Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Fliehe den Geiz.

Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Fliehe den Geiz.

Wer ist in Wahrheit arm? Der Geizige.

Wie lieblich das Heil der Seele ist, so hässlich muss die Sünde des Geizes sein. Der Geizige ist der Ärmste unter allen, weil ihm das, was er hat, eben so fehlt, wie das, was er nicht hat. Der Geizige ist der Elendeste unter allen, weil er gegen Niemanden gut, gegen sich aber am Bösesten ist. Hoffart treibt zu allen Sünden Sir. 10,15, Geiz ist eine Wurzel alles Übels 1 Tim. 6,10, jene durch Abneigung von Gott, diese durch Hinneigung zu den Geschöpfen. Der Reichtum verursacht Mühe beim Erwerb, erzeugt Furcht im Besitz, weckt Schmerz beim Verlust, und was noch schlechter ist, die Arbeit der Geizigen ist nicht allein vergänglich, sondern auch verderblich; der Reichtum verlässt dich, oder du ihn. Setzt du daher deine Hoffnung auf Reichtum, welche Hoffnung wirst du haben in der Stunde des Todes? Wie wirst du deine Seele Gott befehlen, wenn du die Sorge deines Leibes ihm nicht befiehlst? Dem allmächtigen Gott bist du ein Gegenstand der Sorge; warum zweifelst du, dass er dich erhalten könne? Dem allweisen Gott bist du ein Gegenstand der Sorge; warum bist du in Ungewissheit, wie er dich erhalten wolle? Dem gnadenreichsten Gott bist du ein Gegenstand der Sorge; warum zweifelst du, ob er dich erhalten wolle? Du hast die Handschrift Christi, des Herrn aller im Himmel und auf Erden, dass nichts von dem, wes der Mensch bedarf, denen mangeln werde, welche nach dem Reiche Gottes trachten Matth. 6,33. Verlass dich auf diese Zusage Christi, sie wird nicht trügen, denn er ist die Wahrheit Joh. 14,6. Der Geiz ist die höchste Abgötterei Kol. 3,5, weil sie die Geschöpfe an den Platz Gottes stellt. Der Geizige trägt das Gott schuldige Vertrauen auf die Geschöpfe über. Was mehr geliebt wird als Gott, dass wird Gott vorgezogen. Was Gott vorgezogen wird, das wird an den Platz Gottes gestellt. Esau verkaufte das Recht seiner Erstgeburt für eine Mahlzeit 1 Mos. 25,33: so verlieren viele das von Christo erworbene Erbe des himmlischen Reichs um des Erwerbs willen von zeitlichen Gütern. Judas verkaufte Christum für dreißig Silberlinge Matth. 26,15: die Geizigen verkaufen die Gnade Christi für zeitlichen Reichtum. Wie kann der sein Verlangen auf das Himmelreich richten, welcher täglich sich sättigt mit dem Futter der Säue? Wie kann der mit Erhebung des Herzens nach Gott streben, welcher die Ruhe der Seele im Reichtum zu finden sucht? Reichtümer sind Dornen, sagt die Wahrheit Matth. 13,22. Wer also den Reichtum liebt, der liebt in Wahrheit die Dornen. O ihr Dornen, wie viele Seelen erstickt ihr! Die Dornen hindern das Emporsprossen des Samens: so hindert die Sorge um den Reichtum die geistliche Frucht des Wortes. Die Dornen verletzen den Körper mit Stichen: so ängstet der Reichtum die Seele mit Sorgen. Du wirst verloren gehen, wenn du nur vergänglichen Reichtum sammelst. Die Schätze auf Erden sammeln, die sind gleich denen, welche ihre Feldfrüchte in tiefen und feuchten Orten aufbewahren, ohne zu beachten, dass es gar nicht anders kommen können als dass sie da sehr schnell dumpfig werden. Wie töricht sind die, welche in den Reichtum das Ziel ihrer Wünsche stellen! Wie kann eine leibliche Sache die Seele, welche Geist ist, stillen, da vielmehr die geistige Natur durch eigne Kraft das Leibliche so in sich fasst, dass sie durch keine Menge kann ausgefüllt werden? Die Seele ist für die Ewigkeit geschaffen; du tust ihr Schmach an, wenn du das Ziel ihrer Wünsche in Zeitliches und Vergängliches setzt. Je mehr die Seele zu Gott erhoben wird, um so mehr wird sie von der Liebe des Reichtums abgezogen.

Alles, je näher es dem Himmlischen ist, um so weniger begehrt und sammelt es das Geringere, wie die Vögel unter dem Himmel weder säen, noch ernten Matth. 6,26. Es ist ein großes Zeichen, dass die Seele auf das Himmlische denkt, wenn sie die irdischen Güter gering achtet und verachtet. Die Mause und die kriechenden Geschöpfe sammeln in Höhlen, denn sie sind von niederer Art und von unedlerer Natur als die Vögel. Ein großes Zeichen ist es, dass die Seele von Gott abgewendet und an das Irdische geheftet ist, wenn sie dem Reichtum mit unordentlicher Liebe anhängt. Gott hat dir die Seele gegeben, und du vertraust ihm die Sorge des Fleisches nicht an? Die Vögel unter dem Himmel nährt Gott, und du zweifelst, ob er dich erhalten wolle, da du doch zu seinem Bild geschaffen bist? Die Lilien auf dem Felde kleidet Gott Matth. 6,29, und du zweifelst, ob er für deine Kleidung Sorge tragen wolle? Schäme dich, dass der Glaube und die Vernunft das bei einem Menschen nicht ausrichten kann, was der natürliche Instinkt beim Vogel ausrichtet. Die Vögel säen weder, noch ernten sie, aber die Sorge für ihren kleinen Leib überlassen sie Gott. Die Geizigen messen den Worten Gottes keinen Glauben bei, bevor sie selbst für ihre Erhaltung Vorsorge treffen. Der Geizige ist der Ungerechteste. Warum? Weil er nichts mit in die Welt gebracht, und doch so besorgt um die irdischen Güter ist, als wollte er das Allermeiste mit sich aus der Welt nehmen. Der Geizige ist der Undankbarste. Warum? Weil er vieler Güter Gottes genießt, und niemals mit Vertrauen des Herzens zum Geber der Güter sich erhebt. Der Geizige ist der Traurigste. Warum? Weil er das wahre Gut verlässt, ohne das es nichts wahrhaft gutes gibt, und dem anhangt, was ohne Gottes Gnade kein Gut ist. Wer von der Liebe zum Irdischen gefesselt wird, der besitzt nicht, sondern er wird besessen. Der Geiz wird weder durch Fülle, noch durch Mangel getilgt. Durch den Mangel wird er darum nicht gemindert, weil die Habgier wächst, wenn das nicht erlangt werden kann, was lange ersehnt ist. Durch die Fülle wird er darum nicht gemindert, weil der Geizige nur um so mehr sucht, je mehr er an sich bringt. Wenn erlangt wird, was von dem Geiz ersehnt ward, so wird zugleich ein neuer Grund des Begehrens geweckt; und so wächst er nach Art des Feuers, wenn es das Holz, das es verzehrt, empfangen hat. Der Geiz ist zuerst ein kleiner Gießbach, hernach aber wächst er ins Unermessliche. Darum setze der Begierde nach Reichtum ein Ziel, damit nicht jene Begierde dich zum ewigen Verderben fortreiße. Viele verschlingen in diesem Leben, was sie nachher in der Hölle zu verdauen haben: viele, indem sie nach Gewinn schmachten, rennen in das augenscheinlichste Verderben.

Das erwäge, andächtige Seele, so viel du vermagst, und fliehe den Geiz. Nichts von den Gütern wirst du mit dir nehmen zum Gericht, außer was du den Armen gegeben hast. Versage den Armen deine vergänglichen und hinfälligen Güter nicht, für die Christus sein Leben zu lassen nicht verschmäht hat. Gib dem Armen, damit du dir gibst. Was du dem Armen wirst nicht gegeben haben, das wird ein anderer haben. Der ist zu geizig, dem der Herr nicht genügt: der hofft in Wahrheit noch nicht auf das Himmlische, der die irdischen Güter hoch schätzt. Wie würde der sein Leben für den Bruder lassen 1 Joh. 3,16, der dem Bruder, der ihn bittet, eine leibliche Gabe versagt? Der Schatz im Himmel ist die Hand des Armen; was sie aufnimmt, damit es nicht auf der Erde verloren gehe, das legt sie im Himmel nieder. Willst du Christo einen angenehmen Dienst erweisen? Erzeige den Armen eine Wohltat: was an den Gliedern gutes getan wird, das nimmt das Haupt an, gleich als wäre es ihm getan Matth. 25,40. Christus spricht zu dir: Gib mir von dem, was ich dir von dem Meinen gegeben habe. Tue Gutes von dem Guten, um deswillen du noch nicht gut bist, damit du dir Gutes erwirbst. Teile richtig das Irdische aus, damit du es bewahrst, denn durch zu großes Kargen wirst du es verlieren. Höre Christi Mahnung, damit du nicht dereinst im Gericht ihn musst sagen hören: Geht hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht gespeist Matth. 25,41.42. Eine heilige Saat ist das Almosen; je nachdem sie kärglich oder reichlich gestreut ist, wird die Ernte entweder eine kärgliche oder reichliche sein 2 Kor. 9,6. Willst du zur Zahl der Schafe gehören, so erweise auch den Schafen Gutes. Lass dich die Böcke erschrecken, die zur Linken gestellt sind, nicht weil sie geraubt, sondern weil sie nicht geweidet haben.

Neige, o Gott, unser Herz zu deinen Zeugnissen, und nicht zum Geiz! Ps. 119,36.

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