Lampe, Friedrich Adolph - Von der freien Gnade.

Lampe, Friedrich Adolph - Von der freien Gnade.

Der Vorsatz der Gnade ist der ewige und unveränderliche Wille des dreieinigen Gottes, wodurch Er nach freiem Wohlgefallen, um der Bürgschaft Christi willen, einige gewisse Personen aus dem verlornen Menschengeschlechte zu erlösen beschlossen hat.

Der, welcher den Vorsatz der Gnade gefaßt hat, ist der dreieinige Gott. Darum heißen die Gegenstände dieses Vorsatzes Auserwählte Gottes. Im vollesten Nachdruck ist dieß aber ein Werk des Vaters. Gelobet sei Gott und der Vater unsers Herrn Jesu Christi: wie Er uns denn erwählet hat durch denselben, ehe der Welt Abgrund geleget war. Der Beweggrund, den die hochgelobte Dreieinigkeit zu solchem Vorsatz gehabt, ist lauter freies Wohlgefallen gewesen. Denn wie konnte dies selige Wesen, das in seinen eigenen Vollkommenheiten höchst vergnügt ist, und in seiner Ruhe durch nichts außer sich gestört werden kann, etwas außer seinem Willen finden, was Es zu einem so unerwarteten Gnadenschluß vermocht hätte? Der uns hat selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach seinem Vorsatz und Gnade, die uns gegeben ist in Christo vor der Zeit der Welt. Der ganze Rathschluß wird darum ein Wohlgefallen und eine Wahl der Gnaden genannt. – Gott hat uns ferner als einen verlornen Sünderhaufen erwählt, als solche, die unter dem Fluche und in Verderben liegen; ja die unter den Elenden die Elendesten sind; solche sind es, die der Herr durch einen ewigen und unveränderlichen Willen, auf eine Ihm geziemende Weise zu erretten hat festgestellt. Den Inhalt der Erwählung, worin die Erlösung des Volkes Gottes verordnet ist, stellet die H. Schrift in zwei Redensarten vor, welche die Ordnung des ganzen Vorsatzes und dessen vornehmste Theile ausdrücken. Sie nennet ihn einen Rath des Friedens und ein Testament Gottes. Er wird genannt ein Rath des Friedens. Den Tempel des Herrn wird Er (der Mann Zemah) bauen, und wird den Schmuck tragen, und wird sitzen und herrschen auf seinem Thron, und wird ein Rath des Friedens seyn zwischen den beiden. Billig heißt Gottes Vorsatz ein Rath des Friedens, weil nicht allein sein Inhalt und Zweck der Friede war, den Gott mit dem Sünder durch den Gnadenbund zu stiften bedachte, sondern weil auch in dessen Abfassung die göttliche Weisheit sich recht offenbarte, und alle drei Personen des göttlichen Wesens die Ausführung der Erlösung unter sich getheilt und darüber sind Eins geworden, und insbesondere zwischen dem Vater und dem Sohn ein Vertrag ist gemacht worden, worin der Vater den Vorschlag that, daß der Sohn in der Zeit der göttlichen Gerechtigkeit statt des Sünders genug thäte, unter Verheißung der eigenthümlichen Besitzung derer, die erlöset würden; welches der Sohn auf sich nahm, und so ein Recht empfing, auf die Ausführung dieses Vertrags bei dem Vater zu dringen.

Er wird ferner genannt ein Testament. Der Gott des Friedens hat von den Todten ausgeführt den großen Hirten der Schafe durch das Blut des ewigen Testaments. Der Rathschluß des Friedens heißt ein Testament, weil er von dem freien Wohlgefallen des göttlichen Willens abhängt, weil er auf den Tod des Bürgen, nämlich Christi, gegründet ist, weil die Erben Gottes darin benannt sind, weil er unveränderlich ist, weil Gott darin nichts genießt, als ein dankbares Andenken von Seiten derer, die Alles ererben, und weil den Erwählten in demselben die Güter des Hauses Gottes vermacht sind, nämlich die ewige Seligkeit, und alle Mittel, die dahin führen, vornehmlich der Glaube und die Heiligung: Wir sollen Gott danken allezeit um euch, lieben Brüder vor dem Herrn, daß euch Gott erwählet hat von Anfang zur Seligkeit in der Heiligung des Geistes und in dem Glauben der Wahrheit.

Hieraus ergiebt sich die Herrlichkeit dieses Vorsatzes der Gnade; seinem Anfange nach ist er ewig, seinem Ausgange nach ist er beständig, und sein Zweck ist kein anderer, als das Lob der Gnade Gottes; die Erwählten heißen ein Werk seiner Hände, damit er sich verherrliche.


Nichts ist wichtiger, als nachzuforschen, ob man den Vorsatz der Gnade sich zueignen dürfe. Viele bilden sich ein, sie seien erwählt, da man doch nichts in ihnen gewahr wird, als was in Verworfenen auch zu sehen ist. Woher dieser Selbstbetrug, als weil man noch nie bei sich eingekehret und die Kennzeichen der Erwählten hat vor sich genommen. Denn wäre solches geschehen, es würde bald ein anderer Schluß gefunden sein. Hat uns Gott nicht nur zur Seligkeit, sondern auch zu den Mitteln erwählt, nämlich zum Glauben und zur Heiligung, wodurch man allein zur Seligkeit gelangen kann, so bleibt hier wenig Trost für die übrig, die von diesen Mitteln noch nichts in sich gewahr werden. Wir wissen, sagt Paulus, daß ihr, von Gott geliebte Brüder, erwählt seid. Sintemal unser Evangelium bei euch gewesen ist nicht allein in Worten, sondern auch in der Kraft und im H. Geist und in großer Gewißheit, wie ihr denn wisset, welcherlei wir gewesen sind unter euch um euretwillen. Und ihr seid unsre Nachfolger worden und des Herrn, indem ihr das Wort angenommen habt unter vielen Drangsalen mit Freuden, im H. Geist. Wem hierbei sein Gewissen bezeugt, er gehöre noch nicht zu den Erwählten, der mag wohl Fleiß anwenden, seine Erwählung festzumachen, zumal da mit derselben ewige Seligkeit verbunden ist, die Verworfenen aber ewig verderben werden. Feinde der Wahrheit pflegen wohl zu sagen: Bin ich erwählt, so wird Böses thun mir nicht schaden. Aber eben damit legen sie ihre Bosheit, ihren Widerwillen gegen die Mittel zur Seligkeit an den Tag; sie wollen ihr Verderben nicht fahren lassen, aber doch auf Gott die Schuld werfen, daß sie darin bleiben. Und das alles ist ihnen zum Zeugniß, daß sie die Kennzeichen der Erwählung noch nicht in sich tragen. Es gibt aber auch wahrhaft bekümmerte Seelen, die durch eigne Muthlosigkeit oder durch satanische Anfechtung in Schrecken gejagt, sagen: Bin ich verworfen, so wird Gutes thun mir nicht helfen. Wer jedoch mit Geduld in guten Werken trachtet nach dem ewigen Leben, kann auch hoffen, zu den Erwählten zu gehören. Welche aber dies Kennzeichen der Erwählung in sich antreffen, müssen Gott dankbar sein: Gelobt sei Gott und der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der uns erwählet hat. Denn wie kann die Größe dieser Wohlthat genug überdacht werden, daß der Herr schon vor Grundlegung der Welt mit der Befestigung unseres Heils ist beschäftigt gewesen, daß Er uns zur Seligkeit bestimmte, die Er in ihrer ganzen Fluchwürdigkeit voraussah? Und da der Herr uns zu seinem Eigenthum erwählt hat, so müssen wir Ihn auch zu unserm Eigenthum erwählen. Hat er in seinem Friedensrath uns seine Liebe so herrlich bewiesen, so müssen wir Ihn feurig lieben. Denen, die so wandeln, ist die Lehre der Erwählung eine reine Quelle himmlischer Tröstungen. Da heißts: Wohl dem Volk, das sich der Herr zum Erbe erwählet ha. Freuet euch, daß eure Namen im Himmel angeschrieben sind. Da sind alle Beschuldigungen des Gewissens aufgehoben; denn wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Da muß der Ankläger auf ewig verstummen. Der Herr schelte dich, Satan, der Herr schelte dich, der Jerusalem erwählet hat. Denn wie kann die Größe dieser Wohlthat genug überdacht werden, daß der Herr schon vor Grundlegung der Welt mit der Befestigung unseres Heils ist beschäftigt gewesen, daß Er uns zur Seligkeit bestimmte, die Er in ihrer ganzen Fluchwürdigkeit voraussah? Und da der Herr uns zu seinem Eigenthum erwählt hat, so müssen wir Ihn auch zu unserm Eigenthum erwählen. Hat er in seinem Friedensrath uns seine Liebe so herrlich bewiesen, so müssen wir Ihn feurig lieben. Denen, die so wandeln, ist die Lehre der Erwählung eine reine Quelle himmlischer Tröstungen. Da heißts: Wohl dem Volk, das sich der Herr zum Erbe erwählet hat. Freuet euch, daß eure Namen im Himmel angeschrieben sind. Da sind alle Beschuldigungen des Gewissens aufgehoben; denn wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Da muß der Ankläger auf ewig verstummen. Der Herr schelte dich, Satan, der Herr schelte dich, der Jerusalem erwählet hat. Die Erwählten haben das Recht, alle Bundesgüter von Gott zu fordern. Denn sollte Gott nicht retten seine Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm rufen: Ich sage euch, er wird sie erretten in einer Kürze. Werden sie schon ihrer Schwachheit und Ohnmacht inne; Gottes Vorsatz bleibt unveränderlich; es ist unmöglich, daß die Auserwählten können verführt werden. Müssen sie viel Trübsal hienieden leiden, so ist gewiß, daß denen, die Gott lieben und die nach dem Vorsatz berufen sind, alle Dinge zum Besten dienen müssen. Ja, das Allerherrlichste für sie wird sein, einst aus Christi Munde zu hören: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, und ererbet das Reich, das euch bereitet ist vom Anbeginn der Welt.


Gleichwie durch eines Menschen Ungehorsam viele Sünder worden sind, so werden auch durch Eines Gehorsam viele Gerechte. Die aber, an deren Statt er stand, waren, überhaupt betrachtet, die Sünder, ohne Unterschied der Sünden oder der Völker. Auf welchem Grund auch im Evangelio eine allgemeine Anleitung der Früchte der Genugthuung geschieht, um so mehr, da das Verdienst des Sohnes Gottes um der unendlichen Würdigkeit der Person, die es geleistet, genugsam war, das ganze menschliche Geschlecht zu erlösen. Aber bei dem allen ist der eigentliche Zweck Christi in seinem Gehorsam nur gewesen, für die Auserwählten genug zu thun. Darum sagt auch Christus in seinem hohenpriesterlichen Gebet: Ich bitte nicht für die Welt, sodnern für die, die Du mir gegeben hast. Darum heißts auch von Ihm, er habe sein Volk selig gemacht von ihren Sünden, sein Leben für die Schafe gelassen und für seine Gemeine sich hingegeben. Das Lösegeld seines blutigen Gehorsams war allzuköstlich, als daß es hätte können umsonst bezahlt werden; es wäre aber umsonst bezahlt, wenn es für alle Menschen hätte dargebracht werden sollen, da die meisten keinen Nutzen davon gehabt hätten.

Kein einziger unbußfertiger Sünder wird durch die Genugthuung Christi selig. Daher prüfe sich ein jeder sorgfältig, und deine Werke und Thun über sein Werk und Thun hinauf, und ob er auch herzliche Reue über seine Sünden gehabt. Tröstet euch doch nicht, Christus habe euere Sünden versöhnt, wenn diese Sünden euch noch nicht gedrückt, noch keine Traurigkeit und Schamhaftigkeit euch ausgepreßt haben. Die h. Schrift, weit entfernt, sichern Sündern durch dies Verdienst Hoffnung zu geben, beschreibt sie vielmehr als Feinde des Kreuzes Christi, die den Sohn Gottes mit Füßen treten und das Blut des Testaments für unrein achten.


Die Berufenen sind alle Menschen, die das Wort zu hören Gelegenheit haben. Die Natur der allgemeinen Berufung besteht darin, daß die Wahrheiten öffentlich vorgestellt, die Menschen durch das Wort eingeladen und oft auch durch den Geist von der Billigkeit des Gehorsams an solche Einladung überzeugt worden. Bei den meisten ist die allgemeine Berufung fruchtlos. Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt. Ob nun gleich die allgemeine Berufung so fruchtlos bleibt, so hat doch Gott in derselben heilige Absichten; die vornehmsten sind: sowohl dem Sünder alle Entschuldigung zu benehmen, als auch die Allgenugsamkeit des Verdienstes Christi zu offenbaren und anzuzeigen, daß auch die größten Sünder Gnade finden können. –


Welche Gott verordnet hat, die hat er auch berufen. Es sind Sünder, die nichts in sich haben, was sie geeignet mache, um die Berufung anzunehmen. Christus ist gekommen, die Sünder zur Buße zu rufen und nicht die Gerechten. Es sind solche, die kein Verständniß haben, ehe sie erleuchtet werden, die kein Leben haben, ehe sie aus ihrem geistlichen Tode auferweckt werden.


Die Berufung ist aber das erste Gut des Gnadenbundes, und hat den Samen der folgenden Güter schon in sich. Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich gezogen aus lauter Güte. Indessen ist sie ein solches Gut, welches zugleich als eine Pflicht muß betrachtet werden. Denn weil der Mensch, der berufen wird, kein Klotz noch Stein ist, sondern ein vernünftiges Geschöpf, und in dem ersten Augenblick der Berufung der Seele verborgener Weise eine Kraft mitgetheilt wird, so muß dieselbe alsbald angewandt werden. Gott zieht und will zugleich, daß wir uns sollen ziehen lassen. Darum heißts: Wer Ohren hat zu hören, der höre. Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Todten, so wird dich Christus erleuchten. Vor allem muß man sich sorgfältig untersuchen, ob man berufen sei. Niemand wird ins Himmelreich eingehen, als der dazu geladen ist. Diese Selbstprüfung ist um so nöthiger, da wir durch Gottes Erbarmung unter der allgemeinen Berufung leben und eines großen Ueberflusses an Gnadenmitteln vor vielen andern genießen, so, daß der Herr bezeugen kann, daß er unsre Kinder oft habe versammlen wollen, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel versammelt; da dem zufolge, wenn irgendwo, gewiß bei uns die kräftigen Wirkungen der rufenden Stimme Gottes müssen vernommen werden; da ferner Schrift und Erfahrung lehren, daß die allgemeine Berufung bei den Meisten fruchtlos sei, und doch viele in dem Wahne stehen, sie seien berufen. Was ist da billiger, als sich selbst ernstlich untersuchen, ob man je ein solches der Natur unbekanntes Licht in seinem Verstande sei gewahr worden, wodurch man Gott und sich selbst recht zu erkennen habe angefangen? Und ob man darauf eine aufrichtige Neigung des Willens, seinen Stand zu verändern, in sich gefunden habe, die hernach auch zur Ausführung gekommen ist.


Nichts wird euch unbußfertigen Sündern an jenem Tage mehr alle Entschuldigungen benehmen, als, daß ihr so oft und so dringend seid eingeladen worden: und dennoch auf euren Hefen seid liegen geblieben. Seid ihr aber bekümmert darum, wie ihr möget kräftig berufen werden? Diese Bekümmerniß ist schon ein Zeichen, daß fast mehr als eine allgemeine Berufung da sei. –


Den glückseligen Seelen aber, die durch die Berufung geführt sind, liegt es ob, vor Allem den Reichthum der freien Gnade Gottes zu erkennen, die ihnen entgegen gekommen ist, da sie noch ferne waren. An euch ist die Verheißung erfüllt: Ich bin gesucht von denen, die nicht nach mir fragten; ich bin gefunden von denen, die mich nicht suchten. Ich habe zu dem Volk, das nicht nach meinem Namen genannt war, gesagt: Hier bin ich, hier bin ich. O! so verkündiget denn die Tugenden dessen, der euch berufen hat von der Finsterniß zu seinem wunderbaren Licht. Befleißiget euch aber, euren Beruf noch immer fester zu machen; und zu dem Ende lasset den Trieb, den ihr bei eurer ersten Ueberredung gefunden habt, nie wieder erlöschen. Es ist nicht genug, wohl angefangen zu haben, man muß auch vollenden. Gedenket an Loths Weib. Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reiche Gottes. Was kann anders als eine Verdunkelung der Hoffnung unsers Berufs folgen, wenn man statt in der Gnade zu wachsen, die erste Liebe verlässet. Wann man dagegen bei Empfahung dieses ersten Gnadenguts sich recht eifrig zeigt, dem Gott gemäß zu wandeln, der uns berufen hat zu seinem Reich und Herrlichkeit, so wird uns daraus eine süße Versicherung entsprießen, daß wir Bundesgenossen sind.

Der Bundesgott wirkt gleich wie alle andere Gnadengüter, so auch den Glauben. Das ist Gottes Werk, daß ihr glaubt an den, den er gesandt hat. Seine höchste Macht und Allgenugsamkeit wird darin erwiesen. Wir glauben nach der Wirkung seiner mächtigen Stärke. Insbesondere ist’s der heilige Geist, der dies Werk in der Seele ausführt. Daher er der Geist des Glaubens genannt wird, durch welchen man allein Christum einen Herrn nennen kann. Er ist eine freie Gnadengabe Gottes, und von ihm in seinem Wort verheißen. Ich schwöre bei mir selbst, und ein Wort der Gerechtigkeit geht aus meinem Munde, da soll es bei bleiben, nämlich. Mir sollen sich alle Knie beugen, und alle Zungen schwören, und sagen: im Herrn habe ich Gerechtigkeit und Stärke. Und darauf geht auch die Versicherung: Im Glauben will ich mich mit dir vermählen, und du wirst den Herrn erkennen. Aber der Glaube ist ein solches Bundesgut, welches zugleich als eine Pflicht von dem Sünder gefordert wird. Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben; wer aber dem Sohn nicht glaubt, der wird das ewige Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibet über ihm. Ueberhaupt der Glaube ist die rechte Wurzel aller andern Pflichten, das Auge, womit auf Jesum gesehen, der Mund, der nach ihm aufgethan, die Hand, womit er gegriffen wird, der Fuß, womit man zu ihm kommt, und Christi und aller seiner Verheißungen und Güter theilhaftig wird. Desto nöthiger ist also nun die Untersuchung, ob man den Glauben empfangen habe.

Der Urheber der neuen Geburt ist allein der Bundesgott. Der das Herz geschaffen hat, kann es auch allein verändern. Es wird eine ewige Kraft dazu erfordert. Gelobet sei Gott, der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung. Insbesondere ists aber der heilige Geist, der die Herzen wiedergebiert. Es ist eine Erneuerung des heiligen Geistes. Was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Das gewöhnliche Mittel, welches der heilige Geist hiezu gebraucht, ist das Wort. Man wird gezeugt durch das Wort der Wahrheit; wiewol zuweilen der Geist auch unmittelbar die neue Geburt bewirkt. Diejenigen aber, welche wiedergeboren werden, sind elende Sünder. Denn die Gerechten bedürfen der Buße nicht; es sind solche Sünder, die ganz ohnmächtig darnieder liegen, die da todt sind in Sünden, die so wenig Gutes thun können, als ein Mohr seine Haut und ein Parder seine Flecken wandeln kann.


Die Wiedergeburt ist abermal ein Gut des Gnadenbundes. Dies soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel machen will nach dieser Zeit, spricht der Herr. Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben. Ich will rein Wasser über euch sprengen, daß ihr rein werdet von aller eurer Unreinigkeit. Und ich will euch ein neu herz geben, und will das steinerne Herz aus eurem Fleische wegnehmen, und euch ein fleischern Herz geben. Jedoch ist die Wiedergeburt ein solches Gut, welches zugleich als eine Pflicht muß betrachtet werden. Das Leben ist an und für sich nichts als eine Wirksamkeit, und daraus folgt, daß, sobald der heilige Geist das neue Leben in dem Sünder erweckt, derselbe auch nothwendig auf eine vernünftige Weise durch seine Wirksamkeit erzeigen müsse, daß er lebe. Die Bekehrung ist kein dummer Zwang, sondern eine solche Veränderung, worin die Seele, obschon von Gott bewirkt, dennoch freiwillig sich auf den rechten Weg begibt.


Genug. Wer sich noch außer der neuen Geburt findet, der ist noch außer Christo. Denn wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. Sobald aber einige Bekümmerniß entsteht, ist einige Hoffnung da, daß die Wiedergeburt nicht fern mehr sei. Ein solcher denke, daß, obschon er seine geistliche Veränderung nicht bewirken kann, er doch verpflichtet sei, aus Liebe zu seiner unsterblichen Seele das zu thun, was die Kräfte der Natur vermögen, obs möglich sei, dadurch seine Bekehrung zu befördern; denn er wird dadurch ein Zeugniß geben, daß er nach seinem Heil einige Begierden habe, und er wird die Hoffnung schöpfen können, daß, wenn er in solcher natürlichen Wirksamkeit seine Ohnmacht gefunden und abgemattet worden ist, der Herr zur rechten Zeit werde zu Hülfe kommen und das thun, was dem Fleische unmöglich ist. Wenigstens wird man so lange Gott keiner Ungerechtigkeit zeihen können, so lange man seine Kräfte nicht versucht und das gethan hat, was man thun kann.


Etwas von der Rechtfertigung.

Die Beklagten sind Sünder, die nichts als Verdammniß verdient haben, die des Ruhms mangeln, den sie vor Gott haben sollen, und auf tausend nicht Eins antworten können; die da aussprechen müssen: So Du willst, Herr, Sünde zurechnen, Herr, wer kann bestehen? Gehe nicht ins Gericht, Herr, mit Deinem Knecht, denn vor Dir ist kein Lebendiger gerecht. Gott spricht den Gottlosen gerecht. Aber es sind auserwählte, berufene, bußfertige und nach der Gerechtigkeit Christi innig verlangende Sünder. Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hie, der gerecht spricht. Welche er berufen hat, die hat er auch gerecht gesprochen. Der Zöllner stand von ferne, und wollte auch seine Augen nicht aufheben gen Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig. Ich sage euch, dieser ging hinab, gerecht gesprochen in sein Haus. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit.


Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben. Es ist dies eine Redensart, hergenommen von einem bei den Alten sehr üblichen Gebrauch, wodurch solche, die selbst keine Kinder hatten, nach freier Wahl aus einem fremden Geschlechte jemand auf eine in den Gesetzen bestimmte Weise vor öffentlichem Gericht an Kindesstatt aufnahmen und zum Erben ihrer Güter einsetzten, um das Gedächtniß ihres Namens fortzupflanzen. Dagegen die, welche einer solchen Annehmung freiwillig zustimmen, alle aus ihrem vorigen Geschlecht zu hoffende Vortheile verlassen, ihren Namen, Gottesdienst und Lebensart mit der ihres Pflegevaters vertauschen, gegen denselben sich kindlich betragen, und von ihm wieder alle väterliche Zuneigung gewarten mußten. Ohne Zweifel liegt in diesem Gebrauch eine süße Abschattung des großen Vorrechtes, das ein Bundesgenosse in der Rechtfertigung empfängt. Denn der Vater der Barmherzigkeit hat uns zur Kindschaft erwählt nach dem Wohlgefallen seines Willens; wir waren auch aus einem ihm fremden Geschlecht, nämlich vom Vater, dem Teufel; Gott setzt uns auch zu Erben seiner Allgenugsamkeit und aller geistlichen Segnungen Christi ein; Gott hat, indem er uns zu Kindern annimmt, keinen andern Zweck, als das Lob seiner herrlichen Gnade; er erwartet auch dabei, daß wir zu dieser Veränderung eine vernünftige Zustimmung des Glaubens thun; daß wir allen Antheil an der Welt und die zeitliche Ergötzung der Sünde verleugnen; daß wir dagegen dem himmlischen Vater in Furcht, Liebe, Gehorsam und Unterwerfung unter alle Züchtigungen Ehre erweisen; auch die Zuversicht zu ihm hegen, er werde nach seiner Macht und Gnade uns alle väterliche Liebe, Fürsorge und Beschützungen angedeihen lassen.

Der Urheber der Heiligung ist Gott, der so wie zum Anfang, so auch zum Fortgang des Gnadenwerks alles wirken muß; weshalb er auch der Heilige in Israel und Jehovah heisset, der Israel heiligt. Der Vater ist die erste Quelle eines so heiligen Guts; weshalb auch gesagt wird, daß die Berufenen durch den Vater geheiligt sind. Auch der Sohn hat an diesem göttlichen Werk Antheil, weil unter die Früchte seines Verdienstes auch die Heiligung gehört. Er hat sich selbst für uns gegeben, auf daß er uns heiligte. Aber am meisten ist hier der heilige Geist geschäftig, um dies Werk auszuführen, welches darum auch eine Heiligung des Geistes heißt; weshalb auch Paulus sagt: Ihr seid geheiligt durch den Geist unsers Gottes. Diejenigen Personen, die geheiligt werden, sind nun nicht mehr eigentliche Sünder; denn obwohl ihnen noch Verdorbenheit anklebt, so haben sie doch seit der Zeit ihrer Wiedergeburt aufgehört, der Sünde zu dienen. Ihrer Natur nach besteht die Heiligung in der Fortsetzung und im Wachsthum sowohl der in der Wiedergeburt begonnenen Veränderung als auch des neuen Lebens. Der Pfad der Gerechten ist gleich einem Licht, welches fortgeht und leuchtet bis auf den vollen Tag; die Bundesgenossen Gottes sollen sein gleich Reben, die gereinigt werden, um immer mehr Früchte zu bringen, und gleich neugebornen Kindlein, die zunehmen. Daher besteht denn die Heiligung in den zwei Haupttheilen, daß man von der noch übrigen Befleckung immermehr gereinigt und zum Guten immer tüchtiger gemacht werde.


Die Heiligung ist abermal ein Gut des Gnadenbundes: Ich will meinen Geist in euch geben, und will machen, daß ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Rechte haltet und darnach thut. Jedoch ist sie ein solches Gut, welches zugleich als eine Pflicht muß betrachtet werden. Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung. Gleichwie der, der euch berufen hat, heilig ist, also werdet auch ihr heilig in allem eurem Wandel, denn es steht geschrieben: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig. Daher muß denn wieder eine Untersuchung Statt finden, ob wir in der Heiligung begriffen sind, und welche Fortschritte wir darin gemacht haben.

Die Versiegelung ist dasjenige Gnadenwerk Gottes und besonders des heiligen Geistes, wodurch der geheiligte Bundesgenosse in dem Stande der Gnade beständig bewahrt wird, und von seiner Bewahrung eine angenehme Versicherung in seiner Seele empfängt, zur Erweckung einer lebendigen Hoffnung.

Der Urheber der Versiegelung ist der Bundesgott. Gott ists, der uns befestigt hat sammt euch in Christum, und der uns gesalbet hat; welcher uns auch versiegelt und in unsre Herzen das Pfand des Geistes gegeben hat. Am eigentlichsten aber wird dieselbe dem H. Geiste zugeschrieben. Betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, damit ihr versiegelt seid auf den Tag der Erlösung. Die Personen, die versiegelt werden, sind geheiligte. Der Herr ist hier gegen die Gutthätigen gutthätig, gegen die Frommen fromm, und gegen die Reinen rein. Nicht, als ob die ganze Versiegelung auf die ganze Heiligung folge, sondern beide Bundesgüter gehen gleichen Schrittes fort, und je mehr letztere zunimmt, desto klarer wird die erstere in der Seele. – Gottes Kinder haben keine Veränderung ihres Standes zu fürchten, weil sie vom Herrn bewahrt werden. Ich bin in guter Zuversicht, daß der in euch angefangen das gute Werk, der werde es auch vollenden bis auf den Tag Jesu Christi.

Er hat sie geliebt mit einer ewigen Liebe, und daher ist’s unmöglich, daß die Auserwählten können verführt werden. Der Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer denn Alles, und niemand kann sie aus meines Vaters Hand reißen. Sie werden aus Gottes Kraft zur Seligkeit bewahrt. Mit einem Opfer hat er in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden. Er kann vollkömmlich selig machen, die durch ihn zu Gott kommen, und lebet immerdar und bittet für sie. Sie sind ein Leib, ja ein Geist mit ihm. Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der bleibet in mir und ich in ihm. Christus sagt, der Tröster werde bei uns bleiben ewiglich, bei uns wohnen und in uns bleiben. Zum Andern hangen alle seine Wirkungen wie eine Kette zusammen, davon kein Glied kann getrennt werden. Welche er verordnet hat, die hat er auch berufen; welche er berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; welche er aber hat gerecht gemacht, die hat er auch herrlich gemacht.


Die Verherrlichung ist das letzte Gnadenwerk des dreieinigen Gottes, wodurch die treuen Bundesgenossen zuerst der Seele nach am Tage des Todes, und hernach der Seele und dem Leibe nach am Tage der Auferstehung und des Gerichts in den vollen Besitz der durch Christum erworbenen höchsten Seligkeit werden eingeführt werden. Der Urheber der Verherrlichung ist der dreieinige Bundesgott, wie denn auch seine höchste Vollkommenheit allein ein vernünftiges Geschöpf der höchsten Seligkeit theilhaftig machen kann. Gott wird dann Alles in Allem sein. Die Personen, welche an dem höchsten Gut werden Theil bekommen, sind alle, die hier auf Erden in den Gnadenbund sind aufgenommen, und der vorhergehenden Güter sind theilhaftig worden. Welche er hat verordnet, die hat er auch berufen; welche er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; welche er aber hat gerecht gemacht, die hat er auch herrlich gemacht. Sie haben durch ihre Beständigkeit im Guten von der Aufrichtigkeit ihres Herzens Zeugniß gegeben; wer aber beharret bis ans Ende, der wird selig. Ja alle Seligkeiten sind dem Ueberwindenden versprochen. Wer überwindet, der wird alles ererben.

Quelle: Krummacher, Emil Wilhelm - Goldene Worte über die theure Lehre von der freien Gnade
Elberfeld 1832. Bei Wilhelm Hassel

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