Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Betrachtung über die Vorherbestimmung.

Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Betrachtung über die Vorherbestimmung.

In Christo ist die Erwählung geschehen.

Andächtige Seele, so oft du zum Nachdenken über deine Vorherbestimmung dich anschickst, so siehe auf Christum, der das Kreuz erduldet, für der ganzen Welt Sünden stirbt, und um unserer Gerechtigkeit willen aufersteht Röm. 4,25. Fange von Christo an, da er in der Krippe liegt; so erst wird die Betrachtung über deine Vorherbestimmung in der rechten Ordnung ihren Verlauf nehmen.

Gott hat uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war Eph. 1,4, aber doch ist die Erwählung in Christo geschehen. Bist du daher in Christo, so zweifle nicht, dass auch auf dich die Erwählung sich beziehe. Hängst du mit fester Zuversicht des Herzens Christo an, so zweifle nicht, dass du in der Zahl der Erwählten dich befindest. Willst du von vorn herein und außerhalb des Weges, den das Wort dir vorzeichnet, die Tiefe der Vorherbestimmung erforschen, so steht sehr zu fürchten, dass du in die Tiefe der Verzweiflung gerätst. Außer Christo ist Gott ein verzehrendes Feuer 5 Mos. 4,24; hüte dich also, dass du dich diesem Feuer nicht nahst, damit du nicht verzehrt wirst. Außer der Genugtuung Christi klagt Gott alle durch die Stimme seines Gesetzes an, verdammt er alle; hüte dich also, dass du nicht aus dem Gesetz das Geheimnis der Vorherbestimmung schöpfst.

Forsche nicht nach allen Gründen der göttlichen Ratschlüsse, damit deine Gedanken dich nicht in große Irre führen: Gott wohnt in einem Licht, da Niemand zukommen kann 1 Tim. 6,16; unterfange dich nicht, ohne Bedacht zu ihm zu nahen. Aber doch hat Gott das Licht des Evangeliums uns geoffenbart; in diesem wirst du die Lehre dieses Geheimnisses sicher erforschen können, in diesem Licht wirst du das wahre Licht sehen Ps. 36,10. Verlass die Tiefe dieses ewigen und von Ewigkeit her geschehenen Ratschlusses, und wende dich zu der Klarheit der in der Zeit geschehenen Offenbarung. Die Rechtfertigung, die in der Zeit geschehen ist, ist der Spiegel der Erwählung, die ohne Zeit geschehen ist. Erkenne aus dem Gesetz den Zorn Gottes wegen der Sünden, und tue Buße; erkenne aus dem Evangelio die Erbarmung Gottes wegen des Verdienstes Christi, und eigne sie dir zu kraft des Glaubens; erkenne das Wesen des Glaubens, und beweise ihn durch frommes Leben; erkenne im Kreuz eine väterliche Züchtigung, und trage es durch Geduld: dann erst fange an dich mit der Lehre von der Vorherbestimmung zu beschäftigen. Diesen Lehrgang empfiehlt der Apostel; diesem Lehrgang folge der wahre Schüler des Apostels.

Drei Stücke sind es, auf die in diesem Geheimnis zu achten ist: die Erbarmung des liebenden Gottes, das Verdienst des leidenden Christus, die Gnade des durch das Evangelium berufenden heiligen Geistes. Die Erbarmung Gottes ist eine allgemeine, denn er hat die ganze Welt geliebt Joh. 3,16; die Erde ist voll der Güte des Herrn Ps. 33,6, ja sie ist größer als Himmel und Erde, denn sie ist so groß wie Gott selbst Sir. 2,23, weil Gott die Liebe ist 1 Joh. 4,16. Er hat selbst in seinem Wort bezeugt Ezech. 33,11, dass er keines Menschen Tod will: wäre das noch zu wenig, so hat er es auch mit einem Eid bekräftigt: kannst du Gott nicht glauben, wenn er verheißt, so glaube ihm wenigstens, wenn er um deines Heils willen schwört. Er heißt der Vater der Barmherzigkeit 2 Kor. 1,3, weil es zu seinem Wesen gehört, sich erbarmen und schonen. Die Ursache und den Anlass zum Erbarmen schöpft er aus seinem Eigenen, zum Richten oder Rächen mehr aus dem Fremden, so dass bei weitem anders aus seinem Herzen die Erbarmung als die Strafe hervorzugehen scheint.

Ein allgemeines ist auch das Verdienst Christi, weil er für der ganzen Welt Sünde gelitten hat 1 Joh. 2,2. Was könnte also von der Barmherzigkeit Gottes klarer zeugen, als dass er uns geliebt hat, da wir noch nicht waren, weil unsere Erschaffung das Werk seiner Liebe ist. Er hat uns noch obenein geliebt Röm. 5,8, da wir Feinde waren, weil es das Werk seiner Liebe ist, dass er uns seinen Sohn zum Heiland gegeben hat. Zu dem Sünder, der zu ewigen Qualen verurteilt ist und nicht hat, womit er sich erlöse, spricht Gott, der Vater: Nimm hin meinen Eingeborenen und gib ihn an deiner Statt; der Sohn selbst spricht: Nimm mich, und erkaufe dich. Eine Blume des Feldes Hohel. 2,1, und nicht eine Blume des Gartens ist Christus, weil der Wohlgeruch seiner Gnade nicht etlichen unzugänglich, sondern allen zugänglich ist; und, damit du nicht an der Allgemeinheit seines Verdienstes zweifeln möchtest, bat der leidende Christus für die, welche ihn kreuzigten Luk. 23,34, und vergoss sein Blut für die, welche selbst sein Blut vergossen.

Allgemein sind auch die Verheißungen des Evangelii, weil Christus zu allen spricht: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid Matth. 11,28. Was für alle geleistet ist, das wird auch allen angeboten. So weit du diese Güter kraft des Glaubens dir zu eigen machst, so weit wirst du sie besitzen. Gott versagt Niemandem seine Gnade, außer wer sich selbst derselben unwert achtet.

Betrachte daher, gläubige Seele, diese drei Grundpfeiler der Vorherbestimmung, und stütze dich auf sie mit festem Vertrauen deines Herzens. Betrachte die früheren Wohltaten der göttlichen Barmherzigkeit, und du wirst über die beharrliche Dauer derselben nicht zweifeln. Da du noch nicht warst, hat dich Gott geschaffen; da du durch Adams Fall verurteilt warst, hat er dich erlöst. Da du außer der Kirche in der Welt lebtest, hat er dich berufen; da du in Unwissenheit warst, hat er sich unterwiesen; da du in der Irre gingst, hat er dich herum geholt; da du sündigtest, hat er dich zurecht gewiesen; da du standest, hat er sich gehalten; da du fielst, hat er dich aufgerichtet; da du gingst, hat er dich geleitet; da du zu ihm kamst, hat er dich aufgenommen. Im Warten offenbarte sich bei allem dem seine Langmut, im Vergeben seine Freundlichkeit. Die Barmherzigkeit Gottes ist dir zuvor gekommen, hoffe, dass sie dir auch folgen werde Ps. 23,6. Die Barmherzigkeit Gottes ist dir zuvor gekommen, damit du geheilt werdest; sie wird dir auch folgen, damit du verherrlicht werdest; sie ist dir zuvor gekommen, damit du fromm lebst, sie wird dir auch folgen, damit du in Ewigkeit mit ihm lebst. Warum bist du, da du fielst, nicht zu Grunde gegangen? Wer hat die Hand untergehalten? Wer als der Herr? Baue daher auch in's Künftige auf die Barmherzigkeit Gottes, und hoffe fest auf das Ende des Glaubens, die ewige Seligkeit 1 Petr. 1,9. Denn in welchen Händen könnte der Grund deiner Seligkeit sicherer ruhen, als in denen, welche Himmel und Erde gemacht haben Jes. 66,2, in denen, welche nie zu kurz werden Jes. 59,1, in denen, welche voll sind des innigsten Erbarmens, und sich auftun dasselbe sich ausbreiten zu lassen?

Bedenke aber auch, andächtige Seele, dass wir von Gott erwählt sind, damit wir heilig und unsträflich seien Eph. 1,4. Bei welchen daher die Übung des Heiligen Lebens nicht gefunden wird, auf die erstreckt sich auch nicht die Wohltat der Erwählung. Erwählt sind wir in Christo Eph. 1,4, in Christo sind wir durch den Glauben, der Glaube erweist sich durch die Liebe Gal. 5,6: wo also keine Liebe ist, da ist auch kein Glaube; wo kein Glaube ist, da ist auch Christus nicht; wo Christus nicht ist, da ist auch keine Erwählung. Der feste Grund Gottes besteht zwar und hat dies Siegel: der Herr kennt die Seinen, aber es trete auch ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennt 2 Tim. 2,19. Die Schafe Christi wird Niemand aus seiner Hand reißen Joh. 10,27.28, aber die Schafe Christi müssen auch seine Stimme hören. Wir sind Gottes Haus Ebr. 3,6, aber das Vertrauen und den Ruhm der Hoffnung müssen wir bis an's Ende fest behalten. Herr, der du das Wollen gegeben hast, gib auch das Vollbringen! Phil. 2,13.

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