Bedeutung diese Männer für die Welt hatten, und factisch gewonnen haben, so kann man ihre Verzweiflung als den concentrirtesten Ausdruck der Verzweiflung der alten Welt bezeichnen, des Verzagens der alten Welt in ihrer edelsten Richtung, an ihren schönsten Erwartungen. Wie aber eine solche Verzweiflung tausend Zweifel wie Stacheln aus dem zermalmten Herzen hervortreibt, und jeder neuen Lebensverheißung scharf entgegensetzt, das ist eine bekannte psychologische Thatsache. Die evangelischen Weiber gingen am Ostermorgen wieder zum Grabe; denn sie konnten in der Wehmuth der Liebe nicht lassen von diesem Todten. Die evangelischen Männer aber blieben daheim sitzen, verdüstert und vereinzelt; Einzelne wandelten verstreut umher, von Jerusalem fort, als könnten sie es dort nicht mehr aushalten. Sie mochten nicht hinblicken nach dem Ort, wo der Bau ihrer Hoffnung in Trümmer zusammengefallen da lag. Erst die unerhörtesten Kunden vom Grabe Jesu konnten sie wieder beleben und zusammenführen. Wie tief sie sich gebrochen fühlten, wie stark fiel zweifelten, das beweist insbesondere Thomas. Eine solche Macht der Männerverzweiflung und der Männerzweifel konnte daher auch nicht vor weiblichen Kunden verschwinden. Und dennoch verschwindet sie schon am dritten Tage nach der Kreuzigung Christi durch eine neue unmittelbare Erfahrung im Jüngerkreise. Aber auch jetzt noch konnten sogar zehn Jünger mit den Schwüren ihrer neuen Gewißheit von der Auferstehung Christi den einzelnen Elften nicht im mindesten überzeugen. Die Verzweiflung wurmte im Herzen des Thomas fort, und seine düstre Erscheinung wurmte fort im Herzen der Ostergemeine. Aber auch Thomas wurde - gläubig. Diese Verwandlung der Stimmungen dieses Männerkreises ist ein unerhörtes Wunder in der Weltgeschichte. Wir sehen, wie groß ihre Zweifelsucht in ihrer innern. Gebrochenheit gewesen ist; denn erst bei einer der letzten feierlichen Manifestationen Jesu verschwinden die letzten Zweifel in ihrem Kreise (Matth. 28, 17). Und diese Finsterniß hat sich gelichtet. Aus dieser Waldschlucht der tiefsten Herzensverdüsterung im Mittelpunkt der Weltgeschichte ist die Hochwarte der posaunenden Auferstehungsboten geworden. All ihre Verzweiflung hat sich in himmlischen Lebensmuth, all ihr Zweifelmuth in den unerschütterlichsten Glauben und in das freudigste Zeugniß von der Auferstehung Christi verwandelt. Welche Macht hat diese Wirkung hervorgebracht? Visionen! sagt man. Wir kennen die gewöhnlichen Visionen der Verzweifelnden: sie führen ins Irrenhaus. Solche Visionen aber, welche Blüthen des gesündesten Lebens sind, können nur als Vorspiele einer thatsächlichen Offenbarung begriffen werden, nicht als die höchsten schöpferischen Vollendungsmomente einer solchen Offenbarung. Daher konnte es wohl Visionen der Zukunft Christi geben, nachdem er bereits erschienen war (siehe Apok. 1), aber keine Visionen seines gegenwärtigen Lebens, welche die Bedeutung gehabt hätten, dieses Leben zu ersetzen. Man muß vor allen Dingen die theokratischen Visionen von Phantasmen und Träumen unterscheiden lernen; man muß zunächst sich klar machen, in welcher Beziehung diese Visionen zur theokratischen Offenbarung stehen, wenn man nicht wie im verworrenen Traume von den höchsten Thatsachen des wachen Lebens reden will. Daß die Apostel durch den Kreuzestod Christi gründlich mit gestorben waren der Welt, beweist ihr ganzes Verhalten nach dem Aufgange ihres neuen Lebensmuthes bei der Versicherung von der Auferstehung Christi. Sie haben es nämlich stets bewährt, daß sie durch die gemachte Erfahrung gründlich geheilt waren von aller alten Welt sucht, von jeder unfreien Vergötterung des Diesseits. Sie gingen, wohin der Geist des Herrn sie führte, getrost in alle Einsamkeiten, Kämpfe und Feindeslager der Welt, getrost in Noth und Tod. Der Tod Christi hatte also sein Werk rein in ihren Herzen vollendet. Daraus folgt, daß keine Illusionen mehr aus falschen Sehnsüchten ihrer Brust sich erzeugen konnten, keine phantastischen Aufregungen. Ihnen mußte es erst durch die mächtigste Wirklichkeit angethan werden, daß sie wieder glaubten. Und dennoch sehen wir sie bald in dem mächtigsten Lebensmuth stehen, jubeln und wirken, in einem Lebensmuth, wie er niemals so große Menschenherzen ganz erfüllt hat. Und was folgt daraus? So wie zuerst nichts von diesseitiger Hoffnung in ihren Herzen geblieben ist, so ist jetzt auch aller Diesseits gram in ihnen aufgehoben. Sie zeigen keine Spur von alter, eitler Weltlust, aber eben so wenig von Weltgram, von Groll gegen das Leben, von krankhafter Sucht nach dem Jenseitigen. Wie in der leichtesten Schwebe bei der schwersten Arbeit wandeln sie dahin auf der Grenze des Diesseitigen und Jenseitigen, von der Liebe zur Gemeine und zur Menschheit herüber, von der Liebe zum Herrn hinübergezogen (Phil. 1, 23, 24). Darin wird uns die Gestalt ihres triumphierenden Bewußtseins, ihrer einzig eigenthümlichen Stimmung klar. Sie sind in ihrem Glauben und Lebensgefühl über den Gegensatz des Dieseitigen und Jenseitigen erhaben. Diese specifisch neue Stimmung, die sich in einem ganzen Universum neuer Stimmungen ausbreitet, läßt sich weder aus einem Tode, der nicht völlig zum neuen Leben sich verklärt hat, noch aus einem Leben, das nicht ganz in den Tod getaucht war, erklären; weder aus einem Charfreitag, dem kein wahrhaftiges Ostern folgte, noch aus einem Ostern, das sich nicht auf die volle Herbigkeit des Charfreitags, den wirklichen Tod Jesu gründete. So zeugt die Verklärung der Verzweiflung aller Jünger Jesu in den heiligsten Lebens- und Liebesmuth von einer homogenen Thatsache, aus welcher sie hervorgegangen ist, von der Kundgebung des Auferstandenen in einem neuen Dasein, in welchem die Aufhebung des diesseitigen und jenseitigen Lebens zu. Einem Leben in der Herrlichkeit, also der principielle Anfang einer neuen Welt, entschieden ist. So aber wie jenes wunderbare Etwas, welches am dritten Tage nach dem Tode Jesu anfing, die düstern Regionen der Gespensterfurcht und der Verzweiflung zu durchbrechen, nicht ruhte, bis es sie ganz in heitre, entgegengesetzte Welten umgewandelt hatte, so bewältigte es auch die dunkle Gewalt einer dritten Region, nämlich die des Vorurtheils. Wir meinen das Vorurtheil schlechthin, die Region alles Vorurtheils in der alten Welt für die Realität ihrer Principien und Autoritäten, ihrer Herrlichkeit, ihres Glückes und ihrer Ehre. Die Macht dieses Vorurtheils schien rein unermeßlich, ja unbezwinglich zu sein; und so fand sie der Vergewisserung von der Auferstehung Jesu feindlich gegenüber. Christus war nämlich jetzt für das Gefühl der Juden der Gerichtete, der - Gehenkte; für das Gefühl der Heiden der von der kaiserlichen Macht Geächtete, Aufgegebene. Er selber schien der alten Welt vernichtet, seine Sache verloren. Aber auch hier bewirkte die geheimnißvolle Kraft, die jetzt in der Mitte der Welt stand, und den Augen der Welt verborgen wirkte, die größte Verwandlung. Fortan nannte man das schrecklichste Ereigniß, die Kreuzigung des Heiligen von Seite der Welt, das heilbringende Ereigniß. Man predigte von dem - Holz des Fluchs und der Schande, es sei der Lebensbaum der Welt geworden. Das Kreuz, das Zeichen der höchsten Unehre, der tiefsten Niederlage, ward zum Zeichen der höchsten Ehre, des herrlichsten Siegs. Man fing an, von der Gnade im Gericht, dem Glück im Unglück, dem Leben im Tode zu reden. Und jene Männer, welche von aller Welt verkannt und verhöhnt den Tod erdulden mußten mit Christo, nannten ihren Glauben, welcher ihnen diesen Tod brachte, den Sieg über die Welt. So bildete sich in einem unaufhaltsamen Umschwung ein neues Urtheil einer neuen Welt, welches das alte Urtheil der alten Welt besiegte und verwandelte. Dieser Umschwung datiert sich von jenem dritten Tage nach Charfreitag. Wer die Macht des Vorurtheils kennt, seine Tageskraft, seine historisch derbe, wirkliche Natur, der begreift es, daß eine Welt voll einstimmiger Vorurtheile nicht weicht und schwindet vor einem Hause voller Träume. Nur eine Thatsache, welche das entschiedenste, reelle Uebergewicht über jene Macht des Vorurtheils bildete, konnte dieselbe aufheben. In dieser Thatsache mußte es also zur reinsten Evidenz gekommen sein, daß die Welt gerichtet sei durch das Gericht, welches sie am Kreuz über Christum verhängt, daß sein Tod in Leben, sein Schimpf in Ehre verwandelt sei, und zwar in derselben historischen Region, worin der Tod, die Schande und das Gericht seinen Namen begraben hatte. Diese Evidenz war nun mit der vollendeten Thatsache der Auferstehung gegeben. Diese Thatsache hat das historische Vorurtheil der alten Welt, das sich im Gericht über die Person Jesu so zu sagen besiegelt hatte, erschüttert und gebrochen, und die Verkündigung eines neuen, christlichen Urtheils über die Welt in Gang gebracht, dessen Sieg einst für sich allein schon in seiner Vollendung die Bedeutung des Weltgerichtes nach seiner idealen Seite gewinnen muß. So hat der Auferstandene sein Dasein durch die mächtigsten Wirkungen eines Daseins erwiesen. Und damit ist zugleich die Idee, die Erkenntniß seines Daseins ein Geisteseigenthum der Menschheit geworden. Die Idee der Auferstehung hat in der Menschheit eingeschlagen wie der Blitz, der ihren ganzen Gesichtskreis erhellt, ihre ganze Weltansicht verwandelt hat. Daß ein Todter fortlebe, und zwar nicht als freudloser Schatten, sondern als der triumphierende Fürst der Lebendigen, daß ein Todter wieder gekommen sei, und sich den Seinen kund gegeben habe, und zwar nicht als Gespenst, sondern in verklärter Leiblichkeit, in realer Auferstehung, daß er die Schranken zwischen dem Diesseits und Jenseits in seiner Auferstehung aufgehoben habe, und darum weder allein dem Jenseits angehöre als ein Seliger, noch dem Diesseits als ein Neubelebter (wie Lazarus), sondern daß er das Diesseits und Jenseits umfasse als der Fürst und Stifter einer höhern Ordnung der Dinge, und eine ganze Welt dieses überirdisch-realen Lebens hervorrufen werde: dieser große Lichtgedanke konnte nur dadurch ein Eigenthum der Menschheit werden, zum Glauben der Völker, daß er nicht in dem mondhellen Schimmer der philosophischen Idee, sondern mit dem Sonnenglanz einer unendlich starken Manifestation des auferstehenden Lebens die empfänglichen Geister erleuchtete. Und nur dadurch konnte sich diese Ueberzeugung behaupten, daß sie die ganze Weltansicht ihrer Erleuchteten völlig umgestaltete, und mit ihrem eignen Licht in Einklang brachte. So wie also der Löwe die Anerkennung seines Daseins leicht gewinnt durch seine Stimme, eine Erscheinungen, seine Kraftäußerungen, durch den Löwensprung und Löwenraub, so hat sich der Löwe aus Juda in seinem Siege kundgegeben (Apok. 5, 5). Kann es nun noch eine Frage sein, wie Christus selber sich verhalte zu der Lehre von seiner persönlichen Auferstehung? Man muß aber dennoch diese Frage aufwerfen. Nach der Meinung der Spiritualisten hätte er Alles thun müssen, um in seinen Jüngern die Erwartung einer bloß geistigen Auferstehung eines Wesens zu begründen. Er hätte die Möglichkeit, daß man in Zukunft seine individuelle Auferstehung glauben, ja mit aller Macht in aller Welt verkündigen werde, sogar als die Losung des Christenthums verkündigen werde, mit aller Macht bestreiten müssen. Das hat er nicht gethan. Hat er etwa an jene Möglichkeit nicht gedacht? Nach den ausdrücklichsten Zeugnissen seiner Jünger hat er vielmehr selber seine persönliche Auferstehung mit der höchsten historischen Bestimmtheit vorausgesagt. Und nach dem Zeugniß der Geschichte hat seine Stiftung sich ganz auf diese Voraussetzung gegründet. Man löse das Christenthum von dieser Voraussetzung ab, so ist es nicht dasselbe Christenthum mehr. Die Auferstehung Christi bildet nicht nur eine Harmonie mit allen Theilen des Christenthums; sie erweist sich als das höchste Lebensprincip desselben. So steht also Christus als der Sohn Gottes ein für diese Thatsache, worin sein Leben und Werk zusammengefaßt und ewig gefeiert wird in der Menschheit. Und so ist denn auch das Zeugniß Gottes der Verkündigung dieser Thatsache nicht abgewandt, sondern zugewandt. Der Allmächtige hat durch sein ganzes welthistorisches Walten die Osterbotschaft beglaubigt. Wäre die Botschaft nach ihrem vollen Sinn und Ausdruck nicht wahr gewesen, so hätte sich ihr Widerspruch gegen die ewige Wahrheit kund geben müssen in einem bestimmten Conflict mit dem ewigen Walten. Es hätte sich dann früher oder später herausstellen müssen, die Apostel seien falsche Zeugen Gottes gewesen (1. Kor. 15, 15); sie hätten gezeugt gegen die reine Wirklichkeit, worin sich die Wahrheit Gottes erweist, und in welcher Gott immerdar mit sich selber übereinstimmt. Es kann freilich manchmal scheinen, als werde irgend ein Irrthum, ein Zeitwahn, eine Schwärmerei von der Vorsehung begünstigt. Aber nach der Wahrheit des göttlichen Wesens kann Gott nur im relativen Maaß eine unvollkommene oder mit Wahn behaftete Richtung fördern, wenn sie relative Vorzüge hat, wenn sie die Bestimmung hat, den Menschen eine Prüfung zu bereiten, ein Gericht über sie zu verhängen, eine relative Förderung zu bringen. So wurde dem Muhamedanismus für seine Zeit ein großer Spielraum gegeben, weil er relative Vorzüge hatte der Verderbniß des alten Christenthums gegenüber, und eine große Aufgabe für die heidnische Welt; weil er zum Gericht über einen Theil der Christenheit und zur Pädagogik für einen Theil der Heidenwelt gut genug war. Allein in einem ganz anderen Maaße und Tone, im absoluten Sinne hat das Walten Gottes zusammengewirkt mit der Botschaft von der historischen Auferstehung Christi. Es war, als ob die ganze Weltconstellation zur Zeit Christi gewartet hätte auf dieses Losungswort, dieses Ereigniß, um sich aus der schrecklichsten Verworrenheit der Verzweiflung zu einer wunderbaren Harmonie einer ganz neuen Weltgeschichte zu entwirren. Die harrenden Völker begriffen diese unglaubliche Kunde, und ergriffen sie, als würden ihnen mit einem Male alle Räthel ihres Daseins gelöst. Der große Reinertrag der alten Weltgeschichte, die griechische Sprache und Bildung, der römische Staat und das römische Recht wurden zu Organen verwendet, in welche die Lebensfülle dieser Bildung hineingegossen wurde. Und alle Institutionen der mühevoll durch Jahrtausende aufgebauten jüdischen Theokratie wurden wie eine Schaale gesprengt und weggeworfen, nachdem der reine Goldgehalt dieser Botschaft mit dem reichen Lebensgehalt, den sie umschloß, gewonnen war. Die unbekanntesten Völker, die Barbaren in den dunklen Fernen der gebildeten Welt drängten sich herbei zu dem Heerde der neuen Kunde, als hätten sie den Klang der österlichen Posaune vernommen. Die ganze neuere Weltgeschichte bewegte sich wie im Reigen um die Predigt dieses Einen Wortes: Jesus Christus ist auferstanden von den Todten. Himmel und Erde erklärten sich für die Wahrhaftigkeit dieses Wortes. Und noch heute läßt sich kein Zwiespalt, der ein Haar breit wäre, zwischen den höchsten Interessen der neueren Menschheit und dieser Voraussetzung nachweisen; vielmehr ist es wieder diese Voraussetzung, deren Wahrheit und Wirkung allein die Menschheit der Gegenwart von einem drohenden Abgrunde retten kann. Je mehr man aber an eine endliche Lösung aller Geschicke der Menschheit denkt, desto mehr muß man eine Verklärung der menschlichen Persönlichkeiten über dem Staub und Todessturm der Erde von dem Walten Gottes erwarten, worin die persönliche Auferstehung Jesu ihre letzte Bestätigung findet. So zeugt also der Vater mit seinem Walten für das neue Leben seines Sohnes.

Und mit ihm der heilige Geist. Wer wollte es leugnen, daß mit dem Christenthum ein Geist des Lebens in die Welt gekommen, der mit Recht als der heilige gepriesen wird? Wo aber ein bestimmter Geist waltet, da bezieht er sich immer auf ein bestimmtes, gestaltetes Leben. So bezieht sich schon der wehende Wind, das Symbol des Geistes, auf seinen Gegensatz, die ausgebildete, gestaltete Erde. Der schöpferische Geist schwebte auf den Gewässern des Chaos; er fand in ihm den Gegensatz, den er verklärte. Der Geist des Herrn in seiner alttestamentlichen Gestalt bezog sich auf den ganzen Umfang der alttestamentlichen Institutionen, und stellte sie in ihrer Lebendigkeit dar. Der heilige Geist aber ist der Geist Gottes in seiner ganzen Herrlichkeit, wie er sich auf das ganze Leben Jesu bis zu einer Vollendung in der Auferstehung bezieht (Joh. 7, 39). Das aber ist eine hohe, entscheidende Thatsache, daß das Walten dieses Geistes die persönliche Auferstehung Jesu vorausgesetzt hat; ja daß es darin bestanden hat, diese Auferstehung im Glauben der Menschheit zur höchsten Gewißheit zu erheben (Röm. 1, 4). Die reinste Phantasie und die kühnste ist nicht im Stande, sich eine Vorstellung zu bilden von der Fülle des religiösen und sittlichen Lichtlebens, welches der heilige Geist durch das Christenthum in der verderbten Welt verbreitet hat: von dieser Summe aller Erleuchtungen, Züchtigungen, Tröstungen, Weihungen und Neugestaltungen des Lebens, welche als Wirkungen dieses Geistes die Menschheit durchwirkt, veredelt, geheiligt und zur Seligkeit emporgehoben haben bis auf den heutigen Tag. Und alle diese Wirkungen hat der heilige Geist angeknüpft an das Leben Jesu, und vor Allem an die Kunde von seiner persönlichen Auferstehung. In dem Wipfel dieser Thatsache hat sich die reine Taube fort und fort gewiegt. Alle seine Wirkungen hat der Geist Christi mit dieser Botschaft durchwirkt, ja er hat sie vermittelt dieser Botschaft hervorgerufen, oder doch vollendet und besiegelt. Aber das wäre unerhört, daß sich in dieser Weise die Wahrheit an eine irrige oder mißverstandene Voraussetzung anknüpfen sollte, die christliche Klarheit an ein zweideutiges Räthelwort; daß der Geist als der heilige die Mythe als Thatsache hätte sollen gelten lassen, ja selber geltend machen, nachdem er schon in einem dunkleren Walten, als der religiöse Geist der Menschheit, die Mythen als Mythen bezeichnet hatte. Und noch immer gibt er von der Auferstehung Christi ein ganz entschiedenes Zeugniß. Prediget von der höhern, idealen geistigen Auferstehung Christi im Gegensatz gegen die reale, und wartet nur : der Geist Gottes stellt sich nicht ein; er besiegelt euer Wort nicht dadurch, daß irgend ein Herz vom Tode in der Sünde zum Leben erwacht. Prediget aber die Thatsächlichkeit der Auferstehung Christi einfach, mit freudigem Herzen, und wartet: ihr werdet das Saufen des Geistes wohl vernehmen, und neue Geistesgrüße und Zeugnisse lebendig gewordener Herzen werden die Wahrhaftigkeit eurer Kunde besiegeln. Auch der heilige Geist zeugt also für die reale Auferstehung Jesu Christi. Die Auferstehung Christi geht aber auch mit Nothwendigkeit hervor aus der Idee eines Lebens und der göttlichen Gerechtigkeit, die über seinem Leben waltet. Sein historischer Lebensgang, seine Niederfahrt in den Kreuzestod fordert durchaus eine Folge, wie sie sich in seiner Auferstehung darstellt. Dem einzigen, jähen Absturz seines Lebens von der Höhe des Gottesbewußtseins und seiner göttlichen Herrlichkeit in die tiefste Tiefe eines scheinbaren Untergangs mußte ein gleich wunderbarer Aufschwung seines Lebens entsprechen; auf seine reale Niederfahrt zur Hölle mußte eine reale Auffahrt zum Himmel folgen, wenn überhaupt in dem Leben der Welt und der Menschheit sich das Walten der Wahrheit und Gerechtigkeit bewähren sollte. Gott konnte es nicht zugeben, daß sein Heiliger, der in solcher Hingebung an ihn für die Menschheit gestorben war, die Verwesung sähe. Diese Wahrheit hat der Apostel Paulus tief empfunden, und in der erhabenen Stelle Philipper 2, 6 - 11 dargestellt. Christus befand sich, er existierte nach seinem wesentlichen Lebensbewußtsein in der Gestalt Gottes; sein Lebensbewußtsein und Weltbewußtsein war mit dem Bewußtsein des ewigen Gottes Eins. Die Gottesgewißheit, das Anschaun Gottes war die Seele, ja das Wesen seines Lebens. So war er nach einer idealen Wesensgestalt ewig; er fand das Bild eines Wesens klar ausgedrückt in dem ewigen Geiste Gottes, und das Bild Gottes klar ausgedrückt in der Tiefe seines geistigen Lebens: Gott in sich und sich in Gott; das Bewußtsein Gottes und sein eignes in einer ewigen Wechselbeziehung und Einheit; ein einiges, sich selbst erfassendes, göttliches Leben; darum wesentlich der Ewigkeit angehörig, und über die Vergänglichkeit und Noth der Welt erhaben. Und weil er sich also erfaßte in der Gestalt Gottes, in der Bestimmtheit des göttlichen Bewußtseins als der göttliche Logos oder die ewige Gestalt Gottes, so wußte er, daß sein Leben zugleich alle jene Gleichheiten oder Offenbarungsformen Gottes in sich vereinigte, durch welche der ewige Gott hindurchging bis zu einer Menschwerdung in ihm: also jene erste zeitliche Offenbarungsform, worin der Geist der Weisheit in schöpferischer Kraft den Weltentwurf machte, und aus den Urelementen des Chaos webend die schöne Welt gestaltete; jene zweite, worin der Geist der Unterscheidung (Elohim) den reichen Organismus der Völker und Volksgeister bildete; jene dritte, worin der Geist des Gnadenreiches (Jehova) die alttestamentliche Theokratie stiftete; jene vierte, worin der Geist der Weltmacht, der Heerschaaren (der Herr Zebaoth) seine Gerichte über die alte Welt und über Israel vollzog; jene fünfte, worin der Geist der Erkenntniß in der Sehnsucht der Propheten die Menschwerdung Gottes vermittelte, und in der Begeisterung der Maria vollendete; und endlich jene sechste, worin er als der Geist der reinen Gottesfurcht, der vollendeten Religion, in ihm, dem vollendeten Menschenleben, also in der Vollendung eines religiösen Bewußtseins die Einheit Gottes mit der Menschheit zu einer ewigen Wirklichkeit vollendete. Jesus war sich's bewußt, daß ein ideales Menschenleben der höchste Ausdruck des Wesens Gottes und aller jener Lebensformen war, durch welche dasselbe bis zu seiner Menschwerdung mit ewigem Bewußtsein hindurchgegangen war; darum der Logos, das ewige Wort, die erste oder siebente, alle andern Offenbarungsformen Gottes umfassende Gestalt des göttlichen Geistes (siehe Jes. 11, 2; Offenb. Joh. 1, 4). Aber er hielt diese Herrlichkeit eines idealen Menschenlebens nicht für einen Raub, den er für sich behalten, den er der historischen Menschheit entziehen könnte. Vielmehr fühlte er sich auch mit der Menschheit Eins in der Wahrheit seines menschlichen Wesens; und diese Einheit fühlte er in unendlicher Kraft nach der Macht seiner Liebe. Darum gab er sich denn auch der Menschheit hin in ihrer historischen Gestalt, nach ihrem ganzen historischen Geschick; er gab sich hin in die Gemeinschaft ihrer Noth und ihrer Gerichte. Und so nahm er, obwohl er als der ideale Mensch in der Gestalt Gottes war, oder die reine Offenbarungsform Gottes darstellte, als der historische Mensch in seinem historischen Lebensgange die Gestalt des Knechtes an, ja des Knechtes aller Knechte. Statt die Menschheit zu berauben durch ein richterliches Abstoßen des sündigen Geschlechtes, beraubte er sich selber durch die erlösende Hingebung an dieses Geschlecht. Während alle jene Gleichheiten Gottes in der Einheit seines Bewußtseins den Sabbat ihrer vollendeten Entfaltung feierten, trat er in seinem historischen Lebensgange in die Erscheinungsgleichheit mit den Menschen ein, so daß er, indem er als Mensch unter den Menschen wandelte, unter den übeln Schein gerieth, ein Sünder zu sein unter den Sündern, und von vorn herein die Aussicht hatte, das schwerste Loos des ganzen Geschlechtes an sich erfahren zu müssen, weil er eben der Reine war unter den Unreinen. Und so wurde er auch nach den schematischen Verhältnissen der Menschheit für einen historischen Menschen genommen; er gehörte unter die Kategorie der Juden, und in das mißliche Schema der Galiläer. Aus dieser untergeordneten Lebenstellung machte er aber einen vollkommenen Ernst. Er erniedrigte sich, indem er sich den Ordnungen der jüdischen Hierarchie und der römischen Obrigkeit unterwarf, und als Mündel der ersteren dem jüdischen Synedrium, als Unterthan der letzteren dem römischen Forum sich stellte, und Rede stand. In diesen Verhältnissen erfüllte er seinen Menschenberuf; er bewies seine vollkommene Unterwürfigkeit nach der historischen Pflicht. Aber er bewahrte zugleich seine ideale Freiheit, Reinheit und Herrlichkeit: in der Gesetzlichkeit des Menschen die Freiheit des Menschensohnes, in dem Gehorsam gegen die menschliche Ordnung den Gehorsam gegen Gott. Und gerade dieses höchste Wohlverhalten brachte ihm den Tod. Aber auch das schwerste historische Menschengeschick ließ er über sich ergehen, den Tod, ja den Tod am Kreuze.

Diese einzige Hingebung will nun erwogen sein nach ihrer vollen, schweren Bedeutung. Denn sie gerade brachte es mit sich, daß das Lebensgeschick. Christi eine furchtbare Verneinung seines idealen, gottmenschlichen Lebens, seines Bewußtseins von der ewigen Persönlichkeit, ja eine scheinbare Vernichtung desselben zur Folge hatte.

Die sündige Menschheit, welche dem Herrn gegenübersteht, wie der negative Pol dem positiven, die nur in ihm ihr positives Leben, nur durch ihn die Erfüllung mit dem göttlichen Leben hat, spannte sich mit seiner Persönlichkeit auf's höchste. Sie wollte ihr Leben als das positive gegen ihn behaupten, sein Leben dagegen zum negativen herabsetzen, richten und vernichten.

Und worin bestand die falsche Positivität der Welt? Darin gerade, daß sie das Individuum in der menschlichen Gattung, den Geist im Weltprozeß, ihren Gott in dem unpersönlichen Göttlichen des Alls oder in den vergötterten Satzungen einer gottentfremdeten Welt, das subjektive Leben in der trüben Weltsubstanz, die Persönlichkeit in dem Wechsel des geistigen Lebens, die Ewigkeit in der Zeit, die Idealität in dem Materiellen, die ewige Heiligkeit und Herrlichkeit des Herrn in der Ueberwucht profaner Weltmächte wollte auf- und untergehen lassen.

Christus durchblickte die Idealität der Welt in den sieben Grundformen oder Geistern der Offenbarung, die von Gott ausgehen, und fand ihren concentrierten Gesammtausdruck in seiner ewigen Persönlichkeit. Die Welt aber setzte diesem Bewußtsein Christi den furchtbaren Widerspruch einer siebenfachen Verfinsterung des idealen Weltgrundes und der Offenbarungen Gottes entgegen; eine Verfinsterung, die sich in der Verneinung seiner ewigen Persönlichkeit, und ihrer die Idealität der Welt aufschließenden Klarheit concentrierte.

Er hatte das Bewußtsein, der eingeborne Sohn Gottes zu sein. Die Welt bestritt ihm diesen großen Namen, worin sie sich verklären sollte, und wollte ihn auslöschen, indem sie ihn in eine Carricatur verwandelte, in den finstern Namen des großen Ketzers, Verbrechers, Schwärmers. Wie ein Sturm der Finsterniß kam sie über das Licht seines Gottesbewußtseins, und wollte es auslöschen. Sie suchte unbewußt den Namen, der alle Namen klar macht, das Individuum, das alle Individuen entfaltet, in eine finstre Carricatur zu verwandeln, deren Wirkung das ganze Menschenleben zu einem Larvenleben, die ganze Welt zu Einer Ironie hätte machen müssen.

Christus hatte die Göttlichkeit des prophetischen Geistes in seinem Drange nach der Menschwerdung Gottes erkannt. Dieser prophetische Geist war in seiner Umgebung durch seine Jünger vertreten. Aber die unvollendeten Propheten blieben dem Geiste nicht treu, worin sie bekannt hatten: du bist Christus! Sie verließen ihn Alle; der Tapferste verläugnete ihn, indem er eine Anstrengung machte, ihn zu bekennen. Und er mußte die Kelter allein treten; er allein das Bewußtsein der ewigen Persönlichkeit der Auserwählten und die Gewißheit ihrer Verklärung retten. Es war ihm gewiß, daß der Herr Zebaoth durch alle Weltmächte seine Gerichte vollziehe, sein Volk läutre, eine Theokratie verkläre. Jetzt nun stand ihm der Repräsentant der größten Weltmacht, Pilatus, gegenüber mit dem welthistorischen Beruf, ihn im Namen der Gerechtigkeit der zeitlichen Weltordnung gegen die falsche Hierarchie in Schutz zu nehmen. Er sollte das Gottesurtheil in dem Widerstreit zwischen dem wahren Hohepriester und dem falschen vollstrecken. Aber der Statthalter des großen Weltreichs verläugnete die Idealität seiner Sendung, seines Rechtes, und gab ihn mit den Worte der Verzweiflung: was ist Wahrheit! dem Hohngelächter der Finsterniß Preis. Die Heerschaaren des Herrn traten ihm feindselig gegenüber, und so ward das historische Gericht Gottes über die Welt zu einem schauerlichen Gericht der Welt über ihn. Er hatte in der alttestamentlichen Theokratie den Geist der Heiligkeit Gottes erkannt, und diesen Geist offenbar gemacht und verherrlicht. Aber das gerade machten ihm die Verwalter jener Theokratie zum Verbrechen; sie verwarfen ihn, und mit ihm den göttlichen Lebensgeist des alten Bundes. In den Verhältnissen der Völker hatte Christus den verborgenen Organismus erkannt, aus welchem Gott als der ewig Reiche den Reichthum seiner ewigen Gemeine bilden wollte. Diesen Organismus wollte er durch die rechte Ausgleichung des Gegensatzes zwischen Israel und der Heidenwelt hervorbringen. Aber auch diese Verkündigung einer idealen Völkerfamilie in der Einheit des Volkes Gottes wurde ihm in Spott verwandelt durch die falsche babylonische Völkerverwirrung, worin die Juden ihn den Heiden zuwarfen als Ketzer, und die Heiden ihn den Juden zu Gefallen kreuzigten als Verbrecher. Sie bildeten ein wüstes Gemenge mit einander, eine höllische Union, um die himmlische Union der Völker, die er in seinem Herzen trug, zu verdammen. Endlich stand Christus auch als der Verkündiger des schöpferischen Gottesgeistes, der die ganze Welt trägt und durchdringt, als der Verkündiger der Idealität der Welt in der Mitte der Zeit. Aber auch die Schöpfung schien sich über seinem Kreuze zu seinen Widersachern zu schlagen. Sie schien die alte Treue ihrer Ordnungen zu brechen. Die Sonne verfinsterte sich am hellen Mittage über dem Haupte des Sterbenden. So schien eine Weltgestalt nach der andern seiner Gewißheit, seinem Bewußtsein von der ewigen Persönlichkeit eines Wesens, und dem mit seinem Wesen harmonierenden Walten des göttlichen Geistes in allen Weltgestalten zu widersprechen. Die ganze Verworrenheit der subjektiven Menschenwelt in der Weltsubstanz, die ganze Schuld ihrer Persönlichkeitsflucht stürzte über die Treue seiner Persönlichkeit, um sie zu verderben. Damit eben kam aber auch zugleich das ganze Gottesgericht über ihn, welches in dieser Weltschuld lag. Er sah in diesem graunvollen Schalten der Welt das Walten seines Gottes, und es wollte ihm scheinen, als habe ein Gott ihn verlassen, als solle sich die große Zuversicht seines Lebens als Wahn erweisen. Das war der Moment, in welchem die negative Seite der Menschheit ihre ganze Macht gegen die positive entwickelte. Der ganze Fluch ihrer Persönlichkeitsflucht erschütterte den Herrn. Aber in diesem Moment eben warf er sich in der Treue seiner Gottesgewißheit seinem Gott in die Hände. In den finstern Verhängnissen über seinem Haupte begrüßte er die verhüllten Gerichte eines Gottes über die Welt; und in diesen Gerichten die verhüllte Versöhnung; in dieser Versöhnung aber die Liebe, und in dieser Liebe die Sonne der ewigen Persönlichkeit. Mit dieser Zuversicht befahl er seinen Geist in die Hände des Vaters, und starb. Und jetzt war die Zeit gekommen, wo sich der Streit zwischen der Persönlichkeitsflucht der alten Welt, und der Persönlichkeitstreue im Herzen Jesu historisch entscheiden mußte. Die Welt hatte das Gottesbewußtsein Christi, und mit ihm das Bewußtsein der Ewigkeit eines persönlichen Wesens, der ewigen Bestimmtheit und Bestimmung der Individuen, der Heiligkeit der Offenbarung, der Idealität der Welt verworfen. Sie hatte, ohne es zu wissen, nach ihrem tiefsten Sinne ihren erstgebornen Sohn geopfert - dem Moloch. Aber Christus hatte das ungeheuer starke Weltbewußtsein der sündigen Menschheit, ihr verzweifelndes Hinunter schwanken in die allgemeine Substanz, ihr Verzagen an dem idealen Aufgehn der Welt in der Menschheit, und der Menschheit in seiner Gemeine, und seiner Gemeine in ihm, verworfen, und hatte in dieser Zuversicht sein Leben geopfert - einem Vater, dem ewigen, persönlichen Gott. Darum steht der Geist der Wahrheit harrend, gespannt, mit verhaltenem Athem über seinem Grabe. So plötzlich, so abgrundstief, so graunvoll diese scheinbare Vernichtung seines individuellen, Gott, die Welt und die Menschheit umfassenden Bewußtseins, Lebens und Namens ist: so plötzlich, so himmelhoch, so glorreich muß die Wiederherstellung seines individuellen Bewußtseins, Lebens und Namens sein. Der Geist der Wahrheit neigt sich hinab über den tiefen Abgrund, und forscht, ob der kühne Taucher wiederkehren werde, an dessen Wiederkehr jetzt die Ehre der Menschheit, die Wahrheit ihres subjectiven Lebens, der Idealität der Welt, ja die Gewißheit des persönlichen Gottes für die Menschheit geknüpft ist.

Und was sagt der spiritualistische Philosoph an dieser Stelle, in diesem Momente? Er mag der Welt nicht Recht geben in diesem ungeheuren Frevelact, mit dem sie ihre Persönlichkeitsflucht besiegelt hat. Aber er kann auch den kühnen Glauben, mit welchem Christus sich dem Vater übergeben hat in der Hoffnung der Auferstehung, nicht theilen. Er ist todt! spricht er bedenklich, ungefähr in dem Sinne, womit jener Officier neben der Leiche eines so eben gefallenen Königs die Worte sprach: „La pice est finie; allons souper!“ - Es ist dem Tode Ernst damit, setzt er hinzu; so wenden wir uns denn ab von dem Individuum, von Jesu, und erwarten, daß sein Geist, der unpersönliche Christus, aufleben werde in den begeisterten Visionen der Seinen, fortleben werde in seiner Gemeine!

Allein an dieser Stelle, unter dem Kreuze und über dem Grabe Jesu, ist keine Zwischenstellung mehr verstattet. Die Welt hat ihn gekreuzigt in ihrer Flucht vor der weltverklärenden Macht der Persönlichkeit; er aber hat in der Treue der Persönlichkeit das Kreuz erduldet. Hier heißt es nun : Entweder - Oder! Man muß entweder Theil nehmen an dem Opfer der Welt, oder an dem Opfer Christi.

Der Apostel Paulus nimmt seine Stellung mit dem Worte: Darum (weil er sich also freiwillig erniedrigt hat) hat ihn auch Gott hoch über Alles erhöht, und hat ihm vergeltend in seiner Gnade den Namen gegeben über alle Namen; daß in dem Namen Jesu jedes Knie sich beugen soll, Aller, die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zeugen bekennen sollen, daß Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters. Ist diese Rede des Apostels nun eine speculative Folgerung, welche er macht aus dem gegebenen großen Fragment des Lebens Jesu, wie es sich in seiner Erniedrigung darstellt, nach seiner geistigen Bedeutung, oder ist sie nur eine historisch-religiöse Darstellung der Auferstehung und ihrer Bedeutung, wie sie nach dem Glauben des Apostels den Lebensgang Christi vollendet hat? Sie ist Beides in vollkommner Einheit. Der Apostel hat in der Erhöhung Christi die nothwendige Folge seiner Erniedrigung erkannt. Er hat es klar ausgesprochen, daß das Motiv dieser bestimmten Verherrlichung Jesu (nicht etwa bloß eines unpersönlichen Christus) in der Gerechtigkeit Gottes, in der Wahrheit des Lebens, in der Idee lag. Wäre Jesus nicht so erhöht worden, wie er erhöht worden ist, so hätte die Welt mit ihrer Weltansicht, mit ihrem Weltglauben Recht behalten gegen den einigen. Und gerade so, wie seine Erniedrigung war, mußte eine Erhöhung sein: durchaus real, historisch mächtig, eine einzige That Gottes gegenüber der einzigen That der Welt, Gericht gegen Gericht, eine unendlich feierliche Bejahung gegenüber der unendlich schauerlichen Verneinung; eine Restitution Jesu auf dem Fleck und in dem Zeitmoment seiner Verwerfung, eine Erhebung auf den höchsten Thron, welche die höllentiefe Verwerfung, die in dem Tod am Kreuze lag, aufhob, also die Auferstehung am dritten Tage zu ewiger Herrlichkeit. In dieser Begebenheit mußte sich alle Idealität im Realen, in der welterneuernden Geschichte erfüllen, mußte sich alle Realität in der Idee, in dem weltumfassenden Gottesrath verklären.

Die unendlich rapide, alle Welt überflügelnde, und über Alles wunderbare Erhöhung Christi war eine Thatsache, die sich den Aposteln deutlich kund gab in den Erweisungen des Auferstandenen, die sich der Welt kund gab durch die Stiftung der weltüberwindenden Gemeine Christi, die sich als eine ewige Wirkung des ewigen Lebens Jesu fortdauernd kund gibt in der Ueberwindung und Umgestaltung der alten Welt. Sie ist in ihrer Erscheinung ein Geheimniß der neuen Welt, das nur noch den geweihtesten Zeugen dieser neuen Welt sichtbar geworden ist. In ihren Wirkungen aber wird sie immer mehr aller Welt offenbar; immer mehr enthüllt sich der Name Jesu, die Geistesherrlichkeit seiner Individualität. Und in dem Maaße als diese Offenbarung zunimmt, wird es offenbar, daß der Name Jesu über alle Namen ist, daß also seine Individualität alle Individualitäten als Wesensprincip einschließt, als Lebensmacht überwaltet, als Liebesmacht zieht, als Geistes macht richtet und rettend verklärt. Sein Name überstrahlt alle Namen; aber alle Namen gewinnen auch in seinem Lichte ihren Glanz. Hätte seine Individualität ausgelöscht werden, oder sein Name zu einer Carricatur gemacht werden können, so wären principiell alle Individualitäten ausgelöscht, oder in dämonische Spottgeburten der verunglückten Persönlichkeit verwandelt worden. In seinem Reiche aber bekommt das Individuum einen immer größern Werth. Die Namen der Menschen leuchten für die Ewigkeit wieder auf: nicht nur im Himmel, sondern auch auf Erden, nicht nur auf Erden, sondern auch im Todtenreich. Und so wie die einzelnen Individuen in seinem Namen ihre Kniee beugen, so gewinnen sie die ihnen von Gott bestimmte ewige Persönlichkeit ihres Lebens, die darin besteht, daß der individuelle Geist sich in Gott, und Gott in sich erfaßt. Wie aber die Namen in eine organische Einheit treten, in das Licht. Eines Geisteslebens durch ihre Zusammenfassung in dem Namen Jesu, so gewinnt auch der Boden, auf dem sie knieen, seine Tempelweihe; so wird also der Himmel, die Erde und die Unterwelt in eine ideale Relation gesetzt zu dem höchsten Princip des Weltlebens, alle Substanz vom Licht der Subjectivität durchleuchtet. In dieser Huldigung der Geister wird es denn ganz offenbar, zu einem lauten Bekenntniß, zu einem Geständniß in der Tiefe, zu einem Osterjubel in der Höhe: daß Jesus Christus der Herr sei, die alle Welt geistesmächtig durchwaltende Persönlichkeit. Und in dieser Verklärung seiner Persönlichkeit wird zugleich die Ehre, der Wesensglanz der Persönlichkeit Gottes des Vaters ganz offenbar; denn Christus ist der Wiederglanz der Herrlichkeit Gottes, der Charakter seines Wesens (Hebr. 1, 3); der Mittelpunkt der Bestimmtheit der sich selbst erfassenden und bestimmenden Persönlichkeit Gottes. So entscheidet sich die Gewißheit der Auferstehung Jesu durch die Idee seines Lebens, wie dasselbe sich vollendet hat im Mittelpunkte der Weltgeschichte. Wir sehen aber, wie dieselbe Wahrheit auch im ganzen Umkreise seines Lebens, in dem allgemeinen religiösen Leben der Menschheit, und selbst in dem großen Gebiete der Natur sich in weissagendem Vorzeichen ankündigt. Der Geist Gottes, der in der Auferstehung die weltdurchleuchtende Verherrlichung der Gottheit in der Menschheit, und der Menschheit in der Gottheit dargestellt hat, das Weltlicht, in dem die ewige Idealität der Welt offenbar wird, hat in dem ganzen Werke seiner Welt- und Menschenbildung bereits einen Stufengang zu jener höchsten Thatsache hin angelegt. Er hat einen Entwickelungsdrang, welcher sich bis zu der Verwirklichung jener höchsten Idee hindurcharbeitet, in's Leben gerufen, und in bedeutsamen prophetischen Zeichen die einstige Auferstehung verkündigt. Schon in den Elementen kann man die dunklen Andeutungen eines unvergänglichen Individuallebens, welches mit dem allgemeinen Leben in polarischer Wechselbeziehung steht, erkennen. Nichts ist zerfließender als das Wasser. Aber der Wassertropfen, welcher tausend Mal in der Wasserfluth verschwamm, in der Eisscholle erstarrte, im Aether verschwand, kehrt tausend Mal wieder, und spiegelt sich vielleicht zum tausendsten Mal als ein heller Thautropfen in der Sonne. Der ätherische Funke schien längst verloren in der allgemeinen unsichtbaren Strömung der Electricität; aber plötzlich bricht er wieder leuchtend hervor, und feiert seine Auferstehung im Gewitter, indem er mit seiner Donnerstimme jubelnd ruft: da bin ich wieder! Selbst in jenem Elemente, das den eigentlichen Gegensatz einer gewaltigen und verzehrenden Allgemeinheit gegen das gestaltete Leben darstellt, in der Luft, bilden sich so wunderbare und gewaltige Bestimmtheiten, daß sie der Mensch mit vertraulichen oder auch mit schrecklichen Namen benennt, und sie wie den Zephir erfreut wiederbegrüßt, oder wie den Samum mit Angst verkündigt. In der Erde aber sehen wir schon überall die edlen Träume von einer herrlichen, unvergänglichen Individualwelt spielen. Im Salze wird das Mineral zu einem seinen, erfrischenden, lebenerhaltenden Gewürz; im Silber und Golde gewinnt das Metall eine Dauer, welche der Vergänglichkeit zu trotzen, das Licht des Himmels im finstern Schooß der Erde abzuspiegeln scheint. Wollen wir einmal in bildlicher Weise von einer Verklärung des grauen Feldsteins, von einer Erhebung desselben in's Allgemeine reden, so sehen wir in der Natur zwei Wege bezeichnet, auf denen man diese Verwandlung suchen könnte; und schon hier könnten die Wege des Pantheisten und des Theisten sich theilen. Der Erstere wird vielleicht sagen: der Stein muß sich auflösen in eine feinsten Theile, um im Allgemeinen fortzuleben. Auf diesem Wege gewinnt er dann aber einen - Haufen lichtlosen, rauhen, grauen Sandes. Der Letztere möchte etwa sagen: zeigt mir den Stein wieder, wie er sich in dem rechten Feuer aufs Höchste aufgelöst und individualisiert hat - und so gewinnt er den Krystall, eine Individualität, welche nach ihrer Art vollendet ist, und in welcher eben deswegen gerade das Licht des Tages strahlt wie ein Abbild der Allgemeinheit der Welt, wie ein Reflex des persönlichen Wesens. In den Edelsteinen endlich erscheint der Krystall in höherer Potenz, und zeigt in dem verschiedensten Farbenglanz, wie alle die feinen Verschiedenheiten, die besonderen Reichthümer und Schönheiten der Individualität im Lichte des Allgemeinen, das heißt hier noch im Allgemeinen des Lichtes, nicht zerrinnen, sondern ihren vollendeten Ausdruck finden. In der Pflanzenwelt treffen wir unter anderen bedeutsamen Zeichen auf dasjenige, welches der Herr selber geweiht hat zum Bilde der reichsten Auferstehung: das Weizenkorn. Wir gewinnen bei diesem Bilde einen Ueberfluß der Auferstehung, welcher uns fast stören könnte, wenn etwa die Pflanze, die aus der Verwesung des Weizenkorns entsprossen ist, einen solchen Reichthum unmittelbar - an Mehl hervorbrächte. Aber in jedem neuen einzelnen Weizenkorn findet sich dieselbe Individualität des gestorbenen Weizenkorns richtig wieder, und zwar verjüngt, veredelt und gehoben, als feierte es seine Unvergänglichkeit in der Zeit. Der bedenklichste Moment für seine Unsterblichkeit war jener, da es bis auf den Keim verfault war, bis auf diesen verschwindenden Punkt: da hätte es leicht ins Allgemeine der Modererde zergehen können, wenn der Wahn eines vagen, verschwimmenden Allgemeinen Wahrheit wäre. Jener geschwinden Unsterblichkeit stellt sich dann aber eine unmerkbar langsam wandelnde gegenüber in jenen Riesenbäumen oder Patriarchen der Pflanzenwelt, in der Eiche, welche bis gegen ein Jahrtausend, der Ceder, welche gegen zweitausend Jahre alt wird, dem Boabob, dessen Dauer (nach Agardh) wahrscheinlich über fünftausend Jahre hinausreicht. Hier sieht man schon die Kraft des Individuellen in der imposantesten Gestalt; nur einige solcher Bäume brauchen sich die Hand zu reichen, um einen äonischen Weltlauf zu umspannen. Ja, es kann ein und derselbe Baum vermittelt des Entwickelungsvermögens seiner Zweige sein Leben bis zum Ende der Welt fortsetzen. In dem animalischen Lebensgebiet gibt es einzelne hervorragende Spitzpunkte jener typischen Weissagung: namentlich die Verwandlung der Raupe in den Schmetterling, die Verjüngung des Adlers, und die Vorzeichen einer zweiten Jugend des physischen Menschen. Das schöne Sinnbild, welches die Raupe darstellt, die in der Puppe wie zum Tode erstarrt, und alsdann im Schmetterling wieder auflebt, die in ihrem ersten Dasein langsam dahinkroch, im zweiten geflügelt tanzend dahinfliegt, die im ersten gefräßig lebte vom grünen Blatt, im zweiten kostend sich nährt von dem Duft der Blume, die erst ein Wurm war, und sich dann in eine fliegende Blume verwandelte: dieses Sinnbild behält seinen schönen Sinn, wie ihn die Menschheit in der alten und neuen Zeit verheißend ausgesprochen hat, wenn auch die Spötter anfangen, es dem Menschen zum Vorwurf zu machen, daß „jeder Wurm ein Schmetterling werden wolle.“ Schon die Raupe weiß in dunkler Naturahnung, was sie will, wenn sie sich verpuppt: in diesem Acte entfaltet sie (nach Scheitlin, Thierseelenkunde, S. 110) eine außerordentliche Kunstfertigkeit. Sollte denn der Mensch bei der ernsten Arbeit seiner menschlichen Verpuppung, in seiner freien Weltentsagung sich täuschen? Oder sollte er lieber aus einem harmlosen Wurm ein giftiger Wurm, als ein schöner, edler Schmetterling werden wollen? Man kann fragen, woher es komme, daß der Herr (Joh. 12, 24) und Paulus (1. Kor. 15, 36, 37) das Samenkorn, und nicht die Raupe zum Sinnbilde der individuellen Unsterblichkeit gewählt haben. Vielleicht deswegen, weil die Raupe einen Uebergang ins neue Leben durch die Verwandlung darstellt, wie sie nur dem idealen Menschen, oder dem ganz geheiligten am Weltende bereitet ist (1. Kor. 15, 51); nicht durch den Tod, oder durch die Verwesung, wie sie das Saatkorn abbildet. Zudem hatte der Herr insbesondere bei der Hinweisung auf das Weizenkorn sein Begraben werden in die Erde und den reichen Fruchtsegen im Auge, der daraus hervorgeht. Das Gleichniß der Lebensverjüngung, welches sich in dem Leben des Königs unter den Vögeln, des Adlers, findet, ist nicht von so scharf bestimmter symbolischer Natur, wie das vorige; dennoch ist es ebenfalls überaus sinnvoll. Der gottesfrohe Sänger tröstet sich (Psalm 103, 4, 5), daß Gott seine Jugend erneure, wie die eines Adlers. „Kein Vogel soll in der Mause so krank und elend, und nach der Mause so schön sein, als die Raubvögel, und insbesondere der Adler, worauf sich Psalm 103, 4, Jes. 40, 31 zu beziehen scheint“ (Bahrdt, Bibl. Naturgesch., S. 99). Aber auch in einem anderen Umstande im Leben des Adlers kann man eine schöne allegorische Bedeutsamkeit finden. „Viele unterscheiden den Steinadler vom schwarzen, und diesen wieder vom Goldadler als verschiedene Gattungen. Allein es hat sich ausgewiesen, daß es ein und derselbe Vogel ist, der mit den Jahren seine Farbe so sehr verändert, daß man ihn in der Jugend Steinadler, später den schwarzen Adler, und im Alter Goldadler nennt“ (a. a. O.). So scheint es also die Sonne dem Adler zu vergelten, daß er ihr lebenslang so treu entgegenfliegt; sie scheint ihn im Alter in ihren Strahlenglanz zu schmücken, und als einen Sohn ihres goldenen Lichtes in eine neue Jugend einzuführen. Dasselbe wiederfährt in höherer Wirklichkeit dem Adlergeist des Gläubigen, welcher der ewigen Sonne treu entgegenfliegt. Doch scheint sich das bedeutsamste Zeichen der Vorahnung eines neuen individuellen Lebens im Gebiete des Naturlebens zuletzt auf dem Höhepunkte desselben, nämlich im hohen Greisenalter des Menschen, einzustellen. Hier brechen Zeichen wiederkehrender Jugend nicht selten unerwartet hervor, als ob die latente organische Kraft versuchen wollte, noch in den alten Lebensmedien einen neuen Umlauf zu beginnen. Man hat bei Alten Zähne sprießen, dunkles Haar hervorwachsen sehen; ja bei Greifen des vorgerücktesten Alters sind die Zeichen der Mannbarkeit wieder eingetreten. Die organische Kraft war nicht erloschen; sie schlummerte nur in ihrer verborgenen Tiefe, um plötzlich wieder hervorzubrechen, und fast schon abgewandt von der durchlaufenen Lebensbahn sich in ihrem Typus nur schwächer von Neuem zu versuchen.„ (J. H. Fichte, die Idee der Persönlichkeit, 162 ff.). So sehen wir schon auf den Höhepunkten des individuellen Creaturlebens vielfach die bedeutsamsten Vorspiele einer neuen Verjüngung des individuellen Lebens hervorbrechen; weissagende Typen. Man kann einen einzelnen Typus dieser Art leicht als ein singuläres Naturspiel behandeln und hinwegglossiren; aber in der Gesammtheit solcher Erscheinungen, die wir nur noth dürftig skizzieren, spricht sich wohl unverkennbar ein gewaltiges Emporsteigen, ja ein begeistertes Auffliegen der Natur aus, welches auf die mysteriöse Spitze des in der menschlichen Persönlichkeit sich verewigenden Individuums hinweist. Eine mächtigere Sprache aber reden in demselben Sinne die Ahnungen der Völker. Sie verkündigen nicht bloß im Allgemeinen das Fortleben der Individuen in einem Jenseits, welches nach den verschiedenen Weltanschauungen der einzelnen Völker tausendfaltig gestaltet ist; sondern mit besonderer Lust und Begeisterung stellen sie dieses Fortleben in der Verherrlichung dar, mit welcher die einzelne hervorragende Individuen über den Tod erheben. Sie versetzen die Lieblinge der Geschichte, besonders ihre Heroen, unter die Sterne, wie z. B. die Zwillinge Kastor und Pollux; in den Göttersaal, wie Ganymed; unter die Götter, wie den Herkules. Ja selbst auf der Erde läßt man sie unsterblich fortleben, wie den heiligen Johannes; oder wiederkommen, wie den Jeremias, den Elias, den Friedrich Barbarossa, und manche Andere. Wenn das Gemüth der Menschheit die Edlen und Herrlichen seines Geschlechtes immer und überall im Lichte der verklärten. Individualität sich emporschwingen sieht über die Vergänglichkeit, so kann man mit Sicherheit darauf rechnen, daß es immer wieder die Theorie von einer bloß geistigen Auferstehung als eine krankhafte Verstandesabstraction, die mit Herzverkümmerung genau zusammenhängt, als eine Negation der wahren Würde des menschlichen Wesens, die seiner nicht werth ist, stolz und mit Unwillen von sich stoßen wird. Herrlicher aber, als die Menschheit in ihren volksthümlichen Ahnungen es jemals ankündigen konnte, hat sich, wie wir gesehen haben, die Thatsache der Auferstehung im Mittelpunkte der Weltgeschichte kund gegeben, durch ihre großen Wirkungen bethätigt. Durch ihre Wirkungen hat sie ihre mysteriöse Erscheinung bekräftigt. Diese Erscheinung fand niemals statt, ohne jene Wirkungen zu erneuern und zu verstärken. So schuf sich der Auferstandene durch seine Erweisungen seine Zeugen. Die erste Gestalt dieser Zeugnisse sind die Osterberichte, welche uns in den Evangelien gegeben sind. Man hat sie verworren gefunden; ja man hat Widersprüche in ihnen nachzuweisen gesucht. Man hätte freilich in dieser scheinbaren Verworrenheit den treuen, unauslöschlichen Abdruck jenes Freudenschrecks erkennen sollen, welchen die Thatsache der Auferstehung in der Jüngerwelt hervorgerufen hat. Man muß aufgeregte Seelen von einem außerordentlichen, plötzlich himmelhoch erfreuenden Ereigniß mit einander und durch einander reden hören: immer wird sich da die schöne Verschlungenheit der Ostergeschichte wieder abspiegeln. Jeder Augenzeuge berichtet, wie er die Sache gesehn, wie sie ihn erschüttert hat. Und selbst durch die Herzen der Hörer, welche die Sache weiter zu erzählen berufen sind, schlagen diese Berichte in ihren individuellen Gestaltungen noch einmal durch mit so unauslöschlicher Gewalt, daß auch in ihren Erzählungen wieder die urfrische Mannigfaltigkeit der ersten Erlebnisse hervortritt. So kommen in den Evangelien die Ostergesichte zur Sprache: das reich ausgeprägte Gesicht der Magdalene, welche zwei Engel in weißen Kleidern im Grabe Jesu erblickt hat, den einen an der Stelle, wo vorhin das Haupt des Leichnams Jesu gebettet war, den andern an der Stelle, wo seine Füße lagen; das einfacher gehaltene Gesicht des Engels, welcher der Gruppe der Frauen, die zum Grabe Jesu gekommen sind, um seinen Leichnam zu falben, die Auferstehung verkündigt. Bei dem einen Evangelisten erfahren wir, wie der Marie Magdalene die Auferstehung kund geworden ist, wie sie hin- und hergelaufen ist zwischen dem Grabe, bis ihr der Herr erschienen. Ihr Erlebniß in seiner einfachen Größe war ganz dafür gemacht, sich in der Seele des Johannes unvergeßlich abzudrücken. Matthäus bringt die Thatsache, wie sie besonders in dem Herzen der Maria Jacobi sich gestaltet zu haben scheint. An der Darstellung des Marcus ist außerdem noch die Salome, an der Darstellung des Lucas die Johanna, die Gemahlin des Chusa, betheiligt. Und so wie die Gruppen der Erzähler sich wechselnd gestalten, so auch die Folge der Begebenheiten. Diese Darstellung ist dieser großen Sache ganz gemäß. Sie hat sich sofort einen Osterjubel geschaffen in einem blühenden Chorgesange, worin die Berichte der selig ergriffenen Augenzeugen auseinandergehn und - übereinstimmen. Es ist nicht schwer, diese Uebereinstimmung zu finden, obwohl viel in der holdesten Verwirrung der Berichte verborgen liegt. So mußte die Erscheinung der wirklichen Berichte von dieser himmlischen Thatsache beschaffen sein: eine jubelnde Motette in der frischen Erzählung wirklicher Erlebnisse. In einer Motette gehen alle Stimmen durch einander; jede scheint nur ihren eignen Sinn zu haben, und alle andern zu durchkreuzen, ja ihnen zu widersprechen. Und doch beseelt alle diese Stimmen. Ein Gedanke, Ein Gefühl, und ihre scheinbare Verwirrung ist nur der Ausdruck des Lebensreichthums, welcher in diesem Einen Thema enthalten ist. Sie ist der Ausdruck der mächtigen Innigkeit, womit dasselbe jede Stimme ergriffen hat, und sich in ihr ausspricht mit den frischesten Schwüngen individueller Freiheit, während die tiefste und treuste Einigkeit aller Stimmen das magische Band der Harmonie webt, welches dieselben zusammenhält. Die Osterberichte bilden also die reale Ostermotette; das erste Zeugniß von der Auferstehung ist ein Jubel der Jüngerinnen und Jünger Jesu, die mit ihren Zeugnissen durcheinanderfliegen wie in einem Reigentanz seliger Geister. Dies ist das Zeugniß für die Gemeine. In seiner zweiten Gestalt aber ist das österliche Zeugniß bestimmt für die Welt. Hier werden die Apostel und Jünger Jesu aufgeführt, die den Herrn nach seiner Auferstehung persönlich gesehen haben (1. Kor. 15, 5 ff.). Es ist bemerkenswerth, daß hier nur Männer als Zeugen aufgeführt werden. Das ganze Zeugenverhör ist wie eine gerichtliche Verhandlung vor dem hohen Forum der Welt, und sogar den Voraussetzungen der alten Welt, welche das Weib zurücksetzte, besonders im öffentlichen Leben, ist dasselbe accomodiert. Alle diese Männer aber, welche der Apostel Paulus nach einander anführt, treten auf als Zeugen für die Auferstehung Christi. In jener Zeit, als er sie den Korinthern nannte, konnte man die meisten noch einzeln vernehmen. In diesem Chore tritt zuerst Petrus auf, dann die Zwölfe, dann fünfhundert christliche Männer, dann Jacobus, darauf nochmals alle Apostel, und zuletzt auch Paulus. Der Apostel bedient sich freilich des Wortes: er ist erschienen, indem er jene Selbstoffenbarungen Christi nach seiner Auferstehung berichtet, welche alle diese Männer bezeugen. Allein dieses Wort bezeichnet nicht nur das Ueberraschende und Wunderbare, sondern auch das Sichtbare und Reale in der Kundgebung eines persönlichen Lebens (Apostelgesch. 7, 26). In diesem Sinne war der Apostel auch der Erscheinung Jesu gewiß, die ihm selber zu Theil geworden war. Es war ihm einerseits ausgemacht, daß auch bei den ersten Kundgebungen des Lebens Jesu in seiner Herrlichkeit schon die höhere, visionäre Stimmung der den Herrn erblickenden Jünger mit wirksam gewesen sei; anderseits daß auch er, ungeachtet der visionären Gehobenheit seiner Seele, dennoch die reale, die wirkliche Kundgebung des persönlichen Christus gesehen habe. Darum war er denn auch der wesentlichen Identität des von ihm erlebten Osterwunders mit den früheren Erlebnissen der andern Apostel und Evangelisten gewiß, wenn er auch fühlen mochte, daß bei ihm der visionäre Blick vorgewaltet habe über das sinnliche Sehen, während wohl in jenen früheren apostolischen Erlebnissen das Umgekehrte der Fall gewesen war. Und so tritt er für die Gewißheit und Realität seines Erlebnisses ein mit seinem Zeugniß, ja mit seinem Leben. Er führt aber zugleich alle seine Mitzeugen mit vor, und läßt sie dieselbe große Thatsache bestätigen. Und sie alle setzen wie er ihr Leben ein für diese wunderbare Erfahrung, die sie bezeugen; ja in dieser Erfahrung finden sie das Leben ihres Lebens. Sie Alle sind bereit, für die Wahrheit ihres Zeugnisses in den Tod zu gehn. Welche Bedeutung hat diese Erscheinung? Wir hören einen großen Chor von Männern feierlich vor dem Richterstuhl der ganzen Welt und vor dem Richterstuhl Gottes, mit höchster Gefahr ihres Lebens, ja im Angesichte des Todes ein Zeugniß ablegen. Es sind die edelsten Männer der Weltgeschichte, der eigentliche heilige Lebenskern der Menschheit, in welchem sich die Wendung derselben vom Verderben zur Erlösung zuerst entfaltet hat. Sie bezeugen eine und dieselbe Thatsache, wie aus Einem Munde. Und ihr Zeugniß beschwören sie nicht nur mit ihrer heiligsten Hoffnung, sondern sie besiegeln es mit ihrem Blut. Das ist das feierliche Zeugniß des großen Männerchores, des herrlichen Männerkerns in der Mitte der Weltgeschichte für die Auferstehung Jesu. Das dritte Zeugniß für die Auferstehung des Herrn spricht seine Kirche aus, nicht nur mit ihrem apostolischen Bekenntniß und mit ihrer immer wiederkehrenden Osterfeier, sondern auch mit ihrem ganzen Leben. Sie ist mit allen wesentlichen Zügen ihres Lebens ein ewig lebendiges Denkmal der großen Thatsache. Ihr Leben ist wesentlich Auferstehungsleben. So stellt es sich zunächst schon in seiner ersten Grundregung dar, in dem christlichen Glauben. Der Glaube besteht wesentlich in der Voraussetzung der individuellen Auferstehung Christi; in ihr vollendet, in ihr bewegt er sich, und in ihr leistet er, was er leistet. Er ist also von Hause aus Eins mit dieser Voraussetzung. Der individuell fortlebende, in der Kraft des vollendeten Menschenlebens stehende, folglich auferstandene, verherrlichte Christus ist der Name, die lebendige Erkenntniß und Anerkennung, worin dieser Glaube wurzelt. Und in der Gewißheit der Herrlichkeit Christi vollendet er sich nach allen seinen Momenten. Alle Thatsachen des Heils nämlich müssen in der Auferstehung Christi ihre Besiegelung und Erklärung finden; Weihnachten und Charfreitag, Himmelfahrt und Pfingsten müssen sich durch das Osterfest vollenden. Und wenn es einem Philister mit Simonskräften gelingen könnte, diese Säule, die Gewißheit der Auferstehung Jesu, umzustürzen, so würde die ganze Halle der christlichen Ueberzeugungen in Trümmer zusammenfallen. Darum ist aber auch die Auferstehung Jesu die Voraussetzung, worin der Glaube sich bewegt und wirkt. Man kann es als das eigenthümliche Wesen des Glaubens bezeichnen, daß er eine neue Welt des vollendeten göttlichen Menschenlebens sucht, voraussetzt, will und baut. Er ist aber darum dieser neuen Welt ganz gewiß, weil er ihres Mittelpunktes gewiß ist. Als diesen Mittelpunkt und Lebenspunkt, als das Princip seiner neuen Welt verkündigt er die persönliche Auferstehung des Herrn, und als den Inhalt seines Lebens verkündigt er die einstige herrliche Erscheinung jener ganzen neuen Welt. In dieser Gewißheit lebt und webt, betet und handelt er. Und schon das ist ein unendlich starkes Zeugniß für die reale Auferstehung Jesu, daß in dieser Weise aller Glaube der neuen Menschheit, der Christenheit, d. h. alles tiefe Trauen und alle göttliche Treue des Kerns der Menschheit in lebendiger Einheit in dieser Voraussetzung athmet. Wenn wir aber nun vollends sehen, daß dem Glauben geschieht nach seiner Voraussetzung, daß er wie in der lebendigsten Einheit zusammengeschlossen erscheint mit einer Alles überwindenden Kraft, und sich so erweist als der Sieg über die Welt; wenn wir sehen, wie er zu der Gewißheit der Versöhnung mit Gott führt, wie ihm der Friede des Himmels grüßend begegnet, wie er die Macht der Sünde auf Erden zerbricht, und in neuen Herzen, neuen Menschen und in allen Tugenden des Himmels eine neue Welt baut: so sehen wir eine unendliche Kraft der Wahrheit eintreten für die Gewißheit der realen Auferstehung. Die neue Welt, die sich durch den Glauben entfaltet, zeugt für ihren mysteriösen Mittelpunkt, den individuell vollendeten Lebensfürsten dieser Welt. Das erste Rauschen einer allgemeinen Auferstehung, welche in den Herzen, in den Geistern, in den Erneuerungen des Seelenlebens, und selbst in tausendfachen Segnungen für das leibliche Leben ihren Beginn ankündigt, ist eine geheimnißvolle Entwickelung, welche für die Saat einer individuellen Auferstehung, aus welcher sie sich entfalten muß, also für die Auferstehung Christi, Bürgschaft leistet. So wie aber der Glaube eine ewige Welt voraussetzt und bauen hilft, so sehen wir die Liebe in dieser ewigen Welt sich schon bewegen. Die Liebe ist das Wohlgefallen und Wohlwollen des persönlichen Lebens, welches seine eigne Persönlichkeit in der andern, die andre in der einigen wiederfindet. Ihr Element, ihre Voraussetzung, ist die Identität der ewigen Persönlichkeiten. Dagegen ist die Voraussetzung der ewigen, wilden, gesetzlosen Metamorphose des Lebens, der Verwandlung des Unpersönlichen ins Individuelle, und des Untergangs des individuellen Lebens im Unpersönlichen ihr Grauen und ihr Tod - oder vielmehr der Popanz hohler Herzen, den sie mit Verachtung von sich fortstößt. In einer Zeit aber, wo die Gesetzlosigkeit nicht nur im Leben, sondern auch im Denken überhand nimmt, und zur positiven Voraussetzung der urwilden Gesetzlosigkeit der Weltentwickelung wird, da muß auch die Liebe in Vielen erkalten. Der Pantheismus ist das Grab der Liebe. Er hat im Allgemeinen die Welt der Individuen schon aufgegeben, schon feige und grausam geopfert dem Prozeßgott; darum kann er auch den Einzelnen, die in seinen Lebenskreis treten, nicht mit dem vollen, treuen Pulsschlag menschlicher Hingebung sein Leben widmen. Die Larven des Allgemeinen, die Gesichter der romantisch-wilden Weltmetamorphose, die sich verziehen. Eins in's Andre, wie die immerfort sich verzerrenden und verwandelnden Gesichter, die der Einschlafende erblickt im Halbschlaf: diese gespenstischen Ideenträger, diese Herbergen, worin der Dämon des Begriffs vorübergehend einkehrt, kann man nicht in der Hoheit und Wahrheit des Begriffs wirklich lieben. Allein das Walten der christlichen Liebe besteht trotz allen Anfechtungen dieser Weltansicht, welche ihr schönes Reich negieren will, siegreich fort. Ja sie webt, sie wandelt in dieser ewigen Welt, und entfaltet in ihr immer herrlicher ihr Walten. Sie erkennt in den christlichen Auserwählten das ewig Individuelle, und in den christlichen Individuen die Auserwählten. Sie erkennt in ihren individuellen Zügen die Schönheitslinien des christlichen Geistes, die Grundrisse ihres ewigen Lebens, die Bestimmtheiten, aus denen sich das Himmelreich in seinem ewigen Reichthum auferbaut. Sie setzt schon von vorne herein ewige Individuen voraus. Sie schlägt sodann das Marmorbild des individuellen Lebens mit Meisterschaft heraus aus dem rohen Marmorblock, dem Exemplar der Gattung. Sie sucht den geliebten Menschen von der Carricaturgestalt, welche ein Wesen in der Sünde angenommen hat, zu erlösen, von diesem stehenden, zitternden Krampf, welcher seine Züge entstellt, zu befreien. Und immer mehr wird sie ihrer neuen, schönen Welt gewiß, die also herausgeboren wird aus der vergänglichen durch die Liebe Gottes. Worauf aber gründet sich all diese Gewißheit des persönlichen und individuellen Lebens, und die Erfahrung seiner unvergänglichen Macht und Herrlichkeit? Auf die Zuversicht zu der in der Auferstehung vollendeten Persönlichkeit Christi. Der Auferstandne ist der König in diesem Reich der Liebe und der Bürge für seine Realität. Wäre der König ein Traum: das Reich könnte unmöglich eine Wahrheit sein, ein reales Lebensgebiet, dessen Höhen ihren ersten Morgenglanz auf die ganze Welt werfen. Das Reich zeugt für den König. Diese neue Welt ist freilich noch nicht zur Erscheinungswelt geworden. Aber sie wird erscheinen: das verheißt die christliche Hoffnung. Es ist das eigenthümliche Wesen der Hoffnung, daß sie die neue Welt in ihrer Vollendung sieht im Geiste. Dieses Schauen bildet ihre hohen Feste. Aber sie bethätigt auch die Kraft dieses Schauens in den dunklen Lagen des Lebens, in der Stunde des Todes, an den Gräbern. Da sehen wir überall die Hoffnung das Göttliche ihres Lebensmuthes bewahren und bewähren. Mit erhabener Gewißheit des neuen Lebens weiht sie das Todtenfeld zum Kirchhofe, zum Gottesacker, tröstet sie die Leidtragenden mit dem Troste des ewigen Lebens. Man muß ihren Lichtstrahl leuchten sehen in dem Auge des Sterbenden, man muß den Klang ihrer Stimme vernehmen in dem Gebet einer christlichen Mutter, die ihr Kind begräbt. So überwindet sie den Tod viel tausend Mal. Ja so hat sie das Grauen des Todes in seiner wesentlichen Macht in der Christenheit gebrochen. Aber in welcher Macht ist ihr dieses unerhörte Werk gelungen? In der treuherzigsten Zuversicht, daß Jesus auferstanden sei von den Todten. Und dieser Treuherzigkeit sollte überall eine außerordentliche Selbsttäuschung begegnet sein? Man wage es einmal, ihr das in's Angesicht zu sagen! Tröstet den Trauernden einmal mit dieser Liturgie: Jüngling, du begräbst den Freund, aber der wahre Begriff desselben, oder der allgemeine Geist wird leben; Mutter, du begräbst dein Kind, aber der wesentliche Begriff des geliebten Wesens, die allgemeine Menschheit wird auferstehen! O wie feige verbirgt sich der Zweifel an der Auferstehung in den Hinterhalt da, wo die Thränen fließen, Wunden bluten, Herzen zittern, und läßt die - „Sprache der Vorstellung“ in ihrer stolzen Menschen- und Gottesfreudigkeit walten, schluchzen und jubeln, fingen und predigen. Aber nächstens, in den Stunden des Behagens und der Behäbigkeit, da wird er wieder zur Sprache kommen. Allein nicht nur die Treuherzigkeit der christlichen Hoffnung steht ihm feindlich gegenüber, sondern auch ihr Erfolg. Sie lehrt die Menschen sterben; sie weiht ihr Leben. Es gelingt ihr, die Blume der höhern Humanität immer schöner aus dem Menschenleben hervorzulocken. Und so zeugt sie nicht nur mit der ganzen Kraft ihrer Begeisterung, sondern auch mit dem ganzen Segen ihrer Wirksamkeit für die Auferstehung Christi von den Todten. Denn auf diese Auferstehung ist alle Christenhoffnung gegründet. Und dieses Zeugniß legt die Christenheit immer von neuem ab, indem sie in den heiligsten Momenten das Bekenntniß ausspricht: Christus ist auferstanden von den Todten! und indem sie es an ihrem höchsten Feste, ja im Grunde an allen ihren Festen und Sonntagen, mit allen Glocken verkündigt durch alle Welt: der Herr ist wahrhaftig auferstanden! Möge sich's der Verläugner dieser Thatsache merken: gestern hat man sie noch mit Geläute verkündigt, und morgen wird man sie wieder an die große Glocke hängen. Man läutet hinter ihm, vor ihm, über ihm - überall ist es ein öffentliches Zeugniß für diese Thatsache. Und wie der Strom, der durchs Land fließt, sich ewig in seiner Quelle verjüngt, und durch seine Zuflüsse vermehrt, so wächst auch der Strom dieses Zeugnisses von dem Auferstandnen, welches die Christen in ihrem gemeinsamen Bekenntniß aussprechen. Es wächst immerfort, und einst wird die Losung zu einem großen Weltverjüngungsfeste werden: der Herr ist wahrhaftig auferstanden!

5. Die Auferstehung Jesu Christi als Princip der Weltverklärung.

In der Auferstehung Christi erscheint uns also die gewisse Vollendung des königlichen Menschensohnes, die Verklärung seines ganzen Lebens, Geschicks und Waltens. Wenn wir aber den Herrn in dieser Verherrlichung ins Auge fassen, so finden wir, daß er sich in ihr erweist als das wahrhaftige Licht der Welt, das alle ihre Finsternisse erhellt, alle ihre Dunkelheiten klar macht, als das wesentliche Princip ihrer Verklärung. Unter der Verklärung der Welt verstehen wir die Darstellung der Welt in dem reinen Lichte ihrer ewigen Bestimmung. Die Welt soll nach ihrer Bestimmung, wie sie rein hervorgegangen ist aus dem Rathschluß Gottes, aus der Idee, sich ebenfalls wieder zum krystallhellen Gottesgedanken entwirren, entfalten: sie soll also offenbar werden in ihrer Idealität. Und wie sie rein zusammengefaßt ist in dem Leben Christi, als in ihrem innersten und ewigen Lebensprincip und Motiv, so soll sie in ihn sich erneuern und verewigen: sie soll offenbar werden in ihrer Ewigkeit. Da sie aber auf diese Weise ganz durchleuchtet werden kann von dem Gedanken Gottes, ganz durchdrungen werden kann von einem Leben, so kann sie endlich auch ganz in seinen heiligen Endzweck aufgehen, in das selige Leben seines Geistes, und mit dieser Zweckgemäßheit der Welt soll sich ihre Heiligkeit vollenden. So ist also die Verklärung der Welt, deren Princip der Auferstandne ist, eine dreifache: die Offenbarung der Idealität der Welt, die Wiederherstellung der Ewigkeit der Welt, und die Wiedergeburt der Welt durch den heiligen Geist, die Vollendung ihrer Palingenesie, oder die Vollendung der Heiligkeit der Welt. Mit der Idealität der Welt soll sich ihre Ewigkeit, mit ihrer Ewigkeit ihre Heiligkeit entfalten durch die Wirkung Christi. Jene Heiligung der Welt wird einst vollendet sein mit dem letzten Weltgericht, welches die ewige Gemeine mit ihrer Gottesstadt hervorrufen soll aus der Vernichtung der alten Welt, wie die Glocke aus der Form hervorstrahlt, wann der Guß vollendet ist, und die Form zerschlagen wird. Das Saatkorn zu diesem die Gottesgemeine befreienden Weltgericht ist schon gelegt mit der Verklärung des Todes und der Auferstehung Jesu durch den heiligen Geist, wodurch die erste Gemeine gestiftet wurde. Denn die erste Gemeine entstand mit der erschütternden Erfahrung frommer Menschen, daß das große Gericht der Welt über das Leben Christi ein Gericht Gottes durch den Geist Christi über die Welt sei. Und schon wächst dieses Saatkorn der Ernte entgegen. Die Heiligung der Welt steht in vollem Triebe unter einer ewigen Wechselwirkung zwischen der rettenden Barmherzigkeit und der richtenden Gerechtigkeit des Herrn. In dieser zwiefachen Wirkung webt die Herrlichkeit Christi durch die Menschheit hin und her in dem feinsten, geschwindelten Zuge; ja die Menschheit wird in diesem Lebenselement ihrer Läuterung fort und fort gewebt. Einst erscheint der glorreiche Tag der reifen Ernte. Er wird sich aber gründen auf die Auferstehung der Todten, worin die Verewigung der Welt durch das ewige Leben des Auferstandnen offenbar werden soll. Wir haben uns schon gewöhnt, die individuelle Auferstehung Christi als das lebendige Saatkorn für die einstige Auferstehung der Menschheit zu betrachten. Dieses Saatkorn hat seinen Wurzeltrieb versenkt in die Tiefen der Gottheit, indem Christus aufgefahren ist gen Himmel. Es hat aber seinen Fruchttrieb versenkt in die Tiefen der Menschheit, indem Christus der Menschheit durch einen Geist sein Leben einverleibt hat. Auch diese Saat steht in stillem, schönem, großem Triebe. Wir sehen überall das zarte Grün aus dem Boden hervorbrechen: in allen Lebensrettungen, Lebenserneuerungen und Lebensweihungen, welche in der Menschheit erscheinen. Immer mächtiger muß das Leben werden, immer schwächer der Tod, immer intensiver das Lebensbewußtsein, immer durchsichtiger der Flor des Todesschlafs im ganzen Umkreis der Gemeine Gottes. Dereinst werden die Todten vernehmen die Stimme des Sohnes Gottes, und hervorgehen aus ihren Gräbern. Die Jenseitigen werden sich mit den Diesseitigen begegnen in der Region der Gräber in der Fülle der vollendeten Erscheinung eines neuen Lebens. Dieser realen Verklärung der Welt aber muß die ideale Bahn machen, wie sie ebenfalls hervorgeht aus dem Leben des Auferstandnen. Und sie ist es, welche uns hier beschäftigt, indem wir zeigen, wie die Auferstehung Christi sich erweist als das Princip der Weltverklärung. Wir sehen, wie die ideale Weltverklärung aus der Auferstehung Christi hervorgeht. In der Apokalypse wird Christus, der Gekreuzigte und Auferstandne, gefeiert in dem Bilde eines Lammes, welches sieben Hörner hat und sieben Augen, und welches allein würdig erfunden ist, das Buch des Weltlaufs, welches mit sieben Siegeln versiegelt ist, aufzuthun, also seine sieben Siegel zu lösen. Dieses dunkle Gleichniß spricht den Gedanken aus, den wir darzustellen haben. Denn die sieben Siegel sind die sieben Geheimnißgestalten der Welt. Die sieben Hörner des Lammes sind dieselben sieben Geheimnißgestalten, wie sie sich enthüllen als sieben Lebensmächte Christi, oder als sieben Engel der Offenbarung Gottes auf ihrem Wege zur Menschwerdung. Die sieben Augen des Lammes aber sind „die sieben Geister, die in alle Lande gehen, oder die sieben Formen des Gottesgeistes, der in dem heiligen Geiste Christi seine vollendete Offenbarung feiert, wie sie die sieben Lebensmächte verklären, die den reichen Gehalt des Lebens Christi bilden, und in denen uns die Fülle Gottes des Vaters, welche in jenen Weltgeheimnissen uns gegenübersteht, offenbar wird. Fassen wir nun die Auferstehung Christi ins Auge, so erscheint uns ihre Bedeutung mit. Einem Worte darin: sie offenbart uns die Ewigkeit in der Zeit. Der Auferstandne spricht: Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war todt, und siehe, lebendig bin ich von Ewigkeit zu Ewigkeit (Apok. 1, 18). Dieser Reichthum seines ewigen Lebens entfaltet sich vor unseren Blicken in dem Lichte seines heiligen Geistes. In seiner Auferstehung sehen wir alle Momente seines Lebens, wie sie in eine lebendige, schöne Einheit zusammenfallen. Es wird uns klar, daß das Lichtbild seines Lebens, wie es ewig vor Gott stand, ganz Eins ist mit seiner im Fleisch erschienenen, bestimmten menschlichen Individualität. Und von dieser Individualität wissen wir es nun wiederum, daß sie in reinstem Geistesadel von Haus aus Eins ist mit seiner historisch bewährten Gerechtigkeit. Ebenso ist es nun ausgemacht, daß gerade aus einer vollendeten Gerechtigkeit sein großes Kreuzesgeschick sich ergeben mußte, daß es die Folge seiner Liebe, einer Hingebung, eines hohepriesterlichen Wesens war. Sein Todesgeschick aber verklärt sich uns in der Herrlichkeit, die ihm in seiner Auferstehung gegeben ist; seine Wundenmale sind die schönste Zierde seines neuen Lebens, die ewig ernste Erinnerung seines großen Wehs, der mächtigste Grund seiner vollendeten Geistesherrlichkeit und Seligkeit. Wir schließen aber mit Gewißheit aus diesem letzteren Moment seines Lebens, aus seiner Herrlichkeit auf die königliche Herrschaft, worin er die Vollmacht hat, zu richten die Lebendigen und die Todten. So entfaltet sich uns der Reichthum einer verklärten Persönlichkeit; und in dem Einklang und Reichthum dieser sechs Momente wird uns auch das siebente offenbar, seine Gottheit. In dieser Manifestation aber zerstreut die Persönlichkeit des Auferstandnen alle Finsternisse des Wahns in der Welt. Es ist eine falsche Voraussetzung des veräußerlichten elementarischen Denkens der Welt, das reine Ideal eines Menschenlebens könne sich nicht in einem Individuum verwirklichen, oder das Individuum könne nicht ideales Individuum werden, und ganz mit dem Gedanken seines Lebens zusammenfallen. Das individuelle Leben soll unauflöslich mit dem allgemeinen Naturleben verkettet bleiben. Es soll ihm unmöglich sein, ein Naturleben in sich emporzuziehn, und in die Idee eines Lebens zu gestalten; vielmehr soll es durch seine Naturseite unwiderstehlich niedergezogen werden in den dunklen Grund der allgemeinen Weltsubstanz. Dieser Wahn spricht sich plastisch aus in den phantastischen Bildern des Halbmenschen, oder des gespenstischen Menschen, welche der heidnische Weltgeist in den mannigfaltigsten Gestalten gezeichnet hat; in den Centauren, Sphinxen, Sirenen der alten Griechen, in dem Dagon oder Fischgott der Philister, in den vielköpfigen und vielgliedrigen Göttergestalten der Hindus, die das ohnmächtige Hervorbrechen des subjektiven Lebens aus dem Knäuel einer übermächtigen Natursubstanz gräuelhaft darstellen. Hier erscheint der Mensch überall nur als Halbindividuum; er ist bald durch den Hufschlag einer Roßnatur mit dem Erdboden, bald durch die Extremitäten eines Fischleibes mit dem Meere, bald durch die Windungen eines Schlangenschweifs mit dem Schlamm, bald durch die Attribute des Vogels mit der irdischen Luft, bald durch das Verwachsensein mit andern menschlichen Gestalten mit der natürlichen Substanz der Welt verkettet, und in ihren allgemeinen Lebensprozeß verschlungen. In der Auferstehung Christi aber sind wir der idealen Individualität des Menschen ganz gewiß geworden. - Und damit ist es denn auch entschieden, daß wir das menschliche Individuum nicht als Einzelheit, sondern als Einzigkeit zu betrachten haben, als ein Wesen, dessen individuelle Wesenslinie nicht seine Beschränktheit gegen das Ideale ausmacht, sondern gerade sein besonderes Vermögen, die ewige Lebensidee in einer neuen, einzigen Gestalt darzustellen, also die Basis seiner Persönlichkeit, seiner Unvergänglichkeit. In einer zweiten Gestalt behauptet jener Wahn, der individuelle Mensch könne sein Leben unmöglich in vollkommner Gerechtigkeit darstellen. Vielmehr trage jedes Individuum eine Schranke der Endlichkeit an sich, welche sich in seiner Entwickelung als eine Sündlichkeit darstelle, und nur durch die Sünde hindurch könne es zu dem höheren Leben der Freiheit kommen. Diese Voraussetzung kann sich freilich auf einen breiten Erfahrungssatz stützen, auf die Thatsache, daß die Menschen Sünder sind. Diese Thatsache in ihrer ungeheuren Ausdehnung hat das vorchristliche Denken zu jener heimlichen Feigheit und Verzweiflung veranlaßt, worin es den großen Erfahrungssatz: alle Menschen, wie sie in der Breite der Weltgeschichte erscheinen, sind Sünder, zu dem Vernunftsatz umgestempelt hat: kein Mensch kann ohne Sünde sein. Allein die Verherrlichung des Lebens Christi tritt als Bewährung einer vollkommnen Gerechtigkeit dieser alten adamitischen Voraussetzung gegenüber, und stößt sie um. Sein Leben hat sich als das eigenste, größte Menschenleben erwiesen, worin sich die Individualität als eine vollendete Virtuosität des Guten in unbefleckter Gerechtigkeit aufgeschlossen und vollendet hat. Und nicht die Millionen Sünder können die Norm des wesentlich Menschlichen vertreten, ihm gegenüber; vielmehr ist er die Regel, dem ganzen gefallenen Geschlechte gegenüber; und durch sein Leben und Todesgeschick wird jene das ganze Leben der Menschheit durchschleichende Allgemeinheit des Sündigens als Sünde gerichtet. Es wird klar gemacht, daß die Sünde im Fleisch nicht zum Fleisch gehöre, sondern als ein Ungehöriges im Fleisch verdammlich sei (Röm. 8, 3). Und so wird mittelbar jene Ansicht selber, welche die Sünde zu einem ewig nothwendigen Durchgangspunkt des Menschenlebens erheben wollte, als eine Sünde im Fleisch der alten Philosophie, als eine Feigheit im althergebrachten Denken über das sittliche Wesen des Menschen verdammt. Weiterhin will dann derselbe Wahn in dem Geschick des historischen Individuums nicht die unbedingt reine, göttliche Schickung erkennen, welche bestimmt ist, die Prüfung und Bewährung, die Entwickelung und Vollendung des Individuums zu befördern. Vielmehr schildert er das Schicksal desselben als das Walten einer allgemeinen göttlichen Macht, welche mit dem Individuum ironisch verfahre, einer Macht, welche nicht nur den Eigenwillen desselben negire, sondern auch sein eigentlichstes Leben aus seiner Bahn werfe und deterministisch gewaltsam bestimme, welche nicht die Absicht der Liebe habe, die Freiheit des Individuums bis zu seiner Verherrlichung durch die Summe aller ihrer Einwirkungen hervorzurufen und zu vollenden, sondern welche im Interesse des großen Weltprozesses mit einer unendlichen Wucht taufendfach zusammenspielender Nöthigungen auf dasselbe einwirke, und den Schein seiner Freiheit in abgedrungnen Selbstbestimmungen hervorrufe, während sie das Wesen seiner Freiheit stets vernichte. Das Individuum soll in seinem Geschick nicht bei sich selber bleiben, sondern durch dasselbe, oder durch den allgemeinen Geist, der das Geschick seines innern Lebens ist, gewaltsam über sein eigenstes Wesen hinausgeführt werden in immer neue Gestalten, bis die letzten Gestalten immer weniger dem Sturmschritt jenes Geistes oder Geschickes genügen, so daß er sie zerbricht, wegwirft, und ohne Erbarmen den Weg ins Allgemeine weiter fortfetzt. Ganz anders aber erscheint uns das Geschick im Leben Christi. Sein Schicksal war das großartigste und schauerlichte, das schroffste und positivste aller menschlichen Geschicke. Es schien seinem innern Wesen durchaus zu widersprechen. Als die graunvollste Gestaltung des Fatums schien es seiner Freiheit, oder doch seines Daseins spotten zu wollen, und mit Schauder fand er selber, der Heilige, demselben gegenüber, und fragte den Vater in bebendem Flehen dreimal, ob dieses Geschick unvermeidlich sei. Aber dreimal fand er auch die Antwort in seinem innersten Herzen, und besiegelte sie mit einem dreifachen Entschluß seines Geistes. Er nahm das scheinbar fremdete Geschick als sein eigenstes in sein Leben auf in vollkommen freier Hingebung. Und gerade damit entfaltete sich eine Gerechtigkeit bis zur höchsten historischen Vollendung; ja aus diesem Verlust seines Lebens gewann er sein Leben in vollendeter Herrlichkeit wieder. Nun stand er da als der göttlich freie König der Menschheit, welcher mit der Macht über sein Geschick die Macht über alle ihre Geschicke gewonnen hatte. Und es war jetzt gewiß gemacht, daß des Menschen Geschick kein Fatum sei, kein Determinismus, kein Zufall, auch nicht der Riesengang eines allgemeinen Geistes, welcher den Menschen nur benutze als Material für einen Fortschritt durch die Welt, ja nicht einmal der treibende Geist einer wilden Weltverwandlung, welcher sein Wesen aus andern in andre, einander fremde Gestalten metamorphosire; sondern das heilige Kreuz, durch welches sein Wesen geläutert zur Selbstverläugnung und zur festen Einigung mit dem ewigen Gott geführt werde; der heilige Kelch aus der Hand des Vaters, aus welchem er sich nicht den Tod, sondern mit der Bitterkeit des Todes ein neues Leben trinke. Das ist es aber, was das genannte philosophische Vorurtheil am entschiedensten verneint, daß nämlich der Mensch durch sein Todesgeschick zu einem neuen Leben komme. Man redet in der pantheistischen Schule viel von dem tragischen Gange der Helden, von der Katastrophe, womit ihr Leben endige, und von dem Triumph des Geistes in dieser Katastrophe. Aber unter dem tragischen Helden versteht man dann immer im Grunde den heroischen Geist, dessen Träger der scheinbare Held war. Denn nur jener Geist soll es sein, der zu dem Triumphe eines höheren Lebens vorschreitet durch die Katastrophe; dagegen soll der individuelle Held selber ganz dabei aufgehen als der eigentliche Sündenbock im alten Sühnopfer, auf welchen die Tragödie in ihrer Bedeutung anspielt. Ja, nicht sowohl seine sittliche Schuld, oder die Schuld seiner menschlichen Genossen soll er sühnen mit seinem Todesgeschick, sondern seine Endlichkeit selber soll er zuletzt büßen als seine Schuld. Natürlich, je gewaltiger seine Individualität war, desto mehr Individuelles hat er sich in der Sphäre des Allgemeinen herausgenommen, desto gereizter und verletzter muß zuletzt das allgemeine Leben mit furchtbarer Rache über ihn kommen und ihn vernichten. O, wie roh ist diese neue Auflage des Saturnus, welcher seine Kinder verschlingt! Schon der gebildete Grieche, der Verehrer des Zeus, wandte sich mit Abscheu weg von diesem götterfressenden Ungott. Und nun will man uns die Anthropophagie als das hehre Walten einer Gottheit wieder aufwärmen. Und darin sollen wir die tragischen Katastrophen sehen, daß die Individuen verspeist werden, die edelsten gerade in der graunvollsten Weise. Wenn es aber dem Menschen graut vor den Anthropophagen in menschlicher Gestalt, wie kann er sie den Göttern, oder einem göttlichen Walten andichten, ohne daß ihn sein Gefühl abmahnt? Wie kann er jenen Begriff als das Licht der Welt preisen, den er als den eigentlichen personifizierten Menschenfresser darstellt? Wie hoch steht der prophetische Geist über diesen Gräuelbildern, wenn er dem Frommen verheißt: So du durch's Gewässer gehest, bin ich bei dir, daß dich die Fluten nicht sollen ersäufen, und so du durchs Feuer gehet, wirft du dich nicht verengen, und die Flamme wird dich nicht anzünden (Jes. 43, 2)! Diese Verheißung gewinnt ihre volle Klarheit und Gewißheit in der Auferstehung Christi. Der Auferstandne ist durch die tiefsten Fluten der Trübsal, durch die heißesten Flammen des furchtbarsten Todesgeschicks hindurchgegangen, und unversehrt, ja verherrlicht geht er aus diesem Geschick hervor. So ist er uns ein Bürge dafür, daß die Individuen durch ihre Geschicke nicht vernichtet werden, daß ihnen vielmehr dieselben zur Läuterung, Befreiung und Verklärung ihres ganzen Wesens bestimmt sind, zu einem Leben, dessen Macht sich erweisen soll in den weitesten, freisten Wirkungen ihres Geistes. Es ist ganz der christlichen Wahrheit gemäß, wenn man zwischen einer Persönlichkeit, und ihrer geistigen Wirkung unterscheidet. Aber falsch ist es, und der Ewigkeit der Geistesregion, worin eine Persönlichkeit wirkt, nicht gemäß, wenn man jene Unterscheidung zur Scheidung steigert; so nämlich, daß man die Persönlichkeit in die Vergangenheit versetzt, und den Geist für sich als die Reliquie der Persönlichkeit in der Gegenwart betrachten und erfahren will. Die geistige Wirkung einer Persönlichkeit ist ihre zeitlose Wirkung, und weist zurück auf das zeitlose Wesen der Persönlichkeit. Davon gibt uns der Wandel großer Geister durch die Weltgeschichte und ihre Wirkung einen bedeutenden Eindruck. Wir können uns jene geistigen Gestalten, von denen Wetterschläge des Lebens ausgegangen sind, welche mit ihrem Donner durch das ganze lange Gebiet der Jahrtausende dahinrollen, nicht als ephemere Gestalten denken. Sie müssen in dieser Geistesmacht, welche sie hier kund gegeben haben, in andern Sphären fortwirken. Diese Ueberzeugung will uns aber jene falsche Geistestheorie als eine Art von Aberglauben verleiden. Das ist das Fortwirken der Geister, heißt es wohl, daß sie in ihren unsterblichen Wirkungen im allgemeinen Geiste mit fortleben! Allein die Auferstehung Christi gibt uns die Gewißheit von einem ganz andern Fortleben und Fortwirken der Persönlichkeiten im zweiten Leben. Wir erfahren es durch einen Zeugen, wie sich aus seiner Herrlichkeit eine Herrschaft entfaltet. Die Institution der Taufe, wie die Sendung der Apostel in alle Welt sind Wirkungen, welche ganz bestimmt aus dem neuen Leben Christi abzuleiten sind, die ersten Manifestationen seiner Herrschaft. Und so gewiß er nach seiner Auferstehung nicht mehr sterben konnte, also ewig lebt, wirkt er auch ewig fort. So mächtig aber sein Leben ist, so mächtig ist seine Wirkung. Und dieselbe Sphäre, worin das Leben seines Lebens, das Walten seiner Liebe begonnen hat, muß auch der Wirkungskreis sein, worin er's vollendet. Daraus folgt ein königliches Regiment, wie es uns durch sein Wort, eine Boten und durch die stete Erfahrung seiner Gemeine, durch die stets urfrische und neue Wirkung seines Geistes verbürgt wird. Es liegt aber in der Natur dieses Waltens, daß es nur mit dem Abschluß des Weltgerichts in einer entscheidenden Epoche vollendet werden kann. Schon um deswillen muß er kommen zum Weltgericht, weil erst das Weltgericht die Erlösung seiner Gemeine vollendet (Luk. 21, 28). Was bedeutet aber dieses herrliche Geisteswalten Christi in seinem Reiche, wie es fort und fort die Welt bewegt und umgestaltet, bis ihre Rettung, ihr Gericht und ihre Erneuerung ganz in die Erscheinung treten kann? Es bürgt uns dafür, daß die Individualitäten jenseits fortwirken als persönliche Lebensmächte, jede nach dem Maaße ihrer Kraft und nach dem Kreise ihres Lebens; daß aber die gottgeweihten Geister in der Geistesfreiheit des neuen Lebens weit hinaus durch die Regionen des Welt- und des Naturlebens mitwirken, um die Wiedergeburt der Welt herbeizuführen (Matth. 19, 28).

Christus ist der Einzige, in dem sich also die ganze Verklärung aller Momente des Menschenlebens schon vollendet dargestellt hat. Der Apostel nennt ihn darum den Erstgebornen von den Todten. Er erscheint uns aber in dieser Verklärung seines Lebens, in dieser Ewigkeit seiner Persönlichkeit, von welcher ein Lichtglanz ausgeht, der die ganze Welt nach allen ihren Wesensverhältnissen klar macht, in einem einzigen Verhältnisse zu Gott. Wir erkennen in ihm den ewig Geliebten; den Sohn, der den Vater verklärt hat in der Welt durch sein Wesen, und den der Vater wieder verklärt durch seinen Geist. In der Einheit der sechs Momente eines vollendeten Lebens nach ihrer welterhellenden Mächtigkeit schließt sich uns auch das siebente auf: nämlich, daß er das ewige Princip aller Dinge ist, der ewige Anfang derselben, und darum das Ziel, in dem Alles geeinigt werden soll; wir erkennen in ihm den ewigen Sohn, die Gottheit des Logos.

Das Zusammenfallen der sieben Momente des Lebens Jesu in dem Momente seiner Verherrlichung, oder seiner Auferstehung gibt uns also den bestimmtesten Aufschluß über den Lebensgang des menschlichen Individuums, und bürgt uns für die vollkommene Harmonie seiner Momente. Das individuelle Menschenleben, wie es die pantheistische Lebensansicht karrikirt darstellt, bewegt sich, wie wir gesehen haben, durch lauter Widersprüche von seiner ersten Idee bis zu seinem letzten allgemeinen Begriffe fort, so daß immer ein Widerspruch den andern auslöscht. So wird das Lichtbild des Menschen, die Idee eines Lebens, ausgelöscht durch seine Individualität, seine Individualität durch sein Leben, sein Leben durch sein Geschick; dann findet das Geschick desselben seine Auflösung in dem individuellen Untergang, der ihm bereitet ist; dieser wird aufgehoben durch seine geistige Nachwirkung, und diese bestimmte Nachwirkung endlich verklingt in dem allgemeinen Leben, das alle individuellen Lebenskreise in sich verschlingt. Daher ist dieses Menschenleben vergleichbar dem rastlosen Rollen eines Feuerrades, dessen fliegende Kreise einander durchkreuzen und vernichten, und dessen Anfang, Ende und Mitte nie zusammenkommen, sondern sich verlieren in dem ungeheuren Prozeß einer endlosen Zeit. Allein die Auferstehung Jesu läßt uns das Menschenleben in einem ganz andern Lichte erscheinen. Hier nämlich stellt es sich dar als ein ruhender Stern, oder vielmehr als ein wunderbares Bild von sieben Sternen, die alle auf dem tiefen Grunde der Ewigkeit kreisen, der eine aus dem andern sich entfaltend, den andern umkreisend und heller verklärend, so daß alle Kreise wie ein Gestirn leuchten in wunderbarem Glanze. So also verwirklicht sich zuerst die Idee des Individuums in den ewigen Zügen seiner Individualität. Diese Individualität beginnt sodann ihre zitternde Entfaltung in der Gesammtheit ihres Strebens. Dem bestimmten Streben des Menschen aber begegnet sein Geschick, wie aus unendlicher Ferne heranziehend, sein ganzes Leben durchkreuzend und vernichtend, und doch im Grunde aus seinem innersten Wesen geboren, und dieses Wesen als Prüfung und Läuterung vollendend. Das Geschick des Menschen aber verklärt sich in seiner Auferstehung, die mit seiner geistlichen Auferstehung beginnt. Diese bewährt sich als ein Leben in der Herrlichkeit, in der Macht des Geistes, und mit dieser Macht des Geistes wirkend und sich bethätigend, ruht das Individuum in Gott, feiert es in seiner Vereinigung mit ihm seine ewige Vollendung. Was aber von dem Individuum in der Idee gilt, das gilt auch von den Individuen in ihrer welthistorischen Wirklichkeit und Gesammtheit. Christus ist uns erschienen als der Fürst der Menschheit, in welchem sich das Geschick des Menschen verklärt hat. Damit ist er uns aber zugleich erschienen als der Herr, welchem alle Lebensmächte untergeben sind, in denen sich das Leben der Menschheit aufschließt. Weil er der ewige Mittelpunkt der Welt ist, ja der verewigende Mittelpunkt der Welt, die Offenbarung der Gottheit in der Mitte der Zeitlichkeit, so muß sein Leben die Welt bestimmen, durchdringen und verwandeln. Und demzufolge müssen sich alle großen Momente des Lebens der Welt als Mächte seines Lebens enthüllen (die Hörner des Lammes). So tritt die erste Macht des Lebens auf, der schöpferische Trieb der werdenden Welt. Jenen dunklen Lebensdrang der Natur in seiner unermeßlichen Wirkung - wie sollen wir ihn nennen? Abfall von der Idee? So erscheint die Natur der trüben, dualistischen Reflexion. Allein in ihrer wahren Beziehung auf ihr höchstes Princip, das Leben Christi, erscheint uns die Natur in ihrem dunkeln Drange durch und durch bestimmt von ihrer Idee, von dem geistigen Triebe, sich in ihrem höchsten Ideal zu verklären. Es ist nichts Finstres in dem Wesen der Natur selbst: Alles hat seine Beziehung auf das Princip, welches alle Momente ihres Lebens bestimmt. So wie alle wogenden und wirbelnden Töne eines musikalischen Meisterwerks aufgehen in dem Einen Grundgedanken des Stücks, so finden alle dunklen Wogen und feurigen Wirbel des Weltlebens ihre Losung und ihre Lösung in der vollendeten Persönlichkeit Christi. Dieses reine Aufstreben der Natur von ihrer ersten Grundlegung in den Weltelementen bis zu ihrer Verklärung in dem Bilde Gottes, finden wir dargestellt in dem Sechstage-Werk (Genes. 1). Aus dem Worte Gottes wird Himmel und Erde. Wie ein Weiser sinnend, bildend und prüfend über seinen Kunstwerke steht, so steht Gott über dem Werke seiner Schöpfung. Alles geht aus einem Geiste hervor; alles wird bestimmt durch eine lebendige Rede, und sein Bewußtsein spricht das Gutsein, die Idealität jedes neuen Momentes der Entfaltung dieser Schöpfung aus. Das Ziel aber ist der Mensch, geschaffen im Bilde Gottes. In ihm feiert Gott seinen Sabbat, in dem Menschen also, sofern er seine Beziehung hat auf den Sohn, ein ewiges Ebenbild. Die Beziehung der zweiten Macht des Lebens auf das Leben Christi tritt schon deutlicher hervor; es ist das Leben der Völker. Freilich, ebenso wie die Natur in ihrem dunklen Lebensdrange uns als ein rein unentwirrbares Gewoge der Kräfte, als das unideale Gebiet, als das Chaos erscheinen will, so tritt uns auch in dem Gewoge der Völker (in dem Toben der Heiden, Psalm 2, 1), in ihren wilden Lebensbewegungen, Kriegen und Zerstörungen eine fast undurchdringliche Finsterniß entgegen. Soll sich diese Finsterniß ganz aufhellen? Diese Verwirrung ganz entwirren? Ja, dieses Völkergewühl muß sich ganz zum Organismus verklären, und dieser Organismus muß sich endlich so vollkommen dienend und lebendig zusammenschließen mit der Persönlichkeit Christi, wie die Glieder des Leibes mit dem Haupte eine Einheit bilden. Der Geist der Offenbarung hat diese dunkle Macht der unter einander verwirrten Völker gleich im Ursprung dieser Verwirrung als eine von dem Bewußtsein Jehova's, d. h. des menschwerdenden Gottes umfaßte Lebensmacht bezeichnet. Die Propheten sehen dieses Walten Christi über die Völker schon im Geiste voraus. Ich will dir die Heiden zum Erbe geben, heißt es im 2. Psalm (V. 8). Die Wurzel Isai, spricht Jesaias, steht zum Panier den Völkern; nach der werden die Heiden fragen (Jes. 11, 10). Diese Macht über die Völker macht Christus alsbald nach seiner Auferstehung offenbar. Er faßt die Auserwähltesten aus den Juden und aus den Heiden, aus den Griechen und aus den Römern, aus Gebildeten und Barbaren zusammen - zusammen in Eine Gemeine, und sein Geist beherrscht und befreit - er erfüllt die Alle als Einen Organismus seines Lebens. Er hat es als der Auferstandne bewährt, daß er allen Geistern, allen Nationen gewachsen ist, und daß er alle Zäune zwischen allen hinwegthun, und aus allen eine Gemeine machen kann und will.

Als die dritte Macht des Lebens erscheint uns die alttestamentliche Gesetzgebung. Hier tritt nun schon die Beziehung auf die Offenbarung Gottes im Fleisch deutlicher hervor. Jehova - Ich werde sein: das ist der Name des Bundesgottes des auserwählten Volkes; ich werde da sein, leben, als der Lebendige mich offenbaren. Wenn Gott sich als der Elohim bezeichnet, so gibt er dadurch zu erkennen, daß er der Gott aller Kräfte, und aller Spiegelbilder ist, in denen fromme Menschen ihn erkennen, der Gott der Völker, den die Heiden auch in ihrer Vielgötterei meinen und unbewußt suchen, dessen eigner Name es ist, den sie alle in ihren Religionen entheiligen, während sie ihn heiligen wollen. Wenn er sich aber Jehova nennt, so stellt sich der bestimmte Gegensatz gegen jene Mannigfaltigkeit seiner Kundgebung dar, also die gewisse Offenbarung seines Wesens, welche mit seiner Verheißung beginnt, durch welche er sein Wort in ein auserwähltes Menschenherz verpflanzt, damit es sich der Menschheit einverleibe als das Princip seiner künftigen Menschwerdung. Dieses Wort entfaltet er zuerst in seiner Bundeshandlung mit dem israelitischen Wolke, in der Gesetzgebung. Das Gesetz ist in allen seinen Theilen eine dunkle Lebensmacht des kommenden Christus, ein Schattenriß seiner Gerechtigkeit in seinen sittlichen Geboten, ein Typus eines Versöhnungstodes in der Institution des Opfers, ein Repräsentant seines Lebens in der theokratischen Erziehung und Führung des Volkes (1. Kor. 10, 4). Aber auch jene welthistorischen Mächte, welche manchmal dem Volke Gottes so drohend entgegentraten, welche verheerend über sein Land kamen, zerstörend über seinen Tempel, und mehr als einmal gleich Mächten der Finsterniß die theokratische Gottesaat in Israel zu vernichten schienen, gehörten zu der Macht des Lebens Christi. Sie waren nur die Werkzeuge des göttlichen Gerichtes, dessen das Volk zur Bewahrung, Läuterung und Förderung eines christologischen Lebens durchaus bedurfte. Der Jehova Zebaoth ist es, welcher diese Gerichte verhängt, d. h. dem menschwerdenden Gotte stehen jene Heerschaaren zu Gebote, und müssen durch die Vollziehung seiner Gerichte seinen Endzweck fördern. Dafür aber, daß sie seinen Zweck unbewußt ausführen, mit eigner Verschuldung, im Elemente ihrer Rache, werden sie alle wieder gerichtet (siehe Jes. 10). So werden die Könige von Assyrien und Babel gebraucht als Ruthen des göttlichen Zornes über Israel, und alsdann selber zerbrochen. So wird der heidnische König Cyrus selber als ein Gesalbter des Herrn eingeführt (Jes. 45, 1 ), weil er berufen ist, den Gottesdienst auf Zion wieder herzustellen. So stellt sich dem Propheten (Dan. 2) das Monarchienbild dar als ein Zeichen, wie der Gott des Himmels die großen Weltmonarchien dem Reiche Christi vorangehen läßt, um das Walten Gottes über die Völker bis zu der Zukunft dieses Reiches auszuführen, also diese Zukunft selber vorzubereiten und anzubahnen. Jene Gerichte Gottes, welche die vierte Lebensmacht Christi bilden, haben zur Folge, daß sich der edelste Kern des theokratischen Volkes entfaltet, und zu einer Blüthe kommt in den Auserwählten Jehova's, in seinen Propheten. Die Propheten stellen den Kern der gottgeweihten Menschheit dar, wie er sich in der Wechselwirkung mit der Gnade Jehova's seinem Geiste immer mehr aufschließt und hingibt, eine Verheißung immer inniger ergreift, immer begeisterter darstellt, so daß wir hier schon, in den Momenten der prophetischen Entzückung, wie in den schönsten Blüthen das Einswerden Gottes mit der Menschheit, die Anfänge seiner Menschwerdung sehen. Daher gehört alles Leben der Propheten Gottes, seiner auserwählten Geister, bis zu dem Gipfel der prophetischen Begeisterung in der Maria in dem eigentlichsten Sinne zu der Lebensmacht Christi, gerade so wie der Stengel einer Blume dieser Blume angehört. Dieß ist die fünfte Gestalt einer Lebensmacht. In der vollendeten Begeisterung der Menschheit und unter der vollendeten Eingeistung Gottes hat sich jener Wunderact gebildet, da Christus empfangen ist von dem heiligen Geist, geboren aus Maria der Jungfrau. Darum ist ein Leben von der Geburt an ein heiliges (Luk. 1, 35), die höchste menschliche Lebensmacht. So ist Jesus geboren in das geistliche Leben hinein (1. Kor. 15), das heißt in der vollkommenen Harmonie des reinen Menschenlebens, in welcher sich der Geist in jedem Entwicklungsmoment der Natur als Macht über das natürliche Leben erweist und bewährt. Mit dieser Geistesmacht über sein eigenes Leben ist er geboren; so daß alle Momente seines Sinnenlebens aufleuchten und verschwinden in der Idealität seines Wesens; so daß sich alle Regungen seines natürlich menschlichen Bewußtseins sofort in Erregungen seiner Geistigkeit verwandeln. So war er geboren mit der höchsten Gentilität geweihter Menschheit, und darum entfaltete sich denn auch seine Gerechtigkeit siegreich in allen Versuchungen gleich einer vollendeten religiösen und sittlichen Virtuosität. Er war also der geborne König im Reiche der Wahrheit; darum der geborne Fürst der Menschheit. Er hatte Macht über sein eignes Leben (Joh. 10, 17, 18). Darin erscheint uns eine Macht in der sechsten Gestalt. Daraus folgt aber siebentens, daß er auch Macht hatte über das Leben der ganzen Menschheit. Wenn er seiner selbst vollkommen mächtig, sich selber vollkommen klar mit der Energie eines unendlichen Willens da stand in der Mitte der Sünder, unter denen keiner sich selber recht klar, keiner seiner selber in sittlicher Beziehung recht mächtig war, die Meisten Sklaven des Verderbens, Alle gebunden, so war es in diesem Verhältniß Christi zu der Welt begründet, daß er Macht hatte über die ganze Menschheit, nämlich das vollkommene Uebergewicht der religiösen, der moralischen, der intelligiblen und der psychischen Kräfte. Nun aber schien er diese Kraft auf einem dreifachen Wege bethätigen zu können.

Der eine Weg wurde ihm vom Versucher bezeichnet (Matth. 4, 8, 9); es war der verbotene, die Menschheit psychisch zu erobern auf Kosten ihres geistigen Lebens. Der andre Weg lag klar vor seiner Seele in jener Stunde, da er sich freiwillig der Macht seiner Feinde überlieferte. Er konnte auch jetzt noch mit seiner moralischen Macht die Welt niederwerfen. Er konnte mit seiner Bitte Legionen Engel herabrufen zu seinem Beistande, vom Vater (Matth. 26, 53); er konnte also alle Engel der rächenden Gerechtigkeit versammeln, und Gericht halten über die Welt. Allein auch diesen Weg ließ ihn die Liebe nicht betreten. Und darum schlug er den dritten Weg ein, den Weg der Liebe, des Leidens und des Kreuzes. Er überwand die Welt, indem er sein Leben dahin gab in ihr Gericht; er überwand sie durch den Sieg seines Geistes in seinem Tode. In seiner Auferstehung wurde es offenbar, daß alle Macht der Welt der Macht seines Geistes verfallen, zu einer von seinem Walten beherrschten und bestimmten Lebensmacht geworden war (Matth. 28, 18). Da er sich in seinem Tode erwiesen hat als der absolut Freie, der seinen reinen Willen gegen den bösen Willen der ganzen Welt behauptete, so konnte er sich in seiner Auferstehung erweisen als der absolute Befreier, als der König, welcher die Menschheit aus der verderblichsten Sclaverei erlösend befreit, und in die Gemeinschaft seiner Seligkeit emporzieht. Hat er aber solche Macht über die Menschheit, so hat er gleiche Macht über die Menschenerde, über die Menschenwelt; er kann und will diese ganze Region in eine Lichtregion, welche ihrem Princip, nämlich seinem Lichtleben ganz conform werden soll, verwandeln. Diese Lebensmacht Christi wird der Welt offenbar gemacht durch den heiligen Geist, der von seiner vollendeten Persönlichkeit ausströmt. So wie uns aber das Wesen des Sohnes Gottes offenbar wird durch den heiligen Geist, so lernen wir auch das Wesen dieses Geistes durch den Sohn kennen. Christus zeugt von dem heiligen Geiste, er werde nicht von sich aus reden (Joh. 16, 13). Der heilige Geist setzt das vollendete Leben Christi voraus; er macht dieses Leben der Menschheit klar im Lichte seiner lebendigen Einheit, und verkündigt die ganze Entfaltung seines Sieges bis zum Weltgericht. Das ist überhaupt das Wesen des Geistes, daß er immer der Geist eines bestimmten Lebens ist, die lebendige Einheit eines Lebens, nicht aber der Tod eines Lebens (siehe S. 54). Der Geist ist nicht zu vergleichen dem künstlichen Rosenöl, das aus den zerstampften Blättern einer entblätterten Rose gewonnen wird, sondern dem Rosenduft, der über den blühenden Blättern einer aufgeschloßnen Rose schwebt. Das wahre Kind des Geistes Christi trägt die Rose auf seiner Brust, den lebendigen Glauben an das Evangelium von dem vollendeten Leben Jesu, in der duftenden Einheit seines Geistes. Der Spiritualist aber, oder der Geistheuchler will als Stutzer den Geist wie Rosenöl in dem Flacon eines philosophischen Systems mit sich herumtragen, einen Geist, der durch die Zerstörung der Rose gewonnen sein soll, einen Geist, der von sich selber redet. Er will einen Geist, der das mit ihm correspondierende Leben nicht verklärt, sondern verzehrt. Demzufolge müßte denn auch der Wind, als das Symbol des Geistes, das Erdleben, auf welches er sich bezieht, nicht vermitteln, sondern aufheben. Er müßte als eine ungeheure Windhose die Erde auflösen in einem vernichtenden Wirbel. Aber so waltet der Geist der Erde nicht; sondern darin erweist er seine Macht, daß er alle ihre Mannigfaltigkeit belebt, und in einer lebendigen Einheit darstellt. Er ist das Element, in dem die Blüthen sich verbinden und begatten, die Wolken ziehen, die Fittige fliegen, die Lungen athmen, die Schiffe segeln, die Todesdüfte sich verzehren. Und so macht auch nicht das den individuellen Geist des Menschen zum Geiste, daß er die Kräfte des Individuums auflösen und vernichten sollte; sondern daß er alle Qualitäten seines Seelenlebens, daß er alle Momente seiner Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verklärt in der Einheit eines lebendigen Bewußtseins. In gleicher Weise verklärt der heilige Geist den ganzen Reichthum des Lebens Christi. Er stellt die Einheit, Freiheit und Seligkeit dieses weltumfassenden Lebens dar. Somit stellt er also seine Ewigkeit dar. Daraus folgt aber, daß jede Lebensmacht Christi auch in einer besondern Geistesgestalt im Bewußtsein Gottes sein mußte; daß also die sieben Lebensmächte des Gottmenschen nach ihrer idealen Gestalt von Gott ausgingen in die Welt in der Gestalt der sieben Geister. Das gilt schon von der ersten Gestalt der chaotisch gährenden, werdenden Welt. Der Geist Gottes webte brütend und schaffend als Bildungstrieb über all diesen wogenden Gewässern: Gott war sich dieses Werkes wohl bewußt in der Einheit eines weltbildenden Geistes. In derselben Weise waltet der Geist des Herrn in seiner zweiten Gestalt über der Zertrennung der Völker in der Mannigfaltigkeit ihrer Sprachen und Religionen. Er ist es, der ihre Zungen verwirrte bei dem Thurmbau zu Babel (1. Mos. 11, 7), der alle ihre Sprachen fortwährend versteht, während sie sich unter einander nicht verstehen können, und der ihnen am Tage seiner Herrlichkeit, am christlichen Pfingstfeste Allen Eine gemeinsame Sprache wiedergibt. Derselbe Geist aber kündigt sich an als das ewige Bewußtsein der Theokratie, der Gottesoffenbarung, welche auf die Menschwerdung im Fleische hinzielt, indem er dem Moses seinen Namen nennt, den Namen Jehova, der seine Zukunft verheißt. (2. Moses 3, 14). Dieser Geist aber nimmt eine neue Gestalt an, indem er als ewige Gottesklarheit waltet in den Gerichten, welche er durch die heidnischen Weltmächte über sein Volk kommen läßt (Jes. 13, 13; Kap. 14, 1). Daß er aber das ganze Leben der Propheten, ihre Gesichte, in allem Stückwerk, worin dieselben erscheinen, in aller Mannigfaltigkeit und Dunkelheit ihrer Formen, in ewiger Klarheit und Einheit eines überweltlichen Bewußtseins zusammenfaßt, darüber spricht sich die Offenbarung deutlich aus (Hebr. 1, 1; 1. Petri 1, 11); und schon die herrliche Einheit des organischen Lebens der alttestamentlichen Prophetie läßt uns schließen auf dieses Bewußtsein des göttlichen Geistes, womit er alle Propheten überwaltet. Endlich aber erscheint uns das Leben Christi ganz und gar, durch und durch in seiner Natur als ein Gebilde dieses Geistes (Luk. 1,35). Darum mußte sich auch das Bewußtsein Christi in seiner vollkommenen Entfaltung darin vollenden, daß er erfuhr, wie dieser Geist als der heilige über ihn kam, und ihn erfüllte (Matth. 3, 16), um von ihm auszuströmen, und die Menschheit, und mit ihr die Welt zu heiligen und zu verklären als der heilige Geist - der Geist Gottes in der Gestalt der Herrlichkeit, in welcher alle Formen seines Waltens ihre Einigung und Ewigkeit feierten. Die Auferstehung Christi hatte die Ausgießung des heiligen Geistes über seine Gemeine zur Folge, durch welche das Walten des Geistes in der Einheit aller seiner Gestalten verherrlicht wurde. Damit wurden denn aber auch die sieben Siegel gelöst; d. h. die Geheimnisse des göttlichen Waltens über der Welt wurden gedeutet, und so trat aus einer siebenfachen Finsterniß der Welt die Herrlichkeit des Vaters in siebenfacher Klarheit hervor. Das Bild des Vaters als des höchsten, ewig geistesmächtigen und lebensreichen persönlichen Wesens hat sich vollkommen ausgeprägt und dargestellt in der Mitte der Welt in seinem Ebenbilde. Und in dem Siege Christi ist es erstlich offenbar geworden, daß die Offenbarung des Vaters, und seine Stiftung, das Reich Gottes, der herrschende Grundgedanke ist, welcher alle Dunkelheiten der Welt beherrscht und deutet, der göttliche Weltlauf in seiner Heiligkeit, welcher jede dunklere Gestalt des Weltlaufs bestimmt und heiligt (Offenbar. 6, 2). In diesem Lichte der Herrlichkeit des die Welt überwaltenden Vaters verschwindet sodann die Finsterniß, welche das Kriegsgetümmel der Völker über die Erde verbreitet; indem sich dasselbe aufhellt in dem heiligen Endzweck Gottes, der die Völker mit einander eins durch's andre erzieht und läutert (V. 4). In diesem Lichte enthüllt sich ferner das schwere Walten der Gerechtigkeit, welche mit der Waage in ihrer Hand in aller Welt nach positiven Gesetzen Recht spricht, welche die strenge Norm des Eigenthums stiftet, und die scharfen Gesetze des Verkehrs bildet. Es wird nun durch den Geist Christi der Welt klar, daß nur dadurch allein, daß alle Menschen beschränkt werden im Besitz und Genuß der unendlichen Fülle bis zur Unzufriedenheit. Aller, bis zur Verarmung Vieler, die Idealität, die scharf bestimmte und im Verhältniß zu den Persönlichkeiten streng gemessene Geistigkeit dieser Fülle offenbar werden kann, so daß die Personen gerettet bleiben gegenüber der Substanz, und die Substanz endlich verwandelt wird in das Blut und Leben der Personen, bis zuletzt durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes die heilige Gemeinschaft des Lebens gesichert ist (V. 5, 6). Dann aber tritt viertens auch das schreckliche Walten der richtenden großen Weltmächte in das rechte Licht; es schließt sich uns ein furchtbar kühnes und schönes Geheimniß des Vaters darin auf, daß er in vier Instanzen die Menschheit richtet: nämlich durch das Schwert der großen Welteroberer; durch den Hunger oder die Noth der Zeiten; durch den Tod in außerordentlichen Seuchen und in der Gestalt der allgemeinen menschlichen Sterblichkeit; und endlich durch die verderbliche Macht der zerstörenden Potenzen auf Erden, besonders der reißenden Thiere. Indem wir nämlich alle diese Gerichte auf den Endzweck des Vaters, das Reich Gottes beziehen, erfahren wir, wie er seine Menschheit tausendfach durch Fluten und Flammen gehen läßt, um vermittelt dieses unendlichen Webens, dieser großen Läuterung eine dunkle Welt egoistischer Creaturen in ein lichtes, hehres Reich liebeseliger Geister zu verwandeln (V. 8). Hierauf wird uns auch das Räthel gelöst, welches noch größer und dunkler ist, wie das vorige, die Frage: weßhalb die auserwählten Träger des göttlichen Wortes und Lebens in der Welt allüberall Verfolgung leiden, und vielfach als Märtyrer mit ihrem Tode ihr Zeugniß bekräftigen müssen. Sie sind nämlich alle begraben worden unter dem Altar, sie sind als Priester Gottes in dem Geiste der Versöhnung gestorben, und ruhen aus in dem weißen Kleide der Gerechtigkeit und des Friedens, das ihnen Gott geschenkt hat, als die Vorläufer und als das Gefolge des hohepriesterlichen Herrn, dessen Tod das Gericht und die Rache in die Rettung und Versöhnung der Welt verwandelt. Wie die Propheten dem Messias vorangehn, und wie die Apostel von ihm ausgehn, um ihm Bahn zu machen, so muß der Tod aller Märtyrer seinen Tod, den Versöhnungstod des großen Märtyrers ankündigen und verklären helfen: damit endlich die Menschheit in einer großen, allgemeinen Hingebung an das große Gericht Gottes in der Kraft des Todes Christi ihre Wiedervereinigung mit Gott feiere (V. 9 - 11). Und nun endlich kann sich jenes große, hohe Geheimniß darstellen und entfalten, in welchem sich alle Gerichte Gottes zusammenfassen, der Tod Jesu. Es wird uns klar im Lichte des Geistes der Auferstehung Christi, daß dieser Tod das Gericht Gottes über die alte Welt, die auf diese Weise sein Ebenbild gerichtet hat, in sich schließt, daß mit ihm die alte Erde erbebt, die Sonne für die Erde sich verfinstert, die alten Erd- und Himmelsverhältnisse der irdischen Welt sich verrücken und umgestalten, und der Gottes schrecken der Majestät Christi beginnt, alle Gewaltigen der Erde und alle Stände vor seinem Throne zu demüthigen, und seinem Gericht und Sieger zu unterwerfen. So treten also alle Weltveränderungen, welche dem Tode Christi bis zum Weltende folgen, in das rechte Licht; sie gehen alle hervor aus Einem Princip, dem rettenden Weltgericht, das mit dem Tode Christi gesetzt ist, und laufen alle auf das Eine Ziel hinaus, daß die Menschheit unterthan werde seinem Regimente, und daß ihre ganze Natursphäre umgestaltet, geweiht und durchwirkt werde von dem Geiste seines Lebens (V. 12 ff). Denn so wie Christus überhaupt das bestimmende Lebensprincip der Menschheit und der Menschenerde ist, so ist sein Tod und seine Auferstehung insbesondere das bestimmende Princip der Geschichte der Menschheit und ihrer Erde; mit seinem Tode also ist die Weltveränderung bis zum Weltende, mit seiner Auferstehung die Weltverklärung bis zur Auferstehung gesetzt und angekündigt. Damit ist denn auch die Auflösung des siebenten Geheimnisses angekündigt, nämlich daß Gott in den großen Katastrophen, welche den christlichen Weltlauf beschließen sollen, durch die Vollendung des Gerichtes der Welt diese Welt verklären werde. Daß die irdische Welt in ihrer alten Gestalt einmal vergehen werde, dieß erwarten. Alle, die mit ihrer Endlichkeit vertraut sind. Wenn man aber zugleich vertraut ist mit dem rhythmischen und mit dem aufsteigenden Gange des Natur- und Weltlebens, so wird man sich das Ende der Welt als eine große Naturkatastrophe denken, und zwar als einen Untergang, welcher im Grunde nur eine Metamorphose ist, und eine höhere, schönere Weltgestalt zur Folge hat. Und weil wir dabei den Menschen betrachten als das Princip, welches die Erde in ihrem Leben überwaltet, das menschliche Geistesleben aber als die Macht, welche die Menschheit beherrscht, und das Christenthum wiederum, als die Macht des menschlichen Geisteslebens, endlich das persönliche Leben Christi als die einheitliche Lebensmacht des Christenthums, so wissen wir auch, daß jene Endkatastrophe unmöglich in gräuelhaft wilder Weise vor sich gehen kann, so daß das Unterste zu oberst gekehrt würde; nicht etwa so, daß eine Erdrevolution die Menschheit zerstören, daß eine Revolution der Menschheit das Geistesleben vernichten, oder daß das Christenthum in den Fluten des Geisteslebens versinken, oder endlich daß die Persönlichkeit Christi in der Allgemeinheit des Christenthums verschwinden sollte. Wir erwarten vielmehr bestimmt, daß sich das Leben der Menschheit nach der Macht der Principien, in denen die idealen Wesensverhältnisse der Erde beruhen, in harmonischer Entfaltung derselben, vollenden werde. So muß also die Vollendung der Verherrlichung Christi die Vollendung des Christenthums zur Folge haben. Mit der Vollendung des Christenthums muß die Ernte des menschlichen Geisteslebens reifen. Dann wird mit dieser Ernte der Abschluß der Entwicklung der natürlichen Lebensfülle der Menschheit eintreten. Und erst mit dieser kann endlich die kosmische Katastrophe der Erde sich einstellen. Diese Erwartung deutet hin auf das siebente und letzte Weltgeheimniß des Vaters, dessen Idee uns durch das Leben des Auferstandnen in ihrer Schönheit und Erhabenheit enthüllt wird. Der Vater wird sein schöpferisches Licht tagen lassen am Weltabend, und aus einem furchtbaren Verklärungsfeuer wird er den neuen Himmel und die neue Erde hervorrufen; ein Reich seliger Gottesmenschen, welche ganz in das geistesmächtige Leben, das Auferstehungsleben emporgehoben worden sind, in eine Wesensgestalt, deren erste Blüthe uns erschienen ist in der Auferstehung Christi. Er wird sein Walten über der Menschheit krönen mit der Vollendung einer Lichtwelt, in welcher er selber, der ewige Gott, sich ganz offenbart in dem herrlichen Sohne, der Sohn in dem heiligen Geiste, der Geist in der seligen Gemeine, die Gemeine in der durchgeisteten, idealhellen, unvergänglichen Schöpfung oder Gottesstadt (Offenbar. Joh. 21). So schließt sich uns die Idealität der Welt auf in dem Lichte, das von der Sonne der Menschheit, von dem Auferstandnen, ausströmt. Wie wir seiner gewiß sind, so sind wir der Offenbarung der Herrlichkeit Gottes in der erneuerten Menschheit, und der Vergeistigung der Natur in diesem vollendeten, gottmenschlichen Geisterreiche, ja der Aufhellung aller dunklen Räthelgestalten, welche die Welt in ihrer Entwicklung durchgemacht hat, gewiß. Gleichwie die dunkle grüne Pflanze ihren Namen gewinnt, wenn sich ihr Wesen in dem Licht ihrer Blume erschlossen hat, und wie der Christ mit einem neuen Namen genannt werden soll, wenn sein Leben in seiner Vollendung den reinen Glanz seiner Einzigkeit gewonnen hat, den Lichtglanz seiner Erwähltheit, seiner besondern Geliebtheit bei Gott und den Menschen, so wird auch die neue Welt den dunklen Reichthum ihres Wesens strahlen sehen in der Klarheit eines neuen Namens. Die Bürgschaft dieser Weltverklärung ist uns gegeben in der Gewißheit, daß der fürstliche Mittelpunkt dieser Welt, das Haupt, Christus schon verklärt ist. - Darum sei uns die Wahrheit seiner Auferstehung heilig als der höchste, reichte, concentrirteste Ausdruck alles dessen, was uns überhaupt heilig ist; als der Edelstein, dessen Verlust uns mitten in ein düstres, dämonisches Chaos siebenfach versiegelter und tausendfach verwirrter Wesensverhältnisse versetzen würde, dessen Licht aber uns mitten hinein versetzt in eine lichte, von dem ewigen Geiste verklärte Gotteswelt!

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