Gerok, Karl - Der Heimat zu! - Reformationsfest.

Gerok, Karl - Der Heimat zu! - Reformationsfest.

Gehalten am 20. Sonntag nach Trinitatis. 1889.

(Luk. 18, 1-8.)
(1) Er sagte ihnen aber ein Gleichnis davon, dass man allezeit beten und nicht lass werden solle, (2) Und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. (3) Es war aber eine Witwe in derselbigen Stadt, die kam zu ihm und sprach: Rette mich von meinem Widersacher! (4) Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Ob ich mich schon vor Gott nicht fürchte, noch vor keinem Menschen scheue, (5) Dieweil aber mir diese Witwe soviel Mühe macht, will ich sie retten, auf dass sie nicht zuletzt komme und betäube mich. (6) Da sprach der Herr: Hört hie, was der ungerechte Richter sagt! (7) Sollte aber Gott nicht auch retten seine Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er es mit ihnen verziehen? (8) Ich sage euch: Er wird sie erretten in einer Kürze. Doch wenn des Menschen Sohn kommen wird, meinst du, dass er auch werde Glauben finden auf Erden?

„Jauchze, du Tochter Zion; freue dich, du Tochter Jerusalem! Denn der Herr, der König Israel, ist bei dir, dass du dich vor keinem Unglück mehr fürchten darfst.“ So ruft in schwerer Zeit ein Prophet Gottes dem Volk des alten Bundes tröstend und ermunternd zu. (Zeph. 3,14.15.)

Und von diesem Trostspruch und Freudenruf darf auch unsere evangelische Kirche heute sich etwas zueignen. Denn das Reformationsfest ist ein Ehren- und Freudentag unserer Kirche, an dem sie über die Nöten und Sorgen der Gegenwart sich erheben darf in dankbaren Rückblick auf das, was der Herr bisher Großes an ihr getan, und in dem frohen Bewusstsein, dass er auch heute noch bei ihr ist mit seinem Geist und Gaben, und im gläubigen Ausblick auf eine bessere Zukunft, wo es heißen soll: All Fehd hat nun ein Ende; wo aus der streitenden Kirche eine triumphierende werden soll, eine geschmückte Braut des Herrn.

Noch freilich ist die Kirche keine triumphierende, sondern eine streitende; nicht im strahlenden Brautschmuck, sondern eher im Trauerschleier der Witwe steht sie in unseren geringen Tagen da vor Freund und Feind, vor Gott und Welt. Und doch - freue dich, du Tochter Jerusalem, denn du sollst nicht zu Schanden werden! Dieser Trostruf tönt unserer Kirche aus unserem heutigen Evangelium entgegen.

Siehst du dies Weib? so hieß es am vorigen Sonntag von der weinenden Sünderin zu Jesu Füßen. Siehst du dies Weib? so heißt es am heutigen Reformationsfest von der flehenden Witwe vor dem Stuhl des ungerechten Richters. Siehst du ihre Bedrängnis? Siehst du ihr Gebet und Flehen? Siehst du ihre endliche Errettung? Gehe hin und tue desgleichen! Die flehende Witwe vor dem ungerechten Richter, ein Vorbild für unsere streitende Kirche:

  1. als bedrängte Dulderin,
  2. als standhafte Beterin,
  3. als gekrönte Siegerin.

Das sei die Inschrift unserer heutigen Festbetrachtung.

Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ,
Dass uns hinfort nicht schade des bösen Feindes List!
Ach bleib mit deinem Segen bei uns, du reicher Herr,
Heil, Gnad und all Vermögen reichlich in uns vermehr!
Ach bleib mit deiner Treue bei uns, du Herr und Gott,
Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not! Amen.

Die flehende Witwe vor dem ungerechten Richter ein Vorbild für unsere streitende Kirche:

1) Als bedrängte Dulderin.

Eine schutzlose und bedrängte Witwe, ihres Mannes beraubt als ihres natürlichen Beschützers und treuen Versorgers und dabei verfolgt und geängstet von einem schlimmen Widersacher, der es abgesehen hat auf ihr Hab und Gut, wo nicht auf ihre Ehre und ihren guten Namen - meine Lieben, ist das nicht das Bild schon der ältesten christlichen Gemeinde?

Ihr großer Herr und Meister, der gute Hirte der Seinen, der einst Wind und Wellen für sie bedräut hatte im Sturm auf dem Meer, der sich einst vor seine zagenden Jünger gestellt hatte gegenüber den Spießen und Schwertern der Feinde: „Sucht ihr mich, so lasst diese gehen!“ er war nicht mehr sichtbar bei den Seinen und der Allmächtige, der im Himmel wohnt, hatte sein Antlitz in den Wolken verborgen.

Auf Erden aber hieß es: Feinde ringsum! Zuerst die Juden mit ihrem Hass, dann die Griechen mit ihrem Spott, dann die Römer mit ihrer Macht - alle herrschenden Gewalten in der Welt hatten sich verschworen wider Christi kleine Herde.

Nicht nur auf der Kirche Hab und Gut war's abgesehen, da war ja wenig zu holen bei Christi armer Gemeinde; konnte doch jener Archidiakonus Laurentius dem römischen Prätor, der den Kirchenschatz herausverlangte, nur die Armen vorführen als die Schätze der Kirche.

Auch der Ehre und dem guten Namen der Gemeinde stellte der Widersacher nach, wenn die Christen als Atheisten verklagt wurden, weil sie keinen sichtbaren Gott anbeteten; wenn sie des Kindsmords und anderer blutiger Gräuel beschuldigt wurden, weil sie das Blut Christi im heiligen Abendmahl genossen; wenn sie als Empörer verurteilt wurden, weil sie sich weigerten, vor des Kaisers Standbild zu opfern.

Ja bis aufs Blut war die Kirche bedrängt, auf Leib und Leben der Christenheit war's abgesehen, wie eine Pest sollte sie vom Erdboden ausgerottet werden, wenn es hieß: Vor die Löwen mit den Christen; wenn in zehn grausamen Christenverfolgungen im Lauf von drei Jahrhunderten tausende von Märtyrern, Männer und Frauen, Kinder und Greise unter Henkershand oder unter den Zähnen wilder Tiere verbluteten, im Flammentod oder im Flutengrab ihr Leben ließen.

Da hieß es auch: „Rette mich von meinem Widersacher! Und er wollte lange nicht.“ Nicht nur vor dem irdischen Richterstuhl war Gerechtigkeit oder Gnade selten zu finden. Auch der gerechte Richter über den Wolken schien taub, auch der ersehnte Retter vom Himmel verzog wiederzukommen zum Trost der Seinen trotz ihres flehenden Rufs: Komm, Herr Jesu, komme bald!

An solche Zeiten, meine Lieben, wollen wir denken, wenn wir klagen über die Kirchennöten unserer Tage.

Und wiederum in den Kämpfen der Reformationszeit hieß es nicht abermals: Rette mich von meinem Widersacher? Verlassen vom Schutz des weltlichen Arms, bedrängt von Kaiser und Papst, belastet mit Reichsacht und Kirchenbann, bedroht mit Folterqual und Feuertod, geschmäht als Aufrührerin gegen Gottes Gebot und menschliche Ordnung war nicht abermals die Kirche des Evangeliums eine verlassene und bedrängte Witwe, eine Dulderin, über die alle Wetter gingen?

Gab es nicht abermals Beraubungen und Vergewaltigungen, gegen die man kein Recht fand vor einem menschlichen Richterstuhl auf Erden; Heimatlose, die von Haus und Hof vertrieben wurden um ihres Glaubens willen; Märtyrer, die fürs Evangelium Blut und Leben ließen von jenen zwei Märtyrerknaben zu Brüssel an, denen Luther sein rührendes Loblied sang, bis zu den Opfern der Bartholomäusnacht und von den auswanderenden Waldensern bis zu den vertriebenen Salzburgern? Ja, meine Lieben, wenn wir an das alles denken, was die Väter unserer Kirche gelitten und gestritten haben um ihren Glauben, dann fällt uns in den Kämpfen unserer Zeit beschämend das Apostelwort aufs Gewissen: Ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden.

Nein, wir wollen keineswegs vergessen, wieviel leichter es uns gemacht ist als jenen, unseres Glaubens zu leben. Wir wollen dankbar schätzen den sicheren Schutz und Schirm, die wohlwollende Fürsorge und Pflege, die unsere evangelische Kirche unter einem gerechten und milden Regiment genießen darf in unserem altevangelischen Lande.

Wir wollen uns freuen des kirchlichen Friedens, wie wir ihn in unserem gesegneten Lande immer noch voraushaben vor vielen, und wollen das Unsrige tun, ihn zu wahren und zu pflegen.

Wir wollen uns hüten vor unbrüderlichem Scheelsehen und vor unmännlichem Schwarzsehen in kirchlichen Dingen, vor mutlosen Klagen und vor lieblosen Anklagen über eingebildete Gefahren und vermeintliche Unbilden.

Wir wollen protestantische Geistesfreiheit und evangelische Herzensmilde auch dem Widersacher gegenüber unerschütterlich bewahren. Und doch - wenn wir von dem lieblichen Los, das uns hierzulande gefallen, mit brüderlich teilnehmendem Blick hinausschauen auf die Glaubensbrüder in der Ferne: finden wir da nicht auch Verlassene in der Zerstreuung, finden wir da nicht auch Gedrückte und Vergewaltigte, erscheint uns da nicht hier oder dort, sei es im Nordost oder im Südwest, unsere evangelische Kirche als eine bedrängte Dulderin, als eine schutzlose Witwe, die vergebens ihr Recht sucht vor dem Richter in der Stadt? Und wo ein Glied leidet, leiden nicht alle mit?

Und wenn man uns selbst weder Hab und Gut, noch Leib und Leben antastet um unseres Glaubens willen, man greift uns aber unsere teure evangelische Kirche an ihrer Ehre an, verdächtigt schnöde ihre Grundsätze, stellt ihre Lehren boshaft in ein schiefes Licht, verunglimpft ihre großen Männer und edlen Geister schmachvoll im Grab und schwärzt sie an in der Geschichte, muss uns das nicht wehtun, bitter weh ins Herz hinein, wie es einer treuen Witwe wehtut, bitter weh bis ins Herz hinein, wenn man ihre Ehre angreift, ihren guten Namen antastet, oder ihren geliebten Mann unter dem Boden noch schlecht zu machen sucht?

Und wenn die Kirche, unsere evangelische zumal, in ihrer Knechtsgestalt die Ungunst der Welt, die Missachtung der Gebildeten, den Undank und die Untreue ihrer eigenen Kinder heutzutage so vielfach zu erfahren bekommt; wenn sie so manches als Gnade erbitten, als Almosen hinnehmen muss, worauf sie nach Gottes Ordnung ihr gutes Recht zu haben glaubt, steht sie nicht in dieser unkirchlichen Zeit oft da in recht kläglicher Gestalt, als eine gedrückte Witwe und bedrängte Dulderin, die, weil sie auf Erden ihr Recht nicht findet, gen Himmel seufzen muss: Ach Gott vom Himmel sieh darein und lass dich des erbarmen?

Recht so, liebe Witwe! Wärst du auch eine bedrängte Dulderin, werde nur um so mehr wie deine Schwester da im Evangelium:

2) Eine standhafte Beterin.

Aufs Bitten legt sich die gute Frau in ihrer Not. Das ist die einzige Waffe, die sie hat; aber die braucht sie auch und braucht sie herzhaft und standhaft. So sauer ihr auch als einer schwachen Frau der Gang wird vor Gericht und zumal vor einen hartherzigen und ungerechten Richter, der sich weder vor Gott fürchtet noch vor einem Menschen scheut, „O, rette mich von meinem Widersacher!“ mit diesem Notschrei kommt sie dennoch und kommt immer wieder in die Amtsstube des Richters, von dem sie weiß: Er hat die Macht und er hat die Pflicht, mir zu helfen.

„Das sagt der Herr seinen Jüngern“ im einzelnen und seiner Kirche im ganzen, sagt's auch der evangelischen Kirche unserer Tage als „ein Gleichnis davon, dass man allezeit beten und nicht lass werden sollte.“ Gebete sind die Waffen der Kirche. Das hat schon die alte apostolische Gemeinde wohl gewusst und schön geübt.

Betend war die kleine Herde am Pfingstfest im Tempel bei einander, als der Geist kam in Sturmesbrausen und Feuerflammen. Betend waren sie täglich in den Häusern bei einander und lobten Gott mit Freuden und einfältigem Herzen. Betend waren sie beisammen zu Jerusalem in der bangen Nacht, da Petrus im Gefängnis lag, das Henkerschwert über seinem Haupt, und plötzlich wie ein Geist an die Haustür klopfte, seine Rettung zu verkünden. Betend und psalmensingend saß Paulus und Silas im nächtlichen Kerker zu Philippi, als das Erdbeben die Kerkertür sprengte. Psalmensingend zogen die Märtyrer im Zirkus ein, wo die hungrigen Löwen nach ihren Opfern brüllten, und betend beugten sie ihr Haupt unter das Richtschwert des Henkers. Im Leben und im Sterben haben sie's geglaubt und erfahren: Wer beten kann, ist selig dran.

Auch unsere evangelische Kirche ist des inne geworden in dem Kampf, der ihr verordnet war.

Betend auf seinen Knien hat der Bruder Martinus in seiner Klosterzelle sich den Frieden Gottes erkämpft, mit dem er hinausging zum Kampf mit einer Welt von Feinden. Betend ist er auf seinem Angesicht gelegen in seiner Herberg zu Worms, ehe er als ein Held stand vor Kaiser und Reich. Betend hat er sich durch sein schweres Leben gekämpft in dem Gefühl: Mit unsrer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren. Und betend hat er seinen Lauf beschlossen mit dem Sterbeseufzer: Du hast mich erlöst, du treuer Gott, in deine Hände befehle ich meinen Geist.

Ein neuer Geist des Gebets, des kindlich freudigen Zutritts vor den Gnadenthron des versöhnten Gottes, ohne Dazwischentreten von Priestern auf Erden oder von Heiligen im Himmel, ist durch die Reformation wie ein frischer Lebensodem der Christenheit eingehaucht worden und hat in den Liedern der Kirche seinen herrlichen Ausdruck gefunden von Luthers: Ach Gott vom Himmel sieh darein! und: Herr Gott dich loben wir! bis zu Paul Gerhardts: Wie soll ich dich empfangen? und:

Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich,
So oft ich ruf und bete, weicht alles hinter sich!

In den Stürmen der Verfolgung, in den Drangsalen des dreißigjährigen Krieges, da hat es die Gemeinde wieder erfahren: Not lehrt beten; da hat manche fromme Seele gen Himmel gerufen, wie die Nachtigall in der Gewitternacht ihre brünstigsten Lieder singt; da sind jene schönen Gebetslieder und jene kräftigen Gebetbücher entstanden, daran noch heute unser gläubiges Volk sich erbaut.

Und darum ist es uns auch heute gesagt in den gemeinsamen Nöten der Kirche, wie in den Sorgen und Ängsten unseres eigenen kleinen Lebens: „Statt zu klagen, bete mehr!“

„Beten kann retten aus jeglichen Nöten
Und aus dem Tode selbst,
Jesus hilft beten.“

Mehr als eine gute Wehr und Waffe ist ja der Kirche in die Hand gegeben in dem Kampf, der ihr verordnet ist.

Haben wir nicht das Schwert weltlicher Macht und wollen es auch nicht im Kampfe für die Wahrheit; haben wir nicht die Schätze irdischen Reichtums und brauchen sie auch nicht zum wahren Heil der Kirche, so haben wir dafür geistliche Waffen und himmlische Schätze.

Wir haben das lautere Wort Gottes als ein zweischneidiges Schwert wider alles ungöttliche Wesen in uns und um uns und als eine unerschöpfliche Quelle von Trost und Kraft für alle, die daran glauben.

Wir haben die Leuchte echter Wissenschaft und wahrer Schriftgelehrsamkeit, die, entzündet am Lichte des Wortes Gottes, hineinleuchtet in die trügerischen Schleichwege der Lüge und in die finsteren Winkel der Unwissenheit seit jenem Abend des 31. Oktober 1517 bis auf diesen Tag.

Wir haben das freudige Bekenntnis des Mundes, das, angefeuert durch das Vorbild edler Väter, auf den Plan tritt mit einem furchtlosen: Ich glaube, darum rede ich.

Und wir haben, was noch schöner ist und noch besser wirft, als alles Bekenntnis des Mundes das Bekenntnis der Tat, das Zeugnis des Wandels, eines evangelischen Wandels, der ohne viel Zank und Streit, ohne viel Worte und besondere Veranstaltungen durch sein Tun und Lassen verkündigt die Tugenden des, der uns von der Finsternis berufen hat zu seinem wunderbaren Licht - nach der Regel unseres Herrn und Meisters: Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. Je besser wir selber jeder für sich unsere Schuldigkeit tun als evangelische Christen, um so weniger wird der Widersacher Ursache finden, unsere Mutter, die Kirche, zu schelten; je gründlicher wir unser eigenes Herz und Leben reformieren, um so mehr werden wir unserer Kirchenreformation Ehre machen.

Aber zu dem allem, zu der Herzensreformation des Einzelnen wie zur Kirchenreformation im ganzen, zum Bekenntnis des Wandels wie zum Zeugnis des Mundes, zur Erkenntnis der evangelischen Wahrheit wie zum Verständnis des göttlichen Worts woher kommt dazu Licht und Kraft, Gnade und Segen? Von oben herab, vom Vater des Lichts, dem Geber aller guten und vollkommenen Gaben.

Darum bleibt's dabei: beten und nicht lass werden! Darum, liebe evangelische Seele, darum, teure evangelische Kirche, werde wieder eine gläubige, eine brünstige, eine standhafte Beterin, die nicht müde wird, ihr „ Abba, lieber Vater!“ gen Himmel zu rufen. Dann wirst du's je mehr und mehr erfahren: Er ist bei uns wohl auf dem Plan mit seinem Geist und Gaben. Dann kannst auch du werden, was die Witwe im Evangelium ward:

3) Eine gekrönte Siegerin.

„Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter hier sagt, (wie er sich des Weibes zuletzt annimmt um ihres anhaltenden Bittens willen). Sollte aber Gott (der gerechte und barmherzige Richter) nicht auch retten seine Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte Geduld darüber haben? Ich sage euch, er wird sie erretten in einer Kürze.“ Wohl möchten sie oft klagen: Wie lange, Herr, wie lange? Er aber weiß die rechte Zeit und lässt sie's erfahren:

Wann die Stunden sich gefunden, bricht die Hilf mit Macht herein,
Und dein Grämen zu beschämen, wird es unversehens sein.

Das gilt der einzelnen Seele und gilt der ganzen Kirche.

Wohl ist der rechte Sieg und der volle Friede der einzelnen Seele wie dem gesamten Volk Gottes dort erst aufgehoben, wo das Stückwerk aufhört und alle Fehde ein Ende hat und die streitende Kirche zur triumphierenden wird. Aber Siegestage und Freudenstunden schenkt der Herr schon hienieden, dass man's im Vorschmack erfährt: Kufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen.

Solch ein Siegs- und Ehrentag war der Tag der Pfingsten, wo dreitausend Seelen an einem Tag hinzugetan wurden zu der Gemeinde.

Solche Siegs- und Ehrentage waren jener Tag zu Wittenberg, wo in den Hammerschlägen zu Luthers Thesen der Herr wieder gnadenfroh anklopfte an den Pforten seiner Kirche und an den Gewissen seines Volks; und jener Tag zu Worms, als Luther heimging von des Rats Angesicht mit dem Siegesruf: „Ich bin durch! ich bin durch!“ und jener Tag zu Augsburg, wo die evangelische Kirche als edle Bekennerin ein gutes Bekenntnis ablegte vor vielen Zeugen.

Solche Siegs- und Ehrentage auch in dieser unserer geringen Zeit sind unsere Reformationsfeste und Gustav-Adolfstage und Kircheinweihungen und so manche schöne Feier evangelischen Glaubens, evangelischer Liebe, evangelischer Hoffnung, wo wir's mitten im Kampf und Streit der Zeit mit Freuden wieder inne werden: Der Herr ist nun und nimmer nicht von seinem Volk geschieden.

Doch wenn des Menschen Sohn kommen wird, zur Rettung der Seinen und zum Gericht über die Welt, sei es an solchen Siegestagen und Freudenstunden jetzt, oder sei es einst an seinem großen Tag, meinst du, er werde auch Glauben finden auf Erden? Ja, der Herr stärke uns den Glauben, dann dürfen wir seiner Zukunft getrost entgegensehen und dürfen's erfahren hier und dort: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat!

Erhalt uns, Herr, im wahren Glauben
Noch fernerhin bis an das End,
Lass nichts und deine Schätze rauben,
Dein heilig Wort und Sakrament;
Erfülle deiner Christen Herzen,
O Gott, mit deinem Gnadenheil
Und gib nach überwundnen Schmerzen
Uns droben einst das bess're Teil!

Amen.

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