Gerok, Karl - Der Heimat zu - 2. Trinitatis.

Gerok, Karl - Der Heimat zu - 2. Trinitatis.

1885.

(Luk. 15,11-32.)
(11) Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne; (12) Und der jüngste unter ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört. Und er teilte ihnen das Gut. (13) Und nicht lang danach sammelte der jüngste Sohn alles zusammen und zog ferne über Land; und daselbst brachte er sein Gut um mit Prassen. (14) Da er nun alle das Seine verzehrt hatte, ward eine große Teuerung durch dasselbige ganze Land, und er fing an zu darben. (15) Und ging hin und hängte sich an einen Bürger desselbigen Landes, der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. (16) Und er begehrte seinen Bauch zu füllen mit Trebern, die die Säue aßen; und niemand gab sie ihm. (17) Da schlug er in sich und sprach: Wieviel Taglöhner hat mein Vater, die Brot die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger! (18) Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt in den Himmel und vor dir, (19) Und bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich als einen deiner Taglöhner. (20) Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Da er aber noch ferne von dannen war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals und küsste ihn. (21) Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt in den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. (22) Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt das beste Kleid hervor und tut ihn an, und gebt ihm einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße; (23) Und bringt ein gemästetes Kalb her und schlachtet's; lasst uns essen und fröhlich sein; (24) Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig worden; er war verloren und ist gefunden worden. Und fingen an fröhlich zu sein. (25) Aber der älteste Sohn war auf dem Feld; und als er nahe zum Haus kam, hörte er das Gesinge und den Reigen; (26) Und er rief zu sich der Knechte einen und fragte, was das wäre. (27) Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist kommen, und dein Vater hat ein gemästetes Kalb geschlachtet, dass er ihn gesund wieder hat. (28) Da ward er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn. (29) Er aber antwortete und sprach zum Vater: Siehe, soviel Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten; und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. (30) Nun aber dieser dein Sohn kommen ist, der sein Gut mit Huren verschlungen hat, hast du ihm ein gemästetes Kalb geschlachtet. (31) Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein. (32) Du solltest aber fröhlich und gutes Muts sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig worden; er war verloren und ist wiedergefunden.

Wir lesen von Zeit zu Zeit in öffentlichen Blättern einen Aufruf, wo, ohne Namen zu nennen, ein Sohn, der sich vom Elternhaus entfernt hat, zur Rückkehr aufgefordert und ihm Verzeihung zum voraus zugesichert wird. In wenigen Worten, am Ende des Blatts pflegt solch ein Aufruf zu stehen; aber er ist mit fetter Schrift gedruckt, damit man ihn nicht übersehe; und wer zwischen den Linien zu lesen versteht, der kann nicht ohne Rührung denken an den Elternkummer und an die Elternliebe, die in jenen kurzen Worten sich ausspricht, und kann nur wünschen: Möchte doch der leichtsinnige Sohn in irgend einer Herberge, wo er jetzt mit bösem Gewissen einkehrt, dieses Blatt zur Hand bekommen; möchte sein Blick auf diese Zeilen fallen, möchten sie ihm zu Herzen gehen, möchten sie ihn, ehe es zu spät wird, zur Heimkehr bewegen, seinen bekümmerten Eltern zum Trost und ihm selber zum Heil! Ein solcher Aufruf zur Heimkehr ins Vaterhaus, rührender und beweglicher, als die treueste Vaterhand auf Erden ihn schreiben kann - ein Aufruf von der Hand der ewigen Liebe selber geschrieben, ist das Gleichnis vom verlorenen Sohn.

Man hat das 15. Kapitel des Lukas mit seinen drei köstlichen Gleichnissen vom verlorenen Schaf, verlorenen Groschen und verlorenen Sohn eine weite Tür ins Paradies genannt. Und es ist wahr, die Pforten des Himmelreichs werden da weit aufgetan, ein ganzer Strom von Licht und Leben flutet aus dieser offenen Paradiesestür uns entgegen und lässt uns hineinschauen in den Himmel der göttlichen Liebe und Erbarmung. Der Hirtenruf des Erlösers, der dem verirrten Schaf nachgeht; die Vaterstimme des barmherzigen Gottes, der den verlorenen Sohn wieder aufnimmt mit Freuden; die Lobgesänge der Engel, die sich freuen über einen Sünder, der Buße tut, tönen aus dieser offenen Himmelstür hernieder in die Sünderwelt und rufen jeder verirrten und verlorenen Seele zu: Kehre um, komme heim!

Komme heim! Das ist der Ruf, der gerade aus unserem Gleichnis vom verlorenen Sohn uns entgegentönt. In den beiden vorangehenden Parabeln vom verlorenen Schaf und verlorenen Groschen wird mehr das geschildert, was Gottes Liebe zu unserer Rettung tut; in dieser aber vom verlorenen Sohn werden wir auch an das gemahnt, was wir selber tun müssen, damit uns Barmherzigkeit widerfahre: wir müssen umkehren, müssen heimkommen. Ja - „Komme heim!“ Das ist der rührende Ruf der ewigen Liebe an ihre verlorenen Kinder.

  1. Fühlst du kein Heimweh? so fragt sie uns.
  2. Wage den Heimweg! so mahnt sie uns.
  3. Selig die Heimkunft! so verheißt sie uns.

Sieh mich wieder zu dir kehren; Gott, ich will dein Rufen hören,
Will in Zukunft dir allein eigen und geheiligt sein.
Auf will ich von Sünden stehen und zu meinem Vater gehen;
Seele, Seele, es ist Zeit, Tod ist nah und Ewigkeit! Amen.

Komme heim! Das ist der Ruf der ewigen Liebe an ihre verlorenen Kinder.

Fühlst du kein Heimweh?

so fragt sie die verirrte Seele.

Wie schmerzlich ist das Heimweh des verlorenen Sohns! „Da schlug er in sich und sprach: Wieviel Taglöhner hat mein Vater, die Brot die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger.“ Es war weit mit ihm gekommen. Weit weg vom Vaterhaus, im fremden Land, auf ödem Feld, im niedrigen Dienst, im tiefsten Elend, die Wolken sein Dach, die Erde sein Bett, Lumpen sein Kleid, Treber seine Kost, schmutzige Tiere seine Gesellschaft so treffen wir ihn an. Und nun bricht ihm das lang verhärtete Herz, nun steigen längst vergessene liebe Bilder, längst entschwundene goldene Tage mit Macht in seiner Seele wieder auf: das Vaterhaus mit seinem Glück, die Kindheit mit ihrem Frieden, und ein schwerer Seufzer entringt sich seiner Brust, eine große Träne tritt ihm ins Auge und sein tiefes Elend macht sich Luft in den Worten: Wie viele Taglöhner hat mein Vater, die Brot die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger! Das ist das Heimweh in seiner herbsten Gestalt.

Wie mancher verlorene Sohn hat das schon nach gefühlt in ähnlicher Lage! Wenn nun die Lust gebüßt; wenn Geld und Gut verprasst ist; wenn die lustigen Freunde sich allmählich davonmachen wie Sommervögel vom abgemähten Feld; wenn die schöne Jugendzeit zur Neige geht, die frische Jugendkraft vergeudet ist im Sündendienst; wenn nun im ernüchterten Herzen der Wurm anfängt zu bohren, der nimmer stirbt, das böse Gewissen; das Feuer anfängt zu brennen, das nimmer erlischt, die Reue, - ja da hat schon aus manchem Auge eine heiße Träne sich gestohlen in einer stillen Stunde des Nachdenkens; da ist schon manches verwilderte Herz weich geworden in wehmütigen Erinnerungen, hat wieder ans Elternhaus gedacht, an das redliche Antlitz eines treuen Vaters, an die liebe Gestalt einer guten Mutter, hat des himmlischen Vaters, des lange vergessenen, zum ersten Mal wieder mit bitterer Reue sich erinnert, hat geseufzt: Ach! könnte ich diese verlorenen Jahre ausstreichen aus meinem Leben und wieder der gute Knabe, das schuldlose Mädchen, das glückliche Kind von ehemals werden; hat angefangen, die zu achten und zu beneiden, auf die man früher im Übermut herabgesehen: den armen Taglöhner, der im Schweiße seines Angesichts mit Ehren sein Brot isst; den frommen Christen, der gewissenhaft vor Gott wandelt; wie der verlorene Sohn, da er sprach: Wie viele Taglöhner hat mein Vater, die Brot die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger!

Aber, meine Lieben, man braucht keineswegs äußerlich so weit herabgekommen, keineswegs innerlich so tief gesunken zu sein wie der verlorene Sohn; man kann Brots die Fülle haben, man kann daheim sein im eigenen Haus, man kann vor der Welt in Ehren stehen, man kann von groben Verirrungen sich frei erhalten und auf offenen Lasterwegen sich nicht treffen lassen, - und doch ist man vielleicht weit abgekommen von der rechten Heimat der Seele, doch leidet man vielleicht, eingestanden oder uneingestanden, im tiefsten Herzensgrund an schmerzlichem Heimweh.

Kennst du, lieber Freund, das Vaterhaus, wo der Menschenseele allein recht wohl ist, dem ein Kind Gottes niemals entwächst, in dem der Christ sich zu Haus weiß, wo er auch ist in der weiten Welt; wo er immer wieder einkehrt, des Vaters Antlitz zu suchen, seine Stimme zu hören, an seinem Tisch sich zu erquicken, mit seinen Hausgenossen sich zu verbinden? Dies Vaterhaus des Christen ist das Gotteshaus, diese Heimat der Seele ist die Gemeinschaft mit Gott, vermittelt durch die christliche Kirche.

Bist du noch zu Haus, lieber Mensch, in dieser Heimat deiner Seele? Oder sind sie locker geworden, die heiligen Bande des Glaubens, der Liebe, der Hoffnung, des Gehorsams, die dich verbinden sollen mit deinem Schöpfer und Erlöser? Nährst du noch deinen inneren Menschen mit dem Lebensbrot des göttlichen Worts, oder bist du ein Fremdling worden in Gottes Haus? Stehst du noch im Gebetsumgang mit deinem Vater im Himmel, oder hast du verlernt nach oben zu blicken mit Bitte und Dank? Herrscht noch in deinem Herzen die heilige Scheu vor Gottes Gebot, oder sind's nur die feineren oder gröberen Gelüste deines Herzens, denen du nachwandelst?

Und wenn dem so wäre: fühlst du kein Heimweh? Heimweh wenigstens in stilleren Stunden und ruhigen Augenblicken nach einer edleren Nahrung, nach einem besseren Umgang, nach einer würdigeren Beschäftigung, als du sie findest in den Genüssen der Welt, in der Gesellschaft der Welt, im Dienste der Welt? Heimweh nach einer unbekannten Heimat, die du auf Erden nicht findest, reistest du auch jeden Sommer nach einem anderen gepriesenen Erholungsort; Heimweh nach einem verlorenen Paradies, das du einst hattest, als du noch glauben, noch beten, noch hoffen konntest wie ein Kind und Frieden hattest mit Gott und dir selbst?

Fühlst du kein Heimweh? So fragt dich die ewige Liebe. Und wenn du etwas davon fühlst; wenn du's gestehen musst, vielleicht der Welt nicht, aber dir selbst und deinem Gott es gestehen musst: Nein, ich bin nicht glücklich, mir fehlt das Beste, der Friede des Gewissens, die Ruhe des Herzens, die Heimat der Seele - o dann:

2) Wage den Heimweg!

So mahnt dich die ewige Liebe, so lehrt dich der verlorene Sohn.

Was tut der in seinem Elend? Bleibt er auf dem Feld sitzen in frostlosem Jammer und schleppt seine Tage so fort, bis er im Hunger verdirbt und man ihn eines Morgens tot auf der Heide liegen findet? Oder läuft er seinem Herrn davon, um einen anderen Dienst zu suchen noch weiter draußen in der Fremde? Oder steht er auf in der Verzweiflung und geht hin, um am Ast des nächsten Baums oder auf dem Grund des nächsten Teichs seinem Elend auf einmal ein Ende zu machen? Ach schon mancher verlorene Sohn leider und manche gefallene Tochter hat keinen anderen Ausweg gefunden als diesen; er aber weiß einen bessern: es ist der Heimweg!

„Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt in den Himmel und vor dir und bin fort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße, mache mich als einen deiner Taglöhner.“ O ein gesegneter Entschluss mannhafter Umkehr, kindlichen Glaubens, bußfertigen Gehorsams!

„Ich will mich aufmachen!“ Damit lodert der göttliche Funke wieder in ihm auf, der in keiner Menschenbrust ganz erstickt werden kann, den der ärgste Prasser nicht ganz zu verprassen vermag, der Funken des göttlichen Ebenbilds. Unter den Tieren des Feldes, zu denen er herabgesunken, da regt sich in ihm wieder der anerschaffene Adel seiner Menschheit und spricht: Nein, dazu bin ich doch zu gut, so darf's nicht mit mir enden, es muss anders mit mir werden.

„Ich will mich aufmachen!“ O gesegneter Wendepunkt eines verfehlten Menschenlebens, wo man zu der Erkenntnis kommt: Es muss anders mit mir werden, und zu dem Entschluss: Es soll anders werden! Selige Umkehr, wo man es wagt, die Ketten der Sünde zu brechen, der Welt den Dienst aufzusagen und allem Spott seiner bisherigen Gesellschaft, aller Macht der eigenen Gewohnheit zum Trotz Ernst zu machen mit dem Entschluss: Auf will ich von Sünden stehen! Ein solcher Augenblick löscht Jahre der Verirrung aus, eine solche Stunde trägt selige Ewigkeiten in ihrem Schoß.

Wage es, lieber Mensch, ermanne dich zu dem Entschluss: „Ich will mich aufmachen“; auf aus meinem Elend, für das ich nicht geschaffen bin; los von der Sünde, deren Joch ich zu lang getragen habe; weg von der Welt, die doch vergeht mit ihrer Lust; ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.

„Zu meinem Vater“, spricht der verlorene Sohn in kindlichem Vertrauen. Seine Freunde haben ihn alle verlassen, in der weiten Welt nimmt sich niemand seiner an; aber er hat noch einen Vater daheim. Lang hat er ihn vergessen, aber jetzt fällt er ihm wieder ein. Schwer hat er sich an ihm versündigt, aber er bleibt doch sein Vater. Ich will zu meinem Vater gehen! Glück zu, verlorener, jetzt nicht mehr verlorener Sohn; nun bist du auf dem rechten Weg!

„Ich will zu meinem Vater gehen!“ Ja das ist der Lichtgedanke, der uns erst das rechte Ziel zeigt bei dem Entschluss: Ich will mich aufmachen! Ich habe noch einen Vater im Himmel, einen schnöde vergessenen, schwer beleidigten, mit Recht zürnenden, aber doch einen Vater, dessen Gnade größer ist als meine Sünde, dessen Güte alle Morgen neu ist über seinen Kindern.

Dem verkommensten Sünder müsste es wie ein Sonnenstrahl durch die Seele leuchten; der verzweifelte Selbstmörder müsste die Mordwaffe von sich werfen und betend in die Knie sinken, wenn er das wieder fassen könnte: Ich habe noch einen Vater, einen heiligen Vater freilich, dem ich nicht wert bin, sein Sohn zu heißen; aber auch einen barmherzigen, der nicht will den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe.

„Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und sagen: „Vater, ich habe gesündigt in den Himmel und vor dir.“

„Ich habe gesündigt.“ Das ist das rechte Bußbekenntnis. Niemand klagt der verlorene Sohn an als sich selber. Nicht das Missgeschick, das ihn in der Fremde verfolgt; nicht die Verführer, die ihn auf böse Wege gebracht; nicht die Freunde, die ihn am Ende schnöde verlassen; nicht die Menschen draußen, die ihn in der Not so hart behandelt; oder gar den Vater daheim, der ihm zu gut gewesen und ihn nicht hätte sollen ziehen lassen, wie so mancher verirrte Mensch, der überall die Schuld seiner Verirrungen sucht, nur nicht bei sich selbst; nein, seine Buße ist echt, lediglich sich selbst klagt er an; seinen Undank, der ihn aus dem Vaterhaus getrieben; seinen Leichtsinn, womit er sein Gut verprasste; seine Torheit, womit er ins Verderben rannte; seine Sünde, womit er den guten Vater auf Erden und den heiligen Gott im Himmel beleidigt hat.

„Darum mache mich zu einem deiner Taglöhner.“ Das ist die rückhaltslose Unterwerfung, die von keinem Recht mehr weiß, sondern nur noch von Gnade; die anspruchslose Demut, die kein glänzendes Glück mehr verlangt, sondern nur noch ein bescheidenes Auskommen; der willige Gehorsam, der mit dem Rest seiner Kraft wenigstens noch etwas möchte nütze sein, wo ihn auch der Vater noch brauchen will.

Wohl dem Menschen, der mit solchen Vorsätzen umkehrt zu seinem Vater im Himmel. Und hättest du auch viel versäumt zur Buße ist's nie zu spät. Und wärest du auch weit verirrt der Heimweg steht jedem offen, dem es ein Ernst ist mit dem Vorsatz: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen. Fass dir nur ein Herz, wage den Heimweg! Es wird dich nicht gereuen.

3) Selig die Heimkunft!

So verheißt die ewige Liebe; dich erwartet ein offenes Vaterherz und ein offenes Vaterhaus.

„Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater.“ Der Entschluss war nicht ein schnell aufflammendes und schnell verflogenes Strohfeuer, wie bei manchem verkommenen Menschen, der wohl noch gute Vorsätze fassen kann, aber keine Kraft mehr hat zur rettenden Tat; nein, der Entschluss wurde zur Tat. Wohl kostete es noch manchen sauren Tritt. Wohl hat er vielleicht unterwegs noch je und je zu kämpfen gehabt mit Scham und Stolz, mit Zweifel und Kleinmut; aber vorwärts! klang es in seinem Herzen; komm heim! meint er's aus der Ferne tönen zu hören; er hat's einmal gewagt und geht nicht mehr zurück. Wohl wird ihm das Herz geklopft haben, als er endlich das väterliche Dach von weitem sah, aber nun ist's gewonnen, ihn umweht wieder heimatliche Luft, er steht wieder auf heimatlicher Erde und alles wird gut, besser, als er sichs ausgemalt hatte in seinen kühnsten Träumen.

„Da er aber noch ferne war, sah ihn sein Vater.“ Das ist das treue Vaterauge, das auch auf Sündenwegen den verlorenen Sohn begleitet, das uns sieht, ehe wir aufsehen zu ihm.

„Und es jammerte ihn sein.“ Das ist das erbarmende Vaterherz, das von Liebe wallt gegen seine Kinder und vor Mitleid bricht über unserem Elend.

„Lief.“ Das ist der eilende Vatertritt, die zuvorkommende Gnade Gottes, die nicht wartet, bis wir da sind, sondern uns tausend Schritte entgegen geht, wenn wir nur einen Schritt ihr entgegen getan.

„Fiel ihm um den Hals.“ Das sind die offenen Vaterarme, die sich weit auftun für den reuig wiederkehrenden Sohn.

„Und küsste ihn.“ Das ist der gütige Vatermund, der, weil die Reue so ernst ist, jeden gerechten Vorwurf zurückhält, jede weitere Selbstanklage abschneidet mit dem Friedenskuss der Versöhnung. O unergründliche Liebe unseres Gottes und Heilandes:

Du bist weit ob allen Kindern;
Du währst lang auf alle Zeit;
Du reichst tief zu armen Sündern;
Du führst hoch zur Herrlichkeit!

Zur Herrlichkeit der Kinder Gottes, zum Genuss der Vaterliebe in des Vaters Haus. So war's bei dem verlorenen Sohn, der jetzt kein verlorener mehr, sondern ein wiedergefundener ist. Mit dem offenen Vaterherzen findet er auch ein offenes Vaterhaus, in dem er nicht bloß als Taglöhner dienen, sondern als Sohn seinen Platz wieder finden soll.

„Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt das beste Kleid hervor und tut ihn an, und gebt ihm einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße.“ Als Sohn soll er wieder ausgestattet werden vom Scheitel bis zur Sohle. Ein neues Kleid empfängt er für seine Lumpen. Dabei dürfen wir denken an das reine Kleid der Gerechtigkeit, in Christo Jesu der begnadigten Seele geschenkt. Ein goldener Fingerreif wird ihm angesteckt, das mag uns ein Sinnbild sein des Gnadenbunds, den Gott mit dem bekehrten Sünder schließt. Und Schuhe an die Füße zum neuen Wandel in des Vaters Wegen, das bedeutet die Kraft zur Heiligung. Und nun ein Freudenmahl fürs ganze Vaterhaus, wo alle sich zusammen freuen, der verzeihende Vater, der wiedergefundene Sohn, die teilnehmenden Hausgenossen; wo auch der ältere Bruder nicht hoffärtig und missgünstig soll in der Ferne stehen, sondern sich freuen mit den Fröhlichen und einstimmen in den Jubelruf der ewigen Liebe: „Dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig worden; er war verloren und ist wiedergefunden.“ Das ist die selige Gemeinschaft der Kinder Gottes. Ist das nicht eine selige Heimkehr, die einer verlorenen Seele nichts Geringeres einträgt als eine Heimat an des Vaters Herzen und in des Vaters Haus, Vergebung der Sünden, Kindschaft Gottes und Erbschaft des ewigen Lebens? Darum komm heim! so ruft die ewige Liebe uns allen zu und die heiligen Engel stimmen mit ein und vieltausend gerettete Sünderseelen stimmen mit ein und rufen's aus dem oberen Vaterhaus uns zu: Komm heim! Kehre zurück, so lang es Zeit ist, durch Buße, Glauben und Gehorsam in die Vaterarme deines Gottes, damit du einst selig heimkommst ins ewige Vaterhaus droben! Und wir, was wollen wir antworten?

Auf will ich von Sünden stehen und zu meinem Vater gehen;
Seele, Seele, es ist Zeit, Tod ist nah und Ewigkeit!
Vater! ich will nimmer fehlen, ich will jene Straße wählen,
Die du mit des Kreuzes Last und mit Blut bezeichnet hast.

Amen.

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