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Spurgeon, Charles Haddon - Das wahre Priestertum, Tempel und Opfer.

gehalten am Sonntag, den 30. September 1877.

„Zu welchem ihr gekommen seid1) als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber bei Gott ist er auserwählt und köstlich. Und auch ihr, als die lebendigen Steine, bauet euch zum geistlichen Hause und zum heiligen Priestertum, zu opfern geistliche Opfer, die Gott angenehm sind durch Jesum Christum.“ 1. Petrus 2,4.5.

Im Beginnen lenke ich eure Aufmerksamkeit auf die Verbindung der zwei Verse: „Zu welchem ihr gekommen seid als zu dem lebendigen Stein, auch ihr, als die lebendigen Steine, bauet euch!“ oder „Zu welchem ihr gekommen seid – ihr werdet ein heiliges Priestertum.“ Überall in der Schrift wird die Verbindung zwischen den Heiligen und ihrem Haupte erwähnt. „In Christo“ ist das wahre Sinnbild aller neutestamentlichen Schriftsteller. Was für köstliche und gute Dinge auch von den Heiligen gesagt werden, ihre Vorrechte und Ehren, so werden wir doch immer daran erinnert, dass diese nur in Verbindung mit dem Herrn Jesus genossen werden, da der Vater uns in Ihm gesegnet und angenehm in dem Geliebten gemacht hat. Wenn wir zu Ihm als dem Grund kommen, so werden wir ein Tempel; wenn wir zu Ihm als zu dem Heiligen in Israel kommen, so werden wir ein heiliges Priestertum, und in Seinem Opfer ruhend, bringen auch wir geistliche Opfer dar. Ihm nahekommend – denn das ist die Stärke des Ausdrucks – näher und näher kommend, wachsen wir in allen Dingen in Ihn hinein und werden vollkommen in Christo Jesu. In dem Gefühl und bewusstem Genuss unserer Vereinigung mit Ihm erhalten wir Verheißungen und empfangen Segnungen, besitzen Vorrechte und üben Ämter aus, die nur in der Vereinigung mit dem Herrn unser sein können. Nur, indem wir zu dem großen Grunde unseres Bundes kommen und nur in dem Maße, wie wir täglich zu Ihm kommen und auf Ihn trauen, wohnt Gott in uns wie in einem Tempel. Nur in dem Maße, wie wir in Verbindung mit dem Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses gesehen werden, erlaubt der Vater uns, ihm als Priester zu dienen und nimmt die Opfer an, welche wir darbringen.

Behaltet diese Wahrheit immer im Auge, weil es viele gibt, die uns anders beurteilen. Das wahre Urteil über jeden Menschen ist, wie er zu Christo steht, ob er in ihm ist und an ihn glaubt oder nicht. Wenn er an den Herrn Jesum glaubt, so ist er in Ihm, und ist durch das Kommen zu Ihm als ein Teil des geistlichen Hauses erbaut; aber wenn er nicht in Christo ist, so mag er sich nennen, wie es ihm gefällt und diesen oder jenen hohen Anspruch erheben, aber er rühmt sich übers Maß hinaus und über die Wahrheit. Verbindung mit Christo ist der Prüfstein der Verbindung mit der wahren Kirche. Wenn wir Mitglieder der rechtgläubigen Kirche der Christenheit sind, so wird es uns nichts helfen, sofern wir nicht geistlich mit Christo verbunden sind. Ohne Christum können wir nichts tun, und sind nichts. Es gibt einige, die uns richten, weil wir nicht mit ihnen gehen. Sie rufen „Der Tempel des Herrn, der Tempel des Herrn sind wir.“ Sie beanspruchen „die Kirche“ zu sein, außer deren Bereich kein Heil ist. Brüder, achtet nicht auf sie, denn wenn ihr in Christo seid, so seid ihr zum geistlichen Haus erbaut und ein Teil der wahren Kirche. Wenn ihr durch lebendigen Glauben zu Jesus gekommen seid und wenn es eure tägliche Übung ist, zu eurem Herrn zu kommen und von Ihm und für Ihn zu leben, so seid ihr Priester Gottes und braucht euch nicht um den Tadel deren zu kümmern, die von Menschen ordiniert sind.

Es sind andere, die uns verurteilen, weil wir den Pomp ihrer Zeremonien verwerfen, den Vorrang ihrer Verbindung mit dem Staat und die Ehrwürdigkeit ihres Altertums. Dieses hat Gewicht für die Unwissenden und Ungeistlichen, aber die, welche von Gott gelehrt sind, kennen die Eitelkeit ihres Prahlens. Lasst euch von ihrem Urteil nicht bewegen, nein, keine Stunde lang, denn wenn ihr wirklich zu Jesu kommt, so baut er selber euch auf zu einem geistlichen Haus und dem, was er tut, mangelt es nicht Ehre und Ehrfurcht. Es ist Vorrang und Altertum genug für uns, wenn wir von dem Herrn Jesu angenommen sind. „Euch, die ihr glaubet, ist Er Ehre.“ Ob eure Tadler es sind oder nicht, ihr seid lebendige Steine, ein geistliches Haus, wenn ihr in Wahrheit immerdar zu eurem Herrn kommt.

Einige gibt es, die uns in der erhabenen Ruhe ihrer Unfehlbarkeit, weil wir nicht ihr Bekenntnis annehmen oder ihr Schibolet aussprechen können, sofort ausschliessen und für falsche Brüder ansehen. Aber wenn wir in unserm Herzen zu Christo kommen, wenn er das Ziel unseres Wandels ist, wenn wir ihn zum A und O machen, und wenn er uns der Anfang und das Ende aller Dinge ist, so mögen wir uns ein wenig um die Verurteilung oder Beistimmung unserer besten Brüder kümmern, da wir in Christo sind und deshalb ein geistliches Haus, für die Einwohnung Gottes aufgebaut. Ich erinnere mich einer Anekdote von den jesuitischen Vätern in der Südsee, die dies veranschaulicht. Als sie sich bei einem Volk der Eingeborgenen eindrängten, das zu Christo bekehrt war, begannen sie dasselbe in ihren Papistischen Abgöttereien durch Bilder zu unterrichten und zeigten unter anderem einen gewaltigen Baum. Die Eingeborenen fragten: „Was ist das?“ „Es stellt die Kirche dar.“ „Und was ist diese Wurzel?“ „O, das ist Jesus Christus.“ „Und der Stamm, was ist das?“ „Das ist die Reihenfolge der Päpste, welche die Stellvertreter Christi sind.“ „Und diese großen Äste, wer sind sie?“ „Es sind die Kardinäle.“ „Und diese Zweige, wer sind die?“ „Es sind die Bischöfe der Kirche.“ „Und wer sind diese kleinen Zweiglein?“ „Es sind die Priester und die Gläubigen.“ „Und wer sind diese armseligen Zweige, die abgeschnitten sind und ins Feuer fallen?“ „Es sind die Ketzer – solche wie Martin Luther, Calvin usw.“ Die Eingeborenen blickten das Bild eine Weile an, rieben sich die Augen, erklärten, dass sie nicht viel davon verständen, aber mit großer Fröhlichkeit riefen sie aus: „Es steht alles recht mit uns, denn wir haben die Wurzel.“ So können wir sagen, wenn wir zu Jesu Christo, unserm Herrn, gekommen sind, wachsen wir aus der Wurzel heraus und brauchen keinen Zweifel darüber zu haben, ob wir am rechten Ort sind. Die Rebe, welche aus ihm hervorwächst, muss eine wahre Rebe des Weinstocks sein: der Stein, welcher auf ihm als dem Grund ruht, muss ein wahrer Teil des geistlichen Tempels sein.

Unsere einzige Hoffnung liegt darin, dass wir von ihm und in ihm sind, wir kennen keine andere. Welche Würde, außer ihm, sich auch die Menschen zuschreiben, wahrlich, ich sage euch, wir kennen diese Menschen nicht und unterwerfen uns ihnen auch nicht. Sie mögen uns erzählen, was sie sind, aber wir wissen nur, was Jesus ist. Es steht geschrieben: „Die Schafe kennen seine Stimme. Einem Fremden aber folgen sie nicht nach, denn sie kennen des Fremden Stimme nicht.“ Wir kennen nicht die vielen fremden Stimmen, die in der Welt sind, die da wollen, dass wir ihnen folgen und uns ihrer Autorität beugen; aber wir kennen die Stimme des großen Königs in Zion und freuen uns, zu fühlen, dass, wenn wir in Ihm erfunden werden, wir in Ihm angenommen sind und in Ihm heute als lebendige Steine zum geistlichen Hause erbaut werden.

Ich habe heute morgen vorzuzeigen, dass wir, die in Christo sind, das alles wirklich haben, was der Ritualismus zu besitzen vorgibt: die Jünger dieses Glaubens haben ihre Freude an dem Schatten, aber wir an dem Wesen.

Denn zuerst, wir sind ein Tempel – „erbaut zum geistlichen Hause;“

zweitens, wir sind ein Priestertum – „zum geistlichen Priestertum“; und drittens, wir haben unsere eigenen besonderen Opfer, – „zu opfern geistliche Opfer, die Gott angenehm sind durch Jesum Christum“.

I.

Zuerst denn, alle die, welche zu Christo kommen, Ihm täglich näher und näher kommen, werden als lebendige Steine zu einem Tempel erbaut. Die Heiligen, als Ganzes betrachtet, sind ein heiliger Tempel des Herrn. Sie werden ein geistliches Haus genannt im Gegensatz zu dem alten sichtbaren Hause, in dem das Sinnbild der göttlichen Gegenwart in der Mitte Israels leuchtete, jenem Tempel, der die Wonne der Juden war, die ihn für schön hielten um seiner Lage willen und für die Freude der ganzen Welt. Wir haben jetzt nichts mehr mit äußeren Tempeln zu tun; wir sind ganz frei davon, denn das Sinnbildliche ist dem Wirklichen und Geistlichen gewichen. Von dem Tempel Salomos müssen wir stets mit Ehrerbietung sprechen, da Gott ihn eine Zeitlang zum Mittelpunkte seiner Verehrung machte, doch muss er nicht zu hoch geehrt werden, denn Gott hatte niemals sehr große Freude an seiner Pracht und tat nur wenige mächtige Werke unter seinem Glanze. Ihr erinnert euch, dass, als David sich vornahm, ihn zu bauen, der Herr mehr der Schwachheit seines Dieners nachzugeben schien als sich über das Vorhaben zu freuen, denn er sprach: „Habe ich doch in keinem Hause gewohnt seit dem Tage, da ich die Kinder Israel aus Ägypten führte, bis auf diesen Tag, sondern ich habe gewandelt in der Hütte und Wohnung, wo ich mit allen Kindern Israels hinwandelte; habe ich auch je geredet mit irgend der Stämme Israels einem, dem ich befohlen habe, mein Volk Israel zu weiden und gesagt: Warum bauet ihr mir nicht ein Zedernhaus?“ Der Herr suchte keinen solchen Palast und als er gebaut war, achtete er ihn nicht besonders, denn er spricht durch seinen Knecht Jesaja: „So spricht der Herr: der Himmel ist mein Stuhl und die Erde meine Fußbank; was ist’s denn für ein Haus, das ihr mir bauen wollt? Oder welches ist die Stätte, da Ich ruhen soll? Meine Hand hat alles gemacht, das da ist, spricht der Herr. Ich sehe aber an den Elenden und den, der zerbrochenen Geistes ist und der sich fürchtet vor meinem Wort.“ Stephanus, als er die Geschichte Israels wiederholte, weist auf den Tempel, aber verwahrt sich sorgfältig gegen die Vermutung. als wenn er ihm besonders große Wichtigkeit beilegte. Er sagt: „Salomo aber baute Ihm ein Haus.“ Aber der Allerhöchste wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind; und führt dann die Stelle aus dem Propheten an, die ich eben erwähnte. Als die Apostel dem Tempel gegenüber niedersaßen, den Herodes erneuert hatte, und von Staunen erfüllt waren über die großen Steine, aus denen er gemacht war, schien unser Herr durchaus nicht ihre Verwunderung für seine Herrlichkeit zu teilen, sondern sprach: „Es wird nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.“ Hätte Gott sich um den Tempel gekümmert, so hätte er ihn bis auf diesen Tag erhalten können, aber siehe, gleich einem Traum der Nacht ist er vergangen; und kein Befehl ist seit der Zeit an die Knechte des Herrn ergangen, Tempel zu bauen. Wir haben ein edleres Werk zu tun, indem wir das geistliche Haus aufbauen, und brauchen uns nicht mit dem Bau prächtiger Häuser, von Händen gemacht, zu beschäftigen. Ich fürchte, der hoffärtige Baustil, der jetzt so sehr Mode ist für die Orte christlicher Gottesverehrung, ist nur einer jener schlechten Zeichen der Zeit, die ein Abweichen von der innerlichen und schriftgemäßen Anbetung andeuten. Der Prophet Hosea sagte vor Alters: „Israel vergisst seines Schöpfers und baut Kirchen.“ Es ist, fürchte ich, überall zu viel Zurückgehen zu den schwersten und dürftigen Satzungen der äußerlichen und materiellen Gottesverehrung und ein Zurückweichen von reiner, geistlicher Anbetung; selbst die von reinerer Art trachten nach sichtbarem Gepräge und den Genüssen der Musik und schöne Künste als Beigaben zum Gottesdienst. Gott, der Ewige, hat unter jenem blauen, mit Sternen besäten Gewölbe einen weit herrlicheren Tempel als alle, welche Baumeister entwerfen oder der Reichtum der Erbauer und die Kunst der Maurer je errichten können. Die ganze Baukunst der Menschen ist nur ein Kinderspiel verglichen mit dem großen Weltall Gottes, welches der Tempel des Unendlichen ist; und was uns die bezauberndste Musik scheint, ist sicherlich ein Misston in seinen Ohren. Es ist bedeutsam, dass Johannes von dem Himmel, wo Gott am besten verehrt wird, sagt: „Ich sah keinen Tempel darinnen.“ Wo jeder Ort heilig ist, wozu tut da ein Tempel nötig [sein]? Und wo jedes Wesen vollkommen sein wird und auf immer voll anbetender Liebe, da wird es keines auserwählten Altars, keiner bestimmten Stunde der Versammlung bedürfen. Wenn wir heilig werden, wie wir es sein sollten, werden wir alle Orte und Stunden als dem Herrn geweiht ansehen, und wir werden immer in seinem Tempel wohnen, weil Gott überall ist. Wenn wir einen Fleck heilig nennen und einen andern nicht, so zeigen wir nur, wie viel von der Erde wir dem Teufel überlassen; diesen traurigen Aberglauben schüttelt von euch ab, ich bitte euch. Wir haben Christum nicht also gelernt, dass wir ein Gebäude als geweihter betrachten denn ein anderes, denn wir wissen, dass er alle Plätze und Dinge reinigt, und hinfort ist uns nichts gemein und unrein; nur soweit wie die Sünde verunreinigt und Befleckung bringt. Wir sind also ein geistlicher Tempel im Gegensatz zu allen äußerlichen Tempeln, selbst dem Salomos mit den übrigen eingeschlossen.

Wir sind ein geistlicher Tempel, aber darum nicht weniger wirklich. Das, was geistlich ist, hält man zuweilen für mystisch und eingebildet, aber in der Tat, es ist nicht so. Die sichtbaren Dinge sind die schatten- und traumhaften; die unsichtbaren sind die wesentlichen und ewigen. Unser Herr Jesus nannte seinen Leib den Tempel Gottes; er sagte: „Brechet diesen Tempel ab und ich will ihn in drei Tagen wieder aufbauen.“ Als ein Tempel Gottes war der Leib Christi etwas sehr Wirkliches. Seine Menschheit war kein bloßer Schein. Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, so dass der Apostel Johannes sagt: „Wir sahen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ Sein vollkommener Leib war ein wahrer Tempel, den Gott gemacht und nicht Menschen, und gerade ebenso wahr und wirklich ist der geistliche Tempel, von welchem der Text redet. Mit gleicher Wahrheit sagt der Apostel Paulus, dass unsere Leiber „ein Tempel des Heiligen Geistes sind, der in uns ist;“ und das nicht in der Einbildung, sondern in Wirklichkeit, wie der Zusammenhang der Stelle beweist, weil er uns deshalb die Hurerei fliehen heißt. (1. Korinther 6,18.19.) Es hätte nicht eine bloße Einbildung als tatsächlichen Grund gebraucht, um die Reinheit unseres Leibes zu bewahren. Die Kraft des Beweises muss in seiner Wahrheit liegen, deshalb sind die Leiber der Heiligen wirklich und in der Tat Tempel des Heiligen Geistes. Überdies, die ganze Kirche zusammen, die ganze Menge der Erwählten, die ganze Schar der Erlösten, Wiedergeborenen und Berufenen werden „erbaut zu einer Behausung Gottes im Geist,“ und dies ist auch etwas sehr Wirkliches. Lest die zwei Verse in 1. Korinther im 3. Kapitel: „Wisset ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? So jemand den Tempel Gottes verderbt, den wird Gott verderben, denn der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr.“ Gewiss, dies kann sich nicht auf Erdichtung oder einen Traum beziehen, sonst würde die Strafe für das Verderben einer bloßen Vorstellung furchtbar sein.

Doch, obwohl wirklich, ist der Tempel Gottes in den Heiligen geistlich; eine Kirche besteht aus geistlichen Menschen und ihre Tempelform ist geistlich. Euer Auge kann jetzt noch nicht die Kirche sehen, in welcher Gott wohnt. Worte werden heutzutage so missbraucht, dass man einen Turm und ein Gebäude von Stein oder Ziegel und Kalk eine Kirche nennt, was nicht richtig sein kann, denn die Kirche ist eine Gesellschaft gläubiger Menschen. Ach, man hat die Sprache noch mehr verkehrt und man macht eine Gesellschaft geistlicher Beamten, ob wiedergeboren oder nicht, zur „Kirche“. „In die Kirche2) gehen“, ist eine geläufige Redensart, welche die Unwissenheit derer zeigt, die sie gebrauchen. Dies ist aber nicht alles, es gibt keine sichtbare Kirche, die beanspruchen kann, die alleinige Kirche zu sein. Ich sage euch, die Kirche Jesu Christi ist sehr verschieden von diesen Gesellschaften, die Kirchen genannt werden. Die sichtbare Kirche enthält einen großen Teil der wahren Kirche Christi, aber sie ist nicht ein und dasselbe damit. Gleich ihrem Herrn ist die Kirche noch verborgen und die Schöpfung selber wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes. Der Herr hat ein überall zerstreutes Volk, dessen Leben mit ihm in Gott verborgen ist, und dies macht den wirklichen Tempel Gottes aus, in welchem der Herr wohnt. Menschen jedes Namens, Klimas und Alters werden zum Leben erweckt, zu lebendigen Steinen gemacht und dann auf Christum gelegt – und diese bilden den wahren Tempel, welchen Gott gebaut hat und nicht Menschen, denn er wohnt nicht in Tempeln mit Händen gemacht; das heißt von Menschen erbaut, sondern er wohnt in einem Tempel, den er selbst gebaut zu seiner ewigen Wohnung und gesprochen: „Dies ist meine Ruhe ewiglich, hier will ich wohnen, denn es gefällt mir wohl.“

Dieser Tempel ist geistlich und deshalb lebendig: Ein materieller Tempel ist tot, ein geistlicher Tempel muss lebendig sein. Darum sagt uns der Text: „ihr auch als die lebendigen Steine.“ Wahre Gläubige sind voll Leben, so mit Christo vereinigt, dass sie ein Teil des lebendigen Felsens sind, voll geistlicher Lebendigkeit. Gott hat sie von den Toten erweckt, der Heilige Geist ist gekommen, von ihnen Besitz zu nehmen, weiland waren sie tot in Sünden und Übertretungen, aber jetzt leben sie durch den lebendigen Samen, den Gott in sie gelegt und was sie im Fleisch leben, ist das Leben Christi in ihnen. „Ich lebe, doch nicht ich“, sagt der Apostel, „sondern Christus lebt in mir. Kann euer Glaubensauge diesen Tempel Gottes sehen, der aus lebendigen Männern und Frauen gemacht ist, die nicht lebendig sind durch das Leben des ersten Adams, sondern durch jenen zweiten Adam, von dem es heißt: „der zweite Adam ist zu einem lebendigen Geiste gemacht.“ Fasst diese lebendigen Menschen zusammen in eine Organisation, die dem innern Leben freie Bewegung gewährt, so habt ihr den göttlichen Dom vor euch, in dem Jehova ewiglich wohnt.

Wir sind ein geistliches Haus, meine Brüder, und deshalb geistlich auferbaut. Petrus sagt: „bauet euch“ – bauet euch durch geistliche Mittel. Ihr könnt nicht Männer und Frauen unter eine Ordnung zwingen und sie eine Kirche nennen; und selbst wenn sie freiwillig zusammentreten, werden sie doch kein Tempel für den Herrn sein, wenn nicht der göttliche Geist sie zusammenfügt. Gottes Tempel baut sich nicht selbst, der Mensch baut ihn auch nicht, sondern er ist das alleinige Werk Gottes. Der Geist Gottes bricht aus dem Steinbruch der Natur die noch toten Steine und trennt sie von der Masse, mit welcher sie zusammen waren; er gibt ihnen Leben und dann bildet, formt, poliert er sie und sie werden, ohne dass man „Hammer und Beil hört“, jeder an seinen bestimmten Platz gebracht und aufgebaut in Christo Jesu. Die alten Heiden fabelten von der Musik des Orpheus, dass sie so lieblich sei, dass die Felsen um ihn her zu tanzen begannen, als er die süßen, schmelzenden Töne ausströmen ließ, und da er fortfuhr zu spielen, richteten sie sich auf sein Geheiß zu einem Tempel auf. Dies ist wahr von unserm Herrn Jesu, die Musik seines göttlichen Wortes bringt uns Steine durch den Geist von den verschiedenen Teilen des Feldes, wo wir lagen und fügt uns zusammen, Stein bei Stein, bis ein heiliger Tempel in dem Herrn zu seinem Preis ersteht. Möge der Heilige Geist in dieser Weise unter uns wirken und möge er in uns allen Wohnung machen. Wenn wir, die schon lange in die Kirche hinein gebracht sind, daran denken, wie wir auf den Grund aufgebaut wurden, so lasst uns die Hand preisen, die uns an unsern Platz legte; und wenn wir fest und fester an dem großen Eckstein hängen, zu dem wir immer kommen, so lasst uns Ihn loben, dass dieselbe Liebe, die uns am Anfang an den Eckstein kittete, uns noch stets so fest an unserm Platze hält, dass niemand uns scheiden soll.

Wir sind ein geistliches Haus, liebe Freunde, und deshalb umso tauglicher für die Einwohnung Gottes, der ein Geist ist. Es ist unmöglich, wenn ihr einen Augenblick nachdenkt, Gott sich vorzustellen als wohnend innerhalb Mauern. Das Dach mag von Zedern sein und die Mauern von poliertem Marmor mit seinem Gold überlegt, aber kann die Allgegenwart von einer Mauer eingeschlossen oder von einem Dach überdeckt werden? Der Unendliche, der alle Dinge erfüllt und der alle Dinge machte, der die Himmel ausspannte wie ein Zelt, der auf den Flügeln des Windes daherfährt, wohnt Er innerhalb Mauern, die Menschen gebaut haben? Es kann nur in bildlichem Sinn gesagt werden, dass Er in einem Tempel wohnt: aber dass Er in geistlichen Wesen wohnt, die Er nach seinem eigenen Bild erschaffen hat, dass Er in dem Verstand, dem Denken, der Liebe und Hoffnung und allen den hohen und geistlichen Kräften seines Volkes wohnt, ist sehr angemessen. Ein Geist, der in einem geistlichen Haus wohnt, ein Geist, der in anderen Geistern wohnt und sie alle seine Herrlichkeit widerstrahlen lässt – dies ist eine erhabene Vorstellung und durchaus nicht unmöglich zu verwirklichen. In den Versammlungen der Heiligen wird Gott gekannt, geliebt und befragt. In der Kirche wird er von Herzen verehrt, denn alle wahre Verehrung ist in den Herzen der Seinen und alles andere ist ein Spott darauf. Nicht an euren Altären, o ihr, die ihr eure behauenen Steine aufhäuft; nicht unter euren schön geformten Bogen, o ihr, die ihr die Kunst des Steinmetzen zu zeigen versucht; sondern in euren Herzen, Gläubige, wo Gottes Geschick und Macht gesehen werden – da wird Gott verehrt, ob ihr in der Kathedrale oder auf der Straße seid. Jesus sprach zu der Samariterin: „Es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch zu Jerusalem werdet den Vater anbeten, sondern die wahrhaftigen Anbeter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit, denn der Vater will auch haben, die ihn also anbeten.“ Die äußerlichen Tempel sind abgetan, denn ein geistlicher Tempel ist errichtet. Es ist die Kirche, in der Gott sich offenbart. Wenn ihr des Herrn Liebe, Macht und Gnade kennenlernen wollt, so müsst ihr unter sein Volk gehen, ihre Erfahrungen hören, von ihnen lernen, wie Gott mit ihnen handelt und lasst sie euch, wenn ihr Gnade genug besitzt, es zu verstehen, die Höhe und die Tiefe und Länge und Breite der Liebe Christi sagen, die alle Erkenntnis übertrifft, denn er offenbart sich ihnen, wie er es nicht der Welt tut. Hat er nicht gesprochen: „Ich will in ihnen wohnen und in ihnen wandeln.“ Und die Kirche ist es, der geistliche Palast Gottes, aus der seine Herrlichkeit unter den Menschen scheint. Die Verheißung des 110. Psalms ist: „Der Herr wird das Zepter deines Reiches senden aus Zion. Herrsche unter deinen Feinden.“ Wenn ihr Gottes geistliche Macht zu sehen wünscht, so werdet ihr sie am besten wahrnehmen, indem ihr seht, wie sie durch geistliche Menschen sich erzeigt, die zum geistlichen Hause erbaut sind. Die Kirche Christi ist das Lager, von dem die Heere des Herrn ausgehen, die Völker zu überwinden; es ist das Gezelt, in dem der Friedensfürst sein Hauptquartier dieses letzten Kreuzzuges genommen. Wenn ihr nach dem Mittelpunkt der Völker, wenn ihr Auge und Seele dieser armen Welt entdecken wollt, wenn ihr gern die Herrlichkeit und Trefflichkeit der Menschenkinder sehen wollt, findet die lebendigen Steine [her]aus, die Gott zusammenfügt und ihr werdet die Wohnung des großen Königs sehen.

Aber ich muss euch nun zu dem Punkt zurückbringen, von dem ich ausging, dass all dieses nur in der Unterordnung unter Christo ist: „Zu welchem kommend als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber bei Gott ist er auserwählt und köstlich. Und auch ihr als die lebendigen Steine, bauet euch zum geistlichen Hause.“ Ihr lebt, weil er lebt, ihr seid ein Gebäude, weil er der Eckstein ist, ihr seid geehrt, weil er eure Ehre ist. Von ihm und durch ihn sind alle Dinge. Du bist kein Glied der Kirche, wenn du nicht ein Glied Christi bist; du bist kein lebendiger Stein, wenn du nicht durch das Leben Christi lebst; du bist nicht aufgebaut, wenn du nicht auf ihn gebaut bist. „Was dünkt euch von Christo?“ Das ist der Prüfstein deines ganzen Zustandes. Ist er dein Heiland, dein Alles in allem? Wenn das, so weißt du an diesem Zeichen, dass dich Gott in seinen Tempel hineingebaut hat; aber wenn nicht, so bist du beiseite geworfen wie ein Stein, den man nicht will. Gott gebe uns Gnade, als Kirche zu fühlen, dass wir ein Tempel Gottes sind und wir werden es am besten fühlen, wenn wir täglich immer näher zu Christo kommen, dass wir ganz eins mit Ihm werden.

II.

Außerdem heißt es auch von dem Volk Gottes, dass es ein Priestertum ist. Beachtet, dass von ihm als Ganzem gesprochen wird und nicht nur von einzelnen; das Volk macht ein unsichtbares Priestertum aus: Jeder ist ein Priester, aber alle zusammenstehend sind ein Priestertum, Kraft ihrer Einheit mit Christo. „Also sind wir viele ein Leib in Christo.“ Lasst uns nie aufhören, in Einigkeit und Liebe, denn wir sind alle eins in Christo Jesu und was Gott zusammenfügt, das soll der Mensch nicht scheiden.

Wir sind „ein heiliges Priestertum.“ Dies steht im Gegensatz zu einem weltlichen und Namen-Priestertum. Mich däucht, ich sehe bei Welt Priester, geschmückt mit verschiedenartigen Gewändern und Ziernähten; ein glänzender Anblick, in der Tat für Narren, die ihn angaffen. Ich sehe sie mit ihren vielen Gewändern, ihren verschiedenen Farben, ihren geschorenen oder ungeschorenen Häuptern, je nachdem! Dies sind die Priester des Baal: bloße Schauspieler, Diener eines sichtbaren Schreins, Knechte der Abgötter; dies sind nicht die Priester des lebendigen Gottes, der ein Geist ist und dem von geistlichen Priestern gedient wird. Von diesen äußerlichen Priestern sagt er: „Wer Speisopfer bringt, ist, als der Saublut opfert. Wer des Weihrauchs gedenkt, ist als der das Unrecht lobt.“ Es gibt keine Priester mehr, als nur die, welche in Christo sind und dies Priestertum gehört allen Gläubigen in gleicher Weise an. Wenn ein Mann vortritt und behauptet, ein Priester zu sein, über und neben dem Sinn, in welchem alle Christen es sind, so verachten wir seine Anmaßungen, wir verabscheuen den Gedanken an Gemeinschaft mit solcher Falschheit und wir betrachten den armen Sterblichen als einen, der zu den Satzungen des alten Judentums zurückgeht, wenn er nicht ganz und gar zum Antichrist sich hinwendet. Alle Männer und Frauen, welche in Christo sind und an ihn glauben, werden durch seinen Geist geheiligt und werden so, nicht einige von ihnen, sondern alle, Priester und Könige vor Gott durch Jesum Christum. Das sind sie, nicht in sich selbst, noch durch irgendwelche Gnade, die durch apostolische Succession und dergleichen Menschen hergeleitet wird, sondern durch persönliche und direkte Vereinigung mit ihrem großen Hohenpriester, in dem allen sie ein heiliges Priestertum vor Gott werden.

Dieses Priestertum ist ein sehr wirkliches, obgleich es nicht von der äußeren und sichtbaren Ordnung ist; denn Gottes Priester werden Priester in einer wahren und ausgezeichneten Weise. Die Priester aus dem Geschlecht Aaron waren durch ihre Geburt Priester, wir sind es auch, wiederum geboren in einer hohen und geistlichen Geburt, welche das Priestertum mit sich bringt. An jenem Tage, wo wir wiedergeboren wurden zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten, überkamen wir unser geistliches Priestertum. Wir sind Priester auch durch Salbung, denn wenn der Geist Gottes nicht in uns wohnt, so sind wir keine Priester Gottes, welchen Namen wir uns auch beilegen: aber wo der Geist Gottes mit seiner göttlichen Salbung herabgekommen ist, da ist der Mann, das Weib ein Priester vor dem lebendigen Gott geworden, denn in Christo Jesu ist weder Mann noch Weib, sondern beide sind gleich befähigt, dieses Priestertum auszuüben. Wenn wir vom Heiligen Geist gesalbt sind, so ist unsere Ordination vom Himmel empfangen und niemand kann sie ungültig machen. Und wir sind auch geweiht worden. Brüder, ich will die Wirklichkeit dieser Weihe eurem Urteil überlassen, aber unserer einige können feierlich erklären, dass wenn je etwas wahr in unserem Leben war, so war es unsere Hingabe an Gott. Der Priester im Alten Bund wurde mit dem Blut an seinem Ohr berührt und ist nicht euer Ohr des Herrn, um sein Wort zu hören? Das Blut ward euch auf den Daumen getan und ist nicht eure Hand des Herrn, mit all ihrer Geschicklichkeit und Kraft ihm geweiht? Er ward auch auf der Zehe mit dem Blut bezeichnet, um zu zeigen, dass sein Fuß dem Herrn gehörte; und ist es nicht so mit euch? Fühlt ihr nicht, dass ihr den Weg seiner Gebote laufen wollt, dass ihr in seinem Dienste arbeiten wollt, und auf die Stimme seines Wortes hören? Ihr erkennt an, dass ihr sein seid: ihr bekennt, dass ihr nicht euer eigen seid, sondern teuer erkauft, und deshalb opfert ihr euch ihm auf, für immer sein eigen zu sein nach Geist, Seele und Leib. Diese Weihe ist ein Teil des Vorgangs, durch welchen ihr in Wahrheit zu Priestern vor Gott gemacht werdet.

Wir sind Priester, geliebte Freunde, in Hinsicht auf Gott. Priestertum bedeutet in Israel, dass diese Männer ausgesondert waren, um mit Gott für die übrige Gemeinde zu sprechen. Sie hatten das tägliche Opfer darzubringen und das Feuer des Weihrauchs anzuzünden. Nun ihr, die ihr an Christus glaubet, seid alle Priester – Priester für die Menschheit, für sie zu Gott zu sprechen. Wie der Mensch der Sprecher für die stumme Welt ist, so seid ihr Fürsprecher für ein sündiges Geschlecht. Felder, Hügel, Felsen und Vieh können nicht sprechen, nicht einmal die schäumenden Wogen des Meeres, allein der Mensch ist Auge, Herz und Zeuge der Welt, um für alle zu sprechen; aber ach, die Menschen sind selber wie das stumme, lastbare Vieh vor Gott geworden und so tot wie die Erde, darauf sie treten, und ihr zum Leben erweckte sollt das Priestertum des Weltalls sein, die geweihten Fürsprecher für die Menschenkinder. Ihr sollt mit Gott für die Menschen reden und jeder nach dem Maß seines Glaubens, den Segen herniederbringen auf die Menschenkinder, unter denen ihr wohnt, Ihr steht vor Gott, um für eure Mitmenschen zu sprechen; tragt Sorge, dass ihr dies mit großem Ernst tut.

Und ihr seid Priester in Hinsicht auf die Menschen auch, denn der Priester war aus den Menschen erwählt, um nötige Ämter zum Besten der Menschen auszuüben. Des Priesters Lippen sollten die Lehre bewahren, und wenn ihr so seid, wie ihr sein sollt, so haltet ihr fest an dem Glauben, den ihr einst von den Heiligen überkommen habt. Die Priester lehrten Gottes Wort und so müsst auch ihr unter denen, mit welchen ihr lebt, die göttliche Gnadenbotschaft verkünden. Als Lichter müsst ihr in der Welt scheinen, das Wort des Lebens empor haltend. Es ist an euch, die Lehrer des Volkes zu sein: Gott hat euch zu dem Amt geweiht; vernachlässigt es nicht, damit das Blut von Menschenseelen vor eurer Tür liege.

Der Priester war nicht nur Lehrer, sondern auch der Fürbitter des Volkes. Das müsst auch ihr sein. O hört nicht auf, Tag und Nacht für die Menschen zu beten, bis Gott sein Licht an die dunkelsten Örter der Erde sendet. Ihr, die ihr den Herrn kennet, schweigt nicht, bis die Zeit der Gnade für Zion kommt.

Die Priester sollten auch das Volk erregen und deshalb hatten sie die silbernen Posaunen in ihrer Hut. Sie mussten dieselben am Neumond blasen und den Sabbat und das Jubeljahr verkünden: ihre Sache war’s, das Zeichen zum Kriege zu geben; ihre Sache, in der Wüste die Stämme zusammen zu rufen, um sie ziehen oder halten zu lassen, wie der Herr es befahl. O, gläubige Männer und Frauen, ihr habt die Welt zu erregen. Gott hat euch lebendig gemacht, nicht allein um eurer selbst willen, denn keiner lebt ihm selber in diesem Priestertum, sondern auf dass ihr Mitleiden mit den Unwissenden und Verirrten habt und sucht, die Sorglosen zu erwecken und sie zu Gott zu führen.

Die Priester sollten das Volk segnen. Es war ihr Vorrecht, den Namen Gottes über sie auszusprechen. O, lebt ein segensreiches Leben, und wie euer Herr, als er gen Himmel fuhr, mit ausgebreiteten Armen hinaufging, sein Volk segnend, so lasst eure Bahn auf Erden gleich der des Aufgefahrenen sein, ein Leben, das Segnungen über die Menschenkinder ausstreut, und lasst seinen Schluss voll Liebe zu denen sein, die ihr zurücklasset. So werdet ihr durch die Tat das heilige Priestertum sein, als welches Gott euch haben will.

Dies ist euer Amt und Dienst immer und an jedem Orte. Ihr seid ein heiliges Priestertum; nicht nur an des Herrn Tage, wenn ihr in sein Haus kommt, sondern zu allen Zeiten. Was ist dieses Haus mehr als ein anderes? Ihr seid ein Priestertum überall, jeder Zeit, nicht abhängig von dem Orte, da ihr steht, oder dem Anzug, den ihr tragt. Wie bekleidet dies des Christen Leben mit Würde! Ihr sollt essen und trinken und schlafen und wachen, und die ganze Zeit in eurem Priestertum bleiben. Für euch sind die Kammer und das Wohnzimmer und die Werkstatt und das freie Feld und die Straße alles Plätze für die Ausübung eurer priesterlichen Geschäfte. Seht ihr nicht, dass es so sein muss, denn ihr tragt euren Tempel mit euch? Ihr selbst seid der Tempel Gottes. Ihr seid immer darin, denn euer Leib ist der Tempel. Ihr seid immer in eurem Tempel, denn ihr seid dazu erbaut und Steine bewegen sich nicht, wenn sie einmal aufgebaut sind, so dass ihr, wo ihr auch wohnt, doch an einem Ort des Dienstes und der Gottesverehrung seid. Kommt ihr dahinan, meine Brüder? Sucht ihr, es zu tun? Macht ihr eure gewöhnlichen Mahlzeiten zu Sakramenten? Macht ihr eure gewöhnlichen Arbeitskleider zu Priestergewändern? Macht ihr eure Rede zu einem Dankopfer? Macht ihr eure Gedanken zu süßem Weihrauch vor dem Höchsten? Das ist’s, wozu ihr berufen seid – ein heiliges Priestertum zu sein. Unheiligkeit in euch ist eine Geringschätzung des Amtes, mit dem Gott euch bekleidet hat. Unheiligkeit in euch ist, als wenn der Hohepriester seine Kleider der Herrlichkeit und Schönheit abgelegt und sich in das buntscheckige Gewand eines Narren gekleidet hätte.

Nun Brüder, ich rufe euch wiederum zu dem Punkte, von dem wir ausgingen. Ihr seid nur ein heiliges Priestertum, wenn ihr in Christo seid. Christus ist der Erwählte Gottes und ihr seid in Ihm erwählt; Er ist ein König, und deshalb seid ihr ein königliches Priestertum in Ihm; Er ist ein heiliger Fürst und ihr werdet ein heilig Volk in Ihm; Er ist Gottes besonderes Kleinod und ihr werdet ein besonderes Eigentum seiner; aber all dieses ist in Einheit mit Ihm. Wenn ihr von Christo getrennt werden könnt, so habt ihr euer Priestertum verloren. Nur so lange wir in unserem Herrn bleiben, weilen wir in unserer ehrenvollen und bevorzugten Stellung.

III.

Wir müssen nun die Opfer betrachten – „geistliche Opfer, die Gott angenehm sind durch Jesum Christum.“

Wir bringen geistliche Opfer dar im Gegensatz zu den buchstäblichen. Es waren Opfer von Farren und Widdern da unter dem Gesetz, wie ihr gut genug wisst, doch der Herr gab nicht viel darum, denn der Heilige Geist, wenn er vor alters [her] durch Menschen sprach, sah oft diese Dinge als sehr geringfügig an. In einer evangelischen Stimmung, in tiefer Buße wegen seiner Sünde war der Patriarch David imstande, die Unwirksamkeit der gesetzlichen Opfer zu sehen, und schrieb: „Du hast nicht Lust am Opfer, ich wollte dir’s sonst wohl geben, und Brandopfer gefallen dir nicht.“ Und wiederum sagt er von den Dankopfern: „Das wird dem Herrn besser gefallen denn ein Farre, der Hörner und Klauen hat.“ Ebenso und noch umfassender ist der Ausdruck im 40. Psalm: „Opfer und Speisopfer gefallen dir nicht, du willst weder Brandopfer noch Sündopfer.“ Und was folgt: „Da sprach ich: Sieh ich komme, im Buch ist von mir geschrieben, deinen Willen, mein Gott, tue ich gern und dein Gesetz habe ich in meinem Herzen.“ Über diese merkwürdig klare Stelle sagt Paulus: „Da hebt er das Erste auf, dass er das andere einsetze“; er setzt das Tun des göttlichen Willens durch Christum als das große Opfer auf ewig ein.

Ihr und ich, wir bringen keine Lämmer oder Farren, aber wir bringen ein wirkliches Opfer dar, das in seinen Augen viel angenehmer ist, denn es steht geschrieben: „Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.“ Die vorhin angeführte Stelle zeigt, was unsere Opfer sind, denn wir ahmen unserm Herrn nach und sagen: „Deinen Willen, o Gott, tue ich gern.“ Das ist das wahre Opfer. Hatte nicht der Herr vormals durch Samuel geredet und gesprochen: „Gehorsam ist besser denn Opfer und Aufmerken besser denn das Fett von Widdern.“ So heute noch, Geliebte, wenn ihr den Willen Gottes von Herzen tut, wenn ihr eifrig euch bemüht, ausfindig zu machen, was Gottes Wille ist und dann gewissenhaft danach strebt, ihn zu tun, so bringt ihr als Priester geistliche Opfer dar, die Gott angenehm sind durch Jesum Christum. Dieses Opfern nimmt verschiedene Formen an. „So ermahne ich euch nun, dass ihr eure Leiber begebt zum Opfer.“ Ihr sollt euch selbst, Geist, Seele und Leib, Gott zum Opfer darbringen. Ihr sollt auch „Gutes tun und mitteilen, denn solche Opfer gefallen Gott wohl.“ Ihm sollt auch ihr „das Lobopfer bringen allezeit, die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.“ Dem Herrn müsst ihr auch den Weihrauch heiligen Gebets bringen; aber all dieses ist, wie ich meine, einbegriffen in dem Ausdruck: „Deinen Willen, o Gott, tue ich gern.“ Jener Schriftgelehrte sprach vernünftig, welcher unserm Herrn erwiderte, Gott von ganzem Herzen, von ganzem Verstande und Gemüte und mit all unserer Kraft zu lieben und unsern Nächsten als uns selbst, sei mehr als Brandopfer und Opfer.

O, ihr Heiligen, lebt, um Jehovas Willen zu tun. Legt euer Selbst zur Seite; tut die Selbstsucht ab; lebt ganz, um Jesum groß zu machen, um sein Evangelium bekannt zu machen, um den Willen Gottes zu tun, welcher eure Heiligung ist. Lebet für Gott und bringt so unaufhörliches Opfer dar.

Wir kommen zurück, von wo wir anfingen. Der Text sagt: „Gott angenehm durch Jesum Christum“ und erinnert uns so an unsere Abhängigkeit von unserm Herrn Jesus. Ihr habt kein Opfer zu bringen, unabhängig seinem Opfer und nur, wenn ihr in dem Gesetz des selbst aufopfernden Jesus lebt, könnt ihr Gott Opfer darbringen, die er annehmen will.

Ich bin fertig, wenn ich euch noch dies gesagt habe. Geliebte Gläubige, ihr seht euer ehrenvolles Amt; freut euch darin. Bist du arm? Bist du unbekannt? Hast du es schwer, um dein Brot zu arbeiten? Dennoch betragt euch nicht vor den Menschenkindern, als wäret ihr von niederer Herkunft, denn ihr seid Priester vor Gott. Ich freue mich, an Gottes Priester zu denken, wie sie auf unsern Feldern und in unsern Werkstätten arbeiten, ebensowohl als sie sich hier zu dieser Stunde in heiliger Versammlung befinden; Gottes Priester ebensosehr in dem einen Ort als in dem andern. Solche heiligen Priester sind überall um euch her. Ihr kennt sie nicht an dem Tragen eines Baretts oder an jenem hässlichen langen Rock und römischen Kragen, in dem der Welt Priester sich kleiden, sondern ihr kennt die Priester am heiligen Wandel. Wenn ihr heilig vor Gott seid, so habt ihr eure priesterliche Kleidung an, und wenn die Welt euch verwirft, wie sie ihren Herrn verwarf und euch nicht als einen Stein für den Tempel haben will, es macht nichts aus – „der Herr kennt die Seinen“. Er hat euch an euren Platz in seinem heiligen Tempel gesetzt und er wird mit euch wohnen, ja, er wohnt mit euch und will ewiglich bei euch bleiben.

Seht nun eure Verantwortlichkeit und wandelt vorsichtig; denn, was ihr auch tut, wird ein Teil der Taten „des heiligen Priestertums“ sein. Die Priester Gottes müssen rein sein. „Reiniget euch, die ihr des Herrn Geräte tragt.“ Den Tempel des Herrn müssen keine Käufer und Verkäufer, keine Diebe und Räuber verunreinigen; Christus wollte ihn gesäubert haben. Dieses setzt euch in solche verantwortliche Stellung, dass ich euch ernstlich bitten möchte: „Seid vollkommen, wie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ Da ihr zu solchem Amte ausgesondert seid, sollte alles an euch mit dem „Heiligkeit des Herrn“ gezeichnet sein.

Und nun seht noch einmal, welche Gnade euch verliehen ist, dass ihr Priester geworden seid, die in vergangenen Zeiten Feinde Gottes waren. Ihr wart weiland nicht in Gnaden, nun aber seid ein Licht in dem Herrn; ihr wart einst die Knechte Satans, aber nun seid ihr Priester Gottes.

Geht und lebt so, dass die Menschen von euch sagen: „Sie sind Priester des Herrn.“ Möget ihr die Tugenden eures Gottes zeigen und sein Lob verkünden. Ihr habt das Amt empfangen, ehrt es, lebt ihm gemäß, bittet um Gnade, es zu erfüllen. Denkt, welche Würde es euch gibt, denn die Stelle, welche ich eben anführte, sagt: „Euch nun, die ihr glaubet, ist Er Ehre“ – das ist das griechische Wort. Es ist eure Ehre, Christum als euren Heiland zu haben; eure Ehre, Christi Diener zu sein; eure Ehre, Christi gleich zu sein; eure Ehre, durch seine Gnade Priester zu sein, und bald wird es eure Ehre sein, bei Ihm zu sein von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

1)
engl. Übers.: „Zu welchem kommend.“
2)
Das Wort ,church’ ist im englischen Neuen Testament stets gebraucht, wo in unserm deutschen Neuen Testament das Wort „Gemeinde“ steht.