Krummacher, Gottfried Daniel - Des Herrn Abendmahl

Der Prophet Jesaia wurde vom Herrn zu dem Könige Ahas gesandt, den er nach Kap. 7,11 aufforderte, sich ein Zeichen zu fordern von dem Herrn, es möchte sein unten in der Hölle oder droben in der Höhe. Ahas aber lehnte es ab und sagte: Ich will es nicht fordern, daß ich den Herrn nicht versuche. Die Antwort lautet schön, dennoch kam sie aus einem ungläubigen und verkehrten Herzen. Wie wunderlich! Bald begehrt der Unglaube ein Zeichen, bald lehnt er sie ab, beides unter schönem Schein. Dem Ahas wurde eins angeboten, und er schlug's ab, ohne Zweifel, weil er der Abgötterei allzu sehr ergeben war, als daß er sich von derselben hätte trennen mögen, wozu ihn doch ein solches Zeichen verpflichtet, und wozu er sich durch Annahme desselben geneigt erklärt haben würde. So weit kann es also mit der Blindheit gehen. Die ungläubigen Juden begehrten Zeichen, und weil ihrer genug waren, wurde ihnen ihr Begehr abgeschlagen. Aber auch Personen, die man nicht Ungläubige schelten darf, die sich aber schwach im Glauben fühlten und in demselben gestärkt zu werden begehrten, haben wohl Zeichen begehrt und empfangen. Selbst Abraham sprach, als ihm der Herr den Besitz des Landes Canaan verheißen hatte: Wobei soll ich merken, daß ich's besitzen werde (1. Mose 15)? Und Gott willigte ein, ihm ein Unterpfand zu geben, bis er später die Beschneidung als eine göttliche Obligation bekam. Gideon machte es ebenso, denn als der Herr ihm die unglaubliche Botschaft erteilte, er solle Israel von der Hand Midians erretten, wozu er sich doch so ganz und gar untauglich fand, so sagte er nach Richter 6: Gieb mir ein Zeichen, welches ihm ebenfalls gewährt wurde, und zu dessen Gedächtnis er einen Altar bauete, dem er den Namen gab: Der Herr des Friedens. Hiskias verlangte gleichfalls nach 2. Könige 20 ein Zeichen vom Herrn, daß er wirklich werde wieder gesund werden, und da ihm zwischen zweien die Wahl gelassen wurde, wählte er das schwierigste, daß nämlich der Schatten am Zeiger Ahas zehn Stufen zurückgehe. Es waren also immer schwierige Umstände, wo die Gläubigen zur Erleichterung ihres Glaubens ein Zeichen begehrten und empfingen. Den bußfertigen, gedemütigten Sündern wird auch etwas gar Erstaunliches zu glauben vorgehalten und zugemutet, sie sollen nämlich glauben, daß sie von Gott um Christi willen für so gerecht gehalten werden, als hätten sie nie keine Sünde begangen noch gehabt und selbst allen den Gehorsam vollbracht, den Christus für sie geleistet. Wer ist aber hierzu tüchtig? Wer sollte da nicht ein unzweifelhaftes Zeichen begehren? Solche Zeichen hat aber der Herr nach seiner Herablassung auch uns geschenkt, und zwar in den Sakramenten der heiligen Taufe und des heiligen Abendmahls. Von diesem letzteren soll unsere gegenwärtige Betrachtung handeln.

1. Cor. 11,20

Wenn ihr nun zusammen kommt, so hält man da des Herrn Abendmahl.

Wenn ihr den vorgelesenen Text nachgesehen, so werdet ihr bemerkt haben, daß ich das Wörtlein „nicht“ weggelassen habe, und zwar deswegen, weil es nicht zu meinem Vorhaben dient. Paulus fand bei der korinthischen Gemeine in Absicht des Abendmahlhaltens Großes zu tadeln, so daß er sagt, man könne ihrem Abendmahlhalten diesen ehrwürdigen Namen mit Recht nicht beilegen. Man hält, sagt er, nicht des Herrn Abendmahl. Zwar möchte auch bei unsern Gemeinen viel in dieser Beziehung zu tadeln sein. Allein das ist doch mein diesmaliger Zweck nicht, und deswegen habe ich mir die Freiheit genommen, das Wörtlein „nicht“ auszulassen; denn mein Zweck ist der, diesmal etwas ausführlich vom heiligen Abendmahl zu reden. Zwar weiß ich euch nichts zu sagen, was euch neu wäre, und was ihr nicht ohnehin schon wüßtet. Allein ich halte es doch für zweckmäßig, heute, wo verschiedene unter euch das heilige Abendmahl halten wollen, das Hauptsächlichste von demselben euch und mir zu vergegenwärtigen. Wir dulden keine Bilder in unserer Kirche und wollen auch als Bücher für Unwissende nichts davon wissen, desto fleißiger sollen wir das merkwürdige Bild betrachten, welches Christus selbst in dem heiligen Abendmahl aufgestellt hat. Wir sind weit entfernt, es auch nur von ferne als ein Opfer anzusehen, betrachten es aber als eine feierliche Erinnerung an den Opfertod Christi, den wir dabei verkündigen. Wir verabscheuen allen Pomp, den Menschen sich unterstanden haben, damit zu verknüpfen, sind aber desto aufmerksamer auf die bedeutungsvolle Einfalt dieser heiligen Handlung. Wir schreiben ihr keine abergläubische, magische, verdienstliche Wirkung zu und betrachten die Personen, die es ausspenden, in keiner Weise als Priester, sondern nur als Diener, die wir dabei ganz übersehen, um nur an Christum zu denken; desto mehr aber erwarten wir Segen von dem Herrn selbst. Ich bin aber jetzt nicht gesonnen, irrige Meinungen zu bestreiten, sondern bei der Sache selbst zu bleiben und 1. von den Elementen des heiligen Abendmahls, 2. von den dabei stattfindenden Handlungen zu reden.

I.

Die einfachen Elemente bei dem heiligen Abendmahle sind Brot und Wein, und wie Christus dazu solches Brot nahm, wie es gerade zur Hand war, so nehmen auch wir gewöhnliches nahrhaftes Brot. Dies Brot im heiligen Abendmahl hat seine hohe Bedeutung. Es ist ein Bild der heiligen Menschheit Jesu Christi, so wie des allerheiligsten und vollkommensten Gehorsams, den er in derselben beides durch Leiden und Thun, die ganze Zeit seines Lebens auf Erden und sonderlich am Ende desselben für uns geleistet hat. Dieses bildet das Brot auf eine sehr passende und entsprechende Weise ab, wir mögend das Wort Brot in seinem engern oder schriftgemäß weitern Sinne auffassen. Im engern Sinne: Rührt nicht das Brot von der Erde her, und hatte nicht Christus neben seinem göttlichen auch einen menschlichen und irdischen Ursprung, so daß er der Mensch Christus Jesus genannt wird? Sein Körper war wie der unsrige Erde. Er heißt der Aufgang aus der Höhe und zugleich die Frucht der Erde. Er ist der Gegenstand der Anbetung der Engel und ward doch eine Zeit lang geringer wie sie; fragt im 8. Psalm: Was ist der Mensch? Und sagt im 22. sogar: Ich bin ein Wurm und kein Mensch. Aber das Brot wächst uns doch nicht so aus der Erde zu wie die Äpfel und Birnen, sondern wenn es Empfindung hätte, wär's ja zum Erbarmen, was alles über dasselbe hergeht, ehe es als Brot auf unsern Tafeln erscheint. Kaum ist es lieblich aus der Erde hervorgegrünt und ergötzt mit seinem Frühlingsgrün im Herbst unsere Augen, so rüsten sich schon Schnee, Hagel und Frost, um es, wie es scheint, zu vertilgen. Der heiße Sommer sengt es mit seiner Hitze und raubt ihm allen Saft, und nun setzt sich die Sichel des Landmanns in Bewegung und legt's zur Erde nieder. Die harte Tenne nimmt's auf, aber nur damit es desto kräftiger geschlagen, und ihm jegliches Korn genommen werde, das den Menschen nützt. Die Wanne nimmt's auf, um durch ihre Wirbel alle Spreu zu scheiden. Harte Mühlsteine zerreiben, Hände und Füße zertreten und verarbeiten es, die heiße Glut des Ofens vollendet es, und so speist und stärket es uns. Es wird nicht nötig sein, nachzuweisen, wie dies alles auf den durch Leiden des Todes vollendeten Herzog unserer Seligkeit, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens anwendbar sei, indem uns hiebei sein leiden an Leib und Seele, von Menschen, vom Satan und von Gott selber, von selbst vors Gemüt tritt, da er wohl sagen mag: Du hast mir Arbeit gemacht mit deinen Sünden und Mühe mit deinen Übertretungen.

Im weitern Sinne wird durch das Wort Brot alles bezeichnet, was zum Unterhalt des täglichen Lebens dient. Und ist es nicht auch in dieser Beziehung eine sehr schickliche Abbildung Christi? Nennen wir ihn, so nennen wir den Inbegriff all dessen, was zum geistlichen und ewigen Leben gehört. Er ist das Brot desselben, ja das Leben selber. Sind uns Kleider nötig, so giebt er Kleider des Heils und den Rock der Gerechtigkeit, rät uns, weiße Kleider von ihm zu kaufen, damit nicht offenbar werde die Schande unserer Blöße, ja, ermahnt uns, anzuziehen den Herrn Jesum Christum. Ist leibliche Gesundheit eins der ersten Güter dieses zeitlichen Lebens, von welchem unnennbaren Wert ist's denn nicht vollends, gesund an der Seele, gesund an Herz und Gewissen zu sein! Und siehe, er ist der Art, welcher dieses schenkt und unsern Aussatz, unsere Blind- und Taubheit heilt. Er heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben errettet und dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit. Ist uns ein Obdach not, uns zu schirmen vor dem Ungewitter, er ist uns Schutz und Schirm. Er schenket denen, die an ihn glauben, eine Wohnung in der himmlischen Stadt Gottes, und es kommt für jeden, der an ihn glaubt, einmal das glückliche Heute, wo er mit ihm im Paradiese sein wird.

Beides erinnert uns an etwas Notwendiges und Unentbehrliches. Und so notwendig Speise für den Leib sein kann, der doch noch allenfalls, wie wir wissen, 40 Tage ohne dieselbe sein kann, so unentbehrlich, ja noch viel notwendiger ist Christus für die Seele. Wer ihn hat, hat das Leben, wer ihn nicht hat, hat das Leben nicht. Eins ist not, sagte er zu Martha. Und was war das eine notwendige Gericht anders, als er selbst. Ja, im Grunde betrachtet ist nichts notwendig als er, alles läßt sich, wenn es sein muß, entbehren, nur er nicht. O, daß er uns allen so vorkäme, und wir alle mehr nach ihm hungerten, als nach sonst etwas! Speise stärkt zu den Geschäften des zeitlichen Lebens, und obschon wir dem Herrn nicht dienen können, wie Josua sagt, obschon wir zu keinem Geschäft des geistlichen Lebens einige Tauglichkeit besitzen, so will er doch seine Kraft, wenn wir's begehren, also in uns einfließen lassen, daß wir, wo nicht auffahren mit Flügeln wie Adler, wo nicht laufen, doch wandeln und wohl so, daß uns, wie Salomo sagt, unser Gang nicht sauer, daß uns sein Joch sanft und seine Last leicht wird. O daß wir alle dieses mit unserer eigenen Erfahrung bestätigen könnten! Können wir's nicht, so liegt die Schuld an uns selbst, so beweiset es, daß man ihn noch nicht gesucht hat. Wie angenehm und wohlthätig ist Speise, wenigstens dem Hungernden und Gesunden und Erschöpften! Ist jemand im Natürlichen ohne Eßlust oder wohl gar mit Ekel gegen Speise behaftet, so ist dieses ein böses Zeichen, und ebenso verhält sich's im Geistlichen. Euch, die ihr glaubet, ist er köstlich. Ihr wißt, wie innig er euren Geist erquicken kann, daß ihr darüber wohl nach Himmel und Erde nichts fragt und der Welt ihre Träber nicht mißgönnt.

Das andere, nicht weniger bedeutungsvolle Element beim heiligen Abendmahl ist der Wein. Derselbe bildet uns ab jenes kostbare Blut unsers Herrn Jesu Christi, welches er nach seiner eigenen Aussage vergossen hat zur Vergebung der Sünden für viele; dieses herrliche Blut, worin unser Leben ist, das allein vollständig unser Gewissen reinigt von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott, mit welchem besprengt wir los werden vom bösen Gewissen, und das uns Freude giebt zu Gott, und das wir trinken sollen, dies große Geheimnis unsrer Reinigung, wovon die Vernunft nichts weiß, nichts wissen kann und auch nicht wissen will, dies große Lösegeld, womit er uns erkauft hat von dem eitlen Wandel nach väterlicher Weise, mit dem teuren Blute Christi, als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. Ja, dieser in den Kelch ausgegossene Wein ist ein Bild des ganzen neuen Testaments mit allen seinen unnennbaren herrlichen Gütern, unter welchen die Rechtfertigung, der Friede, die Heiligung, Versiegelung und Herrlichmachung als Perlen erster Größe schimmern. Dieser Kelch ist das allersehens- und betrachtungswürdigste Gemälde und Kunstwerk nicht nur auf Eden, sondern auch im Himmel. Es braucht's nicht, daß er von Gold oder Silber sei, wiewohl er das wohl zu sein verdient. Es geht ihm aber auch nichts von seiner Herrlichkeit ab, wenn er von Holz wäre. Das Sichtbare und wenn es die auserlesensten Edelsteine wären, macht dabei das Unbedeutendste aus, das Unsichtbare aber, was sich uns im Sinnlichen darstellt, ist von unaussprechlichem Werte, so daß selbst Engel gelüstet haben, in dies Geheimnis zu schauen. Aus diesem Kelch zu trinken, auch nur einen einzigen Tropfen daraus zu empfangen, ist aller Verständigen und Gutgearteten höchstes Sehnen und Streben. Und mit Recht. Es ist Leben, ewiges Leben.

Und wie geeignet ist der Wein, diese hohen Güter des neuen Testaments abzumalen, besser als jeglicher Pinsel und Meißel, auch von der künstlerischsten Hand geführt! Ist nicht Christus der rechte Weinstock, aus dem alle Heilsgüter quillen? In welcher schrecklichen Kelter und Presse ist diese saftvolle Traube gewesen! Wo ist ein Exempel wie dieses, wo jemand vor Angst Blut schwitzt und vor Zagen in einen Todeskampf verfällt? Wie wurde er von dem Feuereifer der Heiligkeit Gottes zerstampft und von den feurigen Pfeilen des Bösewichts gemartert, um uns ein süßer Trank zu werden zum ewigen Leben! Ist der Wein lieblich anzusehen, den er abbildet, nicht schöner als die Menschenkinder. Wein wärmt, und die Gnade erfüllt das Herz mit heißer Liebe. Er labt und erquickt. Wer aber kann die müden Seelen erquicken wie er? Kurz, preist selbst die Schrift den Wein als das edelste Erzeugnis der Natur, als ein Gewächs, das Götter und Menschen erfreut, so ist er hier im Abendmahl ein Bild des noch unendlich edleren Erzeugnisses des Todes und der Verdienste Christi, dessen Frucht alle Kräfte der Seele neu belebt und erquickt. O daß denn alle dieses Weines zu trinken gelüstete, da so viele mit dem verlornen Sohn nur Träber begehren, an denen es ihnen doch endlich auch mangeln wird! Und was dann?

Das heilige Abendmahl hat beides, Brot und Wein, Speise und Trank, bildet also eine vollkommene Mahlzeit ab, welche aus Speise und Trank besteht. Stellt nicht auch Christus seine Gnadengüter unter dem Bilde einer Mahlzeit, ja einem königlichen Hochzeitsmahl vor, wo sich alles herrlich und vortrefflich vereinigt, und wo es denn heißet: Esset, meine Lieben, und trinket, meine Freunde, und werdet trunken! Bei den irdischen Gütern fehlt doch immer noch etwas, aber hier nichts, was entweder das Bedürfnis oder das Vergnügen, was die Gegenwart oder die Zukunft erheischet und wünschenswert macht. Der kleinste, aber wahrhaftige Anteil an den reichen Gütern seines Hauses ist mehr wert als die ganze Welt. Glaubst auch du das und glaubst du es so, daß es auch dein Leben und Verhalten regiert?

Beides, Brot und Wein, stehet da, schon bereitet für diejenigen, welche es zu empfangen begehren. Ohne eure Sorge stehet der Tisch gedeckt da, und es ergehet die Einladung: Kommet! So verhält's sich auch mit den Gnadengütern. Kommet, denn es ist alles bereitet, bereitet von dem Pfleger der himmlischen Güter ohne unser Zuthun. Nichts ins unsrerseits nötig, die Heilsgüter zu erwerben, sie sind erworben. Strecke nur deine Hand aus und iß von dem Baum des Lebens und lebe ewiglich! Jedoch meine nicht, als würdest du durch eigene Kraft dies jemals können. Hätten diese Güter nicht hie und da die Wirkung auf menschliche Herzen, wie der Magnet aufs Eisen, welches er an sich zieht, ach so würde es sogar von solchen, die in der Schrift forschen, heißen: Ihr meinet darin das ewige Leben zu haben, und sie ist's, die von mir zeuget, aber zu mir wollt ihr nicht kommen. O daß sich diese anziehende, Herzen erobernde Kraft nah und fern offenbarte!

II.

Laßt uns jetzt auch die bedeutungsvolle Handlung mit diesen Elementen des Brots und Weins in einige Erwägung ziehen! Die erste Handlung ist die Weihung dieser Elemente durch Gebet, wodurch dieses Brot und dieser Wein vom gewöhnlichen zum heiligen und sakramentlichen Gebrauch abgesondert wird. Es ist ein gesegnetes Brot und ein gesegneter Kelch, denn alle göttlichen Segnungen senken sich nur durch die Hand des gekreuzigten Mittlers von oben auf das Haupt in sich selbst verfluchter Sünder herab, und sie haben diese Blutvermittlung Jesu Christi als den einigen Grund aller Segnungen ehrfurchtsvoll und gläubig zu verehren. Gott hat uns angenehm gemacht in dem Geliebten. In ihm hat er sich sein Volk erwählet, geweihet, abgesondert und vereinigt. Kennst du denn auch deine Fluchgestalt, und hast du dich auch geflüchtet unter die segnenden und weihenden Hände dieses Friedensfürsten? Eilest du zu dieser Freistatt, damit dich der Bluträcher nicht ereile?

Der Diener wendet sich zu den gesegneten Elementen und nimmt sie und wendet sich dann damit zur Gemeine, die zugegen ist, insbesondere aber zu dem Einzelnen, welcher das Abendmahl feiert. Christus ist vom Vater von Ewigkeit bestimmt als das wahre und einzige Opfer für die Sünden der Welt und als der köstliche bewährte Eckstein, worauf das ganze Gebäude unserer Seligkeit und alles dessen, was dazu erforderlich ist, einzig und so beruht, daß in keinem andern Heil und kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden, daß aber auch die Pforten der Hölle dasselbe nicht überwältigen mögen. Wendet euch zu mir, spricht er, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Bei keinem andern ist derhalben Seligkeit zu suchen noch zu finden. Niemand, niemand wird gerecht, gläubig, heilig, selig, der's nicht durch ihn wird. Dieser von Ewigkeit zuvor bestimmte, vier Jahrtausende hindurch vorherverheißene und auf mannigfaltige Weise abgebildete Heiland wurde endlich in der Fülle der Zeit geoffenbaret, da er im Fleisch erschien, da er durch Leiden des Todes zum Herzug unserer Seligkeit bereitet, und als eine Ursache der Seligkeit allen, die ihm gehorsam sind, gepredigt wurde in aller Welt. So wird er ja auch uns verkündigt und auch durch die heilige Handlung des Abendmahls vergegenwärtigt und insbesondere den Abendmahlsgästen vorgemalet. Wie dies hier die einzige Speise in diesem Hause, so ist in der ganzen Welt Jesus der Einzige, der aus dir Gottlosem einen Gerechten, aus dir Sünder einen Heiligen, aus dir Verdammten einen Seligen machen kann. Wie also Petrus zu jenem lahmen, so sagt noch vielmehr Jesus. Sieh mich an!

Sodann wird dem Kommunikanten zuerst das Brot mitgeteilt; das Brot als ein Sinnbild Christi voller Gnade und Wahrheit, voll Licht und Leben zuerst, weil niemand an den Gütern des Reiches Gottes Teil erlangt, der nicht zuvor Jesu Christi selbst teilhaftig worden ist. Dies ist die Geburt aus dem lebendigen Worte Gottes, das da ewiglich bleibet. Glaube an den Herrn Jesum, iß ihn, so macht sich das Übrige wie von selbst, denn es ist ein lebendiges und lebendigmachendes Brot. Ihr seid Christi teilhaftig worden, sagt Paulus, so ihr anders das angefangene Wesen bis ans Ende festbehaltet (Hebr. 3), und das macht den wahren Christen. Dies Brot wird gebrochen, und diese sinnbildliche Handlung vergegenwärtigt uns den großen Tod unsers Herrn, den wir besonders bei dieser feierlichen Gelegenheit preisen sollen, dies große Ereignis, dem wir das Leben verdanken allein und ganz, und das wir nie genug preisen können. Doch gar lieblich ist es, daß die Brot nicht nur so allgemein hin, sondern daß es dem einzelnen Kommunikanten, für ihn insbesondere, gebrochen wird, so daß er zu den Worten Hiobs berechtigt wird, die derselbe in einer andern Beziehung sagte: Ich werde ihn mir sehen und kein anderer. Ihm insbesondere werden die Worte Christi nahe gebracht, da er sagte: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Kostbare, segensreiche Worte: Für euch, dir zu gut, an deiner statt, du bist gemeint! Herr, hilf meinem Unglauben! Lehre mich's festiglich glauben! Wie du mit deinen Augen siehest, daß das Brot dir gebrochen wird, so wisse, daß dies auch mit dem Leibe Christi am Kreuze wirklich geschehen ist! Bedarfst du noch mehr, um niederzufallen, anzubeten und zu sagen: Ich glaube? Ach ja wohl! Nun, auch dies will er geben. Denn dies Brotbrechen hat nicht blos die Absicht, abzubilden, sondern auch zu befestigen und zuzueignen, gleichsam ein Siegel auf die Verheißung und deinen Anteil an derselben zu setzen, dir einen Schild an den Arm und einen Helm auf dein Haupt zu setzen, daß du freudig fragest: Wer ist, der Recht zu mir hat?

Nun wird auch der Wein eingegossen. Wie wir denselben aus dem Gefäß in den Kelch strömen sehen, sollen wir an die Liebe Jesu Christi erinnert werden, wie er am Stamme des Kreuzes sein teures, heiliges, versöhnendes Blut vergoß. Wir sollen gleichsam seine Wunden zählen, wodurch wir heil geworden sind, und schauen, wie das Blut noch an seiner Stirne klebt, was eine namenlose Angst in Gethsemane ihm auspreßte, und wie die Bächlein rinnen von seinem Haupte, das eine Dornenkrone, wie jetzt viele Krönen schmückt; schauen sollen wir, wie die entsetzliche Geißel ihn zerreißt und ihn mit dem Purpur seines priesterlichen Opferblutes färbt, sehen, wie es aus seinen durchnagelten Händen und Füßen tröpfelt und endlich geheimnisvoll aus seiner durchstochenen Seite strömt und dann ebenso geheimnisvoll Wasser. Dabei sollen wir uns vergegenwärtigen die namenlose Angst seiner heiligen, Gott geweihten Seele, das Große aller seiner Leiden. Er läßt uns auf seinen ausdrücklichen Befehl an sein versöhnendes Leiden erinnern. O daß wir uns also daran erinnern ließen, daß unsere Herzen vor wehmütiger Liebe, voll beugender Trauer über unsere Sünden, womit wir ihn also zermartert haben, voll Haß wider dieselben, vor Dankbarkeit ganz und gar zerflössen, wie Weihrauch auf der Glut, um uns ihm ganz aufzuopfern. O, die Liebe Christi dringe uns also, und das Gemälde der höchsten Liebe gebe uns das Wesen ins Herz! Kommt ja auch bei diesem Eingießen das kostbare: „Für euch und zur Vergebung der Sünden!, vor, den Glauben zu stärken, damit die Liebe hervorbreche.

Ach rühr' mit Eiferskohlen,
Vom Altar zu holen,
Meine Lippen an,
Daß, so lang ich Atem ziehe,
Mich in Gottes Ruhm bemühe!

Welch ein Kelch! Welch ein Wein! Der Inbegriff ewiger Herrlichkeit! Und daraus dürfen wir trinken? Wie? Ist's möglich?

Wie kann es sein, ich sag' es noch,
Herr, ist es auch Betrug?
Ich großer Sünder hab' ja doch
Verdienet deinen Fluch.
Doch: Dein Bundessiegel täuscht ja nicht.
Ich komm' in fester Zuversicht,
Du hast es mir verliehen.

Höchst bemerkenswert und sehr erwünscht ist auch die Handlung, da beides dargereicht wird. Das Darreichen des Dieners ist freilich das Wenigste, dasjenige aber, was dadurch angedeutet wird, desto wichtiger, so wie überhaupt beim Abendmahl alles Sichtbare schwinden soll, um dem Wesentlichen Raum zu machen. Beide Elemente werden dargereicht und angeboten, noch vielmehr das, was sie abbilden, den gekreuzigten Christus als das allerkostbarste Geschenk der göttlichen Allgenugsamkeit, wodurch alle Begierden der Seele auf's vollkommenste gesättigt werden, ein Geschenk, wofür man mit Freuden die ganze Welt hingeben sollte, wenn man sie besäße, bei welchem Tausch man alles gewänne. Dargereicht wird es als etwas, das unentbehrlich ist, was jeder haben muß, und niemand entbehren oder durch etwas anderes ersetzen kann. Es wird in treuer, aufrichtiger Meinung, jedem, der's begehrt, dargereicht, und wenn er's aufrichtig begehrt, empfängt er's auch, oder hat es schon dem Anfange nach. Dies Geschenk wird dargereicht als eine Arznei, ein Licht, eine Stärkung, alles in einem. Und wie notwendig ist es nicht, daß es uns dargereicht und gegeben werde! Kann wohl jemand zu Christus kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater? Niemand. Kann wohl jemand etwas nehmen, es werde ihm denn vom Himmel gegeben? Niemand. Muß nicht, wer sich in etwa kennen gelernt hat, mit der Braut sprechen: Zeuch mich, so laufen wir? Hier ist aber für den Allerohnmächtigsten Rat geschafft, je gerade für ihn am meisten. Hier kommt's gar nicht auf eigenes Können an, und je weniger jemand kann, desto mehr mag er erwarten, wie geneigt er auch zum Zagen sein mag. Du bätest ihn und er gäbe dir. Das ist die Regel.

Es werden aber das heilige Brot und der Kelch als Sinnbilder Christi und seiner Gnadenfülle, nicht dargereicht, um sie blos anzusehen oder sonst damit zu thun, was man etwa wollte, sondern um es zu empfangen und anzunehmen. Der Kommunikant leert also seine Hand von allem aus, um dieses anzunehmen, aber auch sein Herz von Sünden-, Welt- und Eigenliebe, sowie vom Vertrauen auf sich selbst, oder vielmehr, da er dies nicht selbst vermag, nimmt er Christum dazu an, dies in ihm zu verrichten und spricht:

Stoß alles aus, nimm alles hin,
Was mich und dich will trennen
Und nicht gönnen, daß all mein Mut und Sinn
In deiner Liebe brennen.

Er streckt seine Hand aus und bezeuget damit zugleich, daß er nichts so hoch schätze, nichts so sehr begehre, als das, was in dem Geheimnis des Abendmahls abgebildet wird, daß er vor allen Dingen begehre, der Seele nach so in die Gemeinschaft mit Christus eingeleitet zu werden, wie der Leib sich mit den sichtbaren Unterpfändern seiner Huld vereinigt. Er nimmt's wirklich an. Zwar nimmt er aus dem Kelch nur ein wenig zu sich, anzudeuten die allgenugsame Fülle des Heils, die unerschöpflich ist, aus welcher alle trinken sollen, und die für alle hinreicht. von dem ihm dargereichten Brot aber nimmt er nicht ein Teilchen, sondern nimmt's ganz und bezeuget damit, daß er Christum ganz bedürfe, ihn ganz begehre und ganz annehme, nicht nach einem, sondern allen seinen Ämtern, nicht nur zur Weisheit, sondern auch zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung, nicht nur mit ihm zu herrschen, sondern auch mit ihm zu leiden, mit ihm zu leben und zu sterben.

Das Annehmen ist ein Bild vom Glauben, jedoch mehr von dem untersten Staffel desselben, der in dem Verlangen und Zufluchtnehmen zu Christo besteht, welches freilich das Eigentliche des Glaubens ausmacht. Er begehret mein, heißt's deswegen Psalm 91, und ich will ihm aushelfen. Das Verlangen der Elenden hörest du, Herr, (Psalm 10). Selig sind, die da hungert und durstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden. Dieser Hunger entspringt aus dem Mangel, und den will er füllen.

Das Essen und Trinken erinnert teils an die genaue Gemeinschaft, welche durch den Glauben zwischen Christus und der Seele gestiftet wird, wodurch er ihres Lebens Leben dermaßen wird, daß Paulus sagt: Ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus lebet in mir. Teils bezeichnet dieser Genuß einen höheren Staffel des Glaubens, kraft dessen sich die Seele mit völliger, fortwährender und freudiger Gewißheit Christum ganz mit allen seinen Verdiensten und Gütern zueignen kann und wirklich in lebendiger und seliger Erfahrung auf eine unaussprechliche Weise genießt, daß sie ausrufen kann: Du schenkest mir voll ein und salbest mein Haupt mit Öl, ich gehe einher in der Kraft des Herrn.

Die ganze Handlung soll uns den Tod des Herrn als den einigen Grund unserer Seligkeit vergegenwärtigen, um denselben als solchen zu preisen; sie beabsichtigt die Stärkung und Belebung des Glaubens, die Förderung des geistlichen Lebens und die Vermehrung der Liebe zu Christus und den Brüdern, sie setzt also Personen voraus, in welchen wenigstens die ersten Anfänge des geistlichen Lebens, welche im Leidwesen über die Sünde und dem Hunger nach Gnade bestehen, durch den heiligen Geist gewirkt sind, die andern sollen erst Buße thun lernen und nicht meinen, als ob ohne dieses ihnen das heilige Abendmahl nützen könne.

Dies war's, was ich von der heiligen Handlung zu sagen fand, welche jetzt ein Häuflein unter euch vorzunehmen willens ist, wozu ihnen der Herr Segen verleihen wolle. Lieb würde es uns sein, wenn das Gesagte dazu beitragen, uns allen das heilige Abendmahl höchst wichtig machen, und in vielen den Trieb wecken möchte, die Tüchtigkeit zu einem würdigen Genuß des heiligen Abendmahls nicht nur, sondern auch einen wirklichen Anteil an den herrlichen Gütern, die es abbildet, allen Ernstes zu suchen, so daß, wenn auch sie das Abendmahl genießen, ihnen nicht blos ein Zeichen, sondern auch ein Siegel verliehen werde, daß auch sie einst teil haben werden an dem Abendmahl der Hochzeit des Lammes. Suchet denn den Herrn, dieweil er zu finden ist! Der Herr ist nahe allen denen, die ihn anrufen, die ihn mit Ernst anrufen, und sein Volk soll seiner Gaben die Fülle haben. Amen.

Quelle: Krummacher, G. D. - Gesammelte Ähren

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